Der Rest war Stille
Lutz-Michael Fröhlich pfiff und es herrschte Ruhe - zumindest im Gästeblock. Konsterniert und fassungslos standen sie da, die Schwatzgelben. Kaum ein böses Wort fiel zunächst in Richtung der Mannschaft, zu enttäuscht waren alle angesichts der Darbietung des BVB, der Kunde vom Ergebnis aus Bochum und dem damit verbundenen Saisonende auf dem unrühmlichen sechsten Platz. Dabei war es doch eigentlich so einfach gewesen: Wir mussten einfach nur gewinnen! Doch stattdessen folgte, quasi als letzter Akt eines fußballerischen Saisondramas, das logische Ende einer beschissenen Saison. Die Mannschaft hat enttäuscht - mal wieder.
Das ist es wohl auch, was uns Fans von dieser Spielzeit am meisten im Gedächtnis haften bleiben wird: Die Enttäuschung über eine Mannschaft, die könnte - wie sie es beispielsweise gegen Bayern, Bochum, Rostock, Leverkusen oder auch in Hamburg und Wolfsburg gezeigt hat - aber aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen dann doch nicht kann oder nicht will.
Es ist ja gar nicht so sehr das nackte Ergebnis, was derart frustriert. Ich persönlich könnte mich zumindest mit Platz 6 und dem UI-Cup sogar durchaus abfinden. Vielmehr ist es das WIE, das diese Saison so unglaublich enttäuschend macht. Die Mannschaft hat oft genug unter Beweis gestellt, dass sie durchaus guten Fußball spielen kann, zwischenzeitlich sogar in der Lage ist, ansehnliche Kombinationen zu präsentieren. Doch all diesen positiven Aha-Erlebnissen folgte zumeist postwendend die nächste Depression in Form eines spielerischen Offenbarungseids, einer kämpferischen Nullleistung oder gar der Kombination aus beidem.
Natürlich werden sie jetzt wieder kommen, die Ausreden vom unglaublichen Verletzungspech, das ligaweit seinesgleichen sucht. Möglicherweise werden sie auch die große Unruhe im gesamten Verein als weiteren Grund anführen, warum sämtliche Saisonziele verpasst wurden. Aber wollen wir sie wirklich hören? Mein Bedarf an Erklärungen war spätestens in Berlin, eher jedoch schon beim Derby gedeckt. Natürlich hatten wir viele Verletzte, natürlich fällt auch deren Integration nach langer Pause etwas schwerer, aber das als Grund oder gar als Rechtfertigung für regelmäßige Arbeitsverweigerung und offensichtlich mangelnde Motivation einzelner Spieler heranzuziehen, erscheint wohl nicht nur mir völlig unangebracht.
Fakt ist: Die Mannschaft hat versagt und das traurige Saisonende auf dem Betzenberg war geradezu vorhersehbar. Kaum jemand war angesichts des bisherigen Saisonverlaufs euphorisch in die Pfalz gefahren, alle ahnten weitestgehend, dass es so kommen würde, wie es letztlich auch kam. Selbst der eine Punkt Vorsprung vorm Verfolger schien niemanden recht zu überzeugen, dass das Minimalziel UEFA-Cup noch erreicht werden könnte. Das Vertrauen in die Mannschaft, die allenfalls noch in Sachen Ankündigung, Schönrederei und der Ausredensuche ligaspitze ist, war schlichtweg dahin. Zu viel hat dieses Team während der letzten 34 Spieltage geredet und zu wenige Taten folgten diesen großen Worten anschließend auf dem Rasen. Borussia in der Saison 2003/2004, das war eine Mannschaft, die es über weite Strecken einfach nicht wert war, das schwarzgelbe Trikot zu tragen, weil ihr die grundlegenden Dinge dessen fehlten, was man von Borussenspielern mindestens erwartet: Einsatzwille und Motivation. Nicht einmal im letzten Saisonspiel, in dem es doch um so viel ging, schien dieses Team motiviert genug, die Begegnung für sich zu entscheiden. Stattdessen überließen sie den Pfälzern den Raum, übten sich in Alibiangriffen und verfielen zeitweise wieder in das längst vergessen geglaubte System "hoch auf Koller".
Doch wie viel Schuld trägt eigentlich der Trainer an der Situation? Sicherlich, seine Auswechslungen erzeugen immer wieder große Fragezeichen auf der Fanstirn und sorgen für allgemeines Kopfschütteln. Das viel zu lange Festhalten an formschwachen Spielern wie Rosicky und Conceicao muss er sich in jedem Fall ankreiden lassen, ebenso wie die Standardschwäche in der Hinrunde und das vielfach kritisierte Spielsystem mit hohen Bällen in die Mitte. Vielleicht ist Sammer sogar mitverantwortlich für die fehlenden Motivation der Mannschaft, obwohl es in entscheidenden Spielen eigentlich keines großartigen Motivators bedürfen sollte. Kurzum: Man kann dem Trainer sicherlich eine Menge Vorwürfe machen. Ihm jedoch die Alleinschuld am diesjährigen Abschneiden zu geben, ihn möglicherweise gar zum Sündenbock zu erklären, das wäre nicht nur absurd, es würde der Mannschaft obendrein noch zu einem astreinen Alibi verhelfen und von ihrem Versagen weitgehend ablenken. Der Trainer ist bei weitem nicht fehlerlos geblieben in dieser Saison, aber auch wenn er formal sicherlich die Verantwortung für diese Mannschaft innehat, so liegen die Dinge doch weitestgehend woanders im Argen.
Was die derzeitige Situation aber umso frustrierender macht, ist das öffentliche Auftreten von Vorstand, Trainer und Mannschaft. Anstatt offen einzugestehen, dass die Saison einfach scheiße war und mies gelaufen ist, wird um den heißen Brei herum geredet, es wird relativiert und lamentiert, was das Zeug hält, bis man sich am Ende als unglücklicher Sechster fühlt, dem vom Schicksal allzu übel mitgespielt wurde.
Warum geben sie nicht zu, dass das vergangene Jahr schlicht ein verlorenes war? Warum gestehen sie sich und uns die eigenen Fehler nicht endlich einmal ein? Stattdessen flüchtet man sich rund um die Strobelallee einmal mehr in Ausreden und Rechtfertigungen, erklärt uns, dass alles gar nicht so schlimm gewesen sei in diesem Jahr, obwohl es die meisten Fans eben doch als sehr schlimm empfunden haben, und gibt sich damit selbst endgültig der Lächerlichkeit preis.
Der Verein schmort im eigenen Saft und so hört man nun aus Trainermund und Vorstandsetage die Floskeln, auch Werder Bremen habe zu Beginn der Saison UI-Cup spielen müssen, ist gar - genau wie nun die Borussia - im Vorjahr auf Platz 6 gelandet. Da fehlen einem schlicht die Worte, man steht nur kopfschüttelnd daneben und es steht zu befürchten, dass man sich in Dortmund vermutlich selbst bei einer Klatsche irgendwo im europäischen Niemandsland noch in die Erklärung retten würde, auch Werder habe sich ein Jahr zuvor in Pasching blamiert und sei anschließend Meister geworden. Wohl dem, der solche Strohhalme ergreifen kann.
Was bleibt also? Hoffnung auf Besserung? Natürlich, die ist ja vor jeder neuen Saison wieder voll da. Aber ist sie auch realistisch? Ich weiß es wirklich nicht. Fakt ist wohl: Es werden Spieler gehen müssen. Ob das tatsächlich zwangsläufig einen Verlust darstellt, kann jeder für sich selbst beurteilen. Denkt ans Derby, denkt an Cottbus, denkt an Brügge, denkt an Sochaux, denkt an Köln, denkt an Berlin, denkt an Kaiserslautern, denkt an...
Oft wird gesagt, gerade in wichtigen Spielen zeige sich der Charakter einer Mannschaft. Wenn das stimmt, haben wir jedenfalls ein echtes Problem.