Borussia in den Wechseljahren
Nach vier Jahren als Trainer in Dortmund nahm Matthias Sammer seinen Hut, wechselte zum VfB Stuttgart und machte Platz für den Niederländer Lambertus van Maarwijk. Dieser reiht sich ein in die BVB-Trainerhistorie, in der viele Namen auftauchen und die das ein oder andere Kuriosum zu bieten hat.
Erfolgstrainer der frühen 60er:
Eppenhoff und Multhaupt Nun ist also die Nummer 31 an der Reihe. 31 Trainer in 37 Jahren Bundesliga - ein Spitzenwert, übertroffen nur von Eintracht Frankfurt. Dabei wurde den BVB-Fans auf der Trainerbank schon nahezu alles geboten: Exzentriker und stille Analytiker, Weltenbummler und bodenständige Ruhrgebiets-Heroen, anerkannte Fachmänner und absolut Ahnungslose. Bevor Niebaum, Meier und Co. nun mit Bert van Maarwijk den nächsten Übungsleiter auf die schwarz-gelben Diven loslassen, soll ein Blick auf die kuriosesten und interessantesten Geschichten um die Dortmunder Trainer geworfen werden.
Alles begann mit dem legendären Hermann Eppenhoff. Er hatte, als ehemaliger Gelsenkirchener den BVB 1963 zur letzten Deutschen Meisterschaft nach "alter Art" geführt, und unter seiner Leitung ging es auch in die ersten beiden Bundesliga-Jahre. Und das durchaus erfolgreich: Er wurde 1965 DFB-Pokalsieger und formte die Mannschaft, die 1966 den Europapokal der Pokalsieger gewann. Dabei wackelte Eppenhoffs Stuhl schon seit Jahren. 1964 nach Unstimmigkeiten mit dem Präsidium eigentlich schon entlassen, kippte er diese Entscheidung jedoch selbst, indem er Unregelmäßigkeiten bei den Vorstandswahlen aufdeckte. Die Vereinsspitze um Präsident Kurt Schönherr ging, Eppenhoff blieb - allerdings nur noch ein Jahr, und in der Saison 1965/66 übernahm Willi "Fischken" Mulhaupt den Posten. Sein größter Erfolg: Der Triumph über den FC Liverpool im Finale von Glasgow.
Doch ihm war nur eine kurze Amtszeit beschieden. Im Jahre 1966 kam der heute wohl nur wenigen bekannte Heinz Murach, der mit Rang drei in seiner ersten Saison die vorerst letzte nennenswerte Platzierung auf Jahre für den BVB erreichte. Was folgte waren turbulente Jahre, in denen die sportliche und wirtschaftliche Talfahrt des BVB mit den Wechseln auf der Trainerbank einherging. Oswald Pfau (acht Monate), Helmut Schneider (vier Monate), Hermann Lindemann (vier Monate), Horst Witzler (fünf Monate), Helmut Burdenski (sechs Monate) - als der BVB 1972 aus der Bundesliga abgestiegen war, wusste so mancher BVB-Fan wohl nicht mehr, wer denn schon alles an der Seitenlinie der ?Roten Erde? gesessen hatte. Von Lindemann ist hierbei ein höchst legendäres Zitat überliefert, das die große Umsicht zeigt, mit der die BVB-Verantwortlichen in dieser Zeit die Trainer auswählten. So fragte der extrem kurzsichtige Lindemann einen Abwehrspieler: "Sagen sie mal, warum ist ihr Gegenspieler in der 85. Minute freistehend vor unserem Tor zum Schuss gekommen?" Der Verteidiger antwortete: "Das war ein Elfmeter, Trainer."
Vier Jahre dauerte die Tortur in der Zweitklassigkeit. Kult-Trainer in dieser Zeit war ohne Zweifel Otto Knefler ("Otto, lass die Löwen los"), doch zum umjubelten Aufstiegshelden wurde schließlich Otto Rehhagel, der damals noch am Anfang seiner Trainerkarriere stand. In den Aufstiegsspielen gegen den 1.FC Nürnberg sorgte er dafür, dass im neu gebauten Westfalenstadion endlich auch Bundesliga-Fußball gespielt werden durfte. Spektakulärer als Rehhagel hat indes wohl noch kein Dortmunder Trainer seinen Platz räumen müssen. Geistreich auf "Torhagel" getauft, musste Otto nach dem 0:12 gegen Gladbach zum Saisonabschluss 1978 seinen Hut nehmen. Carl-Heinz Rühl und Uli Maslo gaben in der Folge kurze Gastspiele an der Strobelallee, bevor die BVB-Präsident Dr. Reinhard Rauball mit Beginn der Saison 1979/80 einen vermeintlichen Riesen-Coup präsentierte: Udo Lattek, mit der Referenz von fünf Meisterschaften in den 70er Jahren angetreten, sollte den ganz großen Erfolg nach Dortmund bringen. Was ihm freilich nicht gelang. Zunächst scheiterte der BVB knapp an der UEFA-Cup-Qualifikation, im Mai 1981 war dann auch die Ära Lattek in Dortmund schon wieder beendet. Diesmal allerdings aus persönlichen Gründen, da Lattek nach dem Tod seines Sohnes einen Tapetenwechsel suchte und sich zum FC Barcelona verabschiedete. Man ahnte damals noch nicht, dass es ein spätes Wiedersehen geben sollte.
Sie besetzten den Schleudersitz in den 80ern: Zebec, Feldkampf, Tippenhauer, erneut Maslo und Franz. Erst mit Saftig, Köppel und Hitzfeld kamen Erfolg und Titel zurück nach Dortmund Wieder standen den Schwarz-gelben Anfang der 80er echte Chaosjahre ins Haus. Kurze Intermezzos von Branko Zebec und "Kalli" Feldkamp und die Saison 1983/84 mit drei Trainerwechseln (Hans-Dieter Tippenhauer, Uli Maslo, Horst Franz) gipfelten im Gang in die Relegation 1986, wo unter der Leitung von Reinhard Saftig der Abstieg gerade noch abgewendet werden konnte. Der Trainerjob in Dortmund war nicht der Begehrteste, und den Fans fehlte eine absolute Identifikationsfigur. Doch nachdem der Club auch finanziell nach und nach gesundete, schien so etwas wie Kontinuität auf der Trainerbank einzukehren. Saftig hielt sich immerhin zwei Jahre, ehe er nach einem Streit um das Amt des Mannschaftskapitäns von sich aus die Brocken hinwarf. Sein Nachfolger Horst Köppel hielt sich sogar drei Jahre lang und wurde immerhin DFB-Pokalsieger. Neu war für den BVB, dass mit Köppel abermals ein Trainer mehr oder weniger freiwillig den Sessel räumte, um es nach der verpatzten Saison 1990/91 nicht zur Entlassung kommen zu lassen. Ihm folgte ein Trainer, der wohl auf Ewigkeit in den Herzen der Fans und in der Erfolgsbilanz des Clubs seinen Platz hat: Ottmar Hitzfeld.
Mit einigem Argwohn 1991 empfangen, entpuppte sich der bis dahin nur in der Schweiz als Trainer erfolgreiche Lörracher als echter Fachmann, der die "Goldenen Jahre" des BVB maßgeblich mitprägte. Unter seiner Regie fanden zwei Meisterschalen und der Champions-League-Pokal ihren Platz im Dortmunder Trophäenschrank. Er baute jene Truppe aus ehemaligen Italien-Legionären und Eigengewächsen auf, die auf Jahre unschlagbar schien. Doch irgendwann, musste auch beim ?Gentleman-Trainer? der unvermeidliche Abnutzungseffekt eintreten. Wenngleich der Zeitpunkt seines Abschieds, unmittelbar nach dem Champions-League-Triumph, überraschte. Obwohl er noch ein Jahr eher unscheinbar als Sportdirektor in Dortmund verbrachte: Zwischen Hitzfeld und der Achse Niebaum/Meier war einiges an Geschirr zerdeppert worden. Wohl auch ein Grund, warum Ottmar kürzlich bei der Suche nach einem Sammer-Nachfolger schnell abwinkte.
Karussel der Jahrtausendwende: Scala, Skibbe, Krauss, Lattek und Sammer Mit der Kontinuität auf der Trainerbank war es nach Hitzfelds Abschied wieder vorbei. Sein schweres Erbe sollte der Italiener Nevio Scala antreten, der aber nach nur einer Saison, an deren Ende Platz zehn stand, als Gescheiterter wieder in seine Heimat zurückkehrte. Statt auf Trainer-Weltstars wollte der BVB künftig auf den "eigenen Nachwuchs" setzten. Michael Skibbe, jahrelang erfolgreicher A-Jugend-Trainer, wurde 1998 zum Chef gemacht. Platz vier in seiner ersten Saison konnte sich noch sehen lassen, sein Umgang mit arrivierten Kickern eher nicht (Zitat:?Thomas Häßler ist ein großes Talent?). Dennoch leitete seine Ablösung im Winter 2000 (als Tabellen-Sechster) eine rasante Talfahrt der millionenschweren BVB-Truppe ein. Bernd Krauss folgte Skibbe, der bald darauf immerhin zum Bundestrainer aufstieg. Krauss indes schrieb in seiner kurzen Amtszeit Geschichte: Egal, wie kurz alle vorherigen BVB-Trainer ihr Amt bekleideten, sie gewannen zumindest ein Spiel. Dies war Krauss nicht vergönnt. Elf Partien ohne Sieg kosteten ihn schnell wieder seinen Job. In seiner Abstiegsnot installierte der BVB-Vorstand erneut Udo Lattek, quasi als Retter und Lehrmeister für Trainer-Novize Matthias Sammer. Die Mission des ungleichen Duos gelang, der BVB hielt die Klasse.
Unter dem Cheftrainer Matthias Sammer zeigte die Kurve zunächst kontinuierlich nach oben. Schon in seiner zweiten Trainersaison holte er die Meisterschale zum sechsten Mal nach Dortmund und lotste mit dem Geld aus dem Börsengang 2000 Stars wie Rosicky oder Amoroso an die Strobelallee. Die Launenhaftigkeit dieser Millionen-Stars wurde ihm indes letztlich (auch) zum Verhängnis.
Nun also van Maarwijk. Der erste Niederländer an der Dortmunder Seitenlinie, nach Branko Zebec, Pal Csernai und Nevio Scala der vierte Coach aus dem Ausland. Obwohl von vielen Seiten schon als "zweite Wahl" abgekanzelt, dem ersten Anschein nach durchaus ein Coach, mit dem die Borussia wieder erfolgreichen Zeiten entgegenblicken kann. Hoffen wir das Beste!