Dortmund mit viel Dusel zum Sieg
Aus Leverkusen heiß es unter der Woche zwar: "Wer eine Meisterfeier plant, der wird von mir entlassen." Dabei hat der erste Verfolger Borussia Dortmund angesichts von fünf Punkten Rückstand dem Gegner schon artig gratuliert. "Bayer wird Meister, selbst wenn der Calmund mitspielt", unkte selbst BVB-Präsident Dr. Gerd Niebaum unter der Woche. Doch insgeheim hofft die Werkself aus Leverkusen vor dem Knaller am Mittwoch bei Manchester United ausgerechnet auf Schützenhilfe vom Erzrivalen 1. FC Köln.
"Ich denke nicht daran, ob Leverkusen Meister werden kann", versprach FC-Trainer Friedhelm Funkel zwar, "aber ich will auf jeden Fall punkten. Ich habe als Trainer und Spieler noch nie in Dortmund gewonnen. Doch jede Serie reißt mal. Meine Mannschaft hat bewiesen, dass sie ihre letzte Chance nutzen will." Soweit die O-Töne im Vorfeld der Begegnung und man war gespannt, wer am Ende Recht behalten sollte, zumal der BVB sieben der letzten acht Heimspiele gegen den FC in schöner Regelmäßigkeit gewonnen hatte.
Etwa 5000 rheinische Frohnaturen waren auch angereist um die Domstädter im drittletzten Erstligaspiel in Dortmund noch einmal „live“ zu sehen. Für den BVB war als Zielsetzung bei nur noch minimaler Chance auf die Meisterschale Platz zwei ohnehin klar und damit die unmittelbare Direkt-Qualifikation für die "Königsklasse" oberstes Gebot. Trainer Matthias Sammer hatte am Vortag in der Pressekonferenz in seiner ihm eigenen Art erklärt, er wolle am Saisonende nicht als "Volldepp" dastehen. Und auch Sportdirektor Michael Zorc hatte eindringlich gewarnt: "Wir wollen in der nächsten Saison in der Champions League gegen Real Madrid spielen und nicht im Uefa-Cup gegen Craiova." Damit wusste jeder BVB-Spieler, um was es heute gehen würde und Ausreden waren im Keim erstickt. Aufatmen konnte Sammer zudem, denn sein Spiellenker Tomas Rosicky konnte ebenso wie Aparecido Evanilson, dessen Einsatz unter der Woche ebenso wegen Kniebeschwerden als fraglich vom BVB-Ärztestab gemeldet wurde, auflaufen.
Stefan Reuter gewinnt die Seitenwahl und der BVB startet wie gewohnt auf die Nordtribüne. Derweil zündeln die Kölner Fans orangenen Rauch und nebeln sich damit selbst ein! Das diese Unart noch immer so gern betrieben wird, begreift wohl keiner [kopfschüttel]. Gemächlicher Spielaufbau der Gastgeber in der Anfangsphase. Der Ball läuft gefällig durch die Reihen und wird mehr quer als steil gespielt. Lediglich hohes, unpräzises Gepöle in Richtung 3. Etage zu Jan Koller kann die dicht gestaffelte FC-Abwehr kaum in Verlegenheit bringen! Dann ein gellender Aufschrei im Westfalenstadion: Der SV Werder war bereits nach wenigen Minuten in Leverkusen in Führung gegangen! Die Stimmung – besonders auf der Süd – steigt sofort enorm an! Nach 10 Minuten so etwas wie „Gefahr“ im BVB-Strafraum bei der 1. Ecke von Lottner, aber der „Kokser“ steht souverän und klärt. Doch der Abstiegskandidat aus der Domstadt kommt nun besser ins Spiel. Voigt sieht gelb, als er „Rosa“ 30 Meter vor dem Tor umnietet. Auch nach einer Viertelstunde ist beim BVB vieles Stückwerk. Und so verwundert es auch nicht weiter, dass die ersten beiden BVB- Chancen aus Eckbällen resultieren. In der 19. Minute behindern sich Lehmann und Wörns bei einer Keller- Flanke gegenseitig und sorgen für heilloses Durcheinander! Im Gegenzug spielet Rosicky schön auf „Metze“ und der macht vor Pröll einen Haken zu viel und wird gestoppt.
Und Tomas kann doch aus der 2. Reihe schießen!
Dann die 20. Spielminute: „Rosa“ hat endlich vom unpräzisen Passspiel die Nase voll, tanzt noch eben Supertalent Balitsch an der Sechzehnermarkierung galant aus und ballert das Leder ins lange Eck! 1:0 und der Laden brummt!! Das ist die richtige Antwort in die Bayarena Jungs! Immer wieder lenkt der wieder spielfreudige Dirk Lottner den FC in Richtung BVB- Tor, aber die Angriffe verpuffen zumeist wirkungslos. In der 28. Minute ein schöner Seitenwechsel von Eva auf Amo und der sucht sofort den Abschluß, wird aber grad noch gestoppt. Nur eine Minute später hat der von Celecao-Coach Scolari ausgebootete „Knipser“ dann das 2:0 auf dem Fuß, nachdem er mit einem Traumpass allein vor Pröll freigespielt wird, aber ihm versagen die Nerven und er knallt ohne die ihm eigene Kaltschnäuzigkeit überhastet drüber. Schade! Der BVB versucht weiterhin geduldig die „Kölner Ring“ zu knacken und spielt gefällig den Ball hin und her – freilich ohne dabei wesentliche Gefahr auszustrahlen. Ewerthon fordert Evanilson deutlich auf, ihn durchaus öfter anzuspielen. Und Ewerthon ist es auch, der zwei aufeinanderfolgende Duftmarken setzt: Erst flankt er mustergültig auf Koller, der allerdings wohl mal wieder die Augen bei Kopfball zuhat und aus 5 Metern über´s Dreieck köpft und dann will er Pröll überloppen, was aber misslingt, da der Keeper nach Rettungstat an der Strafraumgrenze bereits zurückgeeilt war. Kapitän Reuter kann dann die Führung beruhigend erhöhen, nachdem er sich wunderbar durchtankt, alle stehen lässt und dann aus sage und schreibe 5(!) Metern mit einem „Roller“ armselig am FC-Zerberus scheitert (43.). Mann-o-mann! Das war´s dann. Halbzeitpfiff vom bisher souverän leitenden Schiedsrichter Dr. Fleischer.
Unmittelbar nach Wiederanpfiff spielt Amoroso auf Koller und der will mit einem wunderschönen Absatzkick Ewerthon in den Lauf spielen, aber der Ball wird zu lang. Glänzendes Anspiel einmal mehr von Lottner mit dem Außenrist, aber Reuter kann klären. Gegenzug. Lehmann wirft 40 Meter auf Rosicky und der schickt Ewerthon. Nach einem Spurt von der Mittellinie aber muß er gegen 4 Kölner mit seinem schwächeren linken Fuß schießen und kapituliert vor dem zu spitzen Winkel (50.). Der Ex-Kölner Oliseh kommt für den angeschlagenen Wörns. Aus seinem ersten gewonnenen Zweikampf resultiert gleich ein Eckball für Borussia, den der aufgerückte Metzelder allerdings vorbei köpft. Die Domstädter haben 3 Eckbälle in Folge und aus dem Nichts wird eine kurz gespielte Ecke auf Lottner gespielt und der überwindet Lehmann mit einem Schlenzer aus 16 Metern zum 1:1. Das hatte sich angebahnt. Der BVB war in der Rückwärtsbewegung leichtsinnig geworden und ließ die Gäste zu sehr über die linke hintere Seite kommen! Cullmann foult zum wiederholten mal Rosicky von hinten und sieht gelb. Die Emotionen steigen! Köln dominiert nun die Gesänge und der angeschlagene BVB versucht Linie in sein Spiel zu bekommen. Oliseh zieht mit fast 100 Stundenkilometern aus 20 Metern ab: Außennetz! Jetzt ist Musik drin. Borussia weiß, was die Stunde geschlagen hat und die Südtribüne findet (endlich muß man sagen) wieder zum Gesang zurück! Song rettet gegen Eva in höchster Not und während die Ecke von Amoroso ins Aus befördert wird, verkündet die Anzeigetafel das 2:1 von Bremen in Leverkusen! Los Borussia, gib Gas! Powerplayartige Szenen spielen sich nun vor der größten Stehplatztribüne Europas ab. Der BVB ist unverkennbar im Vorwärtsgang und bietet natürlich den Gästen Kontermöglichkeiten am Fließband. Aber was will man auch machen, ein Tor muß jetzt her! Beinschuß gegen Reuter, den alten Haudegen, der einfach an der Mittellinie stehen bleibt! Ein kurzweiliges Spiel geht rauf und runter! 68. Minute: Lehmann muß 40 Meter aus dem Tor um zu klären. Die Zeit rennt unaufhaltsam gegen den BVB. Will man noch einmal wenigstens den Atem der Meisterluft schnuppern, muß ein Angriff erfolgreich abgeschlossen werden, doch die Aktionen sind zumeist hektisch und übereifrig angelegt.
Borussia rennt gegen die Uhr an
Kölns Trainer Funkel bringt Markus Kreuz, der hier letzte Saison das Spiel seines Lebens machte und bekanntlich auch den finalen Pass spielen kann und will siegen. Dann blankes Entsetzen: Koller schafft es nicht den Ball an Rigobert Song vorbei einzunetzen, Pröll war bereits geschlagen! Unglaublich! Matthes setzt alles auf eine Karte und bringt Herrlich und Ricken um doch noch den „Dreier“ zu erzwingen (75.), aber das BVB-Angriffsspiel lahmt. Zu viel Sand im Getriebe im Mittelfeld. In der 80.Minute tritt abermals Rosicky über die sonnenüberflutete linke Seite an, bedient Kehl, aber der heute schwache Mittelfeldspieler bringt gerade mal ein Schüsschen auf die Bude. Im Gegenzug hat der überragende Lottner nur noch Lehmann vor sich und verzeiht um Zentimeter. Seitenwechsel, gleiche Minute: Amoroso sorgt für Gleichstand, als er ebenfalls um Zentimeter am Tor vorbei spitzelt. Die Nerven (nicht nur auf dem Platz) liegen blank. Immer noch führt Werder – unvorstellbar und Borussia fehlt wieder einmal das Siegtor! Aber was will man dieser jungen Mannschaft einen Vorwurf machen, wenn sie das siegen „noch“ nicht gelernt hat? Noch 5 Minuten, Reuter gibt einen Freistoß herein, aber gerettet von Pröll. Es wird mir wohl in meinem Fußballfanleben niemals aufgehen, wie man bei so einem Spiel – das noch immer auf des Messers Schneide steht und eine Werbung für den Bundesligafußball insgesamt ist – vorzeitig das Stadion verlassen kann? Und dann das unvermeidliche: Kohler kann eine scharfe Hereingabe ins Tor reingrätschen und sinkt mit Jörg Reeb und Amoroso zu Boden. Ein Pfiff ertönt: ELFMETER in Dortmund! Und wer tritt an? MARCIO AMOROSO dieser Wahnsinnstyp! Was hat er heute auf den Nerven der Schwatzgelben Klavier gespielt! Jetzt hat er den Baldrian, um unser Mütchen wieder zu kühlen! Noch 2 Minuten und ohrenbetäubender Lärm durchdringt das Westfalenstadion! Sollte es der BVB doch noch schaffen? Köln wirft alles nach vorne, sogar Markus Pröll - und das ist ja in den letzten Wochen so üblich geworden – stürmt in vorderster Front mit! Freistoß Lottner – vorbei! Noch einmal ein Entlastungsangriff über „Rosa“, der vor dem 16´er gefoult wird. Fleischer schaut auf die Uhr... wir sind bereits in der 92. Minute und pfeift ab! Es ist doch noch ein so bitter benötigter Sieg unterm Strich dabei rausgekommen – und mal ehrlich, wen juckt das jetzt wie glücklich er am Ende war? Leverkusen hat gepatzt und Borussia heute Abend träumt mal wieder von 2 Titeln...
Fazit:
Ein mehr als schmeichelhafter Sieg für unsere Schwatzgelben. Der FC hat sich hier sicherlich nicht wie ein Abstiegskandidat präsentiert und hat dem BVB alles abverlangt. Wenn jetzt so eine Zitterei bis zum Ende der Saison überstanden werden soll, müssen wir uns wohl Herztropfen zulegen! Leverkusen schwächelt und wir sind genauso durch den Wind. Was da am Ende rauskommt, ist ohnehin jetzt schon mehr, was wir vor dieser Serie zu hoffen gewagt haben! Sollte es am Ende doch nicht zur Deutschen Meisterschaft reichen, wird der UEFA-CUP sicherlich ein wenig helfen, den entgangenen Titel zu verkraften. ;-)
Trainerstimmen:
Sammer: Ich glaube das man gespürt hat, dass die letzte Woche nicht einfach war nach Kaiserslautern. Aber im Fußball ist halt alles möglich. Nach Lautern waren wir Deppen und dann macht es einfach keinen Spaß zu arbeiten! Wir machen uns zu oft von Stimmungen abhängig. Ansonsten kann ich meiner Mannschaft nur ein Kompliment machen, das sie große Moral bewiesen hat.
Funkel: Gratulation am Matthias Sammer zum Sieg! Wir haben Borussia Dortmund alles abverlangt. Die Moral der Mannschaft ist einfach phantastisch. Wir hätten hier verdientermaßen einen Punkt verdient gehabt. Aus meiner Sicht war es kein Elfmeter und das bringt uns letztlich um den Lohn der Arbeit. Aber er hat gepfiffen und was wollen wir klagen?
Namen und Noten:
BORUSSIA
DORTMUND: Lehmann
(3) – Wörns (3) (50. Oliseh, 3), Kohler (3), Evanilson (3,5), Metzelder (2) –
Reuter (4), Kehl (4), Rosicky (3)– Ewerthon (3) (75. Herrlich, - ), Koller (3,5)
(75. Ricken, - ), Amoroso (4).
1. FC KÖLN:
Pröll – Cichon –
Cullmann, Song, Keller – Balitsch, Lottner, Voigt – Scherz (65. Kreuz), Kurth,
Springer.
SCHIEDSRICHTER:
Dr. Helmut
Fleischer, (Hallstadt/Bayern) 3, insgesamt souverän! Und wer in der 90. Minute
noch für die Heimmannschaft auf den Kreidepunkt zeigt, hat schon starke
Nerven...
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