Unsa Senf

Micky und die starken Männer

13.01.2002, 00:00 Uhr von:  Arne
Micky und die starken Männer
Geht immer dahin wo's wehtut: Micky Stevic
© Foto: Triass

Sebastian Kehl ist in Dortmund. Als der endgültige Vollzug dieses Transfers durch die Ticker der Agenturen lief, brach unter den Borussenfans großer Jubel aus. Mit dem jungen Defensiv-Allrounder konnte der BVB sich auf einer Position verstärken, auf der zuletzt doch einiger Nachholbedarf herrschte. Zeitgleich mit diesem Transfer wurde jedoch anscheinend auch ein weiteres Spielerschicksal endgültig besiegelt, denn zeitgleich mit dieser Verpflichtung ging auch die deutlich weniger beachtete Meldung über den Ticker, dass die Tage des Miroslav Stevic beim BVB offenbar gezählt sind.

Warum aber ausgerechnet Stevic? Ist nicht gerade er ein Spieler, der uns Fans stets den Eindruck vermitteln konnte, dass ihm "dieser Verein" besonders stark am Herzen liegt? Sicherlich, wir haben oft geflucht, wenn wieder einmal eine Ecke in die Arme des Torwarts oder - einmal mehr viel zu tief - gegen das Schienbein eines gegnerischen Verteidigers gesegelt ist, aber in einem Punkt konnte man sich als Fan auf der Tribüne immer sicher sein: Wenn es hart auf hart kommt, würde Micky sich für die Mannschaft und den Verein jederzeit zerreißen.

Volle Identifikation - das ist Micky
Volle Identifikation - das ist Micky
© Foto: Onlinesport

Warum also soll jetzt ausgerechnet einer der wenigen Spieler den Verein verlassen müssen, bei denen man als Anhänger noch eine gewisse Identifikation mit dem Verein beobachten konnte? Waren es nicht auch immer genau "diese Charaktere", die Präsi Niebaum gern in der Mannschaft sehen wollte?

Gäbe es nicht andere Spieler, die viel eher ein solches Schicksal verdient hätten? Worin begründet sich die Tatsache, dass Micky den Verein verlassen soll - der vergleichsweise teure - Sunday Oliseh beispielsweise aber offenbar weiterhin hier in Dortmund seine Brötchen verdienen darf? Leistung zumindest scheint als Kriterium bei dieser Entscheidung offenbar eine äußerst untergeordnete Rolle zu spielen, wenn man sich mal so die letzten Spiele des nigerianisch-belgischen Wandervogels in Erinnerung ruft. Auch sickerte aus Mannschaftskreisen mitunter durch, dass dieser eigenbrötlerische Nigerianer seine Vorstellungen von diszipliniertem Unterordnen nur allzu gern heftig kund tut. Doch er scheint dennoch vereinsintern die größere Lobby zu besitzen - eine Lobby die Miroslav Stevic wohl nicht besitzt. Micky gegen die starken Männer.

Sollte Stevic also tatsächlich den Verein verlassen müssen, so wäre der Verlust sportlich gesehen sicherlich zu verschmerzen und durch den Transfer von Sebastian Kehl wohl auch gut zu kompensieren. Menschlich gesehen jedoch würde der Weggang des sympathischen Jugoslawen ein großes Loch hinterlassen, denn Mickys Charakter war stets über jeden Zweifel erhaben. Zudem ist Micky stets ein Spieler, bei dem man den Eindruck gewinnen konnte, dass die Fans und deren Zuneigung ihm mehr bedeuteten als dem großen Rest der Mannschaft.

Ob Spiel oder Training: Stevic ist "Mister 100 Prozent"
Ob Spiel oder Training: Stevic ist "Mister 100 Prozent"
© Foto: Onlinesport
Wo andere Spieler nur mit den Schultern zuckten, wenn wieder einmal Pfiffe oder ein Raunen durchs Stadion hallte, konnte man bei dem emotionalen Stevic förmlich beobachten, wie ihn diese Schellte der Tribünen persönlich traf. Selbst wir von der Redaktion (zu der Micky vorbildliche Kontakte pflegte) konnten in zahllosen Gesprächen miterleben, wie ein Mensch wie er leiden kann, wenn er merkt nicht mehr gebraucht und abgeschoben zu werden!

Siehe auch: Micky im Interview mit schwatzgelb.de!


Der im Scherze von den Schwatzgelben in Anlehnung an seine Vorliebe für sämtliche Standards "Erster Alles" genannte, war sich dagegen nie zu schade dafür, offen auf die Fans zuzugehen - leider mittlerweile eine Rarität in der Bundesliga allgemein und beim BVB im ganz speziellen.

Ein Arbeiter, ein Kämpfer; ein Typ, wie er in Dortmund gut ankommt. Er kann sich förmlich verbeißen in eine Aufgabe und scheinbar übermächtige Gegenspieler ausschalten. Sportlich, wohlgemerkt.


(Portrait von Micky Stevic auf der BVB-Homepage)

Nun ist es in Zeiten von Kapitalgesellschaften, seltsam anmutenden Teilverkäufen des Stadions an leicht dubios wirkende Scheinfirmen und vorhandenen Gedankenspielen über eine eventuelle Umbenennung der Spielstätte zugunsten eines Sponsoren möglicherweise naiv zu glauben, dass Werte wie "Charakter" oder gar "Identifikation" eine entscheidende Rolle bei der jeweiligen (Weiter)verpflichtung von Spielern einnehmen. Als Fußballfan möchte ich persönlich mir aber das Recht herausnehmen, "naiv" sein zu dürfen!

Meine Meinung: Wir Fans brauchen Spieler wie einen Micky Stevic. Wir brauchen Persönlichkeiten, bei denen man den Eindruck gewinnt, dass ihnen der Verein ähnlich am Herzen liegt wie uns selber. Wir brauchen die Illusion, dass Spieler aus Liebe zum Verein hier kicken, auch wenn wir es eigentlich besser wissen, und Spieler wie Stevic geben uns diese Illusion. Ohne Persönlichkeiten wie Micky wird die Entfremdung zwischen Spielern und Fans unaufhaltsam weitergehen - eine Szenario, das eigentlich in niemandes Interesse liegen kann.

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