Abschied vom Westfalenstadion?
Jetzt ist es also amtlich! Mit dem Verkauf der Namensrechte unseres Westfalenstadions an die Signal-Iduna-Gruppe fällt eine der letzten Stadion-Bastionen, die ohne Sponsornamen auskommen. Noch in diesem Jahr wird unsere Borussia ihre Heimspiele im „Signal Iduna Park“ austragen – der Name „Westfalenstadion“ hat nach gut dreißig Jahren ausgedient.
Es ist ein leidiger Brauch in Deutschland geworden, den guten Namen seiner traditionellen Spielstätte wie angelaufenes Tafelsilber bedenkenlos an den Meistbietenden zu verscherbeln, wenn es nur ein paar Millionen Euro mehr in die Vereinskassen spült. Dass dabei vorwiegend acht- und herzlos mit der Historie der Spielstätten umgegangen wird und gleichsam unsägliche wie fußballfremde Wortkonstruktionen à la „Hoch-Tief-Arena“ entstehen, tut weh.
Die noch verbliebenen sponsorfreien Namen von Stadien in der Ersten Bundesliga kann der aufmerksame Fußballfan an einer Hand abzählen: das Weserstadion in Bremen, das Mainzer Stadion am Bruchweg, das Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern und das Berliner Olympiastadion. Doch wie lange noch?
Zahlreiche klangvolle und aussagekräftige Namen, mit denen sich die Anhänger und darüber hinaus Menschen einer ganzen Region identifizieren, verschwinden seither von der Fußball-Landkarte: Niedersachsen-, Franken-, Dreisam- und Volksparkstadion, die Bielefelder Alm und viele mehr sind nach dem Willen von Sponsoren und Marketing“experten“ nur noch Geschichte - und nun auch unser Westfalenstadion!
Dabei gab sich die Vereinsführung in Dortmund alle erdenkliche Mühe, den Fans die ungenießbare Kost der notwendig gewordene Namensänderung in kleinen, Magen schonenden Häppchen schmackhaft zu machen, weiß man doch auch in der Chefetage um die Symbiose zwischen der Borussia und dem Westfalenstadion.
"Der BVB und das Westfalenstadion sind für Tausende zur ideellen Institution geworden"
Schöne Worte, wie man sie im aktuellen Geschäftsbericht findet. Schöne Worte und Ideale sind in Zeiten wie diesen aber wenig nahrhaft und helfen uns nicht weiter. Das mussten auch wir Fans einsehen und so bleibt uns nichts weiter, als die bittere Pille der Namensänderung zu schlucken, in der Hoffnung, dass sie zur Gesundung unseres Vereins beitragen wird.
Und Schlucken musste ich gestern tatsächlich, als ich den „neuen“ Namen unseres Stadions erfuhr. Da half es auch gar nicht, dass Hans Joachim Watzke zur Namensfindung des „Signal Iduna Parks“ befragt, davon sprach, dass Park charmanter klänge als Stadion: „Dieser Name hat etwas, er hebt sich deutlich von anderen Spielstätten ab.“
Ich kann dem, ehrlich gesagt, wenig abgewinnen. Fußball gehört in ein Stadion oder wenigstens auf einen ordentlichen Bolzplatz. Ein Park hingegen ruft bei mir sogleich den Gedanken an schön gepflegte Grünflächen hervor, auf denen ein großes Hinweisschild prangt: „Ballspielen bei Strafe verboten!“ Na bravo!
Dabei können wir schon froh sein, dass der „Arenisierungswahn“, der sich derzeit an unseren Stadien schadlos hält und keinen Unterschied zwischen neu erbauter Multifunktionsarena und reinem Fußballplatz mehr kennt, an uns vorbeigegangen ist. Was Fußballspiel mit Stierkämpfen oder antiken Gladiatorenkämpfen auf Leben und Tod gemein haben soll, erschließt sich mir nämlich noch weniger.
Wozu neue Namen, wenn alte sich bewährt haben?
So dankbar ich der Signal Iduna bin, dass sie als ein Dortmunder Unternehmen und langjähriger Partner des BVB uns auch jetzt nicht im Stich lässt und uns mit ihrem Geld weiterhilft, freuen kann ich mich über die bevorstehende Namensänderung nicht. Wieder ist es ein Stück Identifikation, im Fußball und bei der Borussia, die schwindet.
Was sich jetzt noch so unwirklich und fern anfühlt, wird spätestens Ende November, wenn die Buchstaben des Westfalenstadion vom Dach geholt werden, traurige Realität. Bleibt zu hoffen, dass der neue Namensinhaber mit den unglücklichen Farben die notwendigen Veränderungen mit Fingerspitzengefühl vornehmen wird. Gerade wo doch landläufig bekannt ist, dass die Kombination von schwatzgelb und blauweiß dem ästhetischen Wohlgefühl von Fußballfans völlig zuwider läuft.
Namen sind Schall und Rauch?
Doch warum liegt uns so viel an unseren Farben, so viel an unserem Namen, dass allein die Aussicht, ihn bald zu verlieren, schmerzt? Irrt Goethes Faust etwa, wenn der davon spricht, dass Namen lediglich Schall und Rauch sind? Die Antwort ist nicht einfach: Ja, er tut es und nein, er tut es nicht!
Namen sind mitnichten Schall und Rauch. Sie kennzeichnen unsere familiäre Herkunft. Sie sagen aus, wozu wir gehören und unterscheiden uns von anderen. Der Name ist ein Stück des Seins und der Seele, wusste einst schon Thomas Mann. Deshalb verletzt es uns auch so, ihn zu verlieren oder kränkt uns, wenn andere ihn verunglimpfen.
Namen prägen unsere Vorstellung und die Bilder, die wir uns von lieb gewonnen Dingen machen. Das Stadion, dass ich als Westfalenstadion kennen gelernt habe, hat sich in den letzten Jahren immer wieder verändert: Aus dem kantigen Bau ohne Ecken wurde eine runde Sache, das elektronische Einlasssystem beraubte uns der direkten Nähe zu dem Bauwerk, dass wir liebevoll „unseren Tempel“ nennen – und trotzdem ist es immer das Westfalenstadion geblieben.
Und weil das so ist, können Namen auch Schall und Rauch sein. Was kümmert es mich, wenn andere Leute einen anderen Begriff für das haben, was ich Westfalenstadion nenne. Laßt sie meinetwegen Schilder aufstellen, ihren neuen Namen auf Eintrittskarten drucken oder an die Wände unseres Stadions schreiben, aber niemals werden sie mich dazu bringen, meinem Bild ihren Namen zu geben.
Das hat weniger mit Trotz oder Nostalgie zu tun als viel mehr mit der Erkenntnis, dass Sponsoren kommen und gehen, ein Stadion aber bleibt.
Das Westfalenstadion ist das Westfalenstadion ist das Westfalenstadion…