4 auf einen Streich - die Trainingslager-Hopping-Tour
"Man muss schon ziemlich bekloppt sein", dachte ich. Wenn man dem BVB sogar bis ins österreichische Trainingslager folgt, ist das zumindest für Außenstehende schwer nachzuvollziehen - na ja, und wenn man ehrlich ist, fasst man sich selber das ein oder andere Mal an den Kopf.
Aber da es sich mit der Beklopptheit ähnlich wie mit der Schwangerschaft verhält und es "ein bisschen bekloppt" eigentlich nicht gibt, hatten wir uns kurzerhand dazu entschlossen, den Trainingslagertripp mit dem Besuch des ein oder anderen Fußballspiels zu verbinden, um das ganze zu komplettieren - schließlich waren wir nicht zum Spaß da. Das Timing hätte kaum besser sein können: Am Abreisetag, dem Sonntag, stieg im Münchner Grünwalder Stadion das UI-Cup-SPiel der Löwen gegen Bate Borisov. Nur zwei Tage später sollte die österreichische Liga mit Austria Wien gegen den SV Ried beginnen, am nächsten Tag kündigte sich mit Rapid der zweite Wiener Verein in Graz zum Besuch an, und wiederum für einen Tag später hatte der BVB dann ein Testspiel gegen eine steirische Landesauswahl terminiert. Einzig das nahe Slowenien tanzte hier aus der Reihe und konnte mit keinem erwähnenswerten Kick aufwarten - man kann halt nicht alles haben.
Sonntag, 1860 München vs. Bate Borisov 0:1 - "JETZT WECHSELT ER DEN BIMBO EIN..."
Die Löwen im "60ger Stadion" und wir auf dem Weg nach Österreich - besser hätten wir es gar nicht treffen können, uns so besetzten Micha, Markus, Jens und ich - allesamt Grünwalder-Neulinge - das Rookie-Auto und machten auf halber Strecke halt in der bayrischen Landeshauptstadt. Was uns beim Aussteigen auf Anhieb ins Auge sprang, waren die in der Stadt verteilten CSU-Wahlplakate. "Dr. Peter Gauweiler - für München nach Berlin" stand darauf und irgendwie erschien es uns, als habe da jemand ein leicht antiquiertes Erfolgsrezept ausgegraben. Den Weg von München nach Berlin hat zumindest vor einigen Jahrzehnten bereits ein anderer "Politiker" eingeschlagen....
Wie dem auch sei, wir wollten ja Fußball sehen und so kauften wir uns ein paar Stehplatzkarten für die Gegengerade. 8 Euro kostete uns der Spaß, es sollten die günstigsten Tickets dieser Woche bleiben... Das "60er Stadion" ist jedenfalls definitiv eine Reise Wert, der alte Bau besitzt deutlich mehr Seele als jedes Olympiastadion oder eine Allianzarena, und nach wie vor bleibt rätselhaft, warum die Löwen hier nicht ständig spielen. Für das vorhandene Zuschauerpotential würde das Grünwalder zumindest locker reichen und nach ein paar Renovierungsarbeiten wäre es sicherlich auch wieder bundesligareif. Das würde den Verein sicherlich auch billiger kommen als die Schüssel, die man sich mit den "Roten" teilen muss, aber es ist ja nicht mein Geld.
Die Löwenfans zeigten sich von Beginn an recht engagiert, endlich mal so etwas wie Stimmung bei einem Heimspiel aufkommen zu lassen. Das gelang ihnen auch - obwohl man dem Publikum deutlich anmerken konnte, wie "oly-versaut" es ist. Zum Spielbeginn hatten die 60er eine schöne Aktion vorbereitet. In der Ostkurve wurde das Stadtwappen von Giesing auf einer Blockfahne eingerahmt von zwei großen Löwen-Wappen präsentiert, und auf der Haupttribüne präsentierte sich ein blaues Herz mit dem Vereinsemblem und dem beeindruckenden Spruchband "Heimat ist, wo das Herz weh tut".
Dass die Zuschauer nicht nur durch das Olympiastadion versaut sind, sondern auch ein tiefer Riss durch die Fanszene geht, offenbarte sich während des Spiels: Bereits vor dem Anpfiff hatten der Stadionsprecher (!) und die West-Kurve immer wieder Stimmung pro Grünwalder Stadion gemacht, während des Spiel wurde der Ton dann jedoch schärfer und lauthals "Wildmoser raus" skandiert. Dies wiederum rief die Wildmoser-Befürworter auf den Plan. "Arschlöcher raus" und "ohne Karl-Heinz wärn mir in der Bayernliga" war von diesen zu hören. Traurigerweise waren es aber auch genau jene Leute, die sich offenbar auf die Wurzeln des Vereins besannen und beispielsweise eine Rauchbombe mit der Frage "brennt da a Jud?" kommentierten. Auch die Erkenntnis, dass Pacult "jetzt den Bimbo einwechselt" war für uns sehr aufschlussreich. Es steht mir zwar fern, mich hier zu den Vorgängen um den TSV herum zu äußern, aber es ist schon interessant mit anzusehen, von welchen Leuten Karl-Heinz Wildmoser dort unterstützt wird. Vielleicht ist es aber auch lediglich seine patriarchische Ader, die die Alt-60er so ein bisschen an das Führersystem erinnert...
Ach ja: Borisov-Fans waren auch da. Eine Handvoll von ihnen hatte sogar ein Spruchband gemalt, doch augrund unserer äußert begrenzten Fähigkeit, kyrillische Schrift lesen zu können, blieb uns die Message leider verborgen.
Dienstag, Austria Wien vs. SV Ried 2:0 - "WIR SIND DIE GEILSTEN - DES IS SO!"
Nachdem wir bereits den Montag fußballos in Maribor verbracht hatten, hieß es am Dienstag für Andreas, Michael, Markus und mich wieder früh aufbrechen, um nach Wien zu fahren. Dort wartete nicht nur eine Jungendherbergs-Übernachtung in einem richtigen Bett und ohne das Geschnarche von Herrn Volke auf uns, sondern ganz nebenbei auch noch das Auftaktmatch der österreichischen Bundesliga.
Nach Wien zu kommen ist eigentlich ganz leicht, denn direkt ab der slowenischen Grenze in Bad Radkersburg ist der schnellste Weg in die Hauptstadt ausgeschildert... dachten wir zumindest. Stattdessen schlängelte sich die ausgeschilderte Strecke auf feldweg-ähnlichen Landstraßen die Grenze entlang langsam nach Norden. Nach anderthalb Stunden ließen wir die Schilder dann entnervt Schilder sein und suchten in der Straßenkarte nach so etwas wie einer Hauptverkehrsstraße - den illusorischen Wunsch nach einer gut ausgebauten Autobahn äußerte wohlweißlich niemand von uns...
In Wien angekommen suchten wir zunächst den Westbahnhof auf, wo wir meinen Wiener Bekannten treffen sollten, der uns die Herberge organisiert hatte. Schnell war klar, dass wir in einem exklusiven Viertel gelandet waren. Zumindest musste man aufpassen, wo man lang läuft, damit man nicht versehentlich über einen auf dem Weg schlafenden Obdachlosen stolpert. Interessant auch die Prostituierten, die nahe unserer Quartiers flanierten. Diese als "verbraucht aussehend" zu bezeichnen, käme einer Schmeichelei gleich. Vielleicht hätte ich doch nicht einem Wiener trauen sollen, der Sympathien für den FC Meineid hegt.
Zeitsprung: Das Horrstadion der Wiener Austria ist ein echtes Schmuckstück - auch wenn das seltsamerweise einige Austrianer anders sehen. Zwar sind die Bauten allesamt schon etwas älter, aber so klein und eng wie das "Horr" ist, erinnert es an englische Stadien aus unteren Spielklassen und reicht für einen Verein wie Austria eigentlich auch voll aus. Besonders Gimmick: Das Horr bietet in seinen nichtbebauten, aber mit Rasen begrünten Ecken eine ideale "Chill-Out-Zone", von der sich sogar das Spiel betrachten lässt - für mich die optimale Ergänzung zu VIP-Logen und vielleicht auch für den aktuellen Ausbau der Westfalenstadion-Ecken eine Überlegung wert.
Der Support der Austria war ziemlich begeisternd und übertraf locker meine - zugegeben aber nicht gerade hohen - Erwartungen. Nahezu das gesamte Spiel wurde unterstützt (hab schon genug Anglizismen im Text) und die "Veilchen" riefen ein recht großes und abwechslungsreiches Gesangsrepertoire ab, das in Deutschland wohl sicherlich zum besseren Drittel gehören würde - auch wenn die kleine Tribüne und die geringe Zuschauerzahl (9.500) insgesamt nur schwer mit hiesigen Verhältnissen zu vergleichen sind.
Zu den Ried-Fans äußere mich - den Minderheitenschutz respektierend - nicht; um ihre Anzahl darzustellen bedarf es wohl nur den ungefähren Zehenanzahl von Reinhold Messner. Ach ja: Die Karte hier kostete 10 Euro, war aber immer noch günstig, wie sich herausstellen sollte, und das Spiel war das Geld auch locker wert.
Anschließend ließen wir den Abend noch irgendwo in Wien mit unseren befreundeten Einheimischen ausklingen. Diese belehrten uns in bekanntem Wiener Schmäh, dass sie einfach "die Geilsten" sind, bevor es mit einem ortsunkundigen Taxifahrer nach Straßenkarte (!) wieder zurück in die Jugendherberge ging. Dort lärmte zwar die gesamte Nacht eine dort untergebrachte lettische Musikkapelle, aber besser als das Zelt wars allemal.
Mittwoch, Sturm Graz vs. Rapid Wien 0:4 - "HERZOG, HERZOG, HAHAHA"
Nächster Tag, nächstes Spiel - und da zwischen Wien und Graz sogar so etwas wie eine Autobahn liegt, kamen wir ausnahmsweise zügig voran und standen zur Mittagszeit vor dem ziemlich modernen Arnold-Schwarzenegger-Stadion. Also schnell Karten gekauft (11 Euro, ermäßigter Sitzplatz, direkt neben dem Block, in dem es angeblich auch schon mal laut werden kann), ein bisschen was gegessen und den Rest der Zeit in den Fanshops und auf dem Stadionvorplatz verbracht.
Dabei fiel dem geschulten Auge auf: In Graz herrschen Zustände, die jedem Fan in Deutschland wohl den Angstschweiß auf die Stirn treiben würden. Sponsoren-Vereinsnamen und Werbeaufnäher vom Schulterblatt bis zum Schließmuskel kennt man aus Österreich ja schon zur Genüge, aber ein regelmäßiger Wechsel der Trikotfarbe und somit sämtlicher Fanutensilien wie Schal, Fahne oder Wimpel ist auch für dortige Verhältnisse extrem. Von Weiß über Schwarz-Weiß, Grün-Schwarz und Orange bis hin zu Schwarz-Blau-Gelb konnte so ziemlich jede Farbkombination begutachtet werden und dabei handelte es sich keinesfalls um die Away-Shirts (ja, dieser Artikel bringt mich dem Titel "Sprachpanscher des Jahres" ein gewaltiges Stück näher), sondern augenscheinlich um die Heim-Trikots.
Nach dem Betreten offenbart sich das Stadion als 08/15-Bauwerk, wie es heutzutage dutzendfach entsteht. Ein bisschen im holländischen Baukatalog geblättert und schon kann man es sich zusammenstellen. Allerdings völlig neu für unsere Augen: Stadionwerbung für Rotlicht-Etablissements und Werbespots auf der Anzeigentafel auch WÄHREND des Spiels.
Zur Stimmung lässt sich nicht viel sagen, da kaum vorhanden. Die Nähe zum - strikt eingezäunten - Sturm-Block ließ mich zumindest einen geruhsamen Nachmittag ohne störenden Support oder gar Emotionen verleben. Es passte irgendwie in das Bild, was dieser Verein schon den ganzen Tag über von sich selbst gezeichnet hatte.
Der Rapid-Block dagegen ging 90 Minuten ab wie Sau. Da war Party im Block und großer Support wurde geboten. Wir hatten es uns Anfangs der 2. Hälfte im Nachbarblock gemütlich machen wollen und wunderten uns noch über den spärlichen Zuschauerzuspruch in diesem Bereich, als ein Ordner uns nach den Karten fragte. Wir hatten natürlich keine Karten für diesen Block. Darauf stellte er fest: "Des is hier nur für die Exekutive, bittschö verlassens den Bereich!" Exekutive? Achja, Polizei, ein gutes halbes Dutzend lungerte hier auf den billigen Plätzen herum, ganz auffällig unauffällig. Zurück zu den Rapidlern: sie gaben alles und zeigten wirkliche Emotionen, ganz anders als im heimischen Sektor. Im Block durften sie gar ein Megaphon benutzen und die achso gefährlichen großen Schwenkfahnen. Bei unseren Auswärtsspielen ist so etwas i.d.R. verboten. Der Spielverlauf spielte den Rapidlern natürlich in die Karten und sie sangen die Grazer an die Wand. Vom Rapid-Anhang können sich eine ganze Menge deutscher Fangruppen eine dicke Scheibe abschneiden. Einfache Lieder, der gesamte Block machte mit, es machte Spaß, zuzuhören und zu sehen.
Das Spiel als solches war erschreckend schwach. Rapid war überlegen und schoß irgendwie auch 4 Tore. Einziges wirkliches Highlight: Der Elfmeter von Andy Herzog, bei dem dieser hinterrücks wegrutschte und den Ball über das Tor drosch.
Donnerstag, Steirische Landesauswahl vs. BVB 0:3 - "WG. URLAUB HEUTE KEIN SPRUCH"
In Leibnitz sollte uns das letzte Spiel unserer kleinen Tournee erwarten, denn der BVB absolvierte dort ein Testspiel gegen Flavia Solva, die steirische Landesauswahl. Mit diesem Spiel verdoppelte sich schlagartig auch die Zahl der Dortmunder in Österreich, denn zu uns acht Leuten gesellten sich auch noch zwei weitere Wagenbesatzungen, die extra nur für dieses Spiel in die Steiermark angereist waren. Dies wussten offenbar auch unsere Gastgeber zu würdigen und belohnten uns auf diesem Dorfplatz mit fanfreundlichen 12 Euro (!!!) Eintritt - dem teuersten aller vier Spiele.
Supporttechnisch arbeiteten wir nur mit halbem Einsatz - schließlich waren Ferien und das machten wir der Mannschaft auch sofort zu Beginn mit dem Spruchband "WG. URLAUB HEUTE KEIN SPRUCH" deutlich. Ganz hielten wir uns aber nicht an die selbst auferlegten Betriebsferien, denn als Mini-Intro hatten wir acht Styroporbretter vorbereitet, die in gelben Buchstaben auf schwarzem Grund das Wort "BORUSSIA" ergaben.
Das Spiel der B-Mannschaft ging übrigens 3:0 durch drei Koller-Tore aus. Fredi Bobic, Sturmtank in Halbzeit 2, konnte leider trotz ständiger Unterstützung unserer kleinen Gruppe nicht ganz an die Leistung des Tschechen anknüpfen und blieb - vermutlich irritiert durch den auf der Tribüne dargebotenen deutschen Hitmix - torlos.