Im Gespräch mit...

...UN-Basti: "Die Polizei in Dortmund lernt nicht dazu"

03.05.2007, 00:00 Uhr von:  SSC
...UN-Basti: "Die Polizei in Dortmund lernt nicht dazu"

Probleme mit der Polizei - für viele Fans ist das kein Thema, für einige andere dagegen ein alltägliches Ärgernis. Für Außenstehende ist es kaum nachvollziehbar, weshalb Fangruppen aus ganz Deutschland regelmäßig vom "gegenseitigen Hochschaukeln" der Aggressionen, "Gewaltspiralen" oder gar "künstlich herbeigeführten Eskalationen" berichten, wenn es um ihr Verhältnis zur Polizei geht. "Was haben die jetzt schon wieder angestellt? Ich hatte in zwanzig Jahren keine Probleme mit denen", denkt sich da manch alter Hase und tut die Kritik am Vorgehen der Sicherheitskräfte als bloßes Gejammer halbstarker Bengel ab.

In Dortmund verhält sich das kaum anders. Während die Polizei nach Spielen im Westfalenstadion regelmäßig von „ruhigen Nachmittagen“ zu berichten weiß, wird ihr aufgrund „unverhältnismäßiger Rundumschläge“ ein „schlechter Ruf in Fußballfankreisen“ attestiert. Immer wieder beklagen sich die Fans der Gastvereine über Grundrechtsverletzungen weit über den zulässigen Grenzen eines Eingriffs, unhaltbare Strafanzeigen oder Einträge in misteriösen Datenbanken wie der Datei Gewalttäter Sport.

Sebastian Grau, den meisten wohl eher bekannt als „Basti“, ist so ein Fan. Seit vielen Jahren gehört er der aktiven Fanszene des FC Nürnberg an, hat einige hundert Spiele seines Vereins besucht und in dieser Zeit eine Menge Erfahrungen mit Sicherheitskräften und Polizeien verschiedenster Städte gesammelt. Als Vorsänger der Ultras Nürnberg haben ihn die meisten Borussen wohl zumindest schon mal als kleinen Punkt auf der Nordtribüne des Westfalenstadions wahrnehmen können, manch anderer kennt ihn vielleicht von „Gate 8“, einer vor kurzem erschienenen Dokumentation über die Ultras Nürnberg.

schwatzgelb.de: Basti, du bist seit rund sieben Jahren Vorsänger der Nürnberger Nordkurve. An welcher Stelle siehst du dich innerhalb eurer Fanszene?

Basti: Ich habe mit Julius und ein paar anderen zusammen 2000 die Ultras Nürnberg, wie sie in ihrer heutigen Form existieren, mitbegründet und aufgebaut, wobei Julius die ganze Zeit über unser Capo war und auch noch ist. Mit drei, vier anderen Personen haben wir die Nordkurve Nürnberg wie sie heute da steht geformt. Immer wieder kommt die Frage, wie ich dann Megafonmann geworden bin. Ich kann das gar nicht so richtig beantworten, weil ich es eigentlich nicht weiß. Ich habe mal angefangen vor zehn Leuten zu singen, dann vor ein paar mehr, dann bei einem Heimspiel und irgendwann waren es eben ein paar tausend Leute. Ich habe die Nürnberger Ultraszene im Prinzip auf das geeicht, was in der Zukunft kommt. Wenn man es so sehen will, war ich das Gesicht der Ultraszene in Nürnberg, der Reflektor der ganzen Bewegung. Wie das mit meiner Position aussieht, ist nicht so ganz einfach zu erklären. Ich bin erster Megafonmann, das ist natürlich schon sehr hoch eingestuft, selbst wenn es manchmal ziemlich überbewertet, von anderen aber auch unterbewertet wird. Im Grunde bin ich ein ganz normaler Ultra, nur dass ich das Glück hatte, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um das alles in die Wege leiten zu können.

schwatzgelb.de: Bei den Spielen sind die Blicke vieler Fans auf dich gerichtet, auch abseits des Stadions bist du gewissermaßen ein Vorbild.

Basti: Ein Vorsänger muss immer ein Vorbild sein für andere Leute im Bezug darauf, wie man sich beim Spiel verhält und was man so gibt in Sachen Stimmung. Das ist meine Rolle. Ob ich menschlich ein Vorbild sein muss? Nein, das muss ich nicht, denn das soll jeder für sich entscheiden. Als Fan oder Ultra sollte man sich aber schon ein Beispiel am Vorsänger nehmen können, da er das Leitbild gibt, wie die Kurve im Verlauf des Spiels reagieren und auch was vor dem Stadion passieren soll, wobei es dort natürlich auch andere Personen gibt, an denen man sich orientieren kann.

schwatzgelb.de: Wie viel Einfluss hast du auf die Nürnberger Fans und wie übst du diesen aus?

Basti: Wie viel Einfluss ich habe, hat sich so über die Jahre herauskristallisiert. Ich bin jetzt 26 Jahre alt und habe angefangen, als ich 19 oder 20 war. Das war eine fließende Entwicklung, die im Hintergrund abgelaufen ist und bei der ich eigentlich nie mitbekommen habe, wie viel Einfluss ich zum Beispiel auf die jungen Leute hatte. Das kann man sehen als eine Sache der Erfahrung und Routine, die man da oben hat. Da gibt’s halt einige Leute, die das toll finden und sagen, dass sie gerne auch das tun würden was ich eben so tue. Die sehen, dass ich seit vielen Jahren bei fast allen Heim- und Auswärtsspielen mit dabei bin und immer alles gebe. So beeinflusse ich die Leute natürlich und habe eine tragende Rolle, besonders was die Gestaltung der Kurve angeht. Da ist es besonders der Wandel weg vom biertrinkenden Kuttenfan hin zum denkenden Fan, der sich Gedanken darüber macht was um ihn herum vorgeht und weshalb er da eigentlich steht.

schwatzgelb.de: Wir haben dich um ein Interview gebeten, weil wir von deinem unfreiwilligen Zusammenstoß mit der Dortmunder Polizei vor gut sechs Wochen gehört hatten. Was genau ist da vorgefallen?

Basti: Wir sind in Dortmund mit zwei Bussen angekommen und mit 100 bis 150 Leuten vom Busparkplatz zum Stadion gegangen. Da wurden wir gleich von einigen Polizisten empfangen, die sich eigentlich relativ korrekt verhalten haben. Jetzt ist Dortmund neben Bremen die einzige Stadt in der Bundesliga, in der man als Gästefan mitten durch die Heimfans oder zumindest einen Teil von ihnen durchlaufen muss, weshalb es eigentlich immer einige kleine Pöbeleien gibt. Ich bin am Ende der Gruppe gelaufen, habe mich mit jemandem unterhalten und konnte nur schlecht sehen, was vorne passierte. Die Atmosphäre war ziemlich locker und keinesfalls aggressiv, da ja allgemein bekannt ist, dass in Dortmund von den Fans her gesehen generell nie etwas passiert. Vorne gab es dann plötzlich Geschrei. Wie ich später gehört habe, sollen ein paar Dortmunder provoziert haben und unsere Nasen wollten es sich nicht entgehen lassen, sich da einzumischen und gleich hinzurennen. Ob das richtig oder falsch war, kann und will ich nicht beurteilen. Das Erste was ich gesehen habe, war, dass sich eine Polizeikette gebildet hat. Ich bin dann mit dem Megafon nach vorne gelaufen, wo ich sah, dass ein anderes führendes Mitglied von Ultras Nürnberg die Sache schon beruhigt hatte. Da schlug der Einsatzleiter (Anm. des Autors: Name ist der schwatzgelb.de-Redaktion bekannt), der den ganzen Tag über federführend war, einem Fan, der direkt neben mir stand, ziemlich grundlos beide Fäuste direkt ins Gesicht. Da ging es dann auf einmal richtig los. Es wurde viel geschubst, es wurde umhergesprungen, es gab ein Riesengeschrei und einige Versuche, an diesen Polizisten ranzukommen. Ich wurde natürlich auch durch die Gegend gedrückt, habe aber mit dem Rücken zur Polizei stehend versucht, die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Das hat ganz gut geklappt, so dass nach vielleicht 20 Sekunden außer ACAB-Rufen und ähnlichen Geschichten, die sich einfach nicht unterbinden lassen, alles wieder beruhigt war. Da hat dieser Polizist dann schon wieder einem Kollegen mit der Faust direkt ins Gesicht geschlagen, ebenfalls grundlos wie es hieß, weshalb die Sache natürlich wieder eskaliert ist, das ganze Theater wieder los ging und wir wieder eine halbe Minute brauchten, um Ruhe rein zu bringen. Dann blieb es still und wir sind gemeinsam ins Stadion gegangen. Dort stand dieser Beamte rum und weil ich mich so über sein Verhalten geärgert hatte, ging ich zu seinem Kollegen und fragte, wie man an die Daten dieses Polizisten kommen könnte, um rechtsstaatliche Mittel, also Strafanzeige und gegebenenfalls Dienstaufsichtsbeschwerde, gegen ihn einleiten zu können. Eine Antwort hab ich nicht bekommen, die haben nur ziemlich blöd gelacht und irgendwann gesagt, dass ich zu ihm selbst hingehen solle. Da hab ich mir schon denken können was rauskommt, wenn ich das mache. Es war mir in dem Augenblick aber egal, weil ich eben schon so weit gegangen war, dass ich auch diesen Schritt noch gehen wollte. Ich habe ihm erklärt, was ich vorhabe und dass ich sein Verhalten nicht ok fand, woraufhin er nur grinste und sagte, dass sein Name auf den Anzeigen zu finden sei, die er gegen die Fans erstatten würde. Zu dem Zeitpunkt stand er schon da und deutete aus dem Haufen heraus wild auf Fans, die er festnehmen lassen wollte. Dass diese Fans genau wie ich überhaupt nichts gemacht hatten, belegen die Polizeivideos, die mittlerweile bei den SKBs (Anm. des Autors: Szenekundige Beamte) in Nürnberg liegen. Als er mir dann immer noch keine vernünftige Antwort geben wollte, hab ich dummerweise im Weggehen gesagt: Das sind ja fast Methoden wie bei der NSDAP. Da kann man drüber debattieren, ob das klug war oder nicht, wobei ich das wohl nicht gesagt hätte, wenn ich in dem Moment klug gewesen wäre. Allerdings wusste ich in dem Augenblick nicht, was das für Konsequenzen haben könnte, da das für mich eine freie Meinungsäußerung und keine zielgerichtete Beleidigung war. Mich weiter dazu äußern konnte ich nicht, da ich sofort im Anschluss Was war das? von hinten hörte und mit dem Ellenbogen von diesem Beamten umgehauen wurde. Das haben natürlich einige Fans gesehen, die mich dann befreien wollten, was zu dem Zeitpunkt natürlich irgendwie verständlich war. Er nahm mich aber auf, drückte mich an eine Mauer, packte mich in den Schwitzkasten und sagte wortwörtlich: Dir geb ich gleich NSDAP, du Arschloch. Anschließend würgte er mich noch mehr und schleifte mich rund 30, 40 Meter ins Stadioninnere zum Stadiongefängnis. Später behauptete er, ich hätte mich bei der Festnahme widersetzt und auch Nazibulle zu ihm gesagt. Der hat den Vorfall also verdreht und entfremdet, um die Beleidigung noch deutlicher zu machen. Und dann war ich erstmal vier, fünf Stunden eingesperrt.

schwatzgelb.de: Gibt es denn Zeugen oder Fotos, die diesen Vorfall dokumentieren könnten?

Basti: Meine Festnahme ist nicht gefilmt worden, der Vorfall vor dem Stadion aber schon. Laut unseren SKBs, die das Video bereits gesehen haben, ist darauf überhaupt kein schuldhaftes Verhalten von uns zu erkennen, so dass nach ihrer Aussage jede Anzeige wegen Landfriedensbruchs eingestellt werden müsste. Auf dem Video sieht man eine kleine Schubserei, mehr aber auch nicht. Wie ich mittlerweile erfahren habe, soll ich nicht nur wegen Beleidigung und Widerstands, sondern eben auch wegen Landfriedensbruchs angezeigt worden sein, weshalb ich darauf hoffe, dass es vielleicht doch noch zu unseren Gunsten laufen könnte. Am Donnerstag werde ich mir mit meinem Rechtsanwalt das Video anschauen und besprechen, wie wir weiter vorgehen.

schwatzgelb.de: Wie passierte, nachdem dich der Polizist zu Boden gerissen hatte? Wurde dir Gelegenheit dazu gegeben, dich für dein Verhalten zu entschuldigen?

Basti: Ich war dann in der Zelle, wo uns gesagt wurde, dass wir vorläufig festgenommen seien. Da hatte ich naiverweise noch den Eindruck, dass es sich nur um eine kurze Festnahme im Sinne einer Vorbeugehaft handelte und dass da nichts mehr nachkäme, weil das die anderen Polizisten auch so transportiert hatten. Als wir dann aber zum Polizeipräsidium kamen, die ganze erkennungsdienstliche Geschichte inklusive nackt ausziehen, Fingerabdrücke abgeben, Foto machen und dem anderen pipapo durchlaufen mussten und am Ende noch in Einzelzellen kamen, wurde mir langsam klar, dass die hier eine härtere Nummer fahren. Mit dem Beamten aus dem Stadion habe ich nicht mehr geredet, weil mir klar war, dass mir noch mehr aufgebrachtes Geschrei nur noch größeren Schaden gebracht hätte und weil ich mich ehrlich gesagt auch nicht entschuldigen wollte. Der Polizist, dem ich meine Aussage zu Protokoll gab, stimmte mir übrigens zu und sagte: Wenn das so war, wie sie sagen, haben sie mit ihrer Aussage völlig Recht.

schwatzgelb.de: Wie verhielten sich die übrigen Beamten dir gegenüber?

Basti: Im Präsidium haben sich die Polizisten relativ normal und freundlich verhalten. Das lag wahrscheinlich daran, dass das ganz normale Polizisten waren, die mit dem ganzen Fußballkram nichts zu tun hatten. Im und vor dem Stadion waren die Polizisten äußerst unhöflich und sehr militärisch. Wenn man da nicht in einer Zehntelsekunde reagiert hatte, wurde man gleich weg geschubst und weiter gedrückt, so haben die sich da aufgeplustert. Im Gefängnis war alles normal, da möchte ich niemandem einen Vorwurf machen. Die wussten ja selbst nicht, was wir gemacht haben und sie mit uns machen sollten.

schwatzgelb.de: Wenige Tage nach dem Spiel hieß es von der „Rot-Schwarzen Hilfe“, einer Nürnberger Faninitiative, die Dortmunder Polizei hätte ihren „schlechten Ruf in Fußballfankreisen wieder einmal bestätigt“. Als BVB-Fan hört man das immer wieder, doch bekommt man von den Problemen der Gästefans nur selten etwas mit. Was machen die Beamten in Dortmund denn falsch, was die Polizisten in anderen Städten richtig machen?

Basti: Das ist eine Frage, die ich nur aus der Sicht unserer Szene beantworten kann – und da kann ich mich an kein Spiel in Dortmund erinnern, bei dem wir nicht irgendwelche Probleme mit der Polizei oder dem Ordnungsdienst gehabt hätten. Letztes Jahr wollten uns die Ordner die Fahne runterreißen und haben eine Schlägerei angezettelt, die überhaupt nicht nötig war. Ansonsten wird immer wieder von Seiten der Polizei provoziert und jedes Mal werden in Dortmund mehrere Leute festgenommen, die kaum etwas gemacht haben. Das ist einfach alles sehr willkürlich, so dass wir mittlerweile schon auf der Fahrt noch Dortmund darüber reden, was diesmal wieder passieren könnte. Und tatsächlich ist bisher auch jedes Mal etwas passiert. Was man besser machen könnte, und das ist schon eine schwierige Frage, sind meines Erachtens das generelle Auftreten und der Umgang mit den Leuten. Fußballfans sind nunmal impulsiv, da sind auch viele junge Leute dabei, die vielleicht sogar mal wütend sind. Wenn dann ein 16 oder 17-jähriger gegen einen Zaun tritt, muss man sich fragen, ob unbedingt gleich die Staatsmacht da reinmarschieren sollte, weil es Teil ihrer Null-Toleranz-Schiene ist. Das funktioniert auf dem Level einfach nicht und das ist in Dortmund einfach immer das Problem. In Bielefeld haben sie zum Beispiel auch Leute aus dem Block gezogen, nur haben sie dort darauf verzichtet, gleich den Block zu stürmen. Die können da komischerweise mit einem reden und haben das Ganze im Nachhinein über den Fanbeauftragten geklärt. Klar ist es auch dort schade, wenn jemand wegen einer Lächerlichkeit rausgezogen wird, aber wenigstens eskaliert die Sache nicht und es bleibt ruhig. Ich meine, die in Dortmund machen den Job schon seit 10, 15, 20 oder sogar noch mehr Jahren und lernen trotzdem nicht, ein paar Gänge runterzuschalten, da sie mit ihrem jetzigen Verhalten ja auch irgendwie zum Ziel kommen. Ein respektvolles Miteinander ist so aber leider völlig unmöglich. Das ist schade, weil die Polizei letztlich ja da sein muss. Wir leben in einer Demokratie, in der die Sicherheit des anderen geschützt werden muss, was auch die Ultras irgendwo einsehen müssen. Aber so wie das aktuell gehandhabt wird, ist das nicht in Ordnung, weil es viel zu extrem ist.

schwatzgelb.de: Dabei hat es bei der WM doch ganz gut funktioniert.

Basti: Was ganz klar daran lag, dass die Medien bei der WM wirklich auf alles geschaut haben. Auf allen Seiten war eine ziemliche Sensibilität vorhanden, die Polizei wollte keine schlechte Presse haben. Wenn sie zum Beispiel alle hooliganähnlichen Engländer festgenommen hätte, hätte man sich bei den Medien schnell gewundert, warum da jetzt plötzlich 20000 Leute im Knast sitzen, weil bei den Engländern ja so ziemlich jeder wie ein Hooligan aussieht. Da gab es die Anweisung, alles erstmal ruhig angehen zu lassen und abzuwarten, was passiert. Die Deutschen haben sie trotzdem sofort festgenommen, nur bei den Ausländern haben sie das nicht machen können. Einerseits blieb es ruhig, weshalb die Polizei nie richtig eingreifen musste, andererseits hätte das normale, harte Durchgreifen sofort schlechte Presse gebracht. In der Bundesliga ist die Polizei dagegen richtig auf uns Fußballfans angewiesen, besonders darauf, dass regelmäßig etwas passiert. Irgendwie müssen die ja rechtfertigen können, weshalb bei jedem Spiel so viele Einsatzwägen rumstehen und sie so unglaublich teure Ausrüstung brauchen. Da ist es gewissermaßen auch so, dass regelmäßige Zwischenfälle die Arbeitsplätze der Polizisten und Ordner sichern. Das ist eine Schleife, die man nur schwer durchbrechen kann.

schwatzgelb.de: Du übst also keine Generalkritik an der Polizei im Sinne des immer wieder gehörten ACAB, sondern beziehst dich ausdrücklich auf die Einsatzleitung und Stadionpolizei in Dortmund?

Basti: Ich halte nichts davon, alle gleichzumachen und finde Dinge wie Alle Bullen sind Schweine oder ACAB ein bisschen arg weit hergeholt. Mit Sicherheit gibt es einige Arschlöcher bei der Polizei, allerdings gibt es auch Polizisten, die ganz in Ordnung sind. Genauso gibt es unter den Fans nicht nur gute, sondern auch einen ganzen Haufen Arschlöcher. Nur ist es bei der Polizei offensichtlich ähnlich wie im Fußball so, dass sich die Arschlöcher gerne in Gruppen sammeln.

schwatzgelb.de: Dabei heißt es doch regelmäßig in den Polizeiberichten, man habe einen ruhigen oder gar sehr ruhigen Einsatznachmittag erlebt...

Basti: Nur weil etwas im Polizeibericht steht, muss es ja noch lange nicht stimmen. Die Presseabteilung der Dortmunder Polizei verfasst jede Woche einen Pressebericht, in dem zum Beispiel unser Vorfall massiv überdramatisiert wurde. Da hieß es dann, dass Flaschen geflogen seien und Polizisten verletzt wurden, was einfach nicht stimmte. Die haben sich da irgendwas zusammengereimt, was sie nicht wirklich mitbekommen, aber vielleicht gerüchteweise von anderer Seite gehört haben. Jedenfalls war das eine Falschmeldung.

schwatzgelb.de: Du hast nach dem Halbfinalsieg im DFB-Pokal einen Brief vom BVB bekommen, in dem du über dein zweijähriges Stadionverbot aufgrund dieses Vorfalls informiert wurdest. Was ist es für ein Gefühl, auf dem Höhepunkt seiner Fankarriere aus dem Stadion ausgeschlossen zu werden?

Basti: Für mich persönlich ist das eine richtig schlimme Sache, wobei ich auch ehrlich sagen muss, dass der Höhepunkt meiner Fankarriere wenn überhaupt das Halbfinale in Nürnberg war. Man setzt sich ja immer wieder neue Ziele, deswegen ist das schwer festzumachen. Das Spiel in Berlin wird bestimmt auch ganz toll und richtig groß werden, aber was ich an diesem Abend in Nürnberg erlebt habe, war das allerbeste, was ich je in dieser Hinsicht gesehen habe. Was das Stadionverbot angeht, habe ich das eigentlich recht gelassen genommen. Ich habe zwar gehofft, dass sich das noch ein bisschen hinauszögert oder ich im Vorfeld etwas dagegen tun kann, aber gerechnet habe ich damit schon. Ich mache die ganze Geschichte bei Ultras Nürnberg hier seit sieben Jahren und hatte noch nie Probleme in dieser Richtung, obwohl es bei dieser ganzen Willkür eigentlich schon irgendwie dazugehört und es immer jeden treffen kann. Jetzt hat es eben mich getroffen und da will ich nicht groß rumheulen oder ausnutzen, wie ich zu dieser Kurve und zu den Fans stehe. Das haben vor mir schon einige andere durchmachen müssen, auch aus unserer Gruppe. Ein guter Freund von mir hat jetzt schon sechs Jahre Stadionverbot abgesessen und fährt trotzdem noch zum Fußball, da werde ich die zwei Jahre auch irgendwie rumbekommen. Natürlich werde ich auch weiterhin zum Fußball fahren, gar keine Frage. Da gibt’s die Vorbereitungen, die Fahrt im Bus mit meinen Freunden, das Spiel in einer Kneipe und dann wieder die Rückfahrt. Was soll ich am Samstag denn zuhause machen? Die Wand ankucken? Blödsinn. Viel zu viel passiert im Fußball und gerade der Ultraszene außerhalb des Stadions, das kann und darf mir keiner nehmen. Was in dieser Zeit natürlich in der Kurve passiert ist eine andere Geschichte, die mir viel mehr Sorgen macht als mein eigenes Schicksal.

schwatzgelb.de: Stadionverbote dienen der Prävention. Sie sollen harmlose Fans vor Übergriffen besonders gewalttätiger Stadionbesucher schützen und werden ausgesprochen, wenn eine zukünftige Bedrohung der Gesundheit anderer Fans wahrscheinlich ist. Ließ dein Verhalten am besagten Nachmittag die Vermutung zu, dass du eine potenzielle Gefahr für andere Fans darstellen könntest?

Basti: Ich würde jetzt behaupten: ganz klar nicht! Im Gegenteil, ich würde mein Verhalten an diesem Tag als sehr besonnen bezeichnen, da ich nicht nur einmal versucht habe die Situation zu beruhigen, um eben schlimmeres zu verhindern. Ich habe diese eine Aussage getätigt, die ich gegenüber der Polizei auch wahrheitsgemäß beschrieben habe, eine Körperverletzung oder sonstige Straftat habe ich aber niemals im Sinn gehabt. Ich sehe mich in diesem Fall als Opfer einer Willkür, die jeden hätte treffen können. Die Beleidigung nehme ich auf meine Kappe, doch bis auf diese Aussage bin ich unschuldig.

schwatzgelb.de: Eines der wesentlichen Merkmale unseres Rechtsstaats ist es, dass Strafen für Gesetzesbrüche nur von einem Gericht ausgesprochen werden dürfen. Wurde dein Fall denn einem Richter vorgelegt, der den Sachverhalt überprüfen und dir gegebenenfalls eine angemessene Strafe auferlegen wird?

Basti: Das ist eine gute Frage. Ich weiß ja bis jetzt noch nicht einmal genau, was mir überhaupt alles vorgeworfen wird, obwohl das mittlerweile schon sechs Wochen her ist. Ich bin nur wegen Beleidigung und Widerstand festgenommen worden, jetzt heißt es wohl noch Landfriedensbruch. Ich gehe davon aus, dass ich irgendwann mal einen Brief bekomme, in dem dann steht 800 Euro Strafe wegen Beleidigung, dann weiß ich allerdings nicht, wieso ich überhaupt das Stadionverbot bekomme. Ich lese dir mal vor, was mir Borussia Dortmund dazu geschrieben hat: Wir wurden darüber in Kenntnis gesetzt, dass Sie sich im Rahmen des Bundesligaspiels Borussia Dortmund gegen 1. FC Nürnberg am 14. März strafbar machten. Detailliert widersetzten Sie sich den Anordnungen der Polizei, suchten die tätliche Auseinandersetzung mit Dortmunder Anhängern und traten bei den Maßnahmen zur Verhinderung der Eskalation gegenüber der Polizei als Rädelsführer auf. Diese Vorwürfe seitens Borussia Dortmunds haben überhaupt nichts damit zu tun, was ich gemacht habe. Wenn ich das wegen Landfriedensbruch bekommen habe, hätte ich vielleicht die Chance nach Sichtung des Videomaterials eine Aufhebung zu bekommen, weil mir das laut unseren SKBs ja überhaupt nicht vorgeworfen werden kann. Wenn ich das Stadionverbot wegen dieser NSDAP-Geschichte bekommen habe, sieht es wohl schlecht aus. Da ist natürlich auch die Frage, ob Borussia Dortmund sich den Fall überhaupt angesehen und damit auseinandergesetzt hat, was ich momentan nicht glaube. Allen Leuten, die das Stadionverbot bekommen haben, wurde der gleiche Brief geschickt, den die halt einfach fünf mal ausgedruckt haben. Das finde ich schon sehr merkwürdig, wenn man fünf Leuten Rädelsführerei vorwirft. Was wären wir nur für ein jämmerlicher Haufen, wenn wir tatsächlich fünf Rädelsführer bräuchten? Das verstehe ich nicht.

schwatzgelb.de: Juristisch betrachtet darf ein Stadionverbot keine Bestrafung darstellen, da Stadionverbote nur auf das Hausrecht der Vereine zurückgehen und der bereits angesprochene Präventionscharakter im Vordergrund stehen soll. Liegt nicht der Verdacht nahe, dass es sich bei einem Stadionverbot wegen Beleidigung vielleicht dennoch um eine Art persönliche Rache seitens der Polizei handeln könnte?

Basti: Ja klar, weil es keinen richterlichen Beschluss braucht, um Stadionverbote auszusprechen. Das ist das generelle Problem, was auch kein normaler Mensch verstehen kann. Wieso wird man für etwas bestraft, selbst wenn ein Gericht vielleicht die Unschuld feststellen kann und man eigentlich gar nichts gemacht hat?

schwatzgelb.de: Immer wieder heißt es, dass Stadionverbote den Effekt der Prävention verfehlen. Die Fans würden der Kontrolle durch die Sicherheitskräfte entzogen und könnten vor dem Stadion unbemerkt mit den Fans anderer Vereine zusammenstoßen. Wäre es da nicht sinnvoller, Stadionverbote auf Bewährung auszusprechen oder in einem ersten Schritt anzudrohen, um auf eine Besserung zu hoffen?

Basti: Natürlich ist es lächerlich, wenn man die Stadionverbote derart ad absurdum treibt, dass man sie für Lappalien jeder Art vergibt. Da meine ich auch solche Dinge wie Becherwürfe oder wenn man mal betrunken einen wegschubst, was ja passieren kann. Gerade den Leuten Stadionverbot zu geben, die tief in einer Szene verankert sind, ist Schwachsinn. Manche Fans schreckt das zwar ab, aber ich kenne genug Leute, die natürlich trotzdem voll dabei bleiben und weiter mitfahren. Ich stehe zukünftig ja wohl auch vor dem Stadion rum, da ist die Chance unfreiwillig irgendwo mit reingezogen zu werden natürlich viel größer, weil auch die anderen Vereine Stadionverbotler haben. Natürlich sind die Verbote für manche Leute gerechtfertigt, weil sie Scheiße gebaut haben. Zum Beispiel Kristkind, den kennst du von der Gate 8-DVD, hat schon mehrfach Stadionverbot bekommen und sagt selbst, dass er das verdient hat. Für ihn persönlich ist das zwar schlimm, aber daneben gibt es halt richtig viele Leute, die völlig unschuldig sind. Wenn man die auch noch aussperrt und damit einer deutlich höheren Gefahr aussetzt, ist es einfach nur noch totaler Blödsinn.

schwatzgelb.de: Vor kurzem war ein Interview mit einem anonymen SKB bei Spiegel Online zu lesen, in dem es hieß, dass die komplett verwässerte Datei Gewalttäter Sport nur noch auf den Acker gehöre.

Basti: Ja, da kann ich mich auch dran erinnern. Da stehen mittlerweile so viele Leute drin, die nix gemacht haben und völlig harmlos sind, dass man mit der Datei echt nix mehr anfangen kann. Da stehen Leute mit drin, die zufällig in Personenkontrollen reingekommen sind oder mal im gleichen Bus saßen, mit dem irgendwelche Schläger zum Spiel gefahren sind. Im Prinzip ist das nur noch eine gigantische Datenschieberei, die da vonstatten geht, und bei der man gar nicht mehr hinter die Kulissen blicken kann.

schwatzgelb.de: Dein Stadionverbot wurde vom BVB als Folge einer polizeilichen Empfehlung ausgesprochen. Üblicherweise werden die Vereine der betroffenen Fans jedoch im Vorfeld kontaktiert, so dass diese Stellung zu ihren Fans beziehen können. Was hat der FCN getan, um euch vor einem Stadionverbot zu schützen?

Basti: Unseres Wissens nach hat der Sicherheitsbeauftragte unseres Vereins gemeinsam mit dem Fanbeauftragten, zu dem wir einen ganz guten Draht haben, einen Brief nach Dortmund geschrieben. Darin haben sie erklärt, dass wir Mitglieder von Ultras Nürnberg sowie seit vielen Jahren bekannte aktive Fans sind und gebeten, dass wir kein Stadionverbot bekommen oder zumindest so lange gewartet wird, bis der juristische Teil erledigt ist. Ob das jetzt wirklich so passiert ist, ist aber fraglich, wie mir Leute von The Unity gesagt haben. Die haben bei ihrem Verein nachgehakt und haben herausgefunden, dass es sein könnte, dass uns der FCN im Stich gelassen und die Stadionverbote sogar als verdient bezeichnet hätte. Das hat bei uns einigen Wirbel verursacht, weil das der absolute Wahnsinn wäre, wenn sich das bewahrheiten sollte. Wir wissen momentan noch nicht, wo der Fehler in dieser Kette liegt, sind aber mitten bei der Aufklärung.

schwatzgelb.de: Ihr seid also mehr oder weniger zufällig darauf gekommen, dass die Geschichte des FCN vielleicht nicht ganz stimmen könnte?

Basti: Das war natürlich eine große Überraschung. Ich war da gerade beruflich in Spanien unterwegs, als ich davon erfahren habe. Es hat mich sehr gefreut, dass die Szene in Dortmund eben auch versucht etwas gegen willkürliche Stadionverbote zu machen. Wir hätten es wahrscheinlich genauso gemacht, aber daran konnte ich in dem Augenblick überhaupt nicht denken. Da hab ich schon Respekt davor, wenn Leute einer anderen Gruppe sich hinstellen, ihre Köpfe hinhalten und beim Verein nachfragen, was da jetzt genau passiert ist.

schwatzgelb.de: Hast du das Gefühl, dass man an dir als dem vorhin beschriebenen Vorbild vielleicht ein Exempel statuieren wollte?

Basti: Hehe, ich bin normalerweise ein großer Freund von diversen Verschwörungstheorien, aber das glaub ich jetzt mal nicht. Bei den Vorfällen in Dortmund denke ich nicht, dass die Polizisten da wussten, dass ich einer der prominenteren Leute aus Nürnberg bin. Wenn natürlich der FCN versuchen würde mich rauszukicken, wäre es natürlich eine starke Nummer. Ich glaube es aber nicht, weil sie sich damit nur Ärger machen würden. Ich arbeite da seit Jahren an der Spitze mit, es läuft eigentlich ganz gut und fruchtbar. Die wissen genau, dass ich ein eher besonnener Typ bin, der viel denkt, realitätsnah agiert und bei Problemen auf den Verein zukommt. Für den FC Nürnberg wäre ein solches Verhalten sehr blöd, weil der eigentlich recht froh sein kann, dass an unserer Spitze nicht irgendwelche Super-Hardliner stehen. Sollte es aber wirklich so sein, wäre das ein Riesenskandal und würde richtig hohe Wellen schlagen. Die Nürnberger Szene ist momentan sehr sensibilisiert für dieses Thema und selbst ganz normale Fans und Kritiker der Ultras Nürnberg sind bestürzt über das was mir passiert ist. Insofern hat es vielleicht etwas gutes, dass es jetzt mich erwischt hat, weil in Nürnberg ein regelrechtes öffentliches Interesse entstanden ist. Ich will mich da nicht in den Vordergrund spielen, doch für die ganze Szene ist es ein großer Vorteil, weil man jetzt endlich mal dagegen vorgehen kann.

schwatzgelb.de: Deine Hoffnung besteht darin, dass sich Dortmunder Fans dafür einsetzen, dass die Stadionverbote für dich und deine Freunde zurückgenommen werden. Ist es nicht eine völlig absurde Entwicklung, den Fans anderer Vereine mehr Vertrauen entgegen bringen zu können als vielleicht dem eigenen Verein oder der Polizei? Und wenn es so ist: Welche Daseinsberechtigung haben Polizei und Ordnungsdienste, wenn man mit den Fans, vor denen man eigentlich beschützt werden soll, besser auskommen kann als mit den Sicherheitskräften selbst?

Basti: Das ist eine wirklich sehr intelligente Frage, die du da formuliert hast, vor allem eine sehr tiefgründige. Ich sage es mal so: Ich vertraue Fans eines anderen Vereins oder einer anderen Gruppe in einem derartigen Fall mehr als der Polizei oder irgendeinem Präsidiumsmitglied, weil die nach meiner Auffassung genau wie die Spieler nicht mehr als Söldner sind, die ihren Job machen. Ich war schon oft genug enttäuscht, wenn klare Zusagen der Polizei oder des Präsidiums bei Choreografien oder anderen Dingen nicht eingehalten wurden, so dass ich einer Gruppe wie The Unity natürlich vertraue, dass sie mir keinen Mist erzählt. Genauso glaube ich dir ja auch, dass du mir mit dem Interview keinen überbraten willst. Die Fußballszene in Deutschland wächst endlich aus ihren Kinderschuhen heraus und wir behandeln uns gegenseitig mit dem nötigen Respekt, jedenfalls in solchen Fällen. Nur ihr könnt eurem Verein ja auch nicht vertrauen, so dass ich jetzt nicht weiß, welcher Verein seine Gruppe da anlügt und Fehlinformationen rausgibt. In diesem Fall glaube ich den Leuten von The Unity zu hundert Prozent, auch weil sie keinen Anlass dazu hätten mir einen reinzudrücken. Was die Sicherheitskräfte angeht, ist das natürlich ein Schmarrn, weil die Rivalität weiterhin bestehen bleibt. Wenn mein Stadionverbot dank Dortmunder Fans aufgehoben wird, werde ich danke sagen und schreiben, dass ich für diesen Einsatz sehr dankbar bin und das Gleiche auch für euch tun würde. Deswegen kann ich den BVB trotzdem nicht ausstehen und die Fans nicht leiden, so dass zwar eine kleine innere Dankbarkeit bleiben, sich an der Rivalität aber nichts ändern wird. Eines hat mir diese Geschichte aber gezeigt, und da möchte ich mich jetzt schon bei Jens, The Unity und auch bei dir bedanken: ihr setzt euch für Fans eines anderen, rivalisierenden Vereins ein und zeigt, dass wir zusammenhalten müssen. Das, was ihr tut, sollte jede Gruppe in Deutschland und jeder Fan machen – sich gegenseitig schützen, gerade weil so viel passiert. Es ist unsere Stärke, dass wir trotz allem ein Netzwerk bilden können, um gegen so etwas vorzugehen.

schwatzgelb.de: Würdest du sagen, dass Fans in Deutschland keine Lobby haben?

Basti:
Nein. Ich meine, die Fußballszene in Deutschland hatte noch nie eine so große Lobby wie jetzt. Das widerspricht sich deutlich mit dem was man sonst so hört, dass die Ultraszenen aussterben, vom Staat zerstört werden und die Druckkulisse immer weiter wächst. Das stimmt natürlich auch, aber wenn ich daran denke, wie Fans in den 80-er oder 90-er Jahren gesehen wurden und welche Vorurteile es deshalb heute noch vereinzelt gibt, nämlich dass Fans als biertrinkende Kuttenträger rumprollen und asozial in der Gegend rumwandeln, hat sich da schon viel geändert. Da hat vor allem die Ultraszene viel bewirkt und einen halbwegs gesellschaftlich anerkannten Touch reingebracht. Ultras sind Leute, die fest im Leben stehen, mit denen man reden kann, die zum Großteil halbwegs intellektuell sind und durch ihre Gruppen Organisation in die Kurven gebracht haben. Da sind Initiativen wie Pro15:30 oder die Rot-Schwarze Hilfe entstanden, die bei den Medien Erwähnung finden. Gate 8 hat gezeigt, dass die Medien versuchten, gerade damit ein ganz anderes Bild auf die Kurven zu werfen. Es wird immer wieder von Stadionverboten und Willkürfällen geschrieben und ich glaube, dass die Fans in Deutschland noch nie so gut vertreten wurden wie heute. In Nürnberg wird man keinen Fan mehr finden, dem der Begriff Ultras Nürnberg unbekannt wäre, völlig unabhängig davon, ob positiv oder negativ besetzt. Die Gruppe ist so stark verankert, dass es sehr auffallen würde, wenn man uns allzu offensichtlich entgegen treten würde. Und selbst wenn wir tatsächlich keine Lobby haben sollten, gäbe es immerhin noch die Netzwerke untereinander, die ja im Prinzip auch eine Art Lobby darstellen.

schwatzgelb.de: Angenommen, es gibt diese Lobby tatsächlich: Warum fällt es so leicht, offensichtlich übertriebene Sicherheitsmaßnahmen zu rechtfertigen?

Basti: Naja, diese Lobby ist leider nicht groß genug, um gegen die Vielzahl an Vorurteilen anzutreten, die so in der Bevölkerung vorherrschen. Der normale Bürger bekommt das alles völlig falsch mit, für den gibt es keinen Unterschied zwischen Hooligans und Ultras. Das ist zwar Blödsinn, sorgt aber dafür, dass Politiker mit billigen Stammtischparolen so ziemlich alles rechtfertigen können. Wenn eine Weile nichts passiert, muss eben die Polizei dafür sorgen, dass etwas passiert und manchmal sogar Journalisten anheuern, die über neue Vorfälle berichten und damit die nächsten Einsätze rechtfertigen können. Eine ziemlich blöde Situation.

schwatzgelb.de: Mir gefällt der Vergleich mit Weinfesten ganz gut. Dort kommen wie bei Fußballspielen viele Menschen zusammen, der Alkohol fließt in Strömen und regelmäßig gibt es Schlägereien und viel Ärger. Nur mit dem Unterschied, dass Zwischenfälle bei Weinfesten in aller Regel nicht zur Anzeige gebracht oder umgehend wieder eingestellt werden, während bei Fußballfans generell von gemeingefährlichen Krawallmachern die Rede ist.

Basti: Absolut richtig, das ist hier bei der Kirchweih nicht anders. Der Unterschied ist der, dass Zwischenfälle bei diesen Veranstaltungen nicht von öffentlichem Interesse sind. Die Polizei tritt im Hintergrund auf, ist meistens gar nicht offen zu sehen. Beim Fußball ist man dagegen sehr empfindlich, da wird ständig auf Abschreckung und den Aufbau einer großen Drohkulisse gesetzt.

schwatzgelb.de: Was muss sich ändern, wenn man das Vertrauen der Fans bzw. Ultras in Polizei und Ordnungsdienste wieder herstellen möchte?

Basti: Es ist so, wie es immer ist: Beide Seiten müssen lernen sich gegenseitig zu respektieren. Von Seite der Ultras und Fanszenen muss mehr Einsicht kommen, was die Wirksamkeit von berechtigten Stadionverboten angeht. Wer Mist gebaut hat, muss sich damit abfinden. Andererseits muss man von der Polizei erwarten können, dass diese respektvoll mit uns umgeht. Wir sind keine Tiere, sondern Menschen. Wir sind vielleicht etwas verrückter, haben aber die gleichen Rechte wie jeder andere und wollen deshalb vernünftig behandelt werden. Das vermisse ich einfach. Anders formuliert: Wenn mich jemand schlecht behandelt, behandle ich ihn auch schlecht. Jetzt können wir uns streiten, wer damit angefangen hat den anderen schlecht zu behandeln, oder wir können den Schritt machen, die Polizei zu ignorieren und von unserer Seite aus nicht mehr zu provozieren. Wie sich die Polizei dann verhält, steht auf einem anderen Blatt. Bislang ist es jedenfalls so, dass wir uns gegenseitig immer weiter anstacheln und nur Steine in den Weg schmeißen, bis es irgendwann mal so richtig knallt und sich jeder fragt, was da eigentlich schief gelaufen ist. So kann es aber definitiv nicht mehr länger weitergehen.

schwatzgelb.de: Wenn ich das alles im Zusammenhang betrachte, fällt mir zum Abschluss noch eine ketzerische Frage ein. Wenn sich die Fans untereinander mit Respekt begegnen, die Polizei das aber nicht schafft: Sind die Fans in ihrer Entwicklung dann weiter als die Polizei?

Basti: In dem Fall schon würde ich sagen. Alleine dadurch, dass wir nicht über eine strenge Befehlskette, sondern demokratische Strukturen verfügen, wurden die jeweils richtigen Leute nach oben gespült. Das hilft uns untereinander vernünftig zu begegnen, zumindest wenn man sich persönlich gegenüber steht. Die Polizei bekommt das nicht hin, also ist das schon ein ganz guter ketzerischer Einwand.

schwatzgelb.de: Vielen Dank für das ausführliche und unkomplizierte Interview!

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