Tatort Bundesliga - der 34. Spieltag: Für Siege(r) gibt es keinen Ersatz! - Eine nicht ganz objektive Nachlese zum Saisonendspurt 2001/2002
Herzschlag-Finale, Foto-Finish, Last-Minute- Entscheidung - allein die Umschreibungen für das diesjährige Titelrennen um die Deutsche Meisterschaft verhießen uns allen Spannung pur. Erstmals seit zehn Jahren griffen mit Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und sogar dem FC Bayern München noch ganze 3 Mannschaften am letzten Saison-Spieltag nach der begehrten Trophäe. Die ganze Fußball-Nation war an den Radios, vor den Fernsehern und in den Stadien dem Atemstillstand nahe - in sehnlichster Erwartung unvergesslicher Szenen harrte man gebannt aus um den neuen Deutschen Meister zu feiern oder zu verfluchen. Letzteres wird wohl seine Urständ im Chemiestandort Leverkusen feiern, denn dem selbsterklärten Titelkandidat blieb wieder mal nur der „traditionelle Vizemeistertitel“ der Vorjahre...
Ein Dank an die Garanten des Erfolges:
Meister – Nur ein Etappenziel...
Die Schale ist nur Zwischenstation zu schönem Fußball. Trainer Sammer wird auch dafür noch sorgen. Man hätte es hier in Dortmund hingenommen, wenn Leverkusen es dieses Mal geschafft hätte. Man hatte sich ja praktisch schon damit arrangiert. Na gut, sollnse doch, werden wir eben Zweiter, von uns aus auch Dritter, Hauptsache, die Unaussprechlichen aus München sind nicht schon wieder der Haufen, auf den der Teufel sein großes Geschäft erledigt. Andererseits sind Dortmunder Fans auch nicht dafür da, ausgerechnet so etwas wie Leverkusen die Daumen zu drücken. Dieser so genannte Verein taugt noch nicht mal dazu, sich anständig über ihn aufzuregen. Er bietet für Anhänger eines richtigen Fußballvereins einfach keine Angriffsfläche. Es ist einem Dortmunder nicht zu vermitteln, warum es Bayer 04 überhaupt geben muss. Schalke zum Beispiel muss es geben. Sogar für Köln gibt es Gründe. Aber Leverkusen? Wen interessiert das wirklich? Dass sie dort in dieser Saison eine Mannschaft haben, die guten Fußball spielt, ändert an der Tatsache, dass einem nichts fehlen würde, wenn es den Verein nicht gäbe, nichts.
Also wird man hier auch niemanden finden, der aufgrund der pathologischen Saisonabschlussschwäche Leverkusens in mitleidiges Geheule ausbricht. Man ist schließlich nicht vom Fußballfeuilleton, das sich jetzt allenthalben in ästhetischer Geschmackshuberei über "Eleganz und Schönheit" ergießt.
Hier heißt es neuerdings wieder: "Wer wird deutscher Meister - nur der BVB!" Nicht, dass man versucht wäre, mit den Leistungen der aktuellen BVB-Mannschaft großartig anzugeben. So viel Sachverstand ist vorhanden; die Erfolge und die Klasse der 90er-Jahre-Ensembles in der Ära Hitzfeld haben durchaus geschmacksbildend gewirkt. Außerdem kamen und kommen Großkotzigkeit und Arroganz gepaart mit aufgepfropfter Ruhrpott-Folklore bei großen Teilen des Publikums nicht so gut an. Unter anderem deswegen war man ganz froh, dass der so gar nicht zum Schaumachen neigende Trainer Matthias Sammer die sportliche Leitung übernahm. Und als es ihm nach einiger Zeit gelang, seine Mannschaft zu einer Leistung wie dem 4:0 gegen den AC Mailand zu führen, gab es endlich wieder die allgemeine Freude, die die Dortmunder so lange bei sich vermisst hatten. Die hätte man gerne wieder häufiger -und auf dem Weg dahin nimmt man auch eine alles in allem ziemlich unspektakulär erspielte Meisterschaft mit - und zwar ohne schlechtes Gewissen. Dortmund wird deutscher Meister 2001/2002. Das ist gut und richtig so. Über die angebliche Tragödie der Leverkusener sollen sich deren 250 Fans und die im Sportteil verendeten Hilfsschriftsteller ausweinen. Sollte es Dortmund nicht schaffen, darf Leverkusen Erster werden. Der Grund dafür ist jedem empfindenden Menschen klar: Der Name des Vereins, der im schlimmsten denkbaren Fall profitieren würde, soll hier nicht nochmal zu lesen sein. Er wurde bereits einmal genannt. Und das war schon einmal zu viel. (So voraussagte FRITZ ECKENGA in der „taz“ Nr. 6741 vom 4.5.2002, auf Seite 17)
Impressionen von schwatzgelben:
Man könnte es sich leicht machen und das so stehen lassen, denn in diesen Zeilen steckt eigentlich alles drin! Aber weil wir hier einen Gesamtüberblick über das Spielgeschehen aus der Sicht von erlebenden Fans wiedergeben, kann, bzw. darf dies allein noch nicht reichen... denn mit überschäumender Freude feierten 68 600 im Stadion und etwa 10.000 Zuschauer vor dem Stadion auf den Straßen den souveränen 2:1-Sieg über Werder Bremen und die 6. deutsche Meisterschaft für Borussia Dortmund. In einem „Finale Furioso“ erwiesen sich die Borussen als "Meister der Nerven" und verwiesen den vielfach als "Meister der Herzen" dem Gelsenkirchner Vorbild nachempfundenen und gleichsam titulierten Rivalen aus Leverkusen mit einem Punkt Vorsprung auf den zweiten Platz. Überwältigt von der stimmungsvollen Atmosphäre und dem zwischenzeitlich nicht mehr für möglich gehaltenen Happy End wähnte sich BVB-Manndecker Christoph Metzelder im siebten Himmel: "Für mich geht ein Traum in Erfüllung. Jeder kleine Junge, der auf der Straße Fußball spielt, möchte diese Schale mal in den Händen halten. Ich hatte heute das Glück." Vor dem Kehraus erteilte BVB- Physiotherapeut Ralph Frank noch rasch den nahe liegenden, aber nicht ernst gemeinten Ratschlag: "Wir sollten uns alle spritzen lassen oder Betablocker nehmen" und er sollte Recht behalten...
Selbst der 0:1-Rückstand durch Paul Stalteri bereits nach 18 Minuten konnte sein Team nicht vom Erfolgskurs abbringen. Jan Koller kurz vor der Pause und der knapp 40 Sekunden vorher eingewechselte Henrique Ewerthon eine Viertelstunde vor Schluß, sorgten für die Wiederauferstehung des in den 90´er Jahren so erfolgreichen Revierclubs. "Das ist wie eine Erlösung, ein echtes Gänsehaut-Erlebnis. Dabei hatten wir die Meisterschaft in diesem Jahr eigentlich noch gar nicht auf der Rechnung", schwärmte BVB-Präsident Dr. Gerd Niebaum sichtlich bewegt.
Feucht-fröhliche Feier bis Sonntagmorgen!
Mit Hupkonzerten und Autokorsos trotzten die Fans dem strömenden Regen und feierten ihre Borussia in den zahlreichen Kneipen der Innenstadt bis tief in die Nacht. Bereits eine Stunde im Anschluß an das Herzschlag- Finale wurden in der City bereits druckfrische Extra-Ausgaben der lokalen Tageszeitungen verteilt. Ungeachtet der schweren Aufgabe im UEFA-Cup- Finale, wo dem BVB gegen Feyenoord Rotterdam am Mittwoch der zweite Titelgewinn binnen vier Tagen winkt, ließen auch die Profis ihrer Freude freien Lauf. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff flossen beim „In-Italiener“ Toni in Herdecke Champagner und vor allem Bier in Strömen und erzeugten beste Laune.
Doch schon am Sonntagmorgen war vorerst Schluss mit lustig: Ein leichtes Training hatte Trainer Matthias Sammer zur Einstimmung auf das Europacup-Endspiel in Rotterdam angesetzt. Wegen dieser Partie wurde die offizielle Meisterfeier in der Fußball-Hochburg auf Donnerstag vertagt.
Die Dramaturgie im Saisonfinale könnte als Spiegelbild für die ganze Saison herhalten. Wann immer die Konkurrenz begann, den späteren Meister abzuschreiben, schlug er zurück. Weder das mit viel Hohn und Spott bedachte frühe Aus in der Champions League Ende Oktober noch der Fünf-Punkte-Rückstand auf Leverkusen drei Spieltage vor dem Saisonende konnte das Team von Matthias Sammer schrecken. Mit einem beachtlichen Schlussspurt verblüffte der BVB alle Experten und trat den Beweis an, dass man auch ohne einen Sieg gegen die Mitbewerber aus Leverkusen und München Meister werden kann. "In der Mannschaft ist etwas gewachsen. Sie hat Moral gezeigt und Charakter bewiesen", lobte Manager Michael Meier bei Rudi Brückner im „DSF-Doppelpass“ und kämpfte dort auf verlorenem Posten gegen die vorherrschende Meinung der anwesenden bajuwarischen Landsmannschaft.
Die komische Elfmeter-Lüge grassiert...
Nahezu ganz Deutschland ist auf die offenbar in München erfundene Schmonzette von der Mähr der Flut der „ungerechten Dortmund-Elfmeter“ hereingefallen und sieht im BVB plötzlich den „unverdienten Meister“ belohnt. Aber um Dreiteufelsnamen, warum denn unverdient? Habt Ihr von Nord nach Süd etwa nicht aufgeschrieen, als die Schwatzgelben die ersten 5 Bundesligaspieltage mit einem radikalverjüngten Draufgängerteam Fußball a la Brasil zelebrierten? Habt Ihr nicht vor Verzückung mit der Zunge geschnalzt, als der legendäre AC Milan hier mit 4:0 von der Platte geputzt wurde, als Euch Euer Pizzabäcker ehrfurchtsvoll die Speisekarte beim Besuch reichte? Na sehr Ihr, bloß mal wieder vergesslich, was?
Borussia Dortmund ist ein würdiger Meister und daran ist auch objektiv nicht zu rütteln! Und das nicht nur, weil die Mannschaft nach 34 Spielen die meisten Punkte, mit Leverkusen zusammen die meisten Siege und die wenigsten Niederlagen auf dem Konto hat. Oder weil der BVB beispielsweise mit 31 Punkten auch die beste Auswärtsbilanz aufweist. Dortmund zeigte zwar nur phasenweise schönen Offensivfußball, aber dafür Qualitäten wie Nervenstärke und den unbedingten Siegeswillen auf der Zielgeraden. Auch die Erfolge im UEFA-Cup, die mit dem Erreichen des Endspiels nicht eben gering einzustufen sind, sprechen für da sich. Aber wie gesagt: Neid muss man sich verdienen!
Matthias Sammer konnte angesichts dieser Tatsachen über das anhaltende Gerede vom spielstärkeren und tragisch gescheiterten Bayer-Teams nur müde lächeln. "Das hat mich nicht verunsichert, sondern beruhigt. Weil ich immer wusste, dass der schönste nicht unbedingt der erfolgsreichste Fußball ist. Bayer ist mit Lobeshymnen überschüttet worden, da konnten wir in Ruhe arbeiten", sagte der ehemalige Weltklasse-Profi, der in seinem zweiten Trainerjahr zum jüngsten Meistercoach der Bundesliga avancierte. Mit viel Geschick und Feingefühl formte der 34-Jährige aus einer Ansammlung teurer Profis ein Kollektiv, ohne Künstlern wie Amoroso und Rosicky die Individualität zu nehmen. Während der "Riese" Koller den "Zwerg" Ewerthon schulterte und auf dem Rasen eine erste Ehrenrunde drehte, zog sich Sammer unmittelbar nach dem Schlusspfiff in den Kabineneingang zurück. "Wenn so viele Menschen kommen, werde ich ängstlich und verdrücke mich gern", erklärte der Coach, "aber beim Bankett am Abend werde ich die Polonaise anführen."
Poschmann als Spielverderber!
Mit Kapitän Stefan Reuter vorneweg, der sich wie alle Spieler auch nicht die Laune durch den nervenden ZDF- Mainzelmann Wolf-Dieter Poschmann verderben ließ, der unbedingt das sprichwörtliche „Haar in der Suppe“ suchte. In einer Live-Schalte vom Feierort hatte dieser rückblickend despektierlich von „brotloser Kunst“ der Borussen in der Saison gesprochen und war dafür nicht nur streng von Reuter und Sammer gemaßregelt worden, sondern hatte auch noch wütendes Protestgeschrei des restlichen Teams geerntet. Statt diesen abgedroschenen Schalke-Kitsch „Meister der Herzen“ vielleicht nur der „Meister der Nerven“ gewesen zu sein, bedeutete für die Fans und die schwatzgelben Helden keine Einschränkung des Erreichten. „Gerechtigkeit und Schönheit“ seien relativ im Leben, philosophierte Erfolgscoach Sammer, denn der Meistertrainer wusste besser als jeder andere, wie schwer dieser Titel errungen worden war.
Dieser unerwartete, erste Titelgewinn nach sechs Jahren setzte ungeahnte Emotionen frei, mit denen nur Eingeweihte oder Südamerikaner gerechnet haben dürften. Vor allem die Brasil-Connection im Team lebte ab exakt 17.17 Uhr mit dem Schlusspfiff ihr bereits mehrmals angedeutetes Temperament aus: Allen voran Ewerthon, der mit seinem Treffer unmittelbar nach Einwechslung die Entscheidung erst herbeigeführt hatte, hing minutenlang im Zaun vor der Südtribüne. Leonardo Dedé, der nach einer gerade überstandenen Knieoperation erstmals wieder auflief, war den Tränen nahe: "Vor drei Wochen war ich im Krankenhaus am Boden. Dann hat mir Gott diesen Tag und diese Flanke zum Tor geschenkt. Da habe ich keine Schmerzen mehr gespürt." Besonders vom neuen Bundesliga- Torschützenkönig Marcio Amoroso (18 Treffer) fiel der Druck ab wie eine Befreiung. Er überschüttete Reporterkollegen, die ihn bedrängten mit Bier und umarmte selbst Matthias Sammer, mit dem in den vergangen Monaten nicht immer im Reinen war. "Dieser Erfolg ist ein ganz wichtiger Bestandteil meines Lebens, ich bin überglücklich", sagte der mit 50 Millionen Mark wohl teuerste Einkauf der Bundesligageschichte, an dessen erkennbaren Zweifeln, ob Deutschland für ihn überhaupt noch erstrebenswert sei, durch diesen Titelgewinn zunächst erst einmal nicht weiter gerüttelt werden dürfte. "Marcio hat die gleichen Anpassungsprobleme wie jeder Brasilianer im ersten Jahr in Deutschland. Aber das wird sich mit der Zeit geben", sagte sein Freund Dedé schützend. "Ich gehe ganz fest davon aus, dass er auch in der kommenden Saison bei uns spielen wird", offenbart Dedé wieder einmal seine in Deutschland gelernte Reife, komplizierte Dinge einfach darzustellen. Auch dies ein Verdienst vom Trainer! Überhaupt unbezahlbarer Dedé: Einzigartig auch seine Huldigung an den Trainer, den er liebevoll „Comandante Sammer“ (Er ist hart, dann wieder Dein Freund) nennt.
Apropos Verdienste: Kurz vor dem entscheidenden Spiel wurde Jürgen Kohler mit allen Ehren nach 7 Jahren tätiger Leistungsbereitschaft aus „seinem Westfalenstadion“ verabschiedet. Dabei konnte er seine Tränen nicht verbergen. Welch ein Unterschied, wenn man dabei an die „Verabschiebung“ von Effe in München zur gleichen Zeit denkt. Am Ende stand dann für den „Kokser“ eine weitere BVB-Meisterschaft. Im SG-Interview schildert er uns seine unmittelbaren Gefühle:
schwatzgelb.de: Jürgen, wie hast Du diesen Tag und insbesondere diesen Triumph erlebt?
Kohler: "Das war ein absolut tolles Erlebnis. Für uns ist heute ein Traum in Erfüllung gegangen. Wir haben die Früchte unserer harten Arbeit geerntet."
schwatzgelb.de: Ist dieser deutsche Meistertitel zum Abschluß Deiner großen Laufbahn noch einmal etwas besonderes?
Kohler: "Jeder Titel ist natürlich schön. Aber wenn man sieben Jahre in einem Club gespielt hat, ist das ein ganz besonderer Abschied. Es gibt nichts Schöneres, als als Meister aufzuhören."
schwatzgelb.de: Hast Du im Vorfeld irgendwann am Gewinn dieser Meisterschaft gezweifelt?
Kohler: "Nein. Wir haben immer an uns geglaubt und nicht so viel darüber gesprochen wie die anderen. Wir haben bewiesen, wie stark unsere Mannschaft ist."
schwatzgelb.de: Was traust Du dem Team von Matthias Sammer in Zukunft zu?
Kohler: "Die Mannschaft ist entwicklungsfähig und hat bewiesen, dass sie gefestigt ist. Ich bin stolz, dass ich in diesem Team spielen durfte und glaube, dass die Mannschaft auch zukünftig noch einiges erreichen wird."
schwatzgelb.de: Bist Du davon überzeugt, dass der BVB am Mittwoch jetzt auch noch den UEFA-Cup gewinnt?
Kohler: "Für uns alle hatte die Meisterschaft absolute Priorität. Aber vielleicht können wir das unmögliche noch möglich machen und eine ähnlich starke Leistung zeigen wie heute. Dann wäre uns alles zuzutrauen am Mittwoch".
U-U-UEFA-Cup-Laune im Werder-Mannschaftsbus
Schon nach dem Spiel noch auf dem Feld veranstalteten die Werder-Profis ihre eigene UEFA-Cup-Feier. Schnell zogen sie die druckfrischen T-Shirts mit der Aufschrift „UEFA-CUP 2002/2003 – 100 % DABEI!“ über und bedankten sich bei den etwa 6.000 mitgereisten Werder-Fans im Gäste-Fanblock der Nordtribüne. Danach verlagerten die Spieler die Freude einfach in den Mannschaftsbus. Hier konnten sie ungestört vom Meisterfeiertrubel der Borussen ihren eigenen Erfolg, die Rückkehr auf die europäische Fußball-Bühne, genussvoll feiern. Jürgen L. Born, Werders Vorstandsvorsitzender, vermutete noch im Westfalenstadion: „Das wird sicherlich eine sehr unbeschwerte Tour nach Bremen, bei der nicht nur an den Autobahnraststätten etwas los sein wird.“ Seine Vorahnung wurde bestätigt: Wie aus Bremen inzwischen berichtet wurde, verwandelten die Profis den Mannschaftsbus kurzerhand in einen rollenden Party-Wagen. Die nur knappe Niederlage gegen den neuen Deutschen Meister Borussia Dortmund störte da schon niemanden mehr, denn der VFB Stuttgart hatte bestens Schützenhilfe geleistet. Marco Bode, der in seinem letzten Spiel für den SV Werder Bremen kurz vor Schluss eingewechselt wurde, nutzte die Situation um die Partie „schonungslos“ zu analysieren: „Ich glaube, man hat heute klar erkennen können, dass „der Lutscher“ (Die Red/Spitzname von Frings) der schlechteste Mann auf dem Platz war. Alle mussten für ihn mitrennen. Mit meiner Leistung bin ich sehr zufrieden. Ich habe in den letzten Minuten fast im Alleingang den Einzug in den UEFA-Cup erkämpft.“ Der Rest aus dem Mannschaftsbus ist wegen nachweislich „tendenziöser Gewichtung in die falsche Richtung“ dann auch so uninteressant, dass man getrost zur Vernachlässigung übergehen kann... Nur soviel: „Lutscher“ hat in der Sendung „Sport im Norden“ keinen Zweifel an seinem sofortigen Wechsel in sein neues Domizil in Dortmund- Kirchörde gelassen ist damit ab jetzt einer von uns und das ist auch gut so!
Und schon wieder Vizemeister...
Schon wieder die selbe Sache und das alte Leid (frei nach Rammstein)... Tränen, Trauer, Trost und Trotz: Bayer 04 Leverkusen versuchte nach der vierten mal wieder knapp verpassten deutschen Meisterschaft Haltung zu (be-)wahren und Hoffnung für die Zukunft zu schöpfen. "Nachdem wir in der Kabine gemeinsam geweint haben, sind wir wieder gefasst. Man sollte nicht sagen, es ist bitter wieder nur Zweiter geworden zu sein", meinte Bayer-Chefcoach Klaus Toppmöller nach dem 2:1 gegen Hertha BSC. Der 21. Sieg im 34. Bundesliga-Spiel war nach dem Erfolg von Borussia Dortmund gegen Werder Bremen für den "Meister der Spielkultur" nur ein weiteres Muster ohne Wert. "Für uns gibt es keine Wunder, die machen andere. Wenn man mit leeren Händen dasteht, tut das sehr weh. Doch wie viele Clubs wären gerne Vizemeister", sagte Bayer-Manager Reiner Calmund - von Tränen überwältigt - tapfer. Verzweifelt hatte er ("Nervlich konnte ich es nicht mehr aushalten") vorzeitig seinen Tribünenplatz verlassen, war aber nach dem Abpfiff zu seinen wie erstarrt am Mittelkreis stehenden Spielern geeilt, um sie aufzumuntern. "Vizemeister zu sein, ist unsere Tradition", meinte Calmund und fügte mit Galgenhumor hinzu: "Warum sollen wir das nicht auf unseren Briefkopf und Wimpel schreiben." Der vierte zweite Platz binnen fünf Jahren zeige doch eine "Leistungskontinuität". Zudem sei die in der Champions League gegen Juventus Turin, FC Liverpool oder Manchester United gewonnene weltweite Anerkennung mehr als eine Kompensation. "Das war ein Erdrutsch", so Calmund und schämte sich seiner Tränen nicht. Die ganze Enttäuschung brach aus diesem Kafenzmann von Kerl heraus, als er wie ein kleiner Junge weinte. Minutenlang und hemmungslos. Und das Millionenpublikum vor den Fernsehschirmen fühlte mit dem ewigen Verlierer. Und wäre Calli plötzlich aus dem Fernsehapparat getreten, in fast jedem Wohnzimmer der Republik hätten sich ihm geöffnete Arme entgegengestreckt. Calmund ist Bayer 04 Leverkusen und symbolisiert nun mal das personifizierte Leiden des Ewigen Zweiten, wie kein Anderer!
"Wir hätten es verdammt verdient gehabt"
Auf diese Vorwärtsstrategie reagierten die am Boden zerstörten Spieler eher defensiv. "Es freut uns, so viele Sympathien bekommen zu haben, doch man will auch etwas gewinnen. Die Trauer ist riesengroß", bekannte Michael Ballack, fügte jedoch an: "Es muss weitergehen, wir dürfen nicht liegen bleiben.". Mit seinen Saisontreffern 16 und 17 - das Gegentor erzielte Stefan Beinlich - hätte der 25-Jährige der Held des Tages werden können. So setzte er seiner überragenden Saisongesamtleistung nur weitere i-Tüpfelchen auf.
"Wir hätten es verdammt
verdient gehabt. Ich hatte gehofft, dass es einen Fußball-Gott gibt. Doch es gibt ihn
nicht", sagte Nationalelf-Kollege Carsten Ramelow. Nach dem verlorenen Glauben,
bleibt ihm nur die Hoffnung: "Wenn wir noch einen Titel gewinnen, ist das ein Trost.
Wir dürfen uns nicht hängen lassen." Die Chance dazu besteht im DFB-Pokalendspiel
am Samstag gegen Schalke 04 und am 15. Mai in Glasgow im Champions-League-Finale gegen
Real Madrid. "Die Spieler werden noch einmal alles aus sich herausholen", hofft
Toppmöller, die letzten Reserven bei seinen Akteuren mobilisieren zu können. Dass der
Traum vom Meistertitel erneut platzte und die Dortmunder noch auf der Zielgeraden
überholen konnten, schreibt er auch den hohen Belastungen durch die 19 Spiele in der
"Königsklasse" zu. "Wir hätten früher ausscheiden müssen, dann hätten
wir am Ende mehr Kraft gehabt und wären Meister geworden", spekulierte Toppmöller,
der dennoch auf die "ehrliche Arbeit und die tollen Spiele" stolz ist: "Ich
will die Leute begeistern. Für mich zählen Titel und Schalen sowieso nicht viel."
Bis 15 Minuten vor Schluss war Bayer Meister – zu wenig!
Bis 15 Minuten vor Schluss, als Ewerthon das goldene Tor für den BVB schoss, hatten die Leverkusener die Hand noch an der DFB-Trophäe. "Als die Nachricht von 2:1 in Dortmund kam, war das wie ein kleiner Hammerschlag", berichtete Toppmöller, der danach Mühe hatte seine Spieler auf Siegkurs zu halten: "Wir mussten sie von Außen ganz schön puschen, damit sie die Köpfe nicht ganz hängen ließen." Aufbauen muss er in der nächsten Saison eine neue Mannschaft, da Michael Ballack zu Bayern München wechselt, Zé Roberto aller Voraussicht nach ebenfalls geht und Torjäger Ulf Kirsten (36), der nach 348. Bundesliga-Partien und 182 Toren seine Abschiedsvorstellung in der BayArena gab, seine Karriere beendet. "Die Messlatte hängt sehr hoch und wir stehen in der kommenden Spielzeit mehr in der Kritik. Es wird schwer", weiß Toppmöller.
Trotz aller Tristesse erwiesen sich die Leverkusener dann am Ende wenigstens auch als einigermaßen gute Verlierer. "Dortmund steht nach 34 Spieltagen oben, dass verdient Respekt", rang sich der „Poltergeist“ Toppmöller förmlich einen ab. Mit Müh und Not zollte dem Widersacher im Westen auch Bayer-Macher Calmund Anerkennung: "Kompliment und Gratulation an Dortmund. Wir haben eine Rivalität, aber keine Feindschaft", meinte er und schränkte ein: "Nur heute hätte ich den Kerlen eine Niederlage gewünscht." So isser halt, der Pate...
Auf Wiedersehen Pauli, Freiburg, Köln...
Tüss Pauli. Vorm Anpfiff rollten die
Nürnberger Spieler ein Plakat aus: „Wir sehen uns wieder – in der 1.
Liga“. Es war ebenso bewegend wie traurig. Aber was nützen Sympathie-Kundgebungen
aus einigen Ecken der Bundesliga, wenn die sportliche Qualität am Ende wieder nicht
ausreicht? Das wurde bei St. Paulis 2:3 gegen den „Club“ erneut deutlich.
Interessante Randnotiz: Der Kiez-Klub verstärkt sein Management definitiv mit Franz
Gerber, der als Sport-Direktor einen Drei-Jahres-Vertrag bis 2005 erhält und setzt dem
Ex-Rostocker Stephan Beutel damit quasi den Stuhl auf Abruf vor die Tür. Boss Reenald
Koch wirkte ob dieser Entscheidung pro Gerber sichtlich erleichtert und begründet auch
noch mal die Veränderung im Klub: „Wenn man merkt, dass man Qualität verbessern
kann, dann muss man handeln. Das sind wir den Mitgliedern schuldig, die uns für das
operative Geschäft gewählt haben.“ Energisch wehrt sich Koch gegen den Vorwurf der
Entmachtung von Beutel und Demuth: „Es geht hier nicht um die Qualität oder
Kompetenzbeschneidung der beiden, sondern wir haben einen neuen Geschäftsbereich
erschaffen: den sportoperativen Bereich, für den Gerber verantwortlich ist. Der ist als
Klammer zu sehen über den gesamten Fußball-Leistungsbereich. Darunter fallen der
Lizenzspieler-, der Amateur- und der Jugendleistungs-Bereich. Den sportadministrativen
Bereich deckt Beutel ab.“
Innerhalb der nächsten 14 Tage will das Präsidium mit Gerber und und Demuth ins Detail
gehen. Koch: „Wir werden die Schnittstellen mit allen Beteiligten besprechen.“
Der Ex-Profi über die grundsätzlich angedachte Aufgabenverteilung: „Die Auswahl und
Sichtung macht Franz in Absprache mit dem Trainer.“ Wir werden sehen, on die
„Hurensöhne“ mit dieser Konstellation den direkten Wiederaufstieg angreifen
können...
Nun wissen wir:
Der Fußball-Gott ist also Dortmunder. Schön und gut. Doch der Zusammenhalt im Himmel
kennt Grenzen. Offensichtlich. Denn das Herz des Wettergottes schlägt eigentlich für den
SC Freiburg. Es muss so sein. Wer sonst hätte am Sonnabend den ungemütlichsten Tag des
Jahres initiieren können? Der Himmel über Freiburg weinte nicht, er schluchzte förmlich
– und zwar stundenlang. Ohne Pause und Unterlaß, bis in die tiefe Nacht hinein. Der
SCF und die Bundesliga – das war einmal. Zum Heulen war auch Volker Finke zumute. Und
auch der Freiburger Coach ließ seinen Tränen freien Lauf. Nicht vor der breiten
Öffentlichkeit. Irgendwann, in einer stillen Minute. Land unter im Breisgau.
Nur gut, dass da der HSV zu Gast war, bei der vorerst letzten Freiburger Bundesligaparty.
Die Hamburger verstehen etwas davon, Schmerzen anderer zu lindern und Geschenke zu
verteilen. „Das war ein Spiegelbild der Saison“, sagte Kurt Jara nach dem
bedeutungslosen 3:4. „Wir kassieren einfach zu viele Tore. Sechs Treffer haben wir in
zwei Spielen geschossen. Das reicht anderen Teams für neun Punkte.“ Der HSV holte
keinen. Land unter im Breisgau. Aber eine Auszeichnung verdienen sich beim Sportclub auch
seine Fans. Einzigartig, was sich dort im Sonnenparadies zwischen Schwarzwald und Vogesen
abspielt. Da werden ehemalige, gegnerische Spieler mit Applaus begrüßt und in einem Bad
aus Anerkennung und Jubel abgefeiert. Ex-Liebling Cardoso etwa, wurde bei seiner
Auswechslung mit einem tosenden Beifallsorkan bedacht. „Hier zu spielen, ist immer
etwas Besonders“, bekannte der Argentinier. „Es tut mir sehr weh, dass mein
früherer Klub absteigt.“ Einmal mehr unterstrichen die Freiburger Profis die
Einzigartigkeit ihres längst zum Mythos gewordenen Image des anderen Vereins. So
bedankten und entschuldigten sie sich mit einem offenen Brief bei ihren Fans. „Heute
ist ein beschissener Tag. Und es ist ein trauriger Tag. Weil wir Fehler gemacht haben, die
eigentlich nicht passieren dürfen.“ Respekt. „Ich glaube an den sofortigen
Wiederaufstieg“, gab Finke noch schnell zu verstehen, bevor er sich zurück zog. In
einem Jahr soll es soweit sein. Wetten, dass dann die Sonne wieder scheint?
Willkommen Bielefeld und Bochum !!
Grenzenloser Jubel auf der Bielefelder Alm: Fans und Spieler des DSC Arminia feierten gestern bis tief in die Nacht den Aufstieg in die erste Fußball-Bundesliga. In einem furiosen Finale sicherten sich die Ostwestfalen die Rückkehr ins Oberhaus durch einen 3:1-Sieg über LR Ahlen. Nach dem Abpfiff knallten die Champagner-Korken, Zigarrenqualm und Freudengesänge drangen aus der Kabine. Per offenem Lkw ging es zum Bielefelder Rathaus, wo knapp 20.000 Fans ihre Lieblinge erwarteten. Der Fußballverein DSC Arminia Bielefeld spielt in der nächsten Saison wieder in der 1. Bundesliga. Statt Ahlen, Burghausen und Fürth sind demnächst Bayern München, Borussia Dortmund und der FC Schalke 04 zu Gast auf der Alm. Das ist eine gute Nachricht, nicht nur für Sportfreunde. Die Fans der Mannschaften aus der Elite-Liga bringen Farbe in die Stadt und Geld in die Kassen. Wer in der Bundesliga mitspielt, der hat automatisch einen Platz in der Medien-Hitliste. Ob Tages- oder Sportschau, Bielefeld ist künftig wieder dabei. Das tut der Stadt und das tut ganz Ostwestfalen-Lippe gut. Denn obwohl die Wirtschaftskraft der Region dank großer Unternehmen wie Bertelsmann, Miele und Oetker sowie eines leistungsfähigen Mittelstandes beträchtlich ist, die Landschaft außergewöhnlich reizvoll und deren Bewohner geradlinig sind, entspricht das Image von OWL draußen in der Republik, wenn man denn dort überhaupt weiß, wer sich hinter dem Großbuchstaben-Kürzel verbirgt, nicht den wahren Gegebenheiten. Wirtschaft, so heißt es, besteht zur Hälfte aus Fakten und zur Hälfte aus Stimmungen. Erfolg im Sport wirkt sich positiv aus, das haben uns schon die Weltmeister-Helden von 1954 gelehrt und so gesehen, könnte auch Kanzler Gerhard Schröder nichts Besseres widerfahren, als wenn Deutschland kurz vor der Bundestagswahl wieder Weltmeister würde. Leider ist auch das Gegenteil richtig. Der sportliche Abstieg geht bisweilen mit dem wirtschaftlichen einher, wie einstmals große Fußball-Namen, zum Beispiel Pirmasens, Saarbrücken, Magdeburg und Leipzig, nahe zu legen scheinen. „Nie mehr 2.Liga“ ist ein guter Wahlspruch für die gesamte ostwestfälische Region. Die Wirtschaft kann ihn leichter erfüllen als der Club, aus dem einst so kultige Leute wie Frank Pagelsdorf, Thomas Helmer und Zick-Zack (Gerd) Roggensack hervorgingen. Deshalb sollten sich die Bielefelder jetzt aktuell über den Aufstieg freuen und anschließend wieder mit dem obligatorischen Daumendrücken beginnen...
Oh Gott, die Grauen sind zurück!
Auch der VfL Bochum ist nach einem 3:1 am Aachener Tivoli am letzten Spieltag wieder in die Eliteklasse aufgestiegen. Dem Team gelangen durch Christiansen und zweimal Freier die entscheidenden Treffer in einem kampfbetonten Spiel. Parallel gewann Union Berlin daheim gegen den FSV Mainz ebenfalls mit 3:1. Damit gelang dem Team von „Asi“ Peter Neururer nach einem furiosen Saisonendspurt doch noch der 4. Wiederaufstieg der Vereinsgeschichte. Damit folgen Bielefeld und Bochum Zweitliga-Meister Hannover 96 in die Bundesliga. Die Niedersachsen, die bereits vor einigen Wochen als Aufsteiger feststanden, krönten ihre Saison mit einem 5: 1 Auswärtssieg bei der SpVgg Greuther Fürth. Die Franken waren ebenfalls noch mit einer Minimalchance auf den Aufstieg in die 34. und letzte Partie gegangen, hätten aber einen Sieg über die 96er und Pleiten von Bochum und Bielefeld benötigt. Etwa rund 8.000 mitgereiste Bochumer feierten in Aachen und immerhin weitere „Tausend“ in der grauen Ruhrstadt.. Na dann werden wir mal wieder den Weg zur S-Bahn-Station einschlagen müssen, wenn´s soweit ist!
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von: dpa