Die Auferstehung der violetten Legende
"1933 - Wir kommen wieder". Dieses Motto haben sich die Anhänger der SV Austria Salzburg auf ihre Fahnen und T-Shirts geschrieben. Nach der feindlichen Übernahme des Traditionsvereins durch Red Bull von treuen Fans neu gegründet, nahm der Sportverein zunächst in einer Spielgemeinschaft mit dem PSV Salzburg am sportlichen Wettbewerb teil. Diese Kooperation wurde seitens des PSV zum Ende der vergangenen Saison gekündigt, weshalb den Violetten keine andere andere Möglichkeit blieb als ganz von vorne anzufangen und mit ihrem jungen Traditionsverein den Weg durch die Niederungen des Amateurfußballs anzutreten.
Respekt vor diesem Kraftakt und die Erinnerung, dass der BVB einem ähnlichen Schicksal (wenn auch aus anderen Gründen) nur um Haaresbreite entrinnen konnte, sorgten für ein starkes Solidaritätsgefühl Dortmunder Anhänger mit den Österreichern. Erste Kontakte wurden immer besser, so dass Salzburger Fans zuletzt regelmäßig bei Bundesligaspielen des BVB angetroffen werden konnten. Ebenfalls zum wiederholten Mal traten am vergangenen Wochenende einige Borussen die Reise nach Salzburg an.
Bereits im Anschluss an den Auftritt der Dortmunder Fanband Pommes Schwarz Gelb am Freitagabend ging es los in Richtung Alpenrepublik, schließlich wollte man sich vor Spielbeginn noch ein wenig in der Stadt umsehen und den ein oder anderen Biergarten aufsuchen. Glücklicherweise hatte der Wettergott es gut gemeint und hielt zur Abwechslung mal wieder einen sonnigen Tag für uns bereit - einem gelungenen Fußballnachmittag stand nun also gar nichts mehr im Wege.
Doch vor dem Vergnügen gilt es bekanntlich den unangenehmen Teil des Tagesgeschäfts zu erledigen - ein Besuch der „Bullenarena“ sollte noch einmal das in Erinnerung rufen, was bis vor wenigen Monaten noch unvorstellbar erschien. Mitten im Industriegelände gelegen und von Lagerhallen und Schloten umgeben, liegt das ehemalige Zuhause der Austria.
Bauzäune und Arbeitsmaschinen lassen erahnen, dass der angestrebte Umwandlungsprozess noch lange nicht abgeschlossen ist. Zwar hat man die Fans in Rekordgeschwindigkeit einer Gehirnwäsche unterzogen, sämtliche Reliquien aus alten Tagen entfernt (es ist weit und breit nichts mehr zu finden, was an etwas anderes als den „Safterlheini“ erinnern könnte) und durch geschmacklich fragwürdige Graffitiochsen ersetzt, doch muss das Vorzeigeobjekt eines Multimilliardärs selbstverständlich auch dessen ganz besonderen Wünschen entsprechen.
Nach aktuellen Marktforschungsergebnissen konzipiert und durch sinnlose Diskoscheinwerfer und Lichter zweckentfremdet, wirkt das Stadion wie das Spielzeug eines durchgeknallten Mannes, der nicht mehr wusste wohin er sein Geld hätte stecken sollen, um es vor dem Schimmel zu bewahren. Doch das Konzept scheint aufzugehen: die ersten Anhänger in rot-weißen Trikots bevölkern den „Kundenparkplatz“ und warten auf die Öffnung des „Bullshops“ - an einem spielfreien Samstag kurz vor acht Uhr morgens. Ekel erregend.
Um die gute Laune nicht ganz in den Keller sinken zu lassen, packten wir recht zügig unsere Sachen und zogen weiter in die Stadt. Dort führte unser Weg direkt durch das wunderschöne Domviertel und vorbei an Mozarts Geburtshaus zu einem Biergarten, in dem wir mit einem unserer österreichischen Gastgeber Erfahrungen und Eindrücke austauschten. Nachdem sich der erste Schock hatte legen können und auch die Nachzügler unserer Reisegruppe zu uns gestoßen waren, ging es dann gemeinsam mit einer Gruppe Salzburger Fans zum Stadion.
Die Union Sportanlage ist recht schön am Fuße der Festung Hohensalzburg nur unweit der Innenstadt gelegen und weckt Gefühle, die man in der Bundesliga schon lange nicht mehr kennt. Keine Einlasskontrollen, komplett freie Platzwahl auf einer werbefreien alternden Holztribüne, ein T-Shirt-Verkauf und dazu ein Getränke- und Schnitzelstand - Pausenclowns, Maskottchen und peinliche Sponsorenauftritte haben Sendepause. Das Vorprogramm besteht aus dem Aufwärmen der Mannschaften (nimmt das in den Profiligen eigentlich noch irgendeiner zur Kenntnis?), untermalt mit unaufdringlicher und fußballtypischer Musik. So einfach kann man seine Besucher glücklich machen und eine Stimmung in die Bude zaubern, die ihresgleichen sucht.
An diesem Wochenende stand der Austria mit dem SSC Großgmain ein harmloser Gegner gegenüber. Der klare Außenseiter hatte zu keiner Zeit eine Chance, sich gegenüber der stimmgewaltigen Tribüne und ihrer Mannschaft zur Wehr zu setzen. Obwohl das Salzburger Team im Vergleich zur Vorsaison mit einer Ausnahme komplett neu zusammengestellt werden musste, konnte man von Anbeginn spüren, dass jeder einzelne Spieler die Fans auf seiner Seite hatte. Über die gesamten 90 Minuten war es ein Spiel auf ein Tor - gleich sechs Mal musste der sichtlich beeindruckte Gästekeeper noch in der ersten Halbzeit hinter sich greifen, weitere fünf Treffer kassierte er in Durchgang zwei.
Dennoch blieben bei aller Freude über ein tolles Fußballspiel mit einem verdienten Sieg der Heimmannschaft seltsame Gefühle zurück. Eine derart aktive und gesunde Fanszene von einem rücksichtslosen Hobbydiktator in die Bedeutungslosigkeit verbannt - wie konnte es nur so weit kommen? Es ist purer Zynismus, dass dieser Verein selbst im Falle eines glatten Durchmarsches frühestens in drei Jahren auf einen Gegner mit einer echten Fanszene treffen könnte, während ein ungeliebtes Marketingungeheuer nun im Europacup auf Punktejegd gehen will.
Hier wären etablierte Vereine gefordert, den großen Worten der Solidarität Taten folgen zu lassen. Angesichts einer schier unendlichen Zahl sportlich belangloser Testspiele müsste es auch den Verantwortlichen beim BVB ein Leichtes sein, bei Gelegenheit ein Spiel gegen diese Austria Salzburg anzusetzen. Neben dem guten Gewissen und einem Highlight für die Österreicher könnte man auch den eigenen Fans einen großen Gefallen tun, die so endlich mal wieder in den seltenen Genuss eines interessanten Freundschaftsspiels kämen.
Doch bis es so weit ist, freuen wir uns schon bald wieder Salzburger Fans beim BVB begrüßen zu können und werden die Austria weiterhin auf ihrem harten Weg begleiten.
Salzburg ist komplett weiß-violett!
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