Auslaufen einmal anders
Verdient wäre er gewesen, der Punktgewinn im Volksparkstadion, allein Fortuna hatte etwas dagegen. Und das, obwohl der BVB nach den jüngst erlittenen Verletzungen von Hummels, Frei und Valdez schon fast mit dem letzten Aufgebot im Volksparkstadion antreten musste. So präsentierte sich die Viererkette mit Robert Kovac, im Angriff sollten vor Hajnal Kuba und Zidan für Tore sorgen. Owomoyela besetzte das rechte Mittelfeld.
Spiel
Bereits nach neun gespielten Minuten kam erste Rückschlag für den BVB. Nach einer Ecke köpft Petric den Ball scheinbar unbedrängt über Weidenfeller zum unhaltbaren 1:0 ins lange Eck. Den vorausgegangenen Schubser von Petric an dem vor ihm postierten Kovac hatte Schiedrichter Drees entweder nicht gesehen oder eines Pfiffes für unwürdig befunden. Jedenfalls hätten alle Dortmunder nach diesem Rempler noch vor Jahresfrist „Coole Sau“ gerufen – heute fordern sie vehement den (berechtigten) Freistoß. So schnell ändern sich die Zeiten.
Der Rest des Spiels verlief eher unspektakulär. Einen 25-Meter-Hammer von Subotic lenkt Rost mit den Fingerspitzen noch an die Latte, nach 30 Minuten ist Weidenfeller im Glück, als er einen Pfostenschuss fast ins eigene Tor gelenkt hätte. Drei Minuten später das 2:0 für den HSV durch den bärenstarken Ivica Olic, der nach einer Kopfballverlängerung plötzlich völlig frei auf das Gästetor zuläuft, Weidenfeller routiniert ausspielt und sicher einnetzt.
Nach der Halbzeit kam Klimowicz für den nach seiner Nasenoperation Anfang der Woche noch nicht richtig frisch wirkenden Kuba ins Spiel. Es folgte ein Start in die zweite Hälfte, wie er besser nicht hätte sein können. Frank Rost kann einen Kopfball von Klimo, nach schöner Flanke Owomoyelas, nur nach vorne abprallen lassen, Hajnal nutzt die Vorlage und drischt den Ball zum Anschlusstreffer ins Netz (48.). Das war wie Pils für die Dortmunder Kehlen, die unsere Mannschaft nun mit allen Mitteln nach vorne peitschten. Die Borussen machten vor allem über Hajnal mächtig Druck, allerdings zunächst ohne den Hanseaten wirklich gefährlich zu werden, sicher als Folge der fehlenden Bindung zwischen Mittelfeld und dem frisch aufgestellten Sturmduo. Nun rückte Sebastian Kehl, der über weite Strecken des Spiels alles abräumte, was in seiner Nähe war, mehr und mehr auf und erhöhte den Druck auf das Hamburger Tor. Nachdem Petric in der 68. Minute mit einem Kopfball scheiterte, hatte der zumindest in der zweiten Halbzeit ebenfalls starke Tamas Hajnal eine Minute später Pech, als sein Schuss von der Strafraumgrenze knapp über das Tor ging. Langsam lief der Borussia die Zeit davon, die Mannschaft kämpfte um jeden Ball, kam aber lediglich noch zu einer Chance durch einen Kehl-Kopfball nach Ecke von Hajnal.
Alles in allem wäre es ein normales, unspektakuläres, vom Kampf geprägtes Bundesligaspiel gewesen, das einer unermüdlich kämpfenden Borussia den hochverdienten Punkt einerseits nicht einbrachte, andererseits den zuletzt wankelmütigen Hamburgern etwas Sicherheit für die Aktion „52 Jahre Meisterfrei“ geben dürfte. Wenn, ja wenn da nur nicht dieses „Auslaufen“ gewesen wäre:
Nachspiel
- Jürgen Klopp sprintet mit dem Abpfiff in Richtung Schirigespann, hält kurz inne, als ob er sich fragen würde „Was will ich hier eigentlich?“, rennt weiter, reißt Hajnal von den Unparteiischen weg und sucht anschließend Gesprächspartner für eine, wie er als erfahrener Trainer selbst wissen sollte, ebenso sinnlose wie nutzlose Diskussion über die Nachspielzeit. Sorry Jürgen, so etwas kratz auf Dauer auch am besten Trainerimage - vor allem bei den Schiedsrichtern.
- Kovac poltert nach dem Spiel im Kabinengang wie Loddar in seinen besten Zeiten. Und das, wo er sich mit seiner Aktion nach einer Zeit des Bankdrückens nach nur 90 gespielten Minuten soeben durch eine inakzeptable rote Karte (angebliche Beleidigung in Richtung Schiedsrichter Drees) auf dem Weg zur Kabine vorläufig selbst wieder ins Abseits gestellt hat – wohlgemerkt nach dem Abpfiff.
Damit ist niemandem geholfen. Der Trainer muss nach Hummels Ausfall den nächsten Innenverteidiger integrieren, die Spieler erneut die Abstimmung untereinander suchen und der schwarzgelbe Fan beim nächsten Spiel für gutes Gelingen im Viererverbund beten.
Dennoch sollten diese Aktionen und die liegen gebliebenen Punkte nicht den Blick auf die insgesamt Positive Entwicklung unserer Mannschaft trüben - sowohl aus taktischer als auch spielerischer Sicht.
Tribüne
Stimmungsmäßig präsentierten sich die rund 5.000 Dortmunder – die wieder unverschämt angehobenen Eintrittspreise in Hamburg hinterlassen auch bei den eingefleischtesten Borussen Wirkung – gewohnt stark im Volksparkstadion. Dem verständlichen Durchhänger nach dem 2:0 folgte nach dem Anschlusstreffer der unbedingte Wille, den BVB noch lautstark zum Ausgleich zu schreien. Lediglich in den letzten Spielminuten fehlte noch das letzte Aufbäumen auf den Rängen.
Die Heimfans zeigten zu Beginn eine hübsche Choreo; hübsch, nicht weniger aber auch nicht mehr. Unverständnis und Heiterkeit riefen die Aktionen auf Hamburger Seite hervor. Trotz einer 1:0 Führung wurde in der Anfangsphase des Spiels jeder Balleverlust und jeder Fehlpass mit gnadenlosen Pfiffen belohnt. Einerseits ein Zeichen dafür, wie blank die Nerven der ambitionierten Hanseaten nach den zuletzt sehr durchwachsenen Spielen lagen, andererseits ein Beleg dafür, dass wir in Dortmund über Pfiffe während und nach dem Spiel auf einem sehr hohen Niveau jammern. „De Zoch kütt! „- Unter dieses Motto hatte das kleine, 50 Mann starke Häuflein der Ultras(?) hinter dem Nordtor das Spiel anscheinend gestellt. Permanentes, spielunahängiges Herumgetrommel und Fähnchenschwenken wurde in regelmäßigen Abständen durch das Werfen von Konfetti unterbrochen. Wenige Meter weiter versuchte sich unabhängig davon ein Künstler des Ziegenfells an der Samba. Insgesamt eine grausames Hörvergnügen. Zudem blickte man ständig Richtung Stadiontunnel und erwartete einen Rosenmontagszug. Anders die Oberränge. Hier zeigte sich in der zweiten Halbzeit stimmgewaltig der unbändige Wille, den Rothosen beim Halten des knappen Vorsprungs zu helfen. H-S-V – ein (laut)starker Auftritt des Oberrangs!
Trainerstimmen
Jürgen Klopp:
[...] Wir haben vor dem 2:0 natürlich nichts großartig hinbekommen. Beim ersten Tor kein Mann am Gegner - ich habe es mittlerweile gesehen. Es kommt zum Zweikampf zwischen Mladen und Robert Kovac und, wenn der Schiedsrichter direkt drauf guckt, kann es sein, dass er es pfeift aber ich glaube, es sind schon schlimmere Dinge im Strafraum passiert, die eben gerade rund um Standardsituation herum passieren, die dann auch nicht gepfiffen wurden. [...]
Problem war da, dass wir vorher relativ viel Unruhe hatten bei dieser Standardsituation und ein paar Spieler ihre Gegenspieler noch gesucht haben. Das ist der Fehler gewesen, ein Fehler der passiert ist und beim zweiten Tor war es dann so, dass wir schon Druck gemacht haben und in einen Konter rennen, der einfach ziemlich einfach zu verhindern wäre, in dem man einfach die Absicherung richtig stellt für das Kopfballduell, was dann verloren wurde. Aber wenn die Absicherung richtig steht passiert gar nichts.
[...] wir haben glaub ich richtig Druck gemacht und hätten hier heute sicherlich nicht unverdient einen Punkt mitgenommen und so ist es jetzt eben, wie es alle gesehen haben. Man kann in Hamburg verlieren, wird möglicherweise auch noch anderen Mannschaften passieren, aber wir haben trotzdem heute das Gefühl – obwohl ich mit unserem Spiel nicht unzufrieden bin, dass wir zu wenig abgeholt haben für dass was wir investiert haben [...]
Auf die Frage, was er dem Schiedsrichter nach seinem Schlusswort auf dem Platz gesagt hat:
Also wir sind ja unter uns aber seien wir mal ganz ehrlich, ich bin zum Schiedsrichter gelaufen, die erste Intention war, weil ich gesehen habe dass einige von meinen Spielern auf dem Weg zu ihm waren. Da wollte ich mich dazwischen stellen, dann ist der Linienrichter immer schneller geworden. Ich hab mir einen Spaß daraus gemacht eben kurz zu gucken, wer als erster da ist. Ja genau so. (Gelächter) Dann bin ich beim Schiedsrichter und hol da Thamas Hajnal weg und sag ihm - Ich habe vergessen zu ihm sagen zu sagen, was ich ursprünglich sagen wollte, dass er eine gute Leistung gebracht hat. Das war wahrscheinlich mein Fehler, ich hab ihm aber gesagt: „Wie kann man in diesem Spiel nur zwei Minuten nachspielen lassen?“ [...] Das hab ihm gesagt, da war er schon leicht aufgebracht und in dieser Stimmung ist er auf Robert Kovac getroffen.
Martin Jol:
[...] zweite Halbzeit haben wir Glück
gehabt, weil wir nicht mehr nach vorne spielten, haben keine
Anspielpunkte mehr gehabt, wir haben gekämpft, gefightet, wir haben
alles gemacht, um die Punkte einzufahren aber die Dortmunder waren klar
die bessere Mannschaft in der zweiten Halbzeit. Dass ist eine gute,
taktisch gut eingestellte Mannschaft aber ihr (zu Klopp) habt natürlich
auch vielleicht hinten und in der Mitte nicht die Sorgen, die wir hatten
und deshalb bin ich sehr zufrieden, dass wir heute gepunktet haben , ja
Jol an der Seitenliniedas ist wichtig. 23 Punkte, das ist fast hervorragend [...]
Statistik
BVB: Weidenfeller - Owomoyela (85. Federico), Subotic, Kovac, Lee - Kehl - Tinga, Kringe - Hajnal - Kuba (46. Klimowicz), Zidan (76. Buckley)
HSV: Rost - Boateng, Reinhardt, Mathijsen, Aogo (80. Jansen) - Alex Silva, Benjamin (58. Pitroipa) - Trochowski, Jarolim, Olic - Petric (87. Guerrero)
Schiedsrichter: Dr. Jochen Drees
Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)
Noten
Weidenfeller: Strahlt noch immer keine Sicherheit aus, wirkt ständig nervös, wenn es um die Strafraumbeherrschung geht. 4,0
Subotic: Solide Abwehrarbeit, erzielte fast ein Tor, verlor aber vor dem 2:0 das entscheidende Duell gegen Petric. 3,5
Owomoyela: Viele Stockfehler, Verursacher des 2:0, sehr schöne Hereingabe vor dem Anschlusstreffer. 4,0
Kovac: Bekam Petric nie in den Griff, beim 1:0 zu zaghaft, kassierte nach Spielende eine absolut unnötige rote Karte. Mit viel Wohlwollen 4,5
Lee: Sorgte auf der Außenbahn öfter für Unruhe, ohne Fehler in der Defensive. 3
Kehl: Ist wieder der Alte. Zweikampfstark und sucht immer wieder das gegnerische Tor. Eine satte 2,0
Tinga: Wie immer mit gewaltigem Kraftaufwand und Kampf. Leider mit zunehmender Fehlpass-Tendenz. 4,0
Kringe: Immer in Bewegung, fordert den Ball, bindet Gegenspieler. Benötigt jedoch noch mehr Durchsetzungsvermögen. Schwache 3
Hajnal: Erste Halbzeit zu unauffällig, drehte im zweiten Abschnitt richtig auf, erzielte den Anschlusstreffer. Daher noch 2
Kuba: Wirkte ungewöhnlich gehemmt, sein Einsatz kam vielleicht eine Woche zu früh. Wegen des guten Willens noch eine schwache 4
Zidan: Nach vielversprechendem Auftakt mit Zug nach vorne tauchte er relativ schnell unter und wurde zurecht ausgewechselt. Knappe 4
Klimowicz: Kam für Kuba, war am Tor beteiligt und hatte später noch eine gute Möglichkeit. Ansonsten blass. Eine schwache 3
Buckley & Federico ohne Note.