"Nur Fußball und Schule, sonst nix - zwischendurch ne Freundin"
Tatort Dortmund, Roxy-Kino Münster Str. Die Premiere des Dokumentarfilmes "Die Champions" von Christoph Hübner und Gabriele Voss. Eindrücke vor, während und nach dem Film.
3 Jahre war Christoph Hübner unterwegs um Jugendspieler des BVB in Ihrem Alltag mit der Kamera zu begleiten. Dabei kamen 400 Stunden Material zusammen, die nun auf 35 mm Film gebannt, in 129 Minuten komprimiert dem Publikum vorgeführt werden. Premiere des Filmes war am Donnerstag Abend im Roxy in Dortmund, vor ausverkauftem Haus.
Die Gästeliste war lang. Bundestrainer Skibbe, BVB-Präsident Niebaum, Manager Meier, viele aktuelle BVB-Profis (u.a. Addo, Kehl, Ricken, Metzelder), leider nur wenige Amateure des BVB (u.a. Sasy, Sahin, Seggewiß) mit dem Trainergespann Köppel und Preuss und natürlich auch zwei der Hauptdarsteller Francis Bugri und Heiko Hesse.
Mit einer halben Stunde Verspätung begann das Vorprogramm. Auf der Münster Straße donnerte die Truppe von Chegô, Chegô Afro-Brasilianische Percussionsmusik in die Trommeln und drinnen mühten sich diverse Herrschaften mit Reden und Grußbotschaften zum Film. Dann aber löschte sich das Licht und auf der Leinwand waren die ersten Bilder zu sehen.
Das Projekt von Christoph Hübner umfasste ursprünglich die Arbeit von 9 Spielern. Für den Kinofilm suchte er davon 4 Spieler aus. Der Zuschauer durfte nun Mohammed Abdulai, Francis Bugri, Claudio Chavarria und Heiko Hesse auf ihren schwarzgelben Wegen betrachten. Als Einstimmung Gesänge und Bilder aus dem vollbesetzten Westfalenstadion. Der Zielpunkt eines jeden jungen Spielers, der für die Farben der Borussia in einer Jugendmannschaft antritt.
Doch bald merkt der Zuschauer, dass der Weg dorthin sicherlich nicht so einfach und so schmerzfrei verläuft, wie man sich das als Außenstehender vorstellt. Abdulai und Chavarria kommen im Jugendhaus des BVB unter und haben dort mit der Umstellung von Sprache, Leben und Kultur in Deutschland zu kämpfen. Hier im Jugendhaus sieht man aber auch die andere Seite der Spielermedaille.
Mohammed Abdulai, wie er versunken auf seinem Gebetsteppich niederkniet oder auch Claudio Chavarria der, während die Mannschaft ohne ihn zu einem Auswärtsspiel gestartet ist, Gartenabfälle entsorgen muss. Oft sind es die stillen Momente, die langen Bilder die einen so faszinieren. Aber auch Situationskomik kommt hier nicht zu kurz. Lachsalven erntet Chavarria wie er krampfhaft versucht im Deutschunterricht den Unterschied zwischen "vorgestern" und "übermorgen" auf die Reihe zu bekommen. Kleine Highlights sind der Motivationsausbruch von Trainer Georg Kreß, der eine Brandrede an die Mannschaft in der Kabine hält und der Spruch des Abends schlechthin von Ingo Preuss, der zu erklären versucht, was wirklich zählt: "Nur Fußball und Schule, sonst nix - zwischendurch ne Freundin". Anders dagegen Eddie Boekamp der knallhart aufzeigt was Sache ist. Unser eins hätte ihm vielleicht in der einen oder anderen Szene die Klamotten beleidigt vor die Füße geworfen, aber wie sagte Sebastian Kehl nach dem Film: Ein Fußballer muss lernen mit Kritik umzugehen.
Der Spaß kommt nicht zu kurz in diesem Film, aber auch Schmerz und Mitleid. Die Bilder vom Bänderriss von Heiko Hesse lassen einen unbequem im Kinosessel hin- und herrutschen und auch das Heimatvideo von Chavarria aus Chile hält eine blutige Überraschung bereit.
Am Anfang steht der Traum, doch am Ende ist nicht jeder der Vieren am Traumziel angelangt. Zu unterschiedlich sind die Entwicklungen. Trotz der Länge des Filmes, kommen keine Längen auf. Der thematische Sprung zwischen den einzelnen Personen ist hoch interessant. Mir persönlich machte es viel Freude links und rechts an den Akteuren vorbei zu sehen, um zu schauen, wer denn alles so durchs Bild läuft und wie die Personen so früher aussahen, bzw. sich im Laufe der Zeitspanne verändert haben. Auch sieht man wer denn so alles schon mal das schwarzgelbe Trikot getragen hat und von dem überhaupt keine Rede mehr ist.
Viktor Ikpeba und Sead Kapetanovic huschen durchs Bild oder auch Michael Rothholz, der nachdem er mal bei einem Trainingslager der Profis war, heute sein "Geld" in der Oberliga Nordrhein bei Velbert verdient. Aber auch Fans haben Entwicklungen durchgemacht. Mark Körner (der Besitzer der riesigen schwarzen Stadtwappenfahne) z.B., früher mit unzähligen Schals behangen, wird beim Anblick der Bilder heute sicherlich etwas tiefer in den Plüschsessel rutschen.
Nach 129 Minuten ging das Licht wieder an und langer Applaus für das Gezeigte folgte. Verdienter Applaus wie man sagen muss. Christoph Hübner dankte den Personen, die das alles möglich gemacht hatten. Trainer, Spieler und Offizielle wurden auf die Bühne gebeten und wurden ebenfalls mit lobenden Klatschgeräuschen bedacht.
Aber wie fanden nun die Zuseher den Film. Die Stehparty nach dem Film bei Brezeln, Bier und Sushi gab Gelegenheit für den ein oder anderen Gedankenaustausch und auch die Hauptdarsteller gaben gerne Auskunft.
Francis Bugri: "Ich habe den Film jetzt zum ersten Mal gesehen und ich finde ihn sehr schön. Zuerst muss man mal en Hut vor der Leitung von Christoph Hübner und Gabriele Voss ziehen. Ein guter Film, sicherlich nicht immer mit einem Happyend, aber das ist ja auch nicht der Sinn eines Dokumentarfilmes. Es gab viele Szenen an die ich mich genau erinnern konnte, aber es gab auch Situationen, da wusste man gar nicht mehr, dass er mit der Kamera dabei war oder hat es nicht gemerkt. Im Nachhinein stehe ich auch noch zu meinen aussagen, es ist nur manchmal wirklich komisch sich selbst so zu sehen und dann auch noch in diesem großen Format. Eine Erfahrung die ich nicht missen möchte und für später der Gedanke, wer kann schon behaupten, dass ein Dokumentarfilm über sich selbst gedreht wurde. Wirklich Klasse".
Heiko Hesse: "Eine schöne Erfahrung. Ein wenig Stolz ist man schon, aber auch nicht zuviel. Aber auch sehr komisch, einige Szenen, vielleicht sogar peinlich (Abifeier!, anm. der Red.). Zur Zeit mache ich, nachdem ich jetzt in England meinen Abschluss gemacht habe, meinen Master in Oxford. Ziel ist erstmal der Doktor in VWL."
Sebastian Kehl, in wie weit sieht man Paralellen in der eigenen Karriere?
"Unwahrscheinlich viele. Ich habe zwar nicht in einem Jugendhaus gelebt und war dort auf mich alleine gestellt, aber trotzdem kann man einiges sehr gut nachvollziehen. Man hat viele Höhen und Tiefen erlebt. Der eine packt es, der andere nicht und es sind viele auf der Strecke geblieben. Man selber hatte dann das Glück es doch geschafft zu haben, da spielen allerdings auch sehr viele Faktoren eine Rolle. Man kann sich sehr gut hineinversetzen und deshalb glaube ich, dass der Film auch ein Erfolg werden wird."
In jedem Film gibt es Gute und Böse, ich habe hier jetzt Eddy Boekamp als "Bösen" ausgemacht....
Nein, das sehe ich ganz anders. Es zeigt, dass jeder Trainer seine Eigenheiten hat. Ich hatte in meiner Jugend auch sehr viel harte Trainer und diese harten Trainer sind es wirklich die einen auch auf die harten Zeiten vorbereiten. Es kam vielleicht etwas negativ rüber, aber es war für die Jungs sicherlich nur förderlich. Man muss auch lernen mit Kritik umzugehen, mit harten Worten, denn der Fußball ist ein hartes Geschäft und so ist das auch berechtigt.
Also endlich ein Film, der Außenstehenden zeigt, dass Fußball nicht nur ein Traumberuf ist und nicht nur was mit Geld und Porsche fahren zu tun hat.
"Richtig, es gibt Höhen und Tiefen und es kann nicht jeder schaffen. Es ist ein Traumjob, aber nicht nur mit so vielen positiven Seiten, wie er sich oft darstellt. Dass war ja auch jetzt der Jugendbereich. Sicherlich kann man auch im Profibereich mit einem Film hinter die Kulissen blicken, um zu sehen wie viel Zeit und andere Dinge dies in Anspruch nimmt auch dort zu bleiben. Das war der erste Schritt, vielleicht gibt es irgendwann ja mal eine Fortsetzung."
Reingehen lohnt auf jeden Fall. Als BVB Fan sowieso. Freuen kann man sich auch auf eine mehrteilige Dokumentation, die für das Fernsehen geplant ist. Dann werden auch die Spieler, die in diesem Film nicht gezeigt wurden auf die Mattscheibe gerückt.