Zwei Schritte vor, drei Schritte zurück!
Für den Anhänger des 1. FC Köln neigt sich eine Saison der Qual langsam aber sicher dem Ende zu. Mit hohen Erwartungen in die Spielzeit gestartet, findet man sich schon seit längerer Zeit Woche für Woche auf einem Abstiegsplatz wieder- vorrausgesetzt man wagt überhaupt noch den Blick auf die Tabelle. Keine Mannschaft in der Geschichte des 1. FC Kölns hatte bis zum jetzigen Zeitpunkt schlechter abgeschnitten, als das Team dieser Saison. Eine beschämende Leistung, dessen Ausmaß sich man erst einmal bewusst werden muss.
Herrschte unter den FC-Fans in den beiden Spielzeiten zuvor noch größtenteils Einigkeit in der Frage, wie der Weg in die Zukunft zu bestreiten sei, so gehen die Meinungen über Personal, Strategie und sportliche Entwicklung inzwischen stark auseinander. Mit Friedhelm Funkel hat der Verein einen Nachfolger für Ewald Lienen gefunden, dessen Verpflichtung unter den Fans nicht gerade Begeistertungsstürme auslöste. Viele sehen das Etikett Funkel mit der ungeliebten Fahrstuhlmentalität behaftet. Die Meinung, dass Funkel eine faire Chance erhalten sollte, findet dennoch unter einem Großteil der Fans Zustimmung. Man darf nicht außer Acht lassen, dass er nur ein Trümmerfeld übernommen hat, das die vor kurzen noch so hoch geschätzten Lienen und Linßen hinterlassen haben. Die wenigsten glauben allerdings daran, dass er der Mann sein wird, der den FC zurück in die Erfolgsspur lenkt. Funkel selber gibt sich den Fans gegenüber sehr distanziert, ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger Ewald Lienen.
In der Schuldfrage für das katastrophale Abschneiden in dieser Saison ist man sich unter den Fans ebenso uneinig. Die einen bezichtigen die Mannschaft, den Trainer bewusst rausgemobbt zu haben, die anderen wiederum sehen Lienen als den "Zerstörer" seiner eigenen Arbeit an. Andere wiederum betteln förmlich um den Rücktritt von Präsident Caspers oder sehen in Christoph Daum den allerletzten Rettungsanker. Letztendlich ist die Frage nach der Schuld sicherlich nicht genau zu beantworten, da jeder im Verein seinen mehr oder minder großen Beitrag zum Niedergang geleistet hat.
Der bevorstehende Abstieg nimmt für den 1. FC Köln schlimmere Ausmaße an als 1998. Zum einen ist dieser Abstieg nicht mehr eine unglaubliche Ausnahme, wie man vor 4 Jahren noch glaubte, zum anderen verabschiedet sich der FC auch in anderen Bereichen von höheren Ansprüchen. Ein kleines, vielleicht aber recht aussagekräftiges Indiz dafür ist z.B. der neue Ausrüster (ab der neuen Saison Sport "Saller"), der bekanntlich ebenfalls, wenn auch nicht entscheidend, mit zur Imagebildung eines Vereins beiträgt.
Mit dem Auswärtsspiel in Dortmund steckt der
FC-Fan zudem in einem Dilemma. Der überaus glückliche Sieg am vergangenen
Samstag gegen St. Pauli hat einige Unentwegte noch einmal dazu veranlasst, den
Taschenrechner wieder aus dem Mülleimer hervor zu kramen. Der Rückstand auf
Nürnberg beträgt "nur" noch 5 Punkte. Für den FC ist das Auswärtsspiel Dortmund
also alles andere als bedeutungslos. Sollte es den Geißböcken tatsächlich
gelingen, in Dortmund zu gewinnen, würde man den ungeliebten Nachbarn aus
Leverkusen wohl unfreiwillig zum Meister machen. Um die Chance auf den
Klassenerhalt zu wahren, wird den Kölner jedoch nichts anderes übrig bleiben,
als zu versuchen, im Westfalenstadion zu punkten. Auch wenn die Leverkusener
Meisterschaft die FC-Fans alles andere als glücklich stimmt, sollte man
bedenken, dass man in erster Linie Fan des 1. FC Köln ist und nicht
Anti-Leverkusen. Dennoch ist die Abneigung gegen den Nachbarn besonders in
diesen Wochen deutlich zu spüren. Es ist wohl eine Mischung aus Verachtung eines
schmierigen Werbekonzeptes auf der einen Seite und Neid auf
die anzuerkennende sportlich erbrachte Leistung auf der anderen Seite.
Da der BVB sicherlich ähnlich stark wie Leverkusen einzuschätzen ist, wird der FC sich auch am Samstag im Westfalenstadion (einmal mehr) auf einer "Mission Impossible" befinden. Das Auswärtsspiel des FC in Leverkusen vor zwei Wochen hat gezeigt, dass zwischen beiden Mannschaften ein Klassenunterschied besteht, weil der FC nichts, aber auch gar nichts, zu bestellen hatte. Ein ähnliches Schauspiel ist sicherlich auch in Dortmund zu befürchten. Dennoch hoffen einige wieder in Köln - auf was auch immer. Hinzu kommt zusätzlich, dass die Boulevardblätter in Köln diese Stimmung kräftig anheizen und ein Wunder - nach Frankfurter Vorbild - heraufzubeschwören versuchen.
Dass so wenige Punkte wie noch nie zuvor in diesem Jahr zum Klassenerhalt reichen, ist ebenso wenig Zufall wie die hohe Zahl der zur Meisterschaft nötigen Punkte. Es zeigt vielmehr, dass die Schere zwischen den Vereinen der 1. Bundesliga immer weiter auseinandergeht. Auf Dauer wird dieser Trend kaum aufzuhalten sein. Durch Verhältnisse, wie sie in anderen europäischen Ligen bereits bestehen, dürfte sich die Bundesliga langfristig eher schaden als nützen. Ausnahmen bestätigen immer weniger die Regel, was man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch an diesem Samstag im Westfalenstadion erleben wird.
geschrieben von Andreas Rickmann (1.FC Köln Fan)