Und schon wieder Deutscher Meister, BVB !
Die Ansprüche waren gestiegen und der BVB konnte sie in der Saison 1956/57 nicht immer erfüllen, trotzdem schaffte Borussia Dortmund etwas Einmaliges in der Geschichte des deutschen Fußballs: Sie verteidigten die Meisterschaft mit exakt der gleichen Mannschaft wie im Vorjahr. Zwar waren sie nicht mehr so bestimmend in der Oberliga West, trotzdem reichte es für die Mannen um Trainer Helmut Schneider.
In der Oberligasaison sah es anfangs nicht nach der sechsten Westmeisterschaft aus. Nach dem Auftaktsremis gegen Sodingen wurde die Wende gegen den Reviernachbarn aus Gelsenkacken vollbracht. In einer kampfbetonten Partie siegte der BVB mit 3-2. Als der hartnäckigste Konkurrent Duisburger S.V. am 7. Spieltag den BVB zuhause in der „Roten Erde“ mit 1-0 besiegte, fragte die Fachpresse: „Wer soll diese Duisburger schlagen?“ Obwohl Duisburg bis zum 23. Spieltag Tabellenführer blieb, hielt der BVB weiter Anschluss. Zum Jahreswechsel betrug der Rückstand noch drei Punkte. Aber zum Ende der Saison ging der Überraschungsmannschaft die Luft aus. Der endgültige Wechsel an der Tabellenspitze wurde am 25. Spieltag vollbracht, nach dem der BVB den Tabellenletzten Gladbach mit 7-1 besiegte und Duisburg in Sodingen 0-1 verlor. Zwar konnte der BVB von den letzten vier Liga-Spielen n ur eines gewinnen, aber trotzdem sicherte sich die Borussia mit zwei Punkten Vorsprung die Westmeisterschaft. Diesen Titel verdankte sie hauptsächlich ihrer Auswärtsstärke in dieser Saison. Wieder wurde ein Alfred Torschützenkönig, doch diesmal holte mit 30 Treffern Alfred Kelbassa den Titel und beerbte den Mannschaftskollegen Niepieklo. Kelbassa erzielte diese Treffer in nur 29 Spielen, das dreißigste hat er nur deshalb nicht mitgemacht, weil der BVB ihn schlichtweg am 7. Spieltag zum Auswärtsspiel in Aachen in Dortmund vergessen hatte. Durch seine Leistung war er sogar zeitweise im berühmten Notizbuch von Bundestrainer Herberger.
Die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft bescherte den Teilnehmern
einen neuen Modus. Nicht mehr in Hin- und Rückspiel wurde der
Endspielteilnehmer ermittelt, sondern nur in noch ein direktes Duell auf
einem neutralen Platz. Dortmund war wieder in der Gruppe 2 und diesmal
hießen die Gegner Kickers Offenbach, Hertha BSC Berlin und Mitfavorit 1.
FC Kaiserslautern.
In Ludwigshafen traf der BVB zum ersten
Gruppenspiel auf die Kickers aus Offenbach und tat sich sehr schwer. Vor
55.000 Zuschauern gewann der BVB glücklich mit 2-1. Die Kickers gingen
durch Kraus in der 9. Minute in Führung, die aber Alfred Niepieklo noch
vor der Pause in der 41. Minute ausgleichen konnte. Die Entscheidung
fiel dann in der 65. Minute, als der Neu-Nationalspieler Alfred „Aki“ Schmidt den Siegtreffer erzielte.
Das Hannoveraner Niedersachsenstadion war dann Schauplatz für das zweite Gruppenspiel des BVB. In diesem Spiel konnte schon eine Vorentscheidung fallen und die Lauterer waren nach ihrem 14-1-Sieg gegen Hertha leicht favorisiert. Vor diesmal 75.000 Zuschauern geriet der BVB wiederholt in Rückstand. Der Torschütze für die Lauterer war in der 9. Minute der Spieler Späth. Und wiederholt erzielte der BVB noch vor der Pause den Ausgleich. Torschütze in der 37. Minute war Torschützenkönig Kelbassa. In der 63. Minute traf dann „Adi“ Preißler zur erstmaligen Führung, bevor dann Helmut Kapitulski in der 72. Minute die Vorentscheidung erzielte, als er einen angeschnittenen Schrägschuss zunächst an den Pfosten setzte. Von da aus ging er zum anderen Pfosten und trudelte dann für Torhüter Hölz unhaltbar ins Tor hinein. Zwar erzielte Fritz Walter nur eine Minute später den Anschlusstreffer, aber es war gleichzeitig das Schlussergebnis.
Zum letzten Gruppenspiel mussten die Dortmunder nach Braunschweig reisen, wo die bisher punktlosen Herthaner der Gegner waren. Da das Spiel eigentlich nur Formsache war, kamen nur 15.000 Zuschauer in das Braunschweiger Stadion. Standardgemäß geriet der BVB, diesmal in der 1. Minute, in Rückstand. Der Torschütze war Faeder. Aber diesmal glichen die Borussen postwendend in der 7. Minute durch Alfred Niepieklo aus. Dieser Spieler war es auch, der den 2-1-Endstand in der 68. Minute erzielte. Somit stand fest, der BVB beendete die Gruppenspiele verlustpunktfrei und zog zum dritten Mal ins Endspiel der deutschen Meisterschaft ein. In der anderen Gruppe gewann nicht der Reviernachbar aus Duisburg, sondern die Mannen vom HSV die Vorrunde.
Fazit der Gruppenspiele war, das der BVB jeweils die Spiele nach
Rückstand gedreht hatte. Es zeugte von einer gewissen Professionalität
und Souveränität der Mannschaft. Allerdings bröckelte die heile Welt
Borussia. Die Spieler Preißler, Kelbassa und Kapitulski hatten ihre
Verträge gekündigt. Nach internen Querelen beabsichtigte auch
Meistertrainer Helmut Schneider den Verein zu verlassen. Kein gutes Omen für die erfolgreiche Titelverteidigung.
Im
Niedersachsenstadion fanden sich 82.000 Zuschauer ein. Alleine 40.000
kamen aus dem Ruhrgebiet. Das Finale zeichnete sich durch Kontinuität
aus. Nicht nur der Schiedsrichter hieß erneut Dusch, sondern
Meistertrainer Schneider setzte auf exakt die gleiche Mannschaft, die
vor einem Jahr in Berlin erstmalig Deutscher Meister wurde.
Leidtragender war Alfred „Aki“ Schmidt, der während der gesamten Saison
(seine erste) überzeugt hatte. Der damals 21-Jährige war von der
Entscheidung schwer enttäuscht, als Schneider ihm das mitteilte. Seine
Saison erwärmte sogar das Herz des ansonsten dem BVB nicht gerade
wohlgesonnenen Sepp Herberger. Gegen Holland kam Schmidt am 3. April 57
zu seinem ersten Länderspiel und erzielte gleich den Siegtreffer für
Deutschland (2 zu 1). Wirklich versöhnt wurde Aki Schmidt aber erst
durch seine „echte“ Meisterschaft 1963.
Ein weiterer
Streitpunkt war die Meisterschaftsprämie. Noch vor dem Spiel stritt die
Mannschaft mit der Vereinsführung und wollte sich nicht mit Almosen wie
im Vorjahr abspeisen lassen. Erst als der Vorstand versprach, diesmal
die Geldbörse etwas weiter zu öffnen, entschied sich die Mannschaft in
Hannover aufzulaufen.
Der BVB trat also mit folgender Besetzung an: Kwiatkowski – Burgsmüller, Sandmann, Schlebrowski, Michallek, Bracht, Peters, Preißler, Kelbassa, Niepieklo, Kapitulski. Die Hamburger um ihren Jungstar Uwe Seeler galten als klarer Außenseiter, trotzdem begrüßte Seeler den um 14 Jahre älteren Max Michallek mit folgenden Worte: „Na Opa, was willst du in deinem Alter denn noch hier auf dem Platz?“ Die schlagfertige Antwort von Michallek ließ nicht lange auf sich warten und er antwortete: „Bübchen, dich halte ich noch, wenn ich 70 bin.“
Aber im Gegensatz zu Berlin war es diesmal anders. Bei über 30 Grad im Schatten pfiff Schiri Dusch das Spiel an. Die Anfangsphase war ausgeglichen, aber je länger das Spiel dauerte, desto dominanter wurde der BVB. In der 16. Minute traf dann Kelbassa zum 1-0, was in den vorangegangenen Spielen ja nie geklappt hatte. Die Mannschaft ließ sich durch den zwischenzeitlichen Ausgleichstreffer von Krug in der 24. Minute nicht beirren und ging nur eine Minute später wieder durch Alfred Kelbassa in Führung. Die Vorentscheidung fiel dann erneut eine Minute später, als Alfred Niepieklo zum 3-1 traf. Danach schaltete der BVB ein paar Gänge zurück. In der zweiten Hälfte tat die Mannschaft nur das nötigste, was natürlich die neutralen Zuschauer verärgerte. In der 78. Minute fiel die entgültige Entscheidung, als abermals Alfred Niepieklo zum Endstand traf. Dieses klare Ergebnis gab nicht den tatsächlichen Spielverlauf wieder, denn in dem Dortmunder Kombinationswirbel ging der HSV in der zweiten Hälfte regelrecht unter. Der HSV-Kapitän und Weltmeister von 54, Jupp Posipal, sagte nach dem Spiel resignierend: „Jeder möge uns glauben, dass wir das Beste wollten, aber diese Borussia schien überall auf dem Platz zu sein. Schwarz-Gelb wohin man auch sah.“
Dortmund spielte so souverän und abgeklärt in der Endrunde, dass ein Sport-Illustrierten-Kommentator mutmaßte, dass der BVB gegen den Vertragsspielerstatus verstößt und Profis spielen lässt. Aber er bezog dies nicht auf die Bezahlung, sondern auf die Spielweise, die Leistung und diese Perfektion. Weiter sagte er: „Die Dortmunder übertreffen die gesamte deutsche Konkurrenz, weil sie über eine Kondition verfügen,die ihnen die Ausführung all dessen gestatten, was in wachen Köpfen und auch in den Beinen steckt.“ Der Kicker schrieb zum Finale: „Borussia spielte, zermahlte, jonglierte, bluffte, siegte – mühelos ‚aus dem Fußgelenk‘ ... und begeisterte dennoch nicht.“
Wieder in Dortmund, säumten erneut 250.000 begeisterte Menschen die
Straßen und feierten die Borussen auf ihren Weg vom Hauptbahnhof bis zum
Borsigplatz. Nur einer wollte nicht so richtig Jubeln, das war der
immer noch todtraurige „Aki“ Schmidt.
Die Meisterschaft 1957
war das Ende einer großen Mannschaft. Trainer Helmut Schneider wechselte
zum FK Pirmasens. Mit ihm ging Helmut Kapitulski. Nachfolger wurde Hans Tauchert, der leider ein Jahr später verstarb.
Über all diesen Verpflichtungen thronen die „drei Alfredos“. Nur gehören dazu mehr als diese genialen Stürmer. Man sprach damals gerne über die T-Achse, die bei Kwiatkowski begann, über Michallek geht und beim Stürmertrio endete. Dazu musste man auch sagen, dass der BVB diese Aufstellung auch variieren konnte, so dass er für den Gegner noch schwieriger auszurechnen war.
Später urteilte Alfred Niepieklo über die damalige BVB-Mannschaft: „Unsere Mannschaft war über einige Jahre zusammengewachsen und zur Blüte gereift. Technisch war uns kaum eine deutsche Mannschaft ebenbürtig. Doch auch im kämpferischen Bereich setzte der BVB immer wieder Akzente. Davon durfte sich im internationalen Vergleich 1956 zweimal die europäische Spitzenmannschaft Manchester United ein Bild machen. Denn selbst in Old Trafford unterlagen wir um Europapokal sensationell nur mit 2-3!“
Bildermaterial: Martin Betker - Martin sucht für seine Sammlung weiteres Material (Hefte, Tickets, Autogrammkarten etc.)