Topspiele in schwatzgelb

Heute vor 50 Jahren: Endlich Deutscher Meister !

24.06.2006, 00:00 Uhr von:  CHS

Nach drei vergeblichen Anläufen auf die Meisterschaft (Vizemeisterschaft 1949, Achtelfinale 1950 und Vorrunde 1953) qualifizierte sich der BVB 1956 abermals für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Nach der Vorrunde gegen den Hamburger SV, den VfB Stuttgart und Viktoria Berlin zog der BVB ins Finale ein und traf dort auf den Karlsruher SC. Aber der Reihe nach?

Die deutschen Meister 1956: Borussia Dortmund

Der BVB gewann die Oberliga West mit vier Punkten Vorsprung. Einer der Gründe war sicherlich das Stürmer-Trio, die „drei Alfredos“. Nein, das ist keine Akrobatengruppe, sondern die Spieler Alfred „Adi“ Preißler, Alfred „Freddy“ Kelbassa und Alfred „Nieplo“ Niepieklo. Diese Drei haben alleine 63 der 78 Oberligatreffer der Borussia erzielt. Unterstützt wurden diese drei durch den National-Ersatzkeeper Heinz Kwiatkowski, den Stopper Max „Spinne“ Michallek und den rechten Läufer Elwin Schlebrowski. Chef der Mannschaft war Meistertrainer Helmut Schneider, der das Team nicht nur zur Westmeisterschaft und zur Deutschen Meisterschaft führte, sondern auch den Grundstein für eine bis heute einmalige Leistung: Im Jahr nach dem ersten Meisterschaftsgewinn verteidigte der BVB den Titel mit exakt derselben Endspielaufstellung wie im Vorjahr zuvor.

Doch zurück zur Oberliga: In der Hinrunde hatte der BVB leichte Probleme, als die Mannschaft schon nach vier Spieltagen einen Vierpunkte-Rückstand auf die stets siegreichen Konkurrenten aus Dellbrück und Düsseldorf hatte. Im Anschluss gewann der BVB aber und war nach dem siebten Spieltag erstmals Tabellenführer. Dies setzte sich fort und schließlich gewann die Borussia die Herbstmeisterschaft mit 24-6-Punkten. Viel wichtiger als das: Der große Reviernachbar aus Gelsenkirchen war mit drei Punkten Rückstand nur Dritter. Die Heimspiele der Hinrunde waren nicht so gut besucht. Allerdings kamen zum Saisonauftakt gegen Rot-Weiß Essen rund 31.000 Zuschauer ins Stadion. Auswärts war der BVB dagegen ein Publikumsmagnet.


In der Rückrunde konnten sich die Dortmunder Anhänger freuen, da die Borussen in der gesamten Rückserie die Tabellenspitze verteidigten und den Vorsprung auf zeitweilig bis zu sechs Punkte ausbauten. So konnte der BVB nach einem 5-2 gegen Gladbach (sieben Spieltage vor dem Ende der Runde) die Glückwünsche zur fünften Westmeisterschaft entgegennehmen. Was aber keiner zu diesem Zeitpunkt wissen konnte: Trainer Helmut Schneider spielte in Gladbach schon mit der gleichen Mannschaft, die später die Meisterschaften 1956 und 1957 erringen sollte. Spannend lief für die neutralen Beobachter nur das Duell um den zweiten Platz, der ebenfalls zur Teilnahme an der Meisterschaftsrunde berechtigte. Dieses Duell entschied der FC Sch*lke 04 am letzten Spieltag durch das bessere Torverhältnis gegenüber Alemannia Aachen.

In der Rückrunde waren die Spiele gegen Düsseldorf und Sch*lke mit 35.000 bzw. 38.000 sehr gut besucht. Allerdings sahen den höchsten Saisonsieg (9-1 gegen den Wuppertaler SV) nur 16.000 Zuschauer. Die Torjägerkrone in der Oberliga West errang Alfred Niepieklo, der es auf 24 Treffer brachte.

Der Auftakt der Borussen in Stuttgart verlief nach Maß, denn der BVB gewann vor 60.000 Zuschauern (davon 2.000 schwatzgelbe Anhänger) beim VfB mit 2-0. Zwar hatten die Stuttgarter anfangs durch Tagliaferri eine Riesenchance, aber die Borussen beherrschten die Stuttgarter eindeutig und siegten durch zwei Tore von Alfred Niepieklo. Zu den auffälligsten Dortmundern zählten neben dem Torschützen auch die Spieler Wolfgang Peters und Herbert Sandmann. Pechvogel war Kapitän Erich Schanko, der kurz vor dem ersten Spiel in der Vorrunde durch Jockel Bracht ersetzt wurde und es in der gesamten Endrunde nur auf eine Partie brachte.

Das erste Heimspiel der Borussen vor 37.000 Zuschauern sieben Tage später verlief enttäuschend, da der BVB die Partie gegen Viktoria Berlin nur unentschieden gestalten konnte. Offenbar unterschätzten die Spieler die Berliner. Die frühe Führung der Berliner in der zwölften Minute durch Horter glich der Torschütze vom Dienst, Alfred Niepieklo, kurz nach der Halbzeit aus. Der BVB konnte sich beim Berliner Stürmer Stange bedanken, dass der nicht kurz vor Speilende den Siegtreffer erzielt hat. BVB-Präsident Dr. Wilms attestierte seiner Mannschaft anschließend die schwächste Leistung der Saison.

Die Eintrittskarte zur Glückseeligkeit - Meisterschaftsendspiel 1956 in Berlin
Durch dieses Unentschieden hatte sich die Ausgangslage verschlechtert. Nur drei Tage später kam dann das Aufeinandertreffen der Borussen mit dem größten Mitfavoriten: dem HSV. In der „Roten Erde“ gewann die Borussia dank ihrer „Alfredos“ locker mit 5-0 gewann. Die Tore erzielten „Adi“ Preißler, Alfred Kelbassa und mit einem lupenreinen Hattrick Alfred Niepieklo. Das Auseinanderbrechen der hanseatischen Hintermannschaft, wo nur Jupp Posipal Normalform erreichte, konnten die Dortmunder nicht noch mehr ausnutzen, da sie sich zum Schluss auf das Schönspielen beschränkten und nicht um das Torschießen kümmerten. Am vierten Spieltag der Vorrunde zeigte es sich, dass der Finalist der Gruppe 2 nur der BVB oder der HSV sein konnten. Die Hamburger gewannen 4-2 in Stuttgart und wahrten ihre Chancen. Das wollte der BVB nicht auf sich sitzen lassen und besiegte vor 61.000 Zuschauern die einzige Mannschaft in der Vorrunde, die einen Punkt von den Borussen geklaut hatte, Viktoria Berlin, locker mit 6-0. Wer sollte diese Mannschaft aufhalten?

Zum alles entscheidenden Spiel in Hamburg pilgerten 77.500 Zuschauer ins Stadion. Die Dortmunder wollten alles klar machen und die Hamburger wollten ihre letzte Chance für das Endspiel nutzen. Während Trainer Schneider seine beste Formation aufbieten konnte, fehlten bei den Hamburgern Meinke und vor allem Uwe Seeler. Die wurden vertreten von den 20jährigen Außenstürmern Krug und Reuter. Der Beginn war vielversprechend, denn die Dortmunder bestimmten das Spielgeschehen und gingen folgerichtig in der 17. Minute durch Kelbassa in Führung. Aber die Hamburger steigerten sich, übernahmen die Kontrolle und erzielten noch vor dem Halbzeitpfiff die 2-1-Führung durch die Treffer von Schlegel und Stürmer. Zwar konnten die Hamburger in der zweiten Hälfte keinen weiteren Treffer erzielen, bestimmten aber das Spielgeschehen. Die Dortmunder konnten sich bei ihrem Torsteher Kwiatkowski bedanken, dass es am Ende „nur“ 2-1 gegen sie stand. Bei den Feldspielern erreichten einzig Max Michallek und Adi Preißler Normalform. Somit war die Entscheidung auf den letzten Spieltag der Vorrunde vertagt.

Die Vorzeichen vor dem letzten Spieltag waren einfach: Gewinnt der BVB gegen Stuttgart, ist das Finale erreicht. Zwar wären sie Punktgleich mit Hamburg gewesen, hatten aber den besseren Torquotienten (damals wurde die Anzahl der erzielten Tore durch die Anzahl der kassierten Tore dividiert). In der total überfüllten „Roten Erde“, wo sich 40.000 Zuschauer einen Platz suchten, war man erwartungsfroh und hoffte, dass es für den zweiten Endspieleinzug nach 1949 reichte. Der Beginn war äußerst nervös. Aber in der 22. Minute erlöste „Adi“ Preißler die Borussen. Und bevor die Stuttgarter reagieren konnten, erzielte er neun Minuten später auch das 2-0. Nach der Pause fiel dann die Vorentscheidung, als Preißler einen fälligen Handelfmeter verwandelte. Zwar erzielte dann der Stuttgarter Simon noch den Anschlusstreffer, aber Alfred Niepieklo stellte dann den Endstand her. Dortmund überzeugte durch eine geschlossene Mannschaftsleistung, wo man vielleicht den Dreifachtorschützen Preißler und den rechten Läufer Elwin Schlebrowski noch hervorheben konnte. Damit war der Sieg der Hamburger bedeutungslos geworden, Dortmund war im Finale.

Wesentlich spannender war die Gruppe 1, in der der Endspielgegner des BVB ermittelt wurde. Dort hatten Lautern, Karlsruhe und Sch*lke 04 noch die Chance auf das Endspiel. Nachdem Lautern gegen die abgeschlagenen Hannoveraner gewann, fiel die Entscheidung in Karlsruhe. Bis zur 79. Minute hieß der Endspielgegner erwartungsgemäß Gelsenkirchen. Dann machte Torwart Orzessek den Fehler, den Ball nicht sofort wegzuschießen, sondern vertändelte ihn gegen den Karlsruher Stürmer Beck, der zum 3-2-Endstand traf. Ein Protest des FC Sch*lke 04 wegen einer verbotenen Ergebnisdurchsage (lt. Regeln des DFB waren dioe verboten) wurde abgelehnt. Somit hieß der Endspielteilnehmer überraschenderweise Karlsruher SC. Kurios, denn bei der Punktgleichheit von Lautern, Sch*lke und Karlsruhe kam durch die umstrittene Quotientenregel die abwehrstärkste Mannschaft weiter und das war Karlsruhe.

Ein Fazit der Vorrundenspiele: Trainer Schneider setzte auf Kontinuität. So spielten neun Borussen alle sechs Spiele, nur Burgsmüller und Bracht brachten es auf fünf Spiele und wurden beim schwachen Heimspiel gegen Berlin durch Wischner und Schanko ersetzt. Auch zeigte sich die Qualität von den drei „Alfredos“, die 17 der 19 BVB-Treffer erzielten.

Wegen der kurzfristigen Vergabe des Finales gab es kaum passende Stadien. Die Wahl fiel schließlich auf das geteilte Berlin. Ein Grund für die Vergabe des Finales nach Berlin war bestimmt auch die veränderte politische Lage. Auf Grund des schlechten Wetters gab es erstmals seit Jahren wieder Karten für das Finale an der Tageskasse. 5.000 BVB-Anhänger begleiteten die Mannschaft nach Berlin, wo 75.000 Besucher das Olympiastadion füllten. Ein weiterer Grund für den schleppenden Verkauf war die Befürchtung, dass durch den klaren Favoriten Borussia Dortmund das Finale recht einseitig würde. Auch hätten die neutralen Berliner Fans lieber einen Gegner von Format (Sch*lke oder Lautern) gesehen als den Überraschungsfinalisten Karlsruhe.

Seit den Morgenstunden hatte es in Berlin geregnet. Erst kurz vor dem Anpfiff hörte der Dauerregen auf. Die Frage war, welche Mannschaft besser mit dem schweren Rasen zurecht kommen könnte. Die kämpferischen Karlsruher oder die technisch beschlagenen Dortmunder? Bei den Aufstellungen gab es keine großen Überraschungen. Die Dortmunder spielten mit ihrer Stammmannschaft (Kwiatkowski, Burgsmüller, Sandmann, Schlebrowski, Michallek, Bracht, Peters, Preißler, Kelbassa, Niepieklo, Kapitulski). Der Karlsruher Trainer Patek schickte folgende Mannschaft auf den Platz: Dannemaier, Sommerlatt, Termath, Kunkel, Beck, Ruppenstein, Geesmann, Traub, Max Fischer, Kapitän Baureis und Torwart Rudi Fischer.

Wer auf einen Durchmarsch der Borussen gehofft hatte, wurde enttäuscht. Die ersten Torchancen hatten die Karlsruher durch Sommerlatt und Kunkel. Die Dortmunder wurden früh gestört und so war die Führung der Karlsruher nicht überraschend. In der neunten Minute erläuft Kunkel einen Steilpass von Ruppenstein, lässt Michallek und Schlebrowski, die sich gegenseitig behindern, stehen und schießt am machtlosen Kwiatkowski zur Führung ein. Und wieder eine Überraschung: Nicht die Karlsruher wurden durch diesen Treffer beflügelt, sondern die Dortmunder. Preißler lenkte nun das Spiel in gewohnter weise und leitete das Angriffsspiel der Borussen ein. Unübersichtlich wurde es in der 15. Minute im Strafraum des KSC. Nach einem Schuss von Kapitulski bekommt Max Fischer den Ball an die Hand. Das Spiel läuft trotzdem weiter, der Ball kommt auf rechts zu Niepieklo der aus sechs Metern ins lange Eck schießt und Torhüter Rudi Fischer keine Chance lässt.

Nach dem Treffer wurden die Borussen immer selbstbewusster und blieben spielbestimmend. Dann aber in der 21. Minute eine große Chance für Termath, der das Tor aber um wenige Zentimeter verfehlt. Auf der anderen Seite ist es dann Baureis, der vor dem völlig freien Kelbasser den Ball gerade noch über die Latte bekommt und zur Ecke klärt. Bei dieser Ecke macht Torwart Fischer eine unglückliche Figur, und Alfred Kelbassa muss in der 27. Minute nur noch den Ball ins Tor einnicken. 2-1 für Borussia! Die Dortmunder lassen nicht locker und erarbeiten sich weiterhin Chancen. In der 43. Minute nimmt sich Jockel Bracht ein Herz und verfehlt das Tor aus 16 Metern nur um Haaresbreite. Das hätte die Vorentscheidung sein können.

Nach dem Wechsel hat wieder der KSC die erste Großchance. Traub flankt in den Strafraum, Beck legt ab auf Sommerlatt, wird aber durch Schlebrowski gestört. Der Ball gelangt zu Kunkel, dessen Weitschuss von der Strafraumgrenze von Kwiatkowski an den Pfosten gelenkt wird und von da aus ins Aus geht. Die Karlsruher bleiben am Drücker. In der 52. Minute hat dann Beck die Chance zum Ausgleich. Aber er kriegt den Ball nach einem Dannenmaier-Freistoß nicht unter Kontrolle und köpft ihn auf das Tornetz.

Die Borussen machen es besser. In der 53. Minute haben sie die erste Chance in der zweiten Hälfte und machen daraus gleich das 3-1. Ein Fernschuss von Preißler wird von Geesmann so unglücklich abgefälscht, das Torhüter Fischer keine Abwehrchance hat. Dieses Tor verunsichert den Torhüter so stark, das er nur kurz danach die Vorentscheidung verursachte. Halbhoch zirkelt Kelbassa einen Freistoß hart in Richtung KSC-Tor. Obwohl der Ball direkt auf Torwart Fischer geht, lässt er ihn nach vorne abprallen. Diese Chance nutzt Peters und trifft zum 4-1.

Nun übernimmt wieder der KSC die Initiative. Der Ball rollt nur noch in Richtung Dortmunder Tor. Aber durch frühes Vorchecken des Mittelfeldes unter der Leitung von Preißler werden viele Angriffe schon früh abgefangen. Aber in der 66. Minute fällt doch der Anschlusstreffer. Eine harmlose Flanke von Beck, die Kwiatkowski gerade aufnehmen will, wird durch Burgsmüller an den völlig verdutzten Kwiatkowski vorbei ins eigene Tor gelenkt. Die Badener bleiben am Drücker, aber erspielen sich bis zur 75. Minute keine richtige Torchance mehr. Dann aber eine Hochkarätige: Termath erhält den Ball völlig freistehend, versucht noch Burgsmüller zu umspielen, aber dadurch verspringt ihm der Ball und aus dem Schussversuch wird nur ein Schüsschen. Bei den seltenen Entlastungsangriffen der Dortmunder springen in der Schlussphase noch zwei Chancen heraus. Die Karlsruher versuchen es akrobatisch, doch Termaths Fallrückzieher in der 81. Minute geht über den Kasten. In der 85. Minute muss Kwiat sein ganzes Können unter Beweis stellen, als er erst eine Flanke und danach noch einen Flachpass in den Strafraum abfängt. Eine Minute später haben die Dortmunder Glück, dass Schiri Dusch Kelbassa nicht vom Feld stellt. Der Dortmunder hält den davonziehenden Baureis fest, kassiert aber durch den Schiedsrichter nur eine strenge Ermahnung. Das Spiel ist gelaufen, die Dortmunder halten den Ball in den eigenen Reihen. Nach dem Schlusspfiff verwandelt sich das Berliner Olympiastadion in ein schwatzgelbes Fahnenmeer.

Spielstatistik Finale Deutsche Meisterschaft 1956

Endlich hat der BVB die Meisterschaft errungen. Spieler und Trainer müssen sich Tränen wegdrücken. Bei der Siegerehrung lobt der DFB-Vorsitzende Dr. Bauwens Adi Preißler als echtes Vorbild für junge deutsche Fußballer. Einzig Max Michallek machte sich Sorgen: Da er sich im Spiel eine Rippenverletzung zuzog, musste er zum Röntgen ins Krankenhaus und fürchtete, den Umtrunk zu verpassen.

Tags darauf trafen die „Helden aus Berlin“ um 19 Uhr in zwei Bundesbahn-Sonderzügen am Dortmunder Hauptbahnhof ein. Als „Adi“ aus dem Abteil steigt, gibt es kein Halten mehr. Alleine 80.000 waren am Dortmunder Bahnhof, insgesamt waren wohl 250.000 Menschen an den Straßenrändern, als die Spieler zum Borsigplatz gebracht werden. Am Abend gab „Adi“ das Versprechen ab, dass die Viktoria in Dortmunds Mauern heimisch werden muss. Ein Jahr später war es dann soweit, aber das ist dann eine andere Geschichte.

Bilder: BVB, Since

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