Jawoll meine Herrn, so haben wir es gern......
"Das unnötigste Spiel des Jahres" und das für schlappe 33,- EUR zzgl. Fahrt und bei dem einen oder anderen noch einen Urlaubstag. Vielen Dank für diesen Mittwoch-Abend-Ausflug, liebe Mannschaft. Und da ihr euch ja nicht lumpen laßt, habt ihr uns an diesem Abend gleich noch ein Geschenk gemacht. Aber der Reihe nach....
Nach dem Losentscheid, daß wir nach Brügge reisen dürfen, war der schwatzgelb.de-Bus binnen weniger Stunden ausverkauft. Also stockten wir auf und sollten vom Busunternehmer einen Reisegelenkbus bekommen, der 83 Leute fassen könne. Doch erstens kommt es anders und zweitens als Du gedacht hast. Bei der Abreise am gestrigen Mittwoch stellten wir dann fest, daß der Bus doch nur 74 Leute faßt. Dumm gelaufen und so mußten sich zwei Autobesatzungen finden, was dann auch klappte. Danke für Euer Verständnis, Jungs. Apropos Jungs: der Bus nach Brügge war der erste und bislang einzige reine Männerbus von schwatzgelb.de. Keine einzige Frau hatte sich angemeldet. An Bord waren unter anderem: Mitglieder der Fanclubs "Goldener Oktober" und "Bierussia", das legendäre "Commando Kleistraße", "Sektion Hagen", um nur einige zu nennen.
Der zweite Kracher war dann, daß unser Bus leider nur 80km/h fahren durfte und sich die Fahrtzeit somit in die Länge ziehen würde. Dank dieses Umstandes und der mehr als 30minütigen Verspätung bei der Abfahrt sollten wir das "Jan Breidel Stadion" erst 10 Minuten vor Anpfiff erreichen.
Vorher stand uns noch der Alltag eines Grenzübertritts im freien Europa nach dem Schengener Abkommen bevor. Vormittags waren wir von Thilo Danielsmeyer (Fanprojekt Dortmund) informiert worden, daß die belgische Polizei in heller Aufregung darüber sei, daß Leute ohne Karte anreisen könnten und würden. Uns wurde mitgeteilt, daß Personen ohne Eintrittskarte an der Grenze abgewiesen und ? falls sie in Brügge "aufgegriffen" werden sollten ? aus der Stadt ausgewiesen würden. Dazu sollte der Bundesgrenzschutz eine "Grenzüberwachung" durchführen. Wie die aussah kennt jeder, der die EM 2000 und das letztjährige CL-Spiel in Eindhoven besucht hat. Alles was nach Fußballfan aussieht (und die sind ja i.d.R. irre schwer auszumachen) wird rausgewunken, nachdem der Verkehr nur noch einspurig über den alten Grenzübergang rollte. Dann kommt ein netter Mensch in grüner Uniform und sammelt Ausweise ein, diese werden dann stichprobenartig überprüft. "Wir suchen nach Gewalttätern", so der Kommentar eines Beamten. "Zwei haben wir schon gefunden, die bleiben jetzt erstmal hier!", hieß es vom gleichen Menschen, der sichtlich stolz über seinen Fang war. Zwei BVB-Fans aus einem anderen Bus, die in der Kartei "Gewalttäter Sport" vermerkt sind. Wir haben schon oft darüber berichtet und jeder kann sich selbst ein Bild von der Sinnhaftigkeit dieser Kartei machen, wenn er weiß, wer dort alles eingetragen wird (seht am besten mal unter www.profans.de nach). Im Übrigen: zwei(!) Mann geschnappt! Meine Güte, wenn man bedenkt, daß diese zwei Mann sonst Brügge ganz alleine zu Kleinholz verarbeitet hätten. Jeder, der sich ein wenig mit dem belgischen Fußball und seiner Fanszene beschäftigt hat, sollte wissen, daß es kein erfolgsversprechendes Unterfangen etwaiger deutscher Hooligans wäre, in Brügge "den Lauten zu machen". Aber egal, die Maßnahme wird durchgezogen. Immerhin konnten die beiden dann doch einreisen, nachdem der BGS die Geistesgegenwart besessen hatte und sich mit den Dortmunder szenekundigen Beamten verständigt hat. Irgendwie fehlt mir hier einfach die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Da reisen gerade mal 800 BVB-Fans nach Brügge und der BGS macht Grenzübergänge dicht, sorgt für Staus und unsereins steht schon kriminalisiert am Wegesrand und darf sich von allen anderen Normalreisenden angaffen lassen ("Guck dir diese Fußballfans an, kaum an der Grenze, schon ist die Polizei da!").
Genug Dampf abgelassen. Die Fahrt war bis auf diese Sache absolut ereignislos, in Belgien erwartete uns die Polizei erst am Stadion, dafür dann aber gleich mit Wasserwerfern und etlichen Mannschaftswagen. Der Parkplatz befindet sich direkt am Gästeblock und war durch o.g. Wasserwerfer und Polizeibataillone geschützt. Am Blockeingang wurde uns dann natürlich alles abgenommen, was unseren Block irgendwie in Farbe getaucht hätte. Selbst Zaunfahnen wurden verboten und während der ersten Halbzeit gab es auch keine Getränke mehr, erst wieder zur Halbzeitpause. Wo der Sinn solcher Aktionen liegt, bleibt wohl das Geheimnis der Belgier. Der Gästeblock selbst lag zu einem Großteil genau unterm Dach des Stadions. Das Stadion faßt gut 30.000 Zuschauer und war gestern Abend mit knapp 19.000 Besuchern nicht ganz gefüllt. Die Belgier begründeten das allen Ernstes damit, daß die eigenen Fans ihnen kein Weiterkommen zutrauten und sie deswegen den Weg ins Stadion scheuten. Vielleicht lag es aber auch schlicht an den aberwitzigen Preisen: 33,- EUR für den Gästeblock und auch die Heimfans zahlten nicht weniger.
Rund um den Platz waren statt Zäunen merkwürdige Vorrichtungen hinter den Werbebanden angebracht worden. Dabei handelte es sich um mehrere kreisrunde Metallscheiben, die mittels Metallketten miteinander verbunden waren. Auf den ersten Blick wirkten sie so wie Stacheldrahtverhaue aus mittelmäßigen Kriegsfilmen. Der Stacheldraht entpuppte sich dann aber als Kette. Der Block unter uns war komplett leer und dient wohl auch sonst als leerer Block, da hier nur ein Werbeplakat lag und die Sitze vollkommen verdreckt waren und unbenutzt aussahen. Alle Tribünen im Stadion bestehen und Ober- und Unterrang, wobei die Tribüne links von uns etwas größer ist als die anderen drei Tribünen. Im Unterrang wird dann fast das ganze Spiel gestanden, im Gästeblock sowieso (wer unbedingt sitzen wollte, konnte dies gut im Randbereich des Blockes tun und dabei alles sehen). Die Stimmung ist ? wie ich mir habe sagen lassen ? typisch belgisch. Es wird nicht oft gesungen, eigentlich fast gar nicht, einzig nach den Toren wird es laut. Dafür gehen die Zuschauer wesentlich emotionaler mit, wenn sich eine Torchance andeutet oder ein Spieler gefoult wird.
Im Gegensatz zu unserer Mannschaft haben sich die anwesenden BVB-Fans nicht nur eine Menge vorgenommen, sie setzen es auch in die Tat um. Und so wird praktisch 90 Minuten durchgesungen, die Stimmung ist richtig gut, vor allem in der zweiten Halbzeit. Praktisch der gesamte Block macht mit und singt sich die Kehle aus dem Leib. Was sich aber die Mannschaft auf dem Rasen erlaubt, ist eine absolute Frechheit. Während sich auf den Tribünen Leute für diesen Verein den Arsch aufreißen und gestern wieder Überstunden abbauten, Urlaub nahmen und nach nur 2-3 Stunden Schlaf wieder auf der Arbeit erscheinen, ist Arbeit für diese Profis oftmals ein Fremdwort. Lob bekommt dieser Truppe wohl in keinster Weise. Da liefert sie Samstag eines der schönsten Spiele der letzten 1,5 Jahre ab und verarscht uns dann so in Brügge.
Kein Engagement, kein Zweikampfverhalten, schlicht gar nichts. Während sich unsere Ballvirtuosen wohl darin versuchen wollten, den Gegner auszutanzen, taten die Belgier das, was man immer tun sollte. Sie kämpften und zeigten eine Leidenschaft, die ich in Dortmund schon lange nicht mehr gesehen habe. Sicherlich ist dieses Team allenfalls mittelmäßig und hat spielerisch nicht viel drauf, wenn man aber so zurücksteckt, wie der BVB, muß man sich über den Rückstand von 0:2 zur Halbzeit alles andere als wundern. In der zweiten Hälfte schien ein Ruck durch die Mannschaft zu gehen. Doch nach dem Anschlußtreffer war wieder einmal alles vorbei. Man schien zufrieden und sich sicher, die Belgier im Rückspiel auszuschalten. Wie kann man nur so kurzsichtig sein? Nicht nur, daß ihr vielen von uns ein zusätzliches Spiel und Kosten "beschert" habt, nun setzt ihr die finanzielle Zukunft des Vereins auch noch so leichtfertig aufs Spiel. In der Schlußphase können wir uns dann bei Weidenfeller, Dede und den technischen Unzulänglichkeiten im belgischen Sturm bedanken, daß es beim 1:2 geblieben ist.
Was ich dann auch überhaupt nicht verstehe, ist das Verhalten so vieler Fans nach dem Spiel. Wir hatten nach einer größtenteils indiskutablen Leistung 1:2 verloren und wir feiern die Mannschaft, als hätten wir 4:0 gewonnen. Gestern wäre mal der Zeitpunkt gewesen, um klar zu machen, was wir von so einem Spiel halten. Das wir uns selbst für "unsere Leistung" feiern, wäre dagegen absolut in Ordnung gewesen, aber mit der Mannschaft noch die Welle machen? Also bitte......
Übrigens: gegen 4:20 Uhr waren wir dann auch wieder in Dortmund.