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Tatort Bundesliga - der 8. Spieltag 02/03: "Nichts als die Wahrheit"

07.10.2002, 00:00 Uhr von:  Guido
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Am achten Spieltag der Fußball-Bundesliga hat der 1. FC Kaiserslautern endlich seinen ersten Saisonsieg feiern dürfen und die Rote Laterne an Energie Cottbus abgegeben. An der Tabellenspitze rehabilitierte sich der FC Bayern München im Spiel gegen den VfL Bochum für die Schlappe gegen den AC Milan unterhalb der Woche. Dicht auf den Fersen: Das Ruhrpott-Duo Borussia Dortmund und Schalke 04.

Bayern bleibt an der Spitze

Nach den Rückschlägen in der Champions League hat der FC Bayern München zumindest in der Bundesliga wieder seiner alten Form zurückgewonnen. Der deutsche Rekordmeister verteidigte am achten Spieltag durch einen 4:1-Sieg über den VfL Bochum seine Tabellenführung vor Titelverteidiger Borussia Dortmund. Nach zwei Niederlagen in Folge (in der Bundesliga vor einer Woche bei Bayer Leverkusen und der Heimpleite am Dienstag gegen den AC Mailand) präsentierte sich der FC Bayern gegen die vor allem im Abwehrverhalten komplett überforderten Bochumer zwar nicht so glänzend wie noch zu Saisonbeginn, aber dafür umso überzeugender. Insbesondere das kongeniale Traumduo Claudio Pizarro und Sturmpartner Giovane Elber trafen jeweils zwei Mal. Damit haben beide in Summe nun 14 Treffern auf ihrem Konto. Das ist nicht nur 2 Tore mehr als der gesamte BVB, sondern sogar doppelt soviel wie der 1. FC Kaiserslautern. Auf Seiten der Bochumer gelang Sebastian Schindzielorz in der 77. Minute gelang der Ehrentreffer.

Es war keineswegs ein berauschendes Spiel, auch, weil der noch zu Saisonbeginn so glänzende VfL Bochum einfach spielerisch nicht mithalten konnte. Die Bayern agierten routiniert, abgeklärt, der Sieg war ebenso nie gefährdetet wie gleichwohl hoch verdient. Vier Kopfball-Tore sichern dem Rekordmeister die Tabellenführung.

Das ängstliche Auftreten der Gäste ist laut Philipp Selldorf ("SZ") nichts Neues. "Solche Spiele kennt man nun reichlich, in denen die Gastmannschaften im Olympiastadion Erfolg suchen, indem sie devot die Strategie des geschlossenen Rückzugs wählen. Sie wiederholen sich Jahr für Jahr in wechselnden Besetzungen, im Gewand des 1. FC Nürnberg oder 1. FC Köln, von Arminia Bielefeld oder Borussia Mönchengladbach, und hinterher sind die in Ehrfurcht Unterlegenen glücklich darüber, dass sie nicht schrecklich vermöbelt wurden von den großen Bayern. Den Bayern genügte eine Leistung wie sie normaler kaum sein könnte."

"Es war wichtig, mit einem Erfolgserlebnis in die Pause gehen zu können, auch, um die innere Stabilität wieder zu bekommen", resumierte Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld nach Spielend. "Wir haben heute sehr viel Disziplin und Ordnung gezeigt, wir hätten auch noch höher gewinnen können." Bochums Trainer Peter Neururer gab sich kleinlaut: "Wir wollten eigentlich was holen, aber die Bayern haben das Spiel kontrolliert. Auf Grund von persönlichen Fehlern von uns haben sie auch verdient gewonnen. Darüber gibt es keine Diskussion."

"Hier fliegt der Norden."

Damit weiter zum Verfolger aus Dortmund, der in Hannover zu einem 3:0-Sieg kam. Die Niedersachen waren bis zur 42. Minute durchaus gleichwertig. Der BVB bekam jedoch unerwartete Hilfe von Schiedsrichter Hermann Albrecht, der ihnen in der 42. Minute einen unberechtigten Handelfmeter zusprach, den Torsten Frings sicher verwandelte. Bei einer vergleichbaren Situation auf der Gegenseite, als Dede der Ball an den Arm sprang, blieb Albrechts Pfeife stumm - im Gegenzug markierte Jan Koller (63.) das vorentscheidende 2:0. In beiden Szenen hätte es keinen Elfmeter geben dürfen. "Hätte" hilft jedoch nicht und die 96er müssen sich den Vorwurf gefallen lassen beim 2.0 allzu schülerhaft agiert zu haben und nur wenige Minuten später die wenigen Chancen zu schlecht zu nutzen. Zu allem Überfluss für Hannover verschoss Jiri Stajner nämlich einen (diesmal berechtigten) Foulelfmeter.

Wenn zwei das gleiche tun...

Wenn zwei das gleiche tun ist es noch lange nicht das selbe. Eben diese alte deutsche Weisheit musste am Samstag auch der Afrikaner Dame Diouf kennenlernen. Dieser würgte Sebastian Kehl wenige Minuten später beidhändig und musste dafür den Platz verlassen. Der Fussball ist nun mal nicht so einfach wie ihn Sepp Herberger immer dargestellt hat, sondern ab und an, treffen sogar wir auf neue Regeln. Irgendwo tief in den DFB-Statuten gibt es sicherlich folgenden Paragraphen: "Würgen mit einer Hand gibt Gelb (vgl. Kahn/Brdaric), würgen mit zwei Händen Rot." Dafür erfuhren wir endlich die wahre Bedeutung des Werbeslogan für den Flughafen Hannover mit dem der Stadionsprecher in der AWD-Arena die Torschützen präsentiert: "Hier fliegt der Norden."

Alle 25 Minuten ein Tor

Die Überzahl der Westfalen nutzte Marcio Amoroso, mit seinem 3. Treffer im 4. Spiel, der in der 87. Minute einen Konter zum 3:0 abschloss. Vier Mal wurde der Brasilianer nach seiner Rückkehr aus der Reha eingewechselt, drei Treffer erzielte er, im Schnitt macht das alle 25 Minuten ein Tor. "Ich bin sehr froh, dass wir hier gewonnen haben", sagte BVB-Trainer Matthias Sammer "Ich wusste nicht, wie der Stand meines Teams nach dem schweren Spiel in Eindhoven ist. Aber die Mannschaft hat einen guten Charakter gezeigt und von Anfang an versucht, das Heft in die Hand zu nehmen." Auch 96-Coach Ralf Rangnick schien trotz der Niederlage zufrieden. "Es kommt nicht sehr häufig vor, dass ein Trainer nach einer 0:3-Niederlage nicht viel zu kritisieren hat", so Rangnick. "Nur der verschossene Elfmeter und das Verhalten von Dame Diouf habe ich zu bemängeln. Einige Entscheidungen des Linienrichters haben unsere Strategie zerstört." Die Dortmunder bleiben damit auch nach dem 8. Spieltag ungeschlagen in der Bundesliga. Hannover wartet weiter auf den ersten Heimsieg, bei dem inzwischen deutlich gestiegenen Leistungspotenzial jedoch wohl nicht mehr lange.

War´s das Kurt Jara ?

Schalke hatte mit dem Hamburger SV keine Mühe. Damit bleiben die Gelsenkirchener dem Spitzenduo auf den Fersen während die Gäste, die ihr viertes Auswärtsspiel dieser Serie verloren, und Trainer Kurt Jara in dieser Verfassung schweren Zeiten entgegen gehen.

Der FC Schalke startete mit viel Engagement in die Begegnung und erspielte sich von Beginn an viele Torchancen. Allen voran Victor Agali bot eine hervorragende Anfangsphase. Bereits nach 9 Minuten erzielte er die verdiente Führung, die Ebbe Sand bereits 6 Minuten später zum 2:0 ausbaute. Auch nach den beiden Treffer blieben die Schalker tonangebend. Zwar nicht mehr mit ganz so viel Zug zum Tor wie zu jedoch weiterhin überlegen. Besonders Asamoah und Agali bekam die Verteidigung des HSV nicht in den Griff. Gerald Asamoah war es dann auch, der mit dem Halbzeitpfiff den Vorsprung auf 3:0 noch erhöhte. Die zweite Hälfte plätscherte so dahin. Die Hamburger fanden kein wirkliches Mittel gegen den S04 und die Schalker verpassten es ihren Zuschauen innerhalb von 3 Tagen noch mehr als 7 Tore zu bieten. So verliessen bereits 15 Minuten vor Schluss die ersten Fans die Arena. "Wir haben in den ersten 20 Minuten die entscheiden Zweikämpfe naiv verloren und damit das Spiel", musste Jara resigniert feststellen. "Wir sind einfach zu naiv in der Defensive, um mal zu Null zu spielen, und das ist die Basis, um auswärts zu punkten." Schalkes Trainer Frank freute sich indes "Unsere beiden Stürmer Agali und Sand haben uns heute sehr viel Freude bereitet. Wir wollten nach dem 3:0 nur noch das Ergebnis verwalten, waren nicht so zielstrebig. Wir hätten dem HSV gerne noch ein oder zwei Tore mehr eingeschenkt."

Für den HSV wirds derweilen eng. Vor allem Chef Hackmann steht in der Kritik. Er entliess den auch nicht minder erfolgreichen Frank Pagelsdorf und schickte ihn mit 4 Mio in den Ruhestand geschickt um für einen weiteren 7stelligen Betrag Kurt Jara aus Tirol zu holen. Die teure Investition in den ehemaligen Duisburger zahlt sich bislang nicht aus und so steht nicht nur Kurt Jara in der Schusslinie sondern auch DFL- und HSV-Boss Werner Hackmann.

Gerald Kleffmann von der Süddeutschen Zeitung kommentiert es so: "Überall, ob in der Mannschaft, im Vorstand oder im Aufsichtsrat, sind die Keimzellen des Misserfolgs zu finden, und nicht erst seit gestern. 1987 hörte die Ära von Ernst Happel auf, mit dem Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1983 als Höhepunkt - seitdem fehlt jegliche Systematik in Sachen Chefbetreuung. Es kamen und gingen Reimann, Schock, Coordes, Möhlmann, Magath, Pagelsdorf, Hieronymus, und es ist abzusehen, dass Jara diese Liste demnächst ergänzen wird. Sie alle vermochten es nicht, ihrer Mannschaft Profil zu geben, Erfolge wie das Erreichen der Champions League 2000 täuschten darüber hinweg."

Kaiserslautern, das EM.TV der Liga

Während Nemax, DAX, Dow Jones und Nasdaq ständig neuen Tiefs entgegen gehen, ist in der Bundesligaberichterstattung auch weiterhin nur die Rede von Siegesserien, Trainerentlassungen, Tops und Flops und vielem mehr. Business as usual ? Mitnichten. Das Fußballereignis der vergangenen Woche fand nämlich nicht auf, sondern außerhalb des Betzenbergs statt: Um die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, verkauften die Pfälzer die Transferrechte an Nationalspieler Miroslav Klose um die laufenden Bauarbeiten am Stadion zu retten. Was sich wie ein Glücksspiel anhört, ist traurige Realität. Käufer ist - Nomen est Omen - die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH.

Damit ist die nächste Dimension erreicht. Nach dem Verkauf der Vermarktungsrechte (UfA, Kinowelt), dem Verkauf von Stadionnamen (AOL-Arena), dem Gang an die Börse. Jetzt gehts ans Verpfänden von Personal. Oder, wie Kaiserslauterns "Insolvenzberater" Rene C. Jäggi erklärte, um den "einzigen verwertbaren Vermögensteil". Die taz dazu in ihrer Ausgabe "Die Bubble Bundesliga ist geplatzt. Und Kaiserslautern nur so etwas wie das EM.TV der Liga. Jahrelang haben die Clubs über ihre Verhältnisse gelebt, die Spieler mit Summen bis zu drei Millionen Euro hofiert. Die Kirch-Krise mit fehlenden TV-Einnahmen von 20 bis 30 Prozent für diese Saison kam hinzu, ist aber nur die Spitze des Desasters der Liga und bei weitem nicht alleiniger Grund für finanzielle Haushaltslücken. Rolf Rüssmann, Manager beim maroden VfB Stuttgart, hat just gesagt: "Es gibt Vereine, da vermutet man das gar nicht, denen geht es noch viel schlechter als uns." Das ist erstaunlich, schließlich hat der VfB 20 Millionen Euro Schulden - und längst kümmern sich Staatsanwaltschaft und Wirtschaftsprüfer um den Verein. Es bleibt also bestimmt eine äußerst spannende Saison: Das nächste Pixelpark, das nächste Mobilcom der Bundesliga kommt bestimmt."

Der einzig verbliebene Vermögenswert

"Der einzig verbliebene Vermögenswert des 1. FC Kaiserslautern" ("FR"), das "traurigste-aller-Stürmer-Gesicht" ("SZ"), verhilft seinem Arbeitgeber zum ersten Saisonsieg. WM-Star Miroslav Klose trifft wieder. Und wie: Mit 2 Kopfballtoren ermöglichte er den Pfälzern den Sprung vom letzten Platz und sorgt zumindest kurzfristig dafür, dass zu den finanziellen Sorgen nicht auch noch enorme sportliche Sorgen hinzukommen. Die hat nun die Energie aus Cottbus, die auf dem Betzenberg eine erbärmliche Vorstellung bot und nun das Tabellenschlusslicht bildet.

"Meine Mannschaft hat heute gleich sehr gut angefangen, viel Druck gemacht und den Gegner zu Fehler gezwungen", war die Erleichterung FCK-Trainer Eric Gerets anzumerken. "Ich bin froh, dass wir mit den beiden Stürmern im Training soviel gearbeitet haben, denn wir wussten ja, dass Miro viele Probleme mit sich selbst hat. Es ist unglaublich, wie hoch er springen und wie gut er köpfen kann." Dagegen gehen die Lausitzer schweren Zeiten entgegen, wie auch Eduard Geyer erkennen musste. "Wenn man 4:0 verliert, dann ist schon eine Welt zusammengebrochen, weil wir uns hier sehr viel ausgerechnet haben", so Geyer. "Aber wir haben es schon in den ersten 15 Minuten nicht geschafft, den Gegner vom Tor fernzuhalten und den FCK zu Freistößen eingeladen."

Die übrigen Spiele

Bayer 04 Leverkusen landete nach zuletzt zwei Siegen in der Bundesliga und der Champions League wieder auf dem Boden der Tatsachen. Die Bayerelf verlor beim VfL Wolfsburg mit 0:2 und blieb damit auch im sechsten Auftritt beim VfL ohne Punktgewinn. Torschützen beim VfL Wolfburg: Tomislav Maric (6.) und Stefan Effenberg (74.) Die VW-Städter haben damit zumindest für einen Tag erstmals in die angestrebten Uefa-Cup-Ränge erklommen. Wolfsburgs Trainer Wolfgang Wolf: "Meine Mannschaft hat heute sehr konzentriert und hoch motivert gespielt. Was wir gegen Nürnberg verpasst haben, ist uns heute gelungen: Der Lohn ist, dass wir jetzt oben drin stehen."

Brasiliens Nationalspieler Marcelinho avancierte zum Matchwinner. Mit 2 Toren drehte er die zwischenzeitliche Führung der Nürnberger noch in einem Berliner Sieg. Hertha-Trainer Huub Stevens anschließend: "Hinterher muss man mit drei Punkten zufrieden sein, wenn man so viele Chancen vergibt. Die Probleme hatten aber schon am Dienstag nach dem Spiel gegen Aberdeen angefangen"

Einen überzeugenden 3:0-Sieg feierte Borussia Mönchengladbach gegen Neuling Arminia Bielefeld. Der überragende Lawrence Aidoo sowie Peter van Houdt erzielten dabei die Tore für den VfL vom Niederrhein. Borussen-Coach Hans Meyer. "Zum Schluss hätten wir durchaus höher gewinnen können, wenn wir ein wenig cleverer gewesen wären."

In den Sonntagsspielen reichtem dem VfB Stuttgart 5 Minuten um aus einem 1:0 Rückstand gegen die Münchner Löwen einen Sieg zu machen. Am Ende hiess es 4:1 für die Schwaben

In der zweiten Partie trotze das Abwehrbollwerk des FC Hansa Rostock den "Schiesswütigsten" der Woche. Nach ihrem 8:0 unterhalb der Woche kam der SV Werder nur zu einem 0:0 gegen den FC Hansa. Die Mecklenburger bleiben damit das 4. Auswärtsspiel in Folge ohne Gegentor. Ein neuer Rekord

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