...Manni Breuckmann: "Ich gehe demnächst auch ins Westfalenstadion."
Für die einen ist er wegen seiner Sympathie zu den Blauen ein rotes Tuch, für die anderen ist er ein Teil ihres Lebens als Fußballfan: Manni Breuckmann. Am vergangenen Samstag verabschiedete sich der Radioreporter nach 36 Jahren mit seiner letzten Reportage aus dem Bochumer Ruhrstadion von den Radiohörern. Schwatzgelb.de besuchte ihn im WDR-Studio Dortmund und diskutierte mit ihm teilweise sehr kontrovers über seine Liebe zum Ruhrgebietsfußball, seinen Streit mit Uli Hoeneß, über die WM 2006 und den neuen deutschen Herbstmeister TSG Hoffenheim.
schwatzgelb.de: In der amüsanten Geschichte „Juskowiak und die Konfektschale“ erzählst Du, wie der damals siebenjährige Manfred die WM 1958 bei Nachbarn vor dem Fernseher erlebt hat. Gibt es noch ein anderes sportliches Ereignis aus jenem Jahr, das Dir in Erinnerung geblieben ist?
Manni Breuckmann: (lehnt sich nachdenklich zurück) Deutsche Meisterschaft für den BVB war 1956 und 1957... '58 war Schalke! Das habe ich aber nicht mitbekommen... doch, jetzt wo Du es sagst: Ein entfernter Verwandter hatte ein Sägewerk. Der hatte das komplette Holztor, was dort stand, blau und weiß angestrichen. Auf meine Frage, warum das so sei, antwortete meine Mutter: „Das ist so ein bekloppter Schalker. Weil Schalke Deutscher Meister geworden ist, hat er das Tor so angemalt.“ Sportlich habe ich die Meisterschaft nicht mitbekommen, nur über diesen komischen Umweg.
Wann gab es die ersten richtigen Kontakte zum Fußball?
Breuckmann: In dem Jahr fing es so langsam an. Später habe ich bei Bekannten das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft gesehen. Bei der Weltmeisterschaft 1962 in Chile habe ich bittere Tränen vergossen. Wir hatten zwar schon einen Fernseher, das Spiel wurde aber erst 2 Tage später gezeigt. Deutschland flog im Viertelfinale gegen Jugoslawien raus, im Tor stand Farian. Ich weiß es noch bis heute: Es war die 86. Minute und das Tor schoss ein Radakovic, ein Jugo - mit was für einem Scheiß man doch sein Gehirn belastet, unglaublich – und ich saß vor dem Radio, habe die Reportage gehört und geheult wie ein Schlosshund. Die Deutschen waren ausgeschieden.
In den ganzen Jahren musstest Du Dich auch mit anderem „Scheiß“ belasten. Es soll vor jeder Live-Reportage ein 45-seitiges Script mit Informationen zum jeweiligen Spiel geben?
Breuckmann: Mehr noch, 60 Seiten! Du kriegst vor jedem Bundesligaspiel, und sei es Bochum gegen Cottbus, 60 Seiten Informationen, auch zu jedem einzelnen Spieler. Es kann manchmal nützlich sein, wäre aber meiner Meinung nach auch sinnvoll, wenn du das nimmst und gleich in die Tonne haust. Die meisten Live-Einblendungen sind inzwischen so kurz geworden, dass man das alles gar nicht verwerten kann. Kürze, Kürze, Kürze - 45 Sekunden, zack und schon ist man wieder runter vom Sender. Man erfährt zwar schon, dass Borussia Dortmund zum Beispiel 75 % der Angriffe über eine bestimmte Seite führt und kann damit gegebenenfalls in der Reportage glänzen. Aber das muss auch nicht unbedingt sein. Da steht auch so Basiszeugs drin wie zum Beispiel, dass Hertha BSC viermal hintereinander gewonnen hat und dies die beste Bilanz der Berliner seit 20 Jahren ist. Einen gewissen Sinn machen die Informationen schon, aber es ist einfach sehr viel.
Über all die Jahre hast Du Dir einen guten Überblick über den Ruhrgebietsfußball verschaffen können. Warum ist Borussia Dortmund der beste Verein im Ruhrgebiet?
Breuckmann: Nach der Tabelle offensichtlich nicht, denn wenn ich mich recht erinnere, hat Schalke sich schon wieder vor Borussia Dortmund geschoben. (Anm. der Red.: Das Interview wurde vor dem letzten Spieltag der Hinrunde geführt. Selbstverständlich steht der BVB jetzt wieder klar vor Gelsenkirchen ;)) Borussia Dortmund ist in den letzten Jahrzehnten der erfolgreichste Verein im Ruhrgebiet gewesen. Das hängt mit tausend verschiedenen Faktoren zusammen. Zwischendurch wäre das Ding ja fast einmal vor die Wand gefahren worden. Das große Leid der Schalker ist natürlich, dass der BVB irgendwie in regelmäßigen Abständen immer wieder Deutscher Meister geworden ist und Schalke eben nicht. Da ist schon ein Minderwertigkeitskomplex vorhanden. Da hatte ich im Jahr 2007 gehofft, dass der BVB-Fan auch in der Lage ist, einmal Gönner zu sein, und zwar zu Lasten von Bayern München, Stuttgart oder Bremen, die damals noch mit im Rennen waren. Allerdings scheinen die Gräben einfach zu tief zu sein.
Wie erging es Dir persönlich am 12. Mai 2007? Du hattest ja aus Dortmund kommentiert.
Breuckmann: Ich konnte natürlich nachempfinden, dass man sich als Dortmunder freut, wenn man den Schalkern in die Suppe gespuckt hat, aber ich habe mich übelst geärgert. Es war, das muss ich sagen, an dem Tag eine aggressive Stimmung da, die nicht nötig gewesen wäre.
Die Stimmung wurde nicht nur von Dortmunder Seite angeheizt. Noch eine Woche vor dem Spiel freuten sich die Blauen darauf, bei uns Meister zu werden und uns gleichzeitig in die 2. Liga zu schießen. Gerald Asamoah hatte angekündigt, in diesem Fall zu Fuß über die B1 nach Hause laufen zu wollen...
Breuckmann: Da muss man schon unterscheiden, ob Asamoah so einen Spruch ablässt oder auf der Tribüne über Altprofis von Schalke Bier ausgegossen wird oder sie angespuckt werden.
Das wäre bei umgekehrter Konstellation auf Schalke von Schalkern nicht anders gewesen...
Breuckmann: Die Atmosphäre war, und ich bin sicher, wenn es auf Schalke gewesen wäre, wäre es ähnlich gewesen, total gehässig und aggressiv. Das finde ich übertrieben.
War das Klima auch auf Vereinsebene vergiftet oder nur bei den Fans?
Breuckmann: Aki Watzke hat wohl auch etwas gesagt, aber das ist jetzt Schnee von gestern.
Wie konntest Du bei der Reportage äußerlich so neutral bleiben? Neunzig Minuten mit anzusehen, wie gerade die Meisterschaft verspielt wird. Bei den Toren merkte man zumindest nichts von der Sympathie zu Blau.
Breuckmann: Das unterscheidet mich eben von Norbert Dickel. Ich habe mich in den letzten Wochen mehrfach geärgert, weil ich gemerkt habe, die Leute glauben mir das nicht. Da verstehen sie aber etwas falsch. Durch die Nähe zum Verein bin ich ja kein verbiesterter Schalke-Fan. In erster Linie bin ich ein Sportjournalist. Im letzten Doppelpass musste ich mir von Uli Hoeneß wieder so Sprüche anhören, dass wir doch alle in einem Boot sitzen würden oder so ähnlich. „Der Fußball und die Sportjournalisten sitzen in einem Boot – alles wunderbar.“ Wir sitzen nicht in einem Boot. Ich sitze auch nicht im Schalker Boot. Ich sitze in einem Beiboot, beobachte, was da passiert und kann klar trennen, ob ich jetzt auf dem Sender bin oder was grad in meinem Inneren vorgeht. Selbst bei diesem aus meiner Sicht furchtbaren 3:3 am Anfang dieser Saison, wo Schalke nach einer Stunde mit 3:0 führt, muss ich doch anerkennen, wenn Dortmund dann die Tore schießt und brülle wie am Spieß herum. Innerlich denke ich mir: „So eine Scheiße!“
Das geht, ist zwar irgendwie eine gespaltene Persönlichkeit, aber es geht, glaubt mir das.
Macht das in den Momenten noch Spaß?
Breuckmann: Das macht Spaß. In dem Moment habe ich eine andere Rolle. Ich bin dann kein Fan. Ich bin am Mikrofon ein Fan des Fußballs, aber kein Fan von einem Verein. Ich erkenne an, dass es schwer ist, das nachzuvollziehen, aber die Leute sollten mir das wirklich glauben.
Wie steht Manni als Privatmann zu Schalke 04?
Breuckmann: Ich gehe nicht in Fanklamotten ins Stadion und ich habe im Laufe der Jahre doch eine gewisse Distanz zu dem ganzen Geschäft gewonnen, somit auch zu diesem Verein. Meine starken Sympathien gehören allerdings Schalke 04, so kann man es formulieren. Ich hasse keinen Verein, ich hasse nicht einmal die Bayern. Die Bayern sind mir sehr unsympathisch. Dortmund ist mir nicht einmal besonders unsympathisch. In Dortmund habe ich schon viele schöne Stunden gehabt.
Welche zum Beispiel?
Breuckmann: Die Deutschen Meisterschaften 1995, 1996, 2002, Europapokalspiele. Das Champions-League-Finale 1997 habe ich auch gemacht und über alle Backen Spaß gehabt.
Bei der Diskussion mit Uli Hoeneß ging es auch um das Thema Hoffenheim und Dietmar Hopp. Wie stehst Du zu der Entwicklung in und um Hoffenheim?
Breuckmann: Dietmar Hopp ist nicht Abramovich. Die beiden unterscheidet, dass der eine bei Chelsea als Finanzinvestor eingestiegen ist. Hopp sponsert seinen Verein. Das ist sein Verein, da hat er gespielt und jetzt hat er genügend Asche, um einen großen Teil des Geldes für seinen Verein auszugeben. Nebenbei macht er noch karitative Sachen, hat Handball und Eishockey gefördert. Wie ich höre, macht er das alles sehr großzügig. Ich halte das wirklich alles für eine absolute Neiddiskussion. Wenn man es grundsätzlich ablehnt, dass im Fußball viel Geld eine Rolle spielt, dann muss ich zu Hause bleiben.
Würdest Du auch so denken, wenn zum Beispiel Schalke und Dortmund plötzlich in der Versenkung verschwinden würden, weil Dorfvereine mit wahnwitzigen Summen nach oben gepusht werden?
Breuckmann: Du führst hier eine theoretische Diskussion über Dinge, die Du nicht mehr zurückdrehen kannst. Du kannst verhindern, dass die 50+1 Regel gelockert oder aufgehoben wird. Aber selbst das wird mittelfristig kippen, davon bin ich überzeugt.
Ist die 50+1 Regel durch Hopps Engagement bei Hoffenheim nicht schon längst gekippt?
Breuckmann: Überhaupt nicht. Formal sowieso nicht, da Hopp keine 51% des Vereins gehören, er sponsert ja nur. Ich kann Hopp alleine deswegen schon nicht geißeln, weil er aus diesem Verein kommt. Das halte ich für eine wichtige Sache, die kann man nicht einfach so vom Tisch wischen. Er hat ja auch dort gespielt. Ich finde das persönlich ok, abgesehen von der Tatsache, das ich sowieso darauf keinen Einfluss habe und das nicht ändern kann. Da haben die Hoffenheimer Glück gehabt. Schalke hat auch Glück gehabt. Gazprom hat uns zwar nicht übernommen, aber sponsert uns.
Du hast einmal gesagt, Hoffenheim ist nicht der Beweis dafür, dass man im Fußball nur Geld ausgeben muss, um Erfolg zu haben. Sie haben doch mit großen Summen eine Mannschaft zusammengekauft und ernten momentan den maximal möglichen Erfolg.
Breuckmann: Haben die einen Ronaldinho gekauft? Nein. Sie haben aus der zweiten Belgischen Liga eingekauft, einen Ibisevic von der Aachener Ersatzbank geholt, junge Leute vom VfB Stuttgart gekauft, so etwas haben die gemacht. Es ging nie um 20 oder 30 Millionen. Es ging um Rangnick und sein System, zugegeben mit einem großen Scoutingaufwand. Nicht mit einer solchen Klotzerei wie beispielsweise Manchester City &? das sind einfach andere Dimensionen.
Aber bei Ralf Rangnick ging es doch schon los. Man hatte für die Regionalliga einen Champions-League erfahrenen Mann geholt, wodurch sie allen anderen Regionalligamannschaften weit voraus waren...
Breuckmann: Sie bauen aber eine Mannschaft auf, ohne mit dem Geld um sich zu ballern. Ich verstehe auch die Stoßrichtung nicht: Was könnte denn, wenn ich mich von Euch überzeugen lasse, am Ende eines solchen Gespräches stehen? Dass ich das, was dort passiert für Scheiße halte? Selbst das würde nicht weiter führen. Man hat doch bei der Diskussion gesehen, dass das alles eine absolute Neiddiskussion ist. Warum macht der Uli das, warum haut er so auf die ein? Er merkt einfach, dass da etwas gewachsen ist, er fühlt sich durch diesen Verein, dem auch noch die Sympathien gehören, außer wenn es Hardcore-Bayernfans sind, herausgefordert. Er merkt, dass die überirdischen Fußball spielen können, auch wenn Hoffenheim, was so sein wird, auch mal seine Krise bekommt. Der entscheidende Punkt wird dann sein, wie Hoffenheim damit umgeht, wenn wirklich einmal fünfmal nicht gewonnen wird. Da kann man die Uhr nach stellen, dass es so kommen wird. Im Februar oder März – dann wird’s interessant.
Die Diskussion mit Hoeneß kam im DSF-Doppelpass auf. Wie stehst Du zu der Sendung?
Breuckmann: Das ist Stammtisch, wo der Fan sich soeben aus der Decke gepellt hat, einen Kaffee trinkt - eventuell hat er auch schon ein kleines Fläschen Bier in der Hand - und schon sitzt da der Udo Lattek vor ihm. Es ist eine Unterhaltungssendung, die ab und zu auch einmal ein paar Aufschlüsse geben kann. Da wird der Spieltag noch einmal so richtig durchgekaut, wo das Fußballgericht über Rote Karten und Fouls tagt. Die Sendung erfreut sich über steigende Popularität, inzwischen sitzen ständig über eine Million Zuschauer vor den Geräten.
Wäre die Moderation auch für einen Manni Breuckmann interessant?
Breuckmann: Um Himmels Willen! Nein, nein. Ich will doch nicht den Bestand meiner Ehe auf's Spiel setzten. Die sitzen da jeden Sonntagmorgen und – vertut Euch da nicht – die sitzen auch schon am Samstagabend zusammen.
In der Sendung hast Du Dich einmal über Wolfgang Nadvornik echauffiert...
Breuckmann: Er sagte damals im Doppelpass bei der WM wirklich: „Wir sind doch heute nicht hier um Kritik zu üben. Wir wollen uns doch freuen.“ Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte lediglich gesagt, dass es ein eher mäßiges Spiel gewesen sein. Das muss man doch mal sagen dürfen, dafür sitzen wir doch da. Was mir gerade dazu einfällt: Isabella Müller-Reinhard hat einmal Blickpunkt Sport moderiert. Der Bayerische Rundfunk hat sie abgesägt und dem Sportjournalistenverband als Begründung mitgeteilt, sie sei nicht bayerisch genug und ihre Fragen wären zu frech und zu forsch. Und wer moderiert das jetzt an ihrer Stelle? Wolfgang Nadvornik! (allgemeines Gelächter) Das nur zur Abrundung dieser kleinen Geschichte von der WM 2006.
Wo wir soeben beim Blickpunkt Sport des Bayerischen Rundfunks waren: Der WDR bietet seinen unzähligen Zuschauern im Schmelztiegel des Sports, in NRW, neuerdings keine aktuelle Sportsendung mehr an, sieht man einmal von den Berichten über die Regionalliga am Samstag ab. Sonntags kommt um Mitternacht „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“, Montags eine Stunde vor Mitternacht „Sport Inside“. Das war's...
Breuckmann: Ich sage dazu gar nichts. Nicht ums Verrecken.
Zitat Manni Breuckmann: "Die Schalker halten mich für einen Dortmunder und umgekehrt." Ist es so erstrebenswert, wenn man nirgendwo willkommen ist?
Breuckmann: (lacht) Das ist das Schicksal. Auf Schalke bin ich sehr, sehr willkommen und auch in Dortmund werde ich doch auch nicht mit Hassgesängen empfangen. Da wird mal rumgefrotzelt und gut ist. Die Leute wissen doch, dass ich vermutlich nicht abgehoben bin und immer noch einen guten Kontakt zur Basis habe, der nicht gespielt sondern echt ist. Die meisten können das schon richtig einordnen. In Udine bin ich aber von BVB-Fans mit „Blaue Sau“ und so beschimpft und bedroht worden. Das fand ich scheiße. Udine ist eine kleine Stadt und das Ganze ging in eine Richtung, die mich veranlasst hat, größere Teile des Nachmittags lieber im Hotel zu verbringen. Das ist der Nachteil, wenn man als Schalker bekannt ist.
Du hast einmal gesagt, in Dortmund braucht man Anti-Depressiva wenn man sich die Spiele anschaut. Ist das unter Jürgen Klopp besser geworden, können wir die Medikamente absetzen?
Breuckmann: Unter Jürgen Klopp ist es erheblich besser als unter Thomas Doll geworden. Ich finde es gut, dass das funktioniert hat, allerdings haben die Dortmunder diese seltsame Tendenz, unentschieden zu spielen. Das sollten sie mal ablegen. Ansonsten hängt nicht mehr so viel Chaos in der Luft wie früher. Ich habe damals mal ein Spiel gegen Hannover 96 (1:2) für die Blinden übertragen, das war der Tiefpunkt und ich dachte „Mein Gott, was für eine schwere Prüfung für die BVB-Fans, sich diese Kacke angucken zu müssen.
Zollst Du den Fans vom BVB Respekt, dass sie die letzten Jahre durchgehalten haben?
Breuckmann: Ja, da habe ich höchsten Respekt vor den Fans. Es gibt ja bestimmte Fans, die müssen immer leiden, Rot-Weiss Essen und der MSV Duisburg zum Beispiel. Das gilt für Dortmunder und selbst für Schalker nicht in dem Maße, weil ab und zu Erfolge da sind. Aber was die Dortmunder Fans damals mitmachen mussten, das war schon heftig.
Dortmund stand 2004 kurz vor dem Finanzkollaps. Wann erwartest Du den Kollaps bei unserem Reviernachbarn aus Gelsenkirchen?
Breuckmann: Ich glaube nicht, dass es bei Schalke einen finanziellen Kollaps geben wird. Man muss allerdings bei solchen Sachen immer hinzufügen, dass ein genauer Einblick in die Finanzen eines Bundesligavereins meistens nicht möglich ist. Bei Dortmund hatte man damals auch nur so eine dumpfe Vorahnung. Deswegen kann ich auch nur davon sprechen, dass vom Gefühl her so etwas in Schalke nicht passiert – ich weiß es nicht.
Ist Andreas Müller der richtige Mann auf dem richtigen Posten?
Breuckmann: Man sollte ihm zumindest noch eine Chance geben. Wenn man ihn anzweifelt und ihn aus dem Rennen nehmen will, muss man sich zwangsläufig überlegen, wer an seine Stelle treten soll. Das ist ganz schwierig. Es gibt ja in dem Sinne keinen „Managermarkt“. Du kannst nicht einfach jemanden herausnehmen und weißt nicht, wer der Nachfolger werden soll. Mir fällt auf Anhieb keiner ein, den man auf Schalke Manager machen lasen kann. Und Rudi Assauer ist ja wohl kein Name, der da noch ernsthaft eine Rolle spielt.
Der es aber sofort machen würde.
Breuckmann: Ich bin mir da nicht so sicher. Er sagt mal „ja“, mal „“nein“ - das sind alles rückwärts gewandte Spekulationen.
Und was ist mit dem VfL Bochum?
Breuckmann: Wir steigen auf, wir steigen ab, zwischendurch Uefa-Cup. Das ist der VfL Bochum. Das wird sich nie, nie ändern. Der VfL Bochum ist der kleine, familiäre Verein zwischen den beiden großen Riesen. Es kann ganz nett sein in Bochum aber du musst eine hohe Frustrationsschwelle haben. Der Autor Frank Goosen besitzt sie. Die haben, oh Wunder, auch immer 25.000 Zuschauer, kannst im Stadion gut gucken, manchmal gewinnen sie und starten eine Serie. Momentan ist es mal wieder gar nichts. Vereinen wie dem VfL Bochum drücke ich permanent die Daumen. Ich wünsche mir auch, dass der MSV wieder hoch kommt, Essen auch. Rot-Weiss Essen finde ich einfach nur noch tragisch. Stell dir vor, du bist RWE-Fan. Da kannst du jeden Tag nur noch Saufen.
Dagegen ist Gelsenkirchen mit seinen 51 meisterfreien Jahren wirklich noch auf Rosen gebettet. Nach einer Serie des BVB ohne Derbysieg gab es von Manni Breuckmann den Spruch von den Dortmunder Großvätern, die zu Weihnachten ihre Enkel um den Weihnachtsbaum versammeln und diesen vom letzten Dortmunder Derbysieg erzählen. Wenn man das auf Schalke und Meisterschaften adaptiert, muss man inzwischen schon von Urgroßvätern sprechen...
Breuckmann: (lacht) Da musste ich auch gerade dran denken. Diese Phase, als Dortmund sich einfach weigerte, gegen Schalke zu gewinnen. (geht anschließend nicht weiter auf das Thema ein...)
Zitat aus unserer schwatzgelb.de Printausgabe zum „Making Of“ eines Spielberichtes: „Während das Stadion uns den Namen des Torschützen entgegenschreit läuft auf dem kleinen Monitor des Radiomenschen der Treffer zum dritten mal in Zeitlupe. Der bekannte Sportkommentator spricht ruhig ins Mikrofon. Den Gedanken, ihm „Scheiß S04“ in seine Live-Reportage zu rufen, verschiebe ich wie immer auf das nächste Heimspiel.“
Was würdest Du machen, wenn so etwas wirklich passieren würde?
Breuckmann: (lacht herzlich) Ich würde fast zu körperlicher Gewalt neigen. Egal, was einer schreit – es kann ja auch ein Besoffener kommen und Tante Hedwig grüßen wollen -, dann würde ich schon zum Schubsen neigen. Es soll keiner in mein Mikro brüllen, wenn ich eine Reportage mache.
Aber wenn man jemanden anmeckert nicht vergessen, das Mikro auszumachen. Nicht so wie Marcel Reif...
Breuckmann: Jau, der hatte kürzlich wieder so ein Ding. (schmunzelt)
Wie tief sitzt der Stachel noch, dass Günther Jauch und Marcel Reif damals dem Grimme-Preis für die Reportage vom Torfall in Madrid bekommen haben und nicht Du?
Breuckmann: Den Stachel hat es nie gegeben. Übrigens war das 3:1 im Champions-League-Finale in München mit Ansage. Ich habe in der Reportage damals gesagt: „Jetzt kommt Lars Ricken, der gleich das 3:1 schießen wird.“
Du hast mal gesagt, Du durftest nie „Deutschland ist Weltmeister!“ oder „Deutschland ist Europameister!“ rufen, hattest Dich aber zur WM-Stimmung 2006 aber auch sehr kritisch geäußert.
Breuckmann: Ich hatte in der taz gesagt, Fußball sei für mich keine patriotische Veranstaltung, da habe ich keine Beziehung zu. Damit hatte ich es dann auf die Titelseite meiner Lieblingszeitung mit den vier Buchstaben geschafft und man schrieb: „Manni, dann geh doch nach Hause!“ und ähnliche Sachen. Eine wunderbare Ehrung für mich. Als Fußballfan hat mir die WM gefallen, man war ja auch ständig unterwegs. Allerdings, und das mag wieder unpatriotisch klingen, gefiel mir die WM 1994 in den USA noch besser. Ständig in Flugzeuge zu steigen wie andere in den Bus einsteigen. Mal nach Orlando, dann San Francisco, dann wieder Dallas. Die WM 2006 war eben eine WM, wo du in ein Stadion kommst und der Ordner sagt zu dir: “Ey, Manni, was machst du denn hier?“ Das konnte dir in Dallas nicht so leicht passieren.
Vor dem Eröffnungsspiel 2006 wohnten wir in einem kleinen Dorf bei München in einem Gasthof, wo die Kellnerin mit Dirndl herum lief und die Kühe durch das Fenster schauten. Und dann fährst Du ein paar Kilometer und bist plötzlich bei einem Ereignis, das von einer Milliarde Menschen angeschaut wird. Du stehst in so einer riesigen Arena und stellst dir vor, was da gleich passieren wird. So einen Kontrast erlebt man wohl selten.
Wie geht es nach der letzten Reportage aus Bochum weiter?
Breuckmann: Wahrscheinlich stürze ich mich in die Emscher... Im Ernst: Es wird häufig vergessen, dass ich neben dem Fußball auch viele andere Sachen gemacht habe. Am Montag folgt meine letzte Moderation von hier aus dem Studio in Dortmund und dann ist erstmal Urlaub an der belgischen Nordseeküste.
Herrscht durch die Altersteilzeit ein absolutes Berufsverbot?
Breuckmann: „Manni gegen den Rest der Welt“ mache ich noch bis zum Saisonende, ansonsten in den nächsten zweieinhalb Jahren nichts für den WDR. Alle Nebentätigkeiten, die vorher vom WDR genehmigt waren, darf ich weiter ausüben.
Was macht Manni künftig an den Wochenenden?
Breuckmann: Tja, das weiß ich auch noch nicht. Ich lasse das alles erst einmal auf mich wirken. Sicherlich bleibe ich ganz nah beim Fußball, gehe bestimmt häufig ins Stadion. Ich werde aber sicher auch mal samstags nach Düsseldorf in die Altstadt gehen, mein Lieblingsbier trinken, eine Erbsensuppe essen, anschließend nach Hause gehen und die Sportschau sehen. Oder mal eine Wochenendreise machen. Meine Frau freut sich schon, dass ich an den Wochenenden nicht immer zwangsläufig weg bin. Wenn sie dann mal fragen sollte, ob ich nicht einmal wieder ins Stadion gehen möchte, werde ich sicherlich gehen.
Auch zu unterklassigen Vereinen?
Breuckmann: Ja, ins Westfalenstadion auch.
Manni Breuckmann, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!