Vater und Sohn Nerlinger: Zweimal Bundesliga zwischen München und Dortmund
Den Namen Nerlinger verbindet man nicht unbedingt mit dem Begriff "Held". Während ihrer beider Spielzeiten wurden keine Titel geholt und keine Pokale gesammelt. Aber beide waren beim BVB, als der BVB eine schwierige Zeit durchmachte. Beide setzten sich für die Mannschaft ein und riskierten Verletzungen. Auch so sehen Helden aus.
Viele Fans verbinden den Namen Nerlinger mit dem Spieler Christian Nerlinger, der sich gegen die Bayern und für den BVB entschieden hat und damit den damaligen Anspruch des BVB, die Nummer Eins in Deutschland zu werden, unterstrich. Aber auch sein Vater fand in den Siebziger Jahren schon den Weg aus der bayrischen Landeshauptstadt in die Revierstadt.
Helmut Nerlinger wurde am 27.02.1948 in München geboren und begann seine Karriere 1955 beim MTV München (nee, das ist kein Musiksender, sondern einer der Vereine, aus dem der FC Bayern München hervorging). Im Jahr 1969 wechselte er zum FC Bayern München, aber nach nur einem Jahr ging er zu Kickers Offenbach.
Wiederum ein Jahr später verließ er den OFC, um sich Tasmania Berlin anzuschließen. 1972 fand Nerlinger Senior dann den Weg in die Westfalenmetropole. Helmut Nerlinger, seines Zeichens Abwehr- und Mittelfeldspieler, kam zum BVB, als es Borussia Dortmund nicht sehr gut ging. Der BVB war aus der 1. Bundesliga abgestiegen und dümpelte in der Regionalliga West (damals zweithöchste Spielklasse) herum. Dabei wurde ihm vorher von Trainer Herbert Burdenski von einer rosigen Zukunft erzählt, als man ihn von Tasmania holen wollte. Kaum hatte sich Nerlinger an das ziemlich schwache Regionalliganiveau und weitere Enttäuschungen gewöhnt, kam der nächste Schlag.
Präsident Heinz Günther erklärte dem gesamten Kader, dass dem BVB der Konkurs drohte, wenn die Spieler nicht auf einen Teil ihres Gehaltes verzichteten. Wer nicht mitzog, musste gehen. Helmut Nerlinger entschied sich fürs Bleiben und schnallte den Gürtel enger. Mit seinen 10.000 Mark half er mit, den Verein zu retten. Andere Spieler, wie Theo Bücker und später Horst Bertl, suchten sich lieber neue Vereine.
Trotz des harten Beginns lebte sich Helmut Nerlinger mit seiner Frau Renate in Dortmund gut ein. Am 21. März 1973 wurde Sohn Christian geboren.
1974 wechselte Nerlinger wie die gesamte BVB-Mannschaft den Arbeitsplatz: das Westfalenstadion war fertig! Vor 30 bis 40.000 Fans zu spielen machte den Spielern Spaß und steigerte auch das Selbstbewusstsein. Der BVB gehört in die Bundesliga, aber das sollte erst 1976 realisiert werden.
Nach der Verpflichtung von Trainer Otto Knefler im Jahr 1974 merkte Helmut Nerlinger, dass rund um den BVB ein frischer Wind wehte. Weiter nach oben ging es unter dem nächsten Trainer Horst Buhtz, unter dem sich die Borussen für die Relegationsspiele zur Bundesliga qualifizierten. Da aber Buhtz für die neue Saison bereits beim Gegner, dem 1. FC Nürnberg, unterschrieben hatte, verpflichtete der BVB kurzerhand den zu der Zeit noch jungen Otto Rehhagel. Der damalige Libero und Mannschaftskapitän Nerlinger erinnert sich: ?Als dann Otto Rehhagel im Juni 1976 nach dem zweiten Platz in der zweiten Bundesliga-Nord für die Relegationsspiele mit dem 1. FC Nürnberg verpflichtet wurde, haben wir unsere Chance beim Schopfe gepackt und sind nach zwei Siegen in die höchste Klasse zurückgekehrt.?
Eine längere Bindung des BVB und Helmut Nerlinger scheiterte an seiner Gesundheit. Nerlinger litt an Knieverletzungen, die ihn immer häufiger pausieren ließen. So trennen sich 1978 die Wege. Nach einer Operation feierte er bei Viktoria Köln ein kurzes Comeback, doch ein erneuter Knorpelschaden beendete seine Karriere. Er ging zurück nach München, um dort bei der Abendzeitung in der Anzeigenabteilung zu arbeiten. Aufgrund seiner Verletzung wechselte er die Sportart, spielte Tennis und brachte es in seiner neuen Sportart sogar bis in die Landesliga. Noch heute befällt Helmut Nerlinger Wehmut, wenn er ins Westfalenstadion kommt.
Nerlinger spielte mit dem BVB in drei verschiedenen Klassen. Die Regionalliga West wurde 1974 zur 2. Bundesliga Nord, in beiden Ligen zusammen brachte er es auf 116 Einsätze und 15 Tore. In der Aufstiegssaison 1975/76 erzielte er als Abwehrchef sagenhafte 11 Treffer. In der Bundesliga lief er noch 36mal für den BVB auf und erzielte dabei ein Tor.
Eines hat er aber nicht nur seinem Sohn, sondern auch vielen, vielen anderen und bekannteren BVB-Stars voraus: er wurde mitsamt der ganzen damaligen Mannschaft besungen, und das nicht nur im Stadion, sondern auch auf Schalplatte. "Tolle Jungen sind die Jungens von Borussia" sang Robby über die Mannschaft und meinte damit auch Nerlinger, mit dessen Namen die Aufzählung beginnt.
Aber kommen wir nun zu einem seiner Söhne, nämlich Christian. Er trat in die Fußstapfen seines Vaters und begann seine Fußballkarriere beim TSV Forstenried. Dort gab es übrigens noch einen Nerlinger, mit dem er nicht verwandt war, den Gewichtheber Manfred Nerlinger. 1987 wurde man beim FC Bayern auf den gebürtigen Dortmunder aufmerksam und verpflichtete ihn. Mit dem FC Bayern München gewann das Münchner Eigengewächs zwei Deutsche Meisterschaften, sowie je einmal den DFB-Pokal und den UEFA-Pokal. 156 Bundesligaspiele absolvierte der Mann mit dem starken Linksfuß zwischen 1993 und 1998 für den FC Bayern, 27 Tore gingen in dieser Zeit auf sein Konto.
Aber irgendwann war die Zeit reif, den Verein zu wechseln. Da sein Vertrag im Sommer 1998 auslief, handelte der BVB und gab im Frühjahr 1998 die ablösefreie Verpflichtung des Mittelfeldspielers zur neuen Saison bekannt. Bayern-Manager Hoeneß kommentierte den Weggang Nerlingers geschockt: "Das ist für mich die Enttäuschung des Tages. Ich bedauere den Weggang, denn Christian gehört zu unseren Leistungsträgern."
Der BVB hatte gerade eine schwierige Saison überstanden, in der Saison 1997/98 war der Champions-League-Sieger unter Nevio Scala nicht über den zehnten Platz hinausgekommen. Der neue Trainer hieß Michael Skibbe und war nur unwesentlich älter als die meisten Spieler. Wie schon sein Vater setzte Nerlinger Junior sich beim BVB in einer weiteren turbulenten Saison durch und wurde Stammspieler. Am Ende der Saison erreichte er mit dem BVB einen der mittlerweile 4 Plätze an der Sonne, die für die Champions League reichten.