...Hans-Joachim Watzke (Teil 2): "...bin ich der erste, der sagt: Macht euren Scheiß alleine!"
Im zweiten Teil des Interviews sprechen wir mit Hans-Joachim Watzke über Morgan Stanley, die Finanzkrise, einen neuen Ausrüstervertrag, Martin Kind und die 50+1-Regel.
Den ersten Teil des Interview findet ihr hier.
schwatzgelb.de: Zum Finanziellen: Stimmt es, dass das Erreichen der Zwischenrunde im Uefa-Cup fest eingeplant war?
Watzke: Wir haben im Ansatz für den Etat die Gruppenphase mit 1,8 Millionen veranschlagt. Ich halte auch nichts davon, dass man Planungen abseits jeder Realität macht. Ich kann natürlich planen, dass wir 15. werden und im Pokal und im Uefa-Cup in der ersten Runde rausfliegen. Wir sind damals davon ausgegangen, dass wir gesetzt werden, was ja nur an einem Platz gescheitert ist. Dann wären wir mit großer Wahrscheinlichkeit auch in die Gruppenphase gekommen. Wir hatten auf der anderen Seite nur die zweite Runde des DFB-Pokals eingeplant und stehen jetzt in der dritten. Um die wirtschaftliche Seite muss sich in den nächsten Jahren wirklich keiner Gedanken machen. Aber das heißt auch, dass alle Geduld haben müssen. Wir machen keine Planung, die vorsieht, dass wir zehn Millionen Verlust machen, in der Hoffnung, dass wir dann mit Brachialgewalt durchstarten. Das gibt es definitiv nicht. Wir stehen mit unserer Stadionfinanzierung gut da. Wir müssen keine Rücklagen bilden. Außer im berechtigten Interesse der Aktionäre, irgendwann einmal Dividende zu bekommen. Aber das können wir nur in Jahren machen, wo wir auch international spielen. Wir planen keine Frontaloffensive, dass wir uns irgendwo 20 Millionen leihen und dann durchstarten. Das Geld würden wir sogar wieder kriegen, aber wir machen so etwas nicht.
Wie geht es eigentlich Morgan Stanley? War es angesichts der Finanzkrise gut, den Morgan Stanley-Kredit frühzeitig abgelöst zu haben?
Watzke: So viel hören wir ja nicht mehr von Morgan Stanley. Den Kredit haben wir im günstigsten Moment zurückgezahlt. Heute hätte ich mehr Sorgen, wenn man weiß, wie sehr Banken um Liquidität kämpfen und Kredite verkauft werden. Morgan Stanley ist jetzt nur noch Aktionär bei uns, aber auch kein sehr großer. Wir haben keinen Aktionär mehr, der mehr als 16 Prozent hat. Homm hatte mal 30 Prozent. Wir haben alles überstanden: den Zerleger von Mallorca, Waffenhändler aus der Türkei (lacht)... Nein, als Aktionär ist Morgan Stanley sehr kooperativ. Wir haben jetzt über 50 Prozent der Aktien im Streubesitz, was uns sehr gut gefällt. Die wirtschaftliche Seite ist jetzt nicht so, dass wir jeden Tag „Hurra" schreien, aber wenn man das mit den Zeiten vor einigen Jahren vergleicht, dann ist das schon komfortabel. Wir haben in den letzten zwei Jahren 123 Millionen an Verbindlichkeiten abgebaut. 123 Millionen! Das versteht eigentlich niemand, da muss man sich gelegentlich selbst kneifen.
"Einen solchen Vertrag hätte ich nie unterschrieben."
Was ist von den anstehenden Verhandlungen um neue Ausrüster- und TV-Verträge zu erwarten?
Watzke: Ich bin sicher, dass wir nicht weniger kriegen. Es sei denn - ich kann ja schon ahnen, in welche Richtung das gehen soll -, wir spielen wieder alle samstags um 15.30 Uhr. Dann würden wir in der Tat deutlich weniger bekommen. Für den Ausrüstervertrag rechnen wir natürlich auch mit etwas Geld. Wir haben in der Vergangenheit aber in unserer Gewinn- und Verlustrechnung diese Gelder gar nicht mehr abbilden können, weil die alle schon vorvereinnahmt waren. Wir kriegen durch den neuen Ausrüstervertrag also etwas dazu. Es wäre besser gewesen, ein halbes Jahr früher darüber zu verhandeln als jetzt während der Finanzkrise. Das ging aber aus vertraglichen Gründen nicht.
Geht es darum, einen neuen Ausrüster zu finden oder darum, was der schon gefundene Ausrüster demnächst zahlt?
Watzke: Es geht ganz konkret darum, einen zu finden.
Puma stand doch angeblich schon fest.
Watzke: Angeblich, ja. Da ist aber nichts dran. Es gibt das Interesse von vier Ausrüstern, aber wir werden natürlich einen Teufel tun, zu sagen, welche das sind. Aber als Borussia Dortmund haben wir bisher am Ende des Tages immer sehr werthaltige Verträge abgeschlossen.
Steht eine Verlängerung mit Nike überhaupt zur Debatte?
Watzke: Nike hat die Möglichkeit, jeden Vertrag durch ein Matching Bid Right (das Recht, den Höchstbietenden mit einem gleich lautenden Gebot auszustechen, Anm. d. Red.) zu ihrem eigenen zu machen. Einen solchen Vertrag hätte ich nie unterschrieben. Der hemmt uns natürlich. Viele Firmen fragen sich, warum sie uns ein werthaltiges Angebot machen sollen, wenn Nike dann sein Recht wahrnimmt.
"Wir können nicht immer nur das Recht des Stärkeren durchsetzen"
Die 50+1-Regel ist momentan in aller Munde...
Watzke: ... mein Lieblingsthema...
... Die DFL hat klar gesagt, dass die Regelung beibehalten werden soll. Für die Jahreshauptversammlung des BVB gibt es nun zwei Anträge. Einen des Vorstands und einen von Markus Bliemetsrieder. Warum geht der Antrag des Vorstands nicht soweit, die 50+1-Regel in die Vereinssatzung zu schreiben, wie es der von Bliemetsrieder tut?
Watzke: Da ist doch gar kein großer Unterschied. Im Prinzip geht es darum, dass der Antrag des Vorstandes sagt: wenn wider Erwarten die 50+1-Regel wegfiele, möchte der Vereinsvorstand die sich daraus ergebende rechtliche Möglichkeit, über die Geschäftsanteile an der Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH frei verfügen zu können, an ein Votum von einer Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen der Mitglieder binden.
Der Antrag von Herrn Bliemetsrieder würde aber in die Satzung schreiben, dass ein Anteil von 50 Prozent plus ein Stimmanteil immer beim Verein bleiben müsste.
Watzke: Man kann das natürlich in die Satzung schreiben, aber selbst das könnte ja mit einer Dreiviertelmehrheit auf einer Jahreshauptversammlung geändert werden. Von daher führen beide Anträge in der Auswirkung zum gleichen Ergebnis. Aber das ist genau der richtige Schritt. Ich finde das Verhalten von Herrn Kind da unsäglich und undemokratisch. Aber da hebe ich mir noch etwas für die nächste DFL-Versammlung auf. Man muss es ja so sehen: Hannover 96 ist ja nun kein bundesweites Kulturgut, wie es vielleicht Borussia Dortmund ist, aber zumindest ein niedersächsisches. Und das sollte man nicht einfach veräußern. Wir sind als Borussia Dortmund doch der Beweis, dass man Investoren finden kann, ohne die 50+1-Regel außer Kraft zu setzen. Dafür gibt es ja die GmbH & Co. KGaA, die einem genau diese Möglichkeit bietet. Wir haben 2006 als GmbH & Co. KGaA 64 Millionen per Kapitalerhöhung eingenommen. Ja bitte schön, da muss man sich auch mal ein bisschen Mühe geben. Natürlich kann man einem Investor sagen, dass er alle Macht hat und innerhalb von vier Wochen alles rausschmeißen darf. Aber da sage ich: Das machst du nur einmal und nie wieder. Ich finde, Hannover 96 gehört genau so seinen Mitgliedern und dem ganzen Land wie Borussia Dortmund auch. Das ist doch mehr als ein Unternehmen. Ich spreche auch gar nicht gerne von Fußballvereinen als Unternehmen. Manchmal muss ich das aber tun, um den Unterschied zu erklären, aber am liebsten spreche ich vom Verein oder Klub. Ein Fußballverein ist kein Unternehmen im klassischen Sinn, er muss nur so geführt werden.
Der zweite Punkt ist für mich aber noch wesentlicher. In der Liga gibt es eine vorherrschende Meinung, und die passt Herrn Kind nicht. Da kann man nun mit umgehen wie ein Demokrat und die mehrheitliche Meinung akzeptieren. Aber nein: er will prozessieren. Wir als Borussia Dortmund wissen doch ganz genau, dass wir von einer Abschaffung der Zentralvermarktung enorm profitieren würden. Aber wir sind solidarisch. Wir können nicht immer nur das Recht des Stärkeren durchsetzen, sondern wir brauchen eine Liga, in der man solidarisch sein muss, um eine ungefähre Wettbewerbsfähigkeit zu haben.
Glauben Sie denn, dass er die Klage durchzieht?
Watzke: Auf jeden Fall.
Und was denken Sie, wie so ein Verfahren enden würde?
Watzke: Mein Vertrauen in die EU-Gerichtsbarkeit ist sehr eingeschränkt. Nachdem ich erlebt habe, wie das Kartellamt sich aufgeführt hat, fehlt mir auch da das Vertrauen. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall leistet er der ganzen Sache einen Bärendienst. Wir werden das bekämpfen, wo es geht. Für Borussia Dortmund wird es, zumindest in der Personal-Konstellation, die wir jetzt haben, nie ein Thema. Wenn die Mitgliederversammlung nächstes Jahr beschließen sollte, dass die Mehrheitsanteile an der Geschäftsführungs-GmbH verkauft werden, bin ich der erste, der sagt: „Macht euren Scheiß alleine". Definitiv. Das muss man den Mitgliedern aber auch klar machen, dass im Vorstand von Borussia Dortmund noch schwarz-gelbes Blut fließt. Man soll sich mal vorstellen, was los wäre, wenn im Vorstand jemand aus dem Private Equity-Bereich säße. Dann würde es auch für den eingetragenen Verein schwer. Man darf das bei uns nicht so sehen, dass die Guten nur im Verein sitzen und in der KGaA nur ans Geld gedacht wird.
Welche Beweggründe sollte eigentlich jemand haben, sich die Mehrheit an Hannover 96 zu sichern? Eigentlich kann es doch nur zwei Gründe geben: Entweder man wollte den Verein schon immer besitzen, weil man ihn so toll findet. Oder man will Geld damit verdienen. Das wiederum ist doch kaum möglich, wenn man dauerhaft sportlich erfolgreich sein will.
Watzke: Geld verdienen kann man schon, aber ob das ausgerechnet mit Hannover geht, ist die andere Frage. Es gibt natürlich den „Klassiker" der sagt: „Ich will, dass es Hannover 96 gut geht." Dafür muss er aber den Klub nicht kaufen. Es gibt auch Leute, die sich durch so einen Klub selbst verwirklichen wollen. Mehr sage ich dazu aber nicht. Der entscheidende Punkt ist: Wenn du mal einen falschen Präsidenten wählst oder einen falschen Geschäftsführer hast, dann kannst du die wieder loswerden. Wenn du aber einen falschen Besitzer hast, den wirst du nicht mehr los. Das kommt mir bei der ganzen Diskussion zu kurz. Der deutsche Fußball-Fan möchte das Gefühl haben, und eigentlich ist es ja auch so, immer noch Teil des Ganzen zu sein und nicht wie in England außen vor zu stehen und horrende Eintrittspreise zu bezahlen.
Kann man sich denn langfristig davor schützen? Würde nicht ein Präzedenzfall, sei es bei Hannover, dazu führen, dass andere Vereine nachziehen müssten, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Watzke: Wenn man der Meinung ist, dass dieses Modell so viel besser ist, dann hat man zumindest ein Problem. Ich bin der Überzeugung, dass das Modell nicht besser ist. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass unser Modell besser ist, weil ich glaube, dass die Bindung der Anhänger in einer Konstruktion wie bei uns viel enger ist. Was nutzt denn dem besten Investor Borussia Dortmund, wenn anschließend nur noch 40.000 Zuschauer kommen? Der wird auf Dauer mit Zitronen handeln. Da können wir auch glücklich sein, dass mit Reinhard Rauball ein Borusse Liga-Präsident ist. Aber wenn alle der Meinung sind, dass Herr Kind auf dem richtigen Weg ist, dann sind wir und - so schwer das viele BVB-Fans wahrscheinlich glauben können - Schalke die letzten Bastionen, wo es noch anders ist. So lange ich und die Leute, die jetzt beim BVB etwas zu sagen haben, hier sind, wird es so etwas nie bei Borussia Dortmund geben. Definitiv nie.
Ein schöner Schluss. Vielen Dank für das Gespräch.