Nachbetrachtung: Und ihr wollt Meister werden?
Die Frage sei erlaubt: Mit was für einer Einstellung gehen die Zuschauer ins Westfalenstadion? Kommen sie, um Ihre Mannschaft zu unterstützen, egal ob in guten oder schlechten Tagen. Oder wollen sie für ihr Eintrittsgeld möglichst viel Unterhaltung geboten bekommen. Möchten sie selber dazu beitragen, dass schon verloren geglaubte Spiele noch umgebogen werden, oder sehen sie es heute als selbstverständlich an, dass „die da unten“ auf dem Rasen gefälligst was bringen müssen für die Kohle die sie verdienen?
Eins ist klar, die Erwartungen sind seit der Meisterschaft 1995 hoch gesteckt bei den Anhängern des BVB. Dieses Jahr möchte man gerne deutscher Meister werden, wenn möglich noch den Uefa Cup gewinnen, zudem möchte man für sein Geld guten, technisch feinen, Fußball sehen. Die Hinrunde bescherte den Fans zwar nicht immer eleganten, dafür aber erfolgreichen Fußball. Eine Serie von 13 Spielen ohne Niederlage, beste Auswärtsmannschaft und und und ....doch dann kamen wieder die sogenannten „bigpoint“ Spiele. OK, gegen die Bayern aus München war man ganz klar die bessere Mannschaft, hat aber mit viel Pech den Ausgleich durch Elber hinnehmen müssen. Gegen Schalke, trotz einer überzeugenden Leistung, am Ende auch nur einen Punkt. Gut gespielt, aber nicht gewonnen, so etwas nagt dann schon mal am Selbstvertrauen der Spieler. Gegen den Pillenclub vom Rhein sollte dann alles besser werden. Doch statt dessen gab es eine „Klatsche“. So wurde das Spiel gegen Lille als wichtiger Wendepunkt für den weiteren Saisonverlauf auserkoren. Sollten wir weiterkommen, habe wir auch noch die Chance Meister zu werden, so die Meinung vieler BVB Anhänger. Die nächste Runde haben unsere Jungs erreicht, doch die Art und Weise befriedigte viele der Zuschauer nicht und so beschlich einem nach dem Spiel das Gefühl, dass Publikum ärgerte sich beim Verlassen des Stadions mehr über die schwache Leistung des eigenen Teams, als sich über das erreichen des Viertelfinales zu freuen. Verkehrte Welt!?! Noch zu Beginn der 90er hätte das erreichen der letzten Acht im Uefa Pokal wahre Begeisterungsstürme ausgelöst.
Heute schimpft man lieber über die schwache Leistung der Rosickys, Amorosos, Evanilsons und Ewerthons in der Mannschaft. Immerhin hat der Verein sie geholt, damit sie hier höchsten Fußballgenuss verbreiten. Dafür hat man als Zuschauer ja auch bezahlt, da kann man auch eine vernünftige Leistung erwarten, basta! Wer nun aber meint, dass der gewöhnliche BVB Anhänger im Stadion nicht auch anders kann als nur über das schlechte Spiel der eigenen Mannschaft zu schimpfen, der wurde am Sonntag schmerzhaft eines besseren belehrt.
Wer ist schon St. Pauli?
Mit St. Pauli kam der erhoffte Aufbaugegner. Gegen die Kiezkicker können am Ende nur 3 Zähler plus für den BVB rausspringen. Da waren sich wohl fast alle Besucher und Anhänger des BVB vor dem Spiel einig. Im Normalfall mag das zutreffen, aber Fußball ist wie jede andere Sportart auch Kopfsache und wenn die Mannschaft, bedingt durch fehlende Erfolge etwas an Selbstvertrauen und Leichtigkeit verloren hat, kann der Schuss schon mal nach hinten losgehen. Als das Spiel sich nach wenigen Minuten nicht so entwickelte wie gewünscht machten sich erste Unmutsäußerungen im Publikum breit. Ein Opfer war relativ schnell gefunden. Musste gegen Lille noch Otto Addo als „Aufreger“ herhalten, so war es diesmal Micky Stevic.
Ausgerechnet Micky....
Sicher, Micky hatte einen rabenschwarzen Tag erwischt, man könnte auch noch nach vielen anderen Entschuldigungen suchen, aber das ausgerechnet Stevic vom größten Teil des Publikum nieder gemacht wurde ist eine Schande. Er, der mit soviel Herzblut am Verein hängt leidet wie ein Hund unter solchen Demütigungen dieser angeblichen Fans. Micky ist ein Vorbild an Einsatz und dazu noch ein Spieler, der immer für seine Fans da ist. Es gab Zeiten, da wurden solche Spieler beim BVB verehrt und für ihren unbändigen Willen bewundert. Aber diese Tugenden scheinen bei den Zuschauern nur noch wenig Beachtung zu finden. Christoph Metzelder war zu Recht nach dem Spiel stinksauer und sprach von einer Demontage Stevic´s und damit trifft Dortmunds Verteidiger den Nagel auf dem Kopf. Was an diesem Abend der größte Teil des Dortmunder Publikums veranstaltet war ein Armutszeugnis für die angeblich „besten Fans der Liga“.
Bester Schnitt = schlechte Stimmung?
Was nützen 65.000 Zuschauer im Stadion, wenn sie sich aufführen wie bei einer Hexenjagd. Anstatt die Mannschaft, egal wie sie im Moment spielt, zu unterstützen und trotz Frust im Bauch nach vorne zu brüllen, macht man sich lieber über einzelne Spieler her. Aber die gleichen Leute, die zuvor diesen Spielern die Pest auf den Leib gewünscht haben, sind sich nicht zu schade bei einem Sieg oder Torerfolg sich wieder als große BVB Fans zu feiern.
Der Verein vermeidet die öffentliche Kritik an das Publikum. Lieber weißt man darauf hin, das man den höchsten Zuschauerschnitt in Europa hat. Doch viel wichtiger wäre es, ein neues „WIR“ Gefühl zu fördern. Leider scheint es so, dass man die Fanentwicklung der letzten 10 Jahre unterschätzt, bzw. verschlafen hat. Das der Fan als „Kunde“ bezeichnet wird, ist außerhalb des Stadions sicher richtig. Im Stadion sollte aber nicht das „Verwöhnaroma“ an erster Stelle stehen, sondern die Kreativität der BVB Anhänger und die bedingungslose Unterstützung der Mannschaft.
Teddy de Beer hat das 1992, bei der „Vizemeisterfeier“ auf dem Friedensplatz die Unterstützung der Fans auf den Punkt gebracht. Er sagte:
„Das schönste für uns Spieler war, dass ihr immer zu uns gehalten habt, selbst wenn wir zurücklagen habt ihr gesungen: „Scheiß egal, scheiß egal, scheiß egal.....!“
Damals waren wir Fans reif für die Meisterschaft. Die Mannschaft bedankte sich 1992 bei den Fans mit den Worten: „Für uns seid ihr der Meister“ Heute sind wir von so einer Aussage weit entfernt.