Friday night football
Unter Flutlicht ist American Football einfach am schönsten. Wenn das Ergebnis denn stimmt. Dass auch der Kampf ums lederne Ei kein Wunschkonzert ist, erlebten 69400 im Westfalen Stadium. Die Partie zwischen den Borussia Westphalians und den Hertha Capitals endete unentschieden.
Nach seinem emotionsgeladenen Abschied aus der NFL, kann sich Lucien Favre jetzt ganz auf seinen Trainerposten bei Hertha BSC konzentrieren. Die viele Pendelei in die USA wurde ihm auf die Dauer einfach zu viel. Auch nach dem 22. Spieltag hatte der Ex-Football-Star noch keine Stammelf beisammen. Gegen unseren BVB traten die Berliner mit so illustren Kickern wie Rudolf Skacel, R. Caetano de Araujo und Gojko Kacar an. Auffälligster Herthaner in der ersten Halbzeit war sicherlich Fabian Lustenberger, trug er doch statt des Football-Helms einen veritablen Minipli. Auch wir von schwatzgelb.de sind der Meinung, dass diese Haarfrisur jahrelang stark unterschätzt wurde.
Vor dem Kickoff machten die Anhänger des Gastgebers per Spruchband deutlich, dass das Herz des Sportes bei den Fans und nicht bei ESPN, FOX und HBO schlägt.
Die erste Halbzeit litt dann unter unzähligen Interceptions. Raumgewinne kamen so nur selten zustande. Wenn, dann waren es Flanken des Wide Receivers Delron Buckley oder gute Einzelaktionen vom fleißigen Linebacker Nelson Valdez, bester Borusse bis dato. Mladen Petric, mit bislang elf Touchdowns in dieser Saison, verpasste in der achten Minute nur knapp das Ei. Fünf Minuten später gelang es ihm immerhin, das Spielgerät zu berühren, er setzte es jedoch knapp über die Endzone.
Auf der Gegenseite brachte der serbische Topscorer Marko Pantelic den Dortmunder Safety Marc Ziegler per Außenrist in Bedrängnis. Mit nur wenigen Yards Bewegung wechselte der Ball in den folgenden 20 Minuten häufig den Besitzer, ohne dass Ästhetisches dabei herumkam. Als alle im BVB Stadium die ersten zwei Viertel schon abgehakt hatten, fasste sich Wide Receiver Buckley ein Herz, schickte das Ei in Richtung Berliner Endzone. Tight End Sebastian Kehl gelang der souveräne Touchdown Sekunden vor dem Pfiff des Referees Babak Rafati.
Der Kickoff des folgenden Durchgangs kam für die Schwatzgelben wie ein Bumerang zurück. Eine Unaufmerksamkeit des alternden Liga-MVP Christian Wörns nutzte Pantelic freistehend zum Ausgleich. Keine drei Minuten später sah der langhaarige Vertreter der hauptstädtischen Offensive Line nach einer undurchsichtigen Situation die rote Karte, durfte dann aber plötzlich doch weiter spielen. Versteh einer diese Footballregeln.....
Referee Babak Rafati bekam anscheinend Order, den Jetzt-nur-noch-in-Deutschland-Trainer Lucien Favre auf die Tribüne zu schicken, verstand aber offensichtlich, dass Marko Pantelic die rote Karte sehen sollte. Da fragt man sich, wofür sich die vier Offiziellen eigentlich lange beraten, wenn der eine dem anderen sowieso nicht zuhört oder ihn erst gar nicht versteht. Fünf Minuten war das Spiel jedenfalls unterbrochen. ESPN zeigte Werbung.
In der Folge gewann die Partie an Würze, die gelbe Wand brüllte die wenigen mitgereisten Berliner Fans, die zuvor noch gut stimmlich mitgehalten hatten, bis zum Westfalenpark. Der gegnerische Safety Jaroslav Drobny musste sich bei seinen Kick-offs mehrfach den A.W.H.-Slogan (Parental advisory: explicit lyrics) anhören. Sein Gegenüber Marc Ziegler hatte mehrfach Glück, dass die Zielübungen der gefährlicher werdenden Hertha Capitals jenseits der Alustangen zum Liegen kamen. Entlastung verschaffte sich das Home team nur kurzfristig. Der eingewechselte Diego Klimowicz köpfte in aussichtsreicher Position knapp neben das Gestänge.
Ein Novum hatte die Dortmunder Defense zu bieten. Nicht wie gewohnt Ziegler, sondern Full Back Martin Amedick brachte das Ei mit einem gezielten Kick von der Fünf-Meterzone ins Spiel. Das sieht man normalerweise nur ab Landesliga abwärts. Vertraute der Dortmunder Safety seinen Kicks nicht mehr? Auch Sebastian Kehl agierte weitgehend unglücklich und ungenau wie ein Rookie. Viel zu oft kickt er das eirige Leder in die Höhe, anstatt es fangbar am Boden zu halten. Ruhe und Sicherheit kam so nie in die Offenseline der Borussia Wesphalians.
Halfback Alexander Frei fiel in der Folgezeit nur noch durch cholerische Anfälle, anstatt durch geplante Aktionen in die Endzone der Berliner auf. Immer wieder schüttelte er den Kopf, lamentierte. Sein beliebtestes Ziel: Mitspieler Delron Buckley. Freis gesamte Körpersprache machte deutlich, dass wohl auch ergebnismäßig nichts mehr gehen würde.
Das insgesamt dann doch sehr langweilige Friday Night Match nahm noch ein skandalöses Ende. Nicht durch ruppige Unsportlichkeiten der Footballer, sondern durch einen Referee an der Linie, der ein Schild mit einer digital eingeblendeten „1“ hochhielt. Soviel Nachspielzeit gestand das desolate Schiedsrichterteam nach ihrer selbstverschuldeten Spielunterbrechung infolge von Kommunikationsunfähigkeit den Dortmundern zu.
Dass Sebastian Kehl von der Sportjournaille zum Player of the Match gewählt wurde,entbehrte nicht einer gewissen Komik. Produzierte er in den Schlussvierteln nicht viel Zählbares.
Stimmen zum Spiel
Entsprechend gelangweilt präsentierten sich die Trainer in der anschließenden Presseknferenz. Folgendes gaben Sie zu Protokoll:
Thomas Doll: Es war kein schönes Bundesligaspiel. Es war geprägt von Taktik, es gab wenig Räume, aber viele Ballverluste. Es war ein Kampfspiel. Zu einem günstigen Zeitpunkt fiel dann das 1:0 nach einer schönen Kombination zwischen Rukavina und Buckley, die Kehl dann einköpfte. In der zweiten Halbzeit haben wir dann versäumt, Ruhe ins Spiel zu bringen. Hertha hatte die ein oder andere Konterchance. Mich ärgert, dass wir nicht das zu Null gehalten haben. Beim Gegentor hatten wir eigentlich den Ball, es war ein Ping-Pong-Situation. Unterm Strich war es gerechtes Unentschieden. Für uns zu wenig, deswegen sind wir enttäuscht.
Lucien Favre: Die erste Halbzeit war eng, wir haben uns zu häufig zurückdrägnen lassen. Deshalb haben wir dann das 0:1 kassiert, leider eine Minute vor der Halbzeit. In der zweiten Halbzeit hat die Mannschaft dann sehr gut reagiert. Wir hatten zwei, drei gute Möglichkeiten. Ich kann mit dem 1:1 zwar gut leben, aber es war mehr drin.
Die Spieler ließen die versammelte Presse und den schwatzgelben Abgesandten ewig warten, bis sich wenig gehaltvoll zu Wort meldeten:
Delron Buckley: Wir müssen weiter hart arbeiten, dann können wir uns in der Tabelle vielleicht noch verbessern.
Marc Ziegler: Mich haben die vielen unnötigen Ballverluste gestört. Ich kann nicht sagen, ob das Gegentor abseits war. Aber wenn wir den Ball nicht wegbekommen, freut sich der Stürmer natürlich.
Josip Simunic: Für Auswärts war das kein schlechtes Spiel, aber wir hätten auch gewinnen können.
Rolf Zacher: Poker ist echt ein geiler Sport. Ich hol mir erst mal Jetons für 20.000 Euro.
Aufstellungen
BVB: Ziegler – Rukavina, Amedick, Wörns, Buckley – Tinga, Kehl – Federico (70. Klimowicz) – Petric, Frei Valdez
Hertha: Drobny – van Bergen, Chahed, Simunic, Fathi - Skacel, Ebert (89. Piszczek), Kacar, Caetano de Araujo, Lustenberger (66. da Silva Mineiro) – Pantelic (86. Okoronkwo)
Tore: 1:0 Kehl (45.), 1:1 Pantelic (50.)
Gelbe Karten: Klimowicz – Chahed, Raffael, Skacel
Einzelkritik
Marc Ziegler: Zeigte mal wieder ein paar tolle Paraden, die leider bitter nötig waren. Das Gegentor muss er nicht halten. Note: 2-
Antonio Rukavina: Sein bisher schwächstes Spiel. War oft etwas nachlässig in der Abwehr und sorgte so für unnötige Gefahr. Nach vorne ging wenig. Note: 4-
Martin Amedick: Nähert sich wieder seiner Normalform. Leistung ok. Note 3-
Christian Wörns: War aufmerksam, sogar sicher. Nur einmal nicht: Da leitete er den Gegentreffer ein. Note: 4+
Delron Buckley: Eine der fleißigsten Borussen. Hatte zwar Unsicherheiten in der Abwehr, aber auch starke Szenen. Nach vorne ging auch etwas. Superflanke zum 1:0. Note 3+
Tinga: Eine gute Leistung des Brasilianers. Forderte den Ball, bekam ihn meistens und stellte kluge Dinge damit an. Note: 3+
Sebastian Kehl: Licht und Schatten. Warum er so gerne den Ball immer lupft, müsste er mal erklären. So bringt er seine Mitspieler nicht in gute Positionen, sondern in Bedrängnis. Einfach mal den Ball flach halten, Sebastian. Note 4+
Giovanni Federico: Das war gar nix. Note 5
Nelson Valdez: Fleißigster Borusse. Rannte viel, bügelte auch hinten aus. Erstaunliche Sicherheit bei der Ballannahme, leider gewohnte Abschlussschwäche. trotzdem ein starkes Spiel, belohnt mit Note 2.
Mladen Petric: Irgendwie wirkt er gehemmt seit er mal die Torschützenliste kurz anführte. Bemüht, aber glücklos. Note 4
Alex Frei: Er sollte seine Energie nicht in sinnlosem Rummeckern vergeuden. So kriegt er nie sein Wunschtor hin. Note 4+
Diego Klimowicz: Fand irgendwie nicht so richtig ins Spiel. Note 4
Borussiamaniac / DvB, 08.03.2008