Fußball ist nur ein Spiel.....
Samstag früh nach München, was tut man nicht alles für seine alltäglichen Verrücktheiten? 4:30 mit dem schwatzgelb.de Bus, 11:45 Ankunft in München. Das Highlight des Tages - abgesehen vom Spiel - würde in wenigen Minuten starten. Um auf alles sorgsam eingehen zu können, betrachten wir das ganz einmal chronologisch:
Seit Wochen hatte Stefan B., seines Zeichens einer der schwersten Jungs in Dortmunds Fanszene, einen Sprung vom 10 Meter Brett in Münchens Olympiabad geplant. Der 180 Kilo schwere Fan sollte damit praktisch eine Mörderwelle lostreten, die auch 1860 davon spülen sollte. Natürlich wollten diesem Spektakel auch etliche Dortmunder Fans beiwohnen und so trafen sich alle ab ca. 12:15 Uhr vor dem Olympiabad. Das Schwimmbad verfügt natürlich noch über Zuschauertribünen, die kostenlos genutzt werden können. Nach und nach versammelten sich einige Fans dort, die Zaunfahnen am Geländer aufhingen und sich gesanglich zu Wort meldeten.
Es kam zu keinerlei Pöbeleien oder Belästigungen anderer Badegäste, beschädigt wurde ebenso wenig. Der Bademeister bat nur darum, die Zaunfahnen zu beseitigen. Noch bevor dies geschehen konnte, erschienen 2 Männer in schwarzen Uniformen. Sie waren vom Wachdienst "Honor et justitia" (Ehre und Gerechtigkeit, wenn ich Lateinkennern aus der Redaktion glauben darf). Ein sehr schöner Name und entsprechend herrisches Auftreten: "Für Euch ist hier jetzt Schluss!" Natürlich waren die Herrenmenschen entsprechend ausgerüstet: neben ihrer freundlichen Uniform trugen sie eine Schusswaffe und einen Knüppel. Und da sie sich dann wohl doch nicht getrauten, selbst körperliche Gewalt anzuwenden, hatten sie schon die Polizei verständigt. Diese erschien mit 10 (!!) Mannschaftswagen, um die Halle zu räumen. Die Polizei zeigt sich größtenteils freundlich und gab zu verstehen, dass sie die Räumung eher unnötig fand, aber das Hausrecht durchsetzen müsse. Worüber sich aber wohl auch streiten ließe. Schließlich ist das Olympiabad halb öffentlicher Raum. Wir mussten also Stefans Todessprung von draußen durch die Scheiben beobachten, was dadurch zwar nicht ganz so witzig war, aber immerhin konnten ein paar Fotos und Videos gemacht werden, die hoffentlich bald online gehen. Die Spielvorbereitung fiel dadurch quasi ins Wasser, die Hoffnung auf ein gutes Spiel blieb bestehen.
Zunächst einmal eine kurze Erklärung: wer zu einem Bundesligaspiel fährt, muss bekanntlich mit allerlei Verboten rechnen, die einem häufig willkürlich und albern vorkommen. Um Theater am Eingang zu verhindern, wird daher seitens des Gastvereins angefragt, was erlaubt wird, und was nicht. In Dortmund erfolgt dies über schwatzgelb.de an die Fanbetreuung des BVB, die dann bspw. in München anfragt. Sobald wir näheres wissen, veröffentlichen wir es im Forum. So war es auch vor dem Gastspiel bei 1860. Die Antwort aus München kam und besagte, dass Doppelhalter und kleine Schwenkfahnen erlaubt sind, während ein Megaphon verboten und große Schwenkfahnen (warum auch immer) nur auf der Laufbahn zugelassen sind. Diese Erkenntnis gaben wir natürlich weiter und hofften auf einen problemlosen Einlass. Doch es ging schon mit dem Erscheinen am Tor weit vor Toresöffnung los. Ein Fan mit großer Trommel erschien und wurde von einem irre wichtigen Menschen gleich darauf hingewiesen, dass er die ganz schnell wieder vergessen könne. Den Dortmundern sei alles verboten worden! Große Überraschung bei uns und so zogen wir zu viert in Richtung Geschäftsbereich des TSV, um das zu klären. Dort hieß es dann: "Komisch, Euch ist doch alles erlaubt worden. Wir klären das." Die Fanbeauftragte wollte dann zum Gästeblock kommen, gesehen haben wir sie dort nicht.
Und nun wurde es wieder spannend. Der Einlass war größtenteils korrekt und die Ordner waren auch nicht unhöflich oder anderes. Ein Fan erschien mit einem Seesack voller Doppelhalter und wurde darauf hingewiesen, dass diese verboten seien. Da ich mit der BVB-Fanbetreuung vorher über 1860 gesprochen hatte, schaltet ich mich ein und konnte mit dem Ordnungsdienstleiter sprechen, der versprach, sich zu erkundigen. Wir konnten dann mit dem Sack Doppelhalter den Eingangsbereich hinter uns lassen, mussten aber am Ordnungsbüro warten. Der Mann kam zurück und teilte uns mit, dass Frau Schnell (die Fanbeauftragte bei 1860) nichts davon wisse, uns Doppelhalter mit Stocklänge von über 1m erlaubt zu haben. Natürlich ein Witz, mir liegt ihre e-mail vor. Von Begrenzungen der Stocklänge oder Art der Stöcke stand nichts geschrieben. Inzwischen war den Ordnern nämlich auch eingefallen, dass Plastikrohre gefährlicher sind als die zugelassenen Holzstöcke. Dass das Schwachsinn ist, sei ihnen zwar bekannt, aber es ist nun mal Vorschrift. Deutschland, deine Vorschriften.......man darf gespannt sein, wann die maximale Länge eines Schals auch vorgeschrieben wird.
Natürlich war es wie immer: etliche Fans wurden nicht behelligt, während anderen die Fahnen abgenommen wurden. Irgendwie fühlt man sich dann doch sehr veralbert. Wir werden das nicht auf sich beruhen lassen und uns beim TSV 1860 München beschweren. Bei den eigenen Fans scheint Frau Schnell auch nicht sonderlich beliebt zu sein, zumindest wurde in der Heimkurve "Jutta Schnell raus!" auf einem großen Transparent gezeigt.
Der Block war für ein Spiel bei 1860 München relativ gut gefüllt, fast 2.500 Dortmunder waren vor Ort. Von denen hatte jedoch die überwältigende Mehrheit überhaupt kein Interesse an einer wie auch immer gearteter Unterstützung des Teams. Einige schienen nur deshalb ein BVB-Trikot zu tragen, weil man es ihnen in die Hand gedrückt hatte, so teilnahmslos waren sie. In den letzten Jahren waren nur noch wenige Fans aus Dortmund und Umgebung vor Ort gewesen. Negativer Höhepunkt bleibt hoffentlich das Spiel im Januar 2001, als etwa 40 Dortmunder da waren. Trotzdem hatten auch hier die wenigsten Ehrgeiz genug, die anderen Leute zu animieren, bzw. selbst vorzugeben, was es heißt, Dortmunder zu sein und das angeblich beste Publikum Deutschlands zu sein.
Ich zitiere mal aus einem anderen Forum: "Von den übrigen max. 500 (eher weniger) Dortmundern bzw. Westfalen im Stadion, waren ca. 2/3 (insbesondere der ältere Teil, der auch immer weniger wird- man sieht immer weniger bekannte Gesichter) nach kurzer Zeit des Spiels, von der Niveauarmut desselben derart abgetörnt, dass ihnen der Elan fehlte, den es gebraucht hätte, um die 1.500 Schweiger im Block zum mitmachen zu animieren. (die Letztgenannten hätten besser auf eine Beerdigung gepasst als auf ein Fußballspiel. Bezeichnenderweise ging dem Spiel ja sogar wirklich eine Beerdigung voraus. die Schweigeminute am Anfang des Spiels haben die meisten zum Anlass genommen, gleich neunzig Minuten zu schweigen)!"
Und weiter:
"Bewertung: die beiden erstgenannten Gruppen machen das Erlebnis "Auswärtsspiel" zu einer Farce. die Polizei ist vollkommen überflüssig, die einzelnen Personen überbieten sich an Harmlosigkeit. [...] Ein kollektives Glückserlebnis mit einem derart großen Anteil weitgehend emotionsloser Fußballkonsumenten ist schlicht unmöglich. Das Gesinge hätte man sich auch sparen können. [...] Selbst die Polizei fragt sich langsam, was sie da noch soll. Auf solchen Kindergeburtstagen, zu denen sich die Auswärtsspiele des BVB entwickelt haben. Leidenschaft gleich null, nicht der Hauch von Aggressivität geht von dem Block aus, so wie es früher war [...] Mit welchem Recht erwartet diese neue Generation Stadiongänger eigentlich Aggressivität auf dem Rasen?"
Dem ist nicht viel hinzuzufügen, es ist schon traurig, wie so viele Leute ihr Fansein interpretieren. Niemand verlangt, dass alle Leute 90 Minuten hindurch Gas geben (obwohl das schön wäre), aber zumindest ab und an sollte mal ein Anfeuerungsruf oder ähnliches drin sein, oder? Vor dem Spiel wird gegen den Gegner gepöbelt, mit dem man offensichtlich viel mehr gemein hat - während des Spiels kennen diese Fans aber nicht ein einziges Lied und singen daher auch nicht. Nicht falsch verstehen: ich habe nichts gegen Fans außerhalb Dortmunds. Um Gottes willen, bin mit vielen Dortmundern von überall bekannt und teilweise auch befreundet. Aber ich kann erwarten, dass sich diese Fans für ihre Leidenschaft auch begeistern und interessieren. Die wenigsten Lieder sind so schwer, dass man sie nicht mitsingen kann. Wenn ihr Eure Liebe zum BVB aber nur über die Abneigung gegen den heimischen Verein definiert und entsprechend außer "Löwen in den Zoo!" nichts äußern könnt oder wollt, dann solltet ihr Euch mal Gedanken über das Wort "Fan?"machen.
Genauso leidenschaftslos nach dem Spiel. Die Mannschaft spielte den letzten Dreck und die Leute, die sich vorher kaum bewegten, klatschten. Warum eigentlich? Sorry, aber das hatte diese Mannschaft nicht verdient. Während des Spiels haben Unmutsbekundungen nichts auf den Rängen verloren, aber nach dem Spiel kann oder muss ich eigentlich der Mannschaft zeigen, was ich von diesem Müll halte. Wenn ich alles so hinnehme, wirkt das nicht minder emotionslos.
Die mutige Aufstellung ließ schon zu Beginn das schlimmste ahnen: Matthias Sammer verzichtete auf Ewerthon und Amoroso und brachte mit Koller nur einen Stürmer. Das ließ die Flutwelle aus dem Olympiabad schnellstens verebben. Die Mannschaft spielte lust-, mut- und emotionslos. Hallo? Ihr habt letzte Woche die Bayern geschlagen! Zugegeben war das kein echtes Spitzenspiel, aber viele Teams haben es nicht geschafft und wir warteten lange auf einen Sieg gegen die Bayern. Ok, ein Derbysieg einige Wochen vorher hätte euch eher unsterblich machen können, aber ein Sieg gegen die Bayern nach all den Nackenschlägen der Rückrunde war doch alles andere als beängstigend.
Doch was tut die Mannschaft? Genau, nichts! Warum auch? Ein Punkt in München ist immerhin besser als eine Niederlage. Tut mir leid, meine Herren, aber auswärts seid ihr in der gesamten Rückrunde einfach nur eine Zumutung!
Irgendwann - in grauer Vorzeit - waren Spieler und Fans mal so etwas wie eine Einheit. Heute fühle ich mich oft genug wie ein ungeliebtes Anhängsel, dass ihr auf schnellstem Wege loswerden möchtet, um Euch mit irgendwelchen Leuten in einer trendygen Bar zu vergnügen, Eure schicken Autos spazieren zu fahren oder sonst etwas mit Eurer spärlichen Freizeit anzufangen. Bezeichnend die Bemerkung eines Profis von Hannover 96, dass er die Trikots, die er ins Publikum wirft, neuerdings selbst bezahlen muß. 30,- EUR je Trikot, das macht bei 34 Spielen 578,- EUR! Wir dagegen wollen für unsere Leidenschaft nicht bezahlt werden oder sonstige Zuwendungen von euch oder dem Verein. Respektiert, dass wir uns - auch für Euch - auf den Weg gemacht haben, dass wir versuchen, Euch zu unterstützen (jeder auf seine Weise) und dass wir immer hinter diesem Verein stehen. Liebe Profis, ihr müsst uns nicht lieben, nicht mit uns Eis essen oder Bier trinken gehen, wir möchten einfach nur respektiert werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ihr scheint überhaupt nicht zu wissen, welche eigentlich kleinen Gesten so viel bewirken können. Stefan Reuter kam in Cottbus an den Zaun und klatschte die Hände der dort stehenden Fans ab. Für viele ist das einfach ein tolles Erlebnis, für Euch eine Kleinigkeit. Gleiches gilt für die Welle mit den Fans nach dem Spiel, für ein schlichtes Winken und vor allem für etwas weitere Annäherung an den Gästeblock als 20-30m. Die vor den Blöcken postierten Ordner verweigern Euch ganz sicher nicht den Weg zum Block. 2-3 Trikots in den Block und die Fans sind mehr als glücklich. Darüber wird auf den Heimwegen - die oft lang genug sind - dann häufiger gesprochen, als über den Fehlpass, den der gleiche Spieler gemacht hat. Vielleicht liest es ja mal einer von Euch und versucht, sein bestes zu geben.....