Wer bekommt mehr? Bild-Informant oder Frau Sammer?
Am gestrigen Mittwoch veröffentlichte die Sport-Bild eine angebliche Gehaltsliste des beinahe vollständigen Profikaders des BVB. Alle Gehälter des Monats August aus dem Vorjahr (2001) lägen der SB als Belege der Hausbank vor. Spitzenreiter wäre demnach Otto Addo, ein deutscher Durchschnittsbürger dagegen Guy Demel, der mit 5.095,- DM am Ende dieser Liste steht, der aber von der SB als "großer Hoffnungsträger beim BVB" erkannt werden will.
Daneben stellt SB Fragen, die nach dem Studium der Zahlen einfach gestellt werden müssen, natürlich hinterfragt sich Spottbild nicht selbst. Also tun wir das zunächst einmal.
Woher bekam SB diese Zahlen? Eine undichte Stelle bei Borussia? Oder ein verärgerter Bankmitarbeiter? Es ist höchst auffällig, daß in den vergangenen Monaten immer wieder Belege verschiedener Kreditinstitute in der Springer-Presse auftauchten. Zählt das Bank-Geheimnis nichts mehr? Sebastian Deisler und vor allem Uli Hoeneß können wohl ein Lied davon singen, waren sie doch die ersten, die es erwischte. Das nahm man noch mit einem Schmunzeln zur Kenntnis, war man als Borusse ja nicht betroffen. Doch schon Kehl ließ uns aufhorchen.
Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, muß man feststellen, daß alle deutschen Großbanken Personal einsparen wollen. Der Kostendruck nehme zu, wird dann gern argumentiert, um dann die Keule vom internationalen Wettbewerb zu schwingen. Gerade die Deutsche Bank tritt da schnell in den Vordergrund. In dieser Situation, in der sich viele Angestellte nach neuen Posten umsehen und unzufrieden sind, dürfte es für einen Journalisten mit gefüllter Brieftasche ein leichtes sein, willfährige Informanten zu finden. Die Mitarbeiter dieser Bank setzen damit ihre gesamte berufliche Zukunft aufs Spiel, was sie aber nicht davon abzuhalten scheint.
Gehen wir also einfach mal davon aus, daß die Zahlen korrekt sind, die für den Monat August angegeben sind.
Auch wir stellen uns die Frage,
warum Frau Sammer x DM bekommen hat. Andererseits ist es uns aber auch egal,
wahrscheinlich verwaltet sie das Geld für Ihren Mann, schließlich taucht er
nicht in der Liste auf. Vielleicht ist er auch selbständiger Unternehmer und
gar nicht bei Borussia angestellt, mutmaßt die Spott-Bild. Tja, vermuten ist
eben nicht wissen.
Natürlich darf der Sportbild am Ende auch nicht die Neid-Keule entgehen, schnell wird noch das deutsche Netto-Jahreseinkommen (ca. 31.000,- EURO) nachgereicht und mit den dagegen exorbitant erscheinenden Zahlen verglichen. Otto-Normal-Sportbild-Leser wird vor Wut toben und auf die bösen bösen Dortmunder schimpfen. Da hat das FCB-Kampfblatt wieder einmal erreicht, was es erreichen wollte. Zumal auf der nächsten Seite ein Gefälligkeits-Interview mit Uli Hoeness – garantiert ohne schmerzende oder gar bohrende Fragen – geführt wird, in dem UH ankündigt, daß die Gehälter bald sinken werden. Ein Schelm, der bei diesen Zusammenhängen Böses denkt.
Insgesamt ein Artikel, der vor Mutmaßungen nur so strotzt und leider nur die Schlüssellochmentatlität in Deutschland stärkt. Über die wird Bild dann bei nächster Gelegenheit wieder mosern, sehr wohl wissend, daß man sie immer und überall bedient. Schade eigentlich, denn eine Diskussion über Sinn und Unsinn der wahnwitzig erscheinenden Gehälter der Profisportler erscheint weltweit nötiger, denn je. Andererseits: wer, wenn nicht die Profis sollten an den dicken Gewinnen der Vermarktung partizipieren? Sind sie es doch, die uns erfreuen und ihre Knochen für die Klub-Bosse hinhalten. Sollen am Ende also nur die Vereine verdienen? Oder sollten mit Gewinnen nicht einfach Preise gesenkt werden (ein dicker Gruß in diesem Zusammenhang nach England, wo ein Stadionbesuch locker 100,- DM/Person kostet)?
Niemand will und wird bestreiten, daß in Dortmund gut „verdient“ wird (bei diesen Gehaltklassen sträube ich mich eigentlich das Wort „verdienen“ in den Mund zu nehmen), aber glaubt jemand ernsthaft, daß der FC Bayern deutlich darunter zahlt? Das die Spieler nach München gehen, weil dort die Trainingsspiele alle schon den achso tollen Wettkampfcharakter haben, wie uns aus der bayrischen Landeshauptstadt immer wieder erzählt wird? Oder Leverkusen? Hertha BSC? Wer Topstars will, muß heute leider auch Toppreise bezahlen. Diese Entwicklung sehen wir negativ, aber im Moment kaum zu stoppen, es sei denn, wir Fans schrauben unsere Erwartungen deutlich zurück. Aber das wird die große Masse nie tun, dieselbe Masse, die wohl als erstes „Scheiss Millionäre“ krakelt. Auch die Bayern haben sehr viel Geld ausgegeben und Vereine ausgestochen, die ebenfalls viel Geld geboten hatten (Ballack, Deisler, N. Kovac, Thiam, Pizarro), dazu noch die „Altlasten“, die schon länger gutes Geld bekommen (Effenberg, Kahn, Jeremies, Elber, Scholl). Natürlich ist die Perspektive einer beinahen Titel-Garantie auch mal wert, auf ein paar Mark zu verzichten. Aber seien wir doch ehrlich: hier geht es um Millionenbeträge und da machen ein paar 10.000,- DM nach oben oder nach unten nicht mehr soviel aus.
Jeder, der 1 EURO für die heutige SB ausgegeben hat und nun wütend ins Kopfkissen boxt, sollte überlegen, ob er den EURO nicht sinnvoller anlegen könnte. Ich werde es in Zukunft nie wieder tun, das DSF als FCB-Haussender ist umsonst und reicht als tägliche Dosis Subjektivität aus süddeutscher Sicht. Wer die Dortmunder Seite sehen will, der liest eben Schwatzgelb.de und das kostet bekanntlich nix extra und wir tun auch erst gar nicht so, als seien wir der Hort der Objektivität. Und das ist auch gut so!
Zurück zum Thema: Generell stellt sich die Frage, nach dem Sinn oder Unsinn, Gehälter von Profifussballern, die im Endeffekt ja auch irgendwie Menschen sind, zu veröffentlichen. Natürlich wird die Sport-Bild argumentieren, man sei nur seiner Informationspflicht nachgekommen und natürlich ist das nicht vollkommen falsch. Aber – um Uli Hoeneß wieder ins Spiel zu bringen – ist es auch moralisch vertretbar? Was ist das Bankgeheimnis eigentlich noch wert, wenn neuerdings überall Zahlen kursieren? Wo ist die Grenze zwischen öffentlichem Interesse und purer Sensationsgier? Wer sagt mir, daß in Zukunft nicht auch andere Leute an Informationen über Konten Normalsterblicher gelangen? Wer einmal bestechlich ist, ist es immer wieder. Vielleicht läßt sich der eine oder andere Arbeitgeber in Zukunft mal die Kontendaten seiner Untergebenen kaufen, um zu sehen, wie man in die nächste Gehaltsverhandlung mit diesem Arbeitnehmer geht.
Falls der unbekannte Geheimnisträger der Bank oder gar der schreibende Journalist hier mitlesen sollten: wie würdet ihr es denn finden, wenn wir demnächst eure Gehälter hier veröffentlichen?
Nachtrag:
Michael Meier hat in einer ersten Stellungnahme angekündigt, bereits einige Telefonate mit der „Deutschen Bank“ geführt zu haben. Von einer Aufkündigung der Geschäftsbeziehungen ist gar im heutigen Kicker die Rede. Meier: „Das Ganze ist eine Lumperei sondergleichen!“ Auch ein betroffener Spieler meldet sich zu Wort, Christian Wörns: „Ich hoffe, dass die undichte Stelle ermittelt und zur Rechenschaft gezogen wird.“