Viel zu niedrig, aber endlich wieder gewonnen
Verdient, verdienter geht's nicht, gewinnt Borussia beim 1.FC Köln und behält die Tabellenspitze in Schlagdistanz - wenn da nicht dieses blöde Hoffenheim ganz oben wäre. Die Vorstellung unserer Mannschaft in Köln verdient auf jeden Fall das Prädikat „Extraklasse".
Es war ein Highlight wie aus dem Nichts. Alles war vorbei, die Spieler des BVB freuten sich über einen hochverdienten Sieg, begrüßten Bekannte im Publikum, genossen den Augenblick. Die BVB-Fans feierten den Sieg und quetschten sich aus dem Gästeblock, die FC-Fans strömten aus dem Stadion - da kam das Zitat des Tages vom viel zu lauten Stadionsprecher: „Ich glaube, heute wäre mehr drin gewesen."
Hä? Wo? Wann? Wie? Und überhaupt: Hä? Wenn wir „mehr" mit „ein Punkt" definieren, hatte der Mann vielleicht Recht. Oder wenn wir uns darauf einigen würden, dass für den BVB deutlich, sehr deutlich mehr drin gewesen wäre - bitte! Aber für den FC? Im Leben nicht. Die Mannschaft von Christoph Daum brachte es in anderthalb Stunden auf wohlwollend geschätzt zweieinhalb Torchancen. Der BVB war den Kölnern in jeder Hinsicht überlegen: spielerisch, läuferisch, kämpferisch. Da war nicht mehr drin.
Gleich in der dritten Minute köpfte eröffnete Mats Hummels das Dortmunder Chancen-Festival, als er nach einer Ecke in Mondragons Arme köpfte. In der Anfangsviertelstunde bewegten sich die Gastgeber noch auf Augenhöhe mit den Borussen. In er 13. Minuten passte Antar sehr gefährlich steil in den Dortmunder Strafraum, doch Novakovic verpasste den Ball knapp. Die Kölner bemühten sich immer wieder, den Ball schnell in die Spitze zu transportieren, wo sie mit Novakovic einen ständigen Unruheherd hatten. Es dauerte eine kleine Weile, bis sich die Dortmunder Defensivkräfte darauf eingestellt hatten. Für den verletzten Schmelzer rückte Lee auf die linke Abwehrseite, rechts debütierte Patrick Owomoyela über 90 Minuten. Im Mittelfeld agierte der BVB sehr variabel mit Kehl als Abräumer vor der Abwehr. Tinga pendelte zwischen offensiven und defensiven Mittelfeld, während im vorderen Bereich Kringe und Hajnal oft auf einer Linie standen, sodass nicht von einer echten Raute beim BVB gesprochen werden kann. Im Sturm wirbelten Valdez und Kuba, der mit Maske antreten musste.
Nur eine Minute nach Novakovics Möchtegern-Chance musste Owomoyela in höchster Not zur Ecke klären. Der BVB suchte sein Spiel, der FC verlor seines immer mehr. Torraumszenen waren in dieser Phase Mangelware, doch das Spiel blieb munter, weil beide Teams ihr Heil in der Offensive suchten. In der 30. Minute dann die Riesen-Doppelchance für Nelson Valdez: Kringe flankte in den Strafraum, Kopfball Valdez, Mondragon wehrte glänzend ab - vor die Füße von Valdez. Der Nachschuss landete am Pfosten. Unmittelbar darauf prüfte Tinga den Kölner Schlussmann, doch der parierte per Fußabwehr. Nur zwei Minuten später musste Mondragon wieder sein ganzes Können aufbieten, als er gegen Kuba klärte, der einen Rückpass abgefangen hatte und allein vor dem Torwart auftauchte. Mit BVB-Chancen ging es weiter: Kuba köpfte nach Hajnal-Flanke drüber. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte kratzte Mohamad einen Schuss von Tinga von der Linie. Ohne Tore ging es in die Pause.
Die zweite Hälfte sollte einen noch stärkeren BVB erleben. Vor allem Sebastian Kehl drehte nun richtig auf, erkämpfte jeden Ball, schaltete sich in den Aufbau ein, gab das Tempo des Spiels vor. Dafür brach Hajnal mehr und mehr ein. Doch es war der FC, der die erste Möglichkeit der zweiten Halbzeit hatte. Ehret passte auf Novakovic, der aber über den Kasten von Roman Weidenfeller zielte. Dann wieder der BVB. Der BVB zelebrierte einen seiner vielen Angriffe, diesmal besonders schön über Tinga und Kuba - Flanke auf Florian Kringe und - Moment: diese Flanke! Man stelle sich die perfekte Kopfball-Vorlagen-Flanke vor. Eine Flanke mit perfekter Flugbahn. Der Ball beschreibt einen Bogen, der exakt dort endet, wo sich der Mitspieler befindet. So eine Flanke segelte also in dieser 57. Minute von Kubas Fuß genau auf Kringes Kopf. Auf den Kopf des völlig unbedrängten Kringes - und von dort an die Latte. Unglaublich.
Doch weiter ging's. Kuba wurde mit zunehmender Spieldauer immer
stärker, rochierte ständig, war immer anspielbereit und spielte seine
enorme Schnelligkeit immer und immer wieder aus. Der BVB dominierte nun
das Spiel vollends. Keine Kölner Angriffe mehr, immer war Kehl die
Endstation, der sofort den Gegenangriff einleitete. So auch den
wunderschönen Spielzug über Owomoyela und Tinga. Der Brasilianer passte
scharf in den Strafraum, dort stand Kringe, der den Ball zum 0:1
einschoss. Endlich die längst verdiente Führung, zu einem Zeitpunkt, an
dem ein torloses Remis immer wahrscheinlicher wurde.
In der 66. Minute kam Alex Frei für den fleißigen Nelson Valdez. Der Schweizer ist bekannt dafür, dass er keine Anlaufschwierigkeiten hat. Nur eine Minute nach seiner Einwechselung schoss der Schweizer zum ersten Mal aufs Tor. In der 69. Minute dann die einzige Kölner Chance durch einen Freistoß von Novakovic, doch Weidenfeller konnte den Ball fausten. Danach wieder der BVB mit Kuba und einer Flanke von rechts - noch mal kleine Pause: Man stelle sich nun die Flanke von gerade, die Kringe nicht verwerten konnte, in noch besser, noch präziser und den Stürmer noch freier, ja völlig allein, vor. Und dieser Stürmer ist dann noch Alex Frei! Da segelte dieser Ball also auf einer perfekten Flugbahn in Richtung Freis Kopf, doch der Schweizer verfehlte den Kasten von Mondragon. Vielleicht konnte er sich einfach nicht entscheiden, in welche Ecke er den Ball platzieren sollte.
In der Folgezeit behielt der BVB sein klares Übergewicht. Die Kölner kamen zu einigen Schein-Gelegenheiten, doch im Mittelfeld räumte Kehl alles ab. Novakovic kam in der 87. Minute noch zu einer halben Chance - das war's.
Fazit: Das Kölner Spiel war zu schlicht strukturiert - immer auf Novakovic. Bei Borussia sorgten Valdez und Kuba ständig für Verwirrung in der Kölner Abwehr und tauschten immer wieder die Positionen, um die Kölner Innenverteidigung auseinander zu ziehen. In der Mitte räumte Kehl alles ab und zeigte seine beste Partie für den BVB seit seiner Verletzung in München - wenn nicht sogar noch länger. Auf links machte Lee mächtig Dampf und verdiente sich langezogene „Leeeeeeee"-Rufe, wenn er am Ball war. Der Sieg geht absolut in Ordnung, fiel nur um zwei Tore zu niedrig aus.
Einzelkritik:
Weidenfeller: Hätte auch zu Hause bleiben können. Eine 3 für Anwesenheit.
Lee: Bärenstarke Partie des Koreaners, der ich immer wieder in die Offensive einschaltete und zu einigen sehr starke Flankenläufen ansetzte. In der Defensive tadellos: 2
Subotic: Wie kann ein Spieler mit 19 Jahren so abgeklärt im Zweikampf sein? Auch in der Offensive fiel er durch kluge Zuspiele auf: 2
Hummels: Leistete sich nur ein paar kleine Holperer, ansonsten gewohnt cool: 2,5
Owomoyela: Am Anfang noch etwas zaghaft, mit zunehmender Spieldauer immer unternehmungslustiger. Wenn er gesund bleibt, hat Klopp ein Luxus-Problem mehr: 3,5
Kehl: Bester Mann auf dem Platz, omnipräsent mit viel Spielintelligenz: 1,5
Kringe:
Hätte zwei Tore machen MÜSSEN, immerhin wurde es eines. Im Abspiel
stärker als in den vergangenen Partien, deutlich konzentrierter: 2,5
Tinga:
Knüpfte zunächst an seine schwache Vorstellung gegen Hertha an, wurde
dann stärker, ohne jedoch zu glänzen. Tolle Vorarbeit zum 1:0: 3,5
Hajnal:
Konnte dem Spiel nicht seinen Stempel aufdrücken und wirkte oft so, als
suche er die Bindung zum Spiel. Fand nicht in seine Rolle: 4
Valdez: Hätte bei seiner Doppelchance ein Tor erzielen müssen. Ansonsten läuferisch wie immer im Dauereinsatz: 4
Kuba: Der Dauerläufer wurde immer aktiver, verwirrte die Kölner mit
ständigen Rochaden. Sehr starke Leistung - und das mit Maske: 2
Frei:
Spät eingewechselt, eine hundertprozentige Chance vergeben. Und: Frei
wird irgendwann der erste Spieler sein, der wegen zu häufiger
Abseitspositionen gesperrt wird. Was soll diese ständige Meckerei nach
(richtigen) Abseitsentscheidungen? Das ist Unsinn. Diesmal gab's Gelb
wegen Meckerns und hier dafür die: 5
Statistik:
Aufstellungen
1.FC Köln: Mondragon - Brecko (77. Sanou), Geromel, Mohamad, Wome - Petit, Pezzoni - Vucicevic (66. Radu), Antar, Ehret (66. Chihi) - Novakovic
BVB: Weidenfeller - Lee, Subotic, Hummels, Owomoyela - Kehl - Tinga,
Kringe - Hajnal (75. Sahin) - Kuba (72. Zidan), Valdez (66. Frei)
Tore: 0:1 Kringe (65.)
Gelbe Karten: Mohamad, Geromel - Lee, Frei
Schiedsrichter: Dr.
Helmut Fleischer (Sigmertshausen) - Note 6 - wieder kein Elfmeter für
den BVB. Nein im Ernst: Note 2, fehlerfrei.
Zuschauer: 50.000
Stimmen zum Spiel:
Mats Hummels: Wir haben mit aktiveren Kölnern gerechnet und hatten das Spiel gegen Schalke im Kopf, wo sie 90 Minuten lang richtigen Power-Fußball gespielt haben. Deswegen haben wir erst nach einiger Zeit gemerkt, dass wir hier das Spiel auch machen können. Wir haben einen klar verdienten Sieg geholt. Wir haben in den letzten Spielen genug Punkte liegen gelassen. Das wollen wir jetzt aufholen, auch am Sonntag gegen Bochum. Der Einsatz von heute war prima, auch der Mohamed Zidan ist in jeden Kopfball gegangen.
Florian Kringe: Wir waren ein paar Mal nah am Sieg dran, jetzt haben wir in einer wichtigen Phase der Saison endlich drei Punkte geholt. Wir waren heute zielstrebiger als gegen Hertha. Das hatten wir unter der Woche auch angesprochen, dass der letzte Pass und die letzte Entschlossenheit gefehlt haben. Das war heute in der ersten Halbzeit auch noch so. Darum haben wir das in der Pause noch mal angesprochen und in der zweiten Hälfte geändert. Sonst steht's am Ende wieder unentschieden, du kannst dir auf die Schulter klopfen für ein schönes Spiel, stehst aber wieder nur mit einem Punkt da. Das ist auf Dauer zu wenig. Heute war der unbedingte Wille da.
Christoph Daum: Ein verdienter Sieg. Über allen steht heute eine tolle Leistung der Dortmunder. Wir haben gut begonnen und auch die Möglichkeit gehabt, in Führung zu gehen. Dann hätten wir das Spiel anders entwickeln können. So haben sich die Dortmunder die Kontrolle im Mittelfeld erarbeitet, durch ein energisches Zweikampfverhalten und präzises Passen. In einigen Situationen hatten wir großes Glück, dass Mondragon gut gehalten hat oder der Pfosten im Weg war. Die Dortmunder haben uns heute Grenzen aufgezeigt. An so einer Leistung müssen wir uns orientieren, um uns in der Bundesliga zu etablieren. Wir sind jetzt wieder auf den Boden zurückgeholt worden.