Tatort Bundesliga - der 24. Spieltag: Bayer & Bayern: Totgesagte leben länger! - Im Keller wird´s langsam auch duster für die Breisgau-Brasilianer
Ketten- und Säbelgerassel vor dem Spitzenspiel, hochgestreckte Fäuste hüben, gesenkte Häupter drüben nachher. Der zum "ultimativen Showdown" hochgejubelte Klassiker, entpuppte sich rasch als einseitiges Match. Es bleibt wie es war. An der Tabellenspitze ist nichts konstant und keiner der Aspiranten überragt. Im Tabellenkeller wird es langsam duster für den Kölner Karnevalsclub, der die diesjährigen Faschingsfeierlichkeiten wohl zu ausgedehnt begangen hat...
Ein Remis - zwei Verlierer
Die Partie war im Vorfeld zur Parole: "Sieg oder Abstieg" hochstilisiert worden. Der Kietz war hoffnungsfroh und übte sich in Erinnerung: Beim 2:2 im Hinspiel stach Gladbachs Igor Demo Thomas Meggle mit beiden Fingern in die Augen, das hatte keiner vergessen! Auch Thomas Meggle hat diese Szene nicht vergessen, auch wenn er beschwichtigte: "Er hat sich damals in der Kabine entschuldigt, damit ist der Fall für mich erledigt." Für die Hamburger Fans aus dem Stadtteil St. Pauli dagegen natürlich nicht… Ansonsten ist die Nachlese schnell auf´n Punkt gebracht: Ein Remis, zwei Verlierer: Das 1:1 zwischen dem FC St. Pauli und Borussia Mönchengladbach im dichten Hamburger Schneegestöber brachte beide Mannschaften im Kampf um den Bundesliga- Verbleib nicht wirklich weiter.
Wahrlich eine vortreffliche Bilanz, die Trainerlegende Hans Meyer gegen die "Hurensöhne" vorweisen kann: Vier Siege (2:0, 2:1, 4:2, 2:0) bei zwei Unentschieden (2:2 und jetzt 1:1) ergeben 14 Punkte und ein Torverhältnis von 13:6. Doch der clevere Coach sah das im Vorfeld nicht unbedingt als Vorteil an: "St. Pauli wird sich nicht in die Hose scheißen, weil jetzt der Meyer kommt. Im Gegenteil. Die werden sagen: Nun schlagen wir diesen Meyer endlich mal!" Seit nunmehr acht Spielen haben die Hamburger gegen die Niederrheiner nun nicht mehr gewonnen. Der letzte Erfolg datiert bereits aus dem Jahr 1989. "Wir können besser mit dem 1:1 leben als St. Pauli", betonte der Gladbach-Trainer, dessen Team als Tabellen-14. nur sogar einen Punkt vom Abstiegsplatz entfernt ist.
Präsident Reenald Koch ("Wir haben schon sieben Punkte Rückstand") hatte von seinen "Underdogs" gefordert, dass sie die "Fohlen" versohlen: "Das ist hier kein Drei, kein Sechs-, sondern ein Neun-Punkte-Spiel. Es geht um das nackte Überleben." Die Botschaft war klar: Bei Nicht-Erfolg muß man die Planungen für die 2. Liga finalisieren. Punkten um jeden Preis - für zwei Kiez-Kicker fast schon Normalität: Holger Stanislawski und André Trulsen fighteten in ihrer Karriere zusammen schon 15 mal um den Klassenerhalt. Sie sind St. Paulis Abstiegskampf- Bollwerk. Seit 1995 bestritt Kapitän Stanislawski fünf Abstiegskämpfe mit St. Pauli, gleich zehnmal ging es für Trulsen mit Pauli, Köln und dem SV Lurup ums Überleben. Der Abstiegskampfexperte weiß, worauf es in dieser Phase ankommt: "Man darf sich nicht von der allgemeinen Hektik anstecken lassen, muss sich voll und ganz auf Fußball konzentrieren." Abstiegskampf - der 36-jährige Abwehrallrounder erklärt die Begleiterscheinungen so: "Jeder Spieltag ist zwischen Hoffen und Bangen. Du gehst auf den Platz, darfst an nichts anderes denken und nach dem Spiel interessieren als erstes doch sofort die Ergebnisse der Konkurrenten."
Der geneigte Fernsehzuschauer indes, zappte an seinem Gerät rum und wähnte sich zeitweilig in einem Olympiakanal in Salt Lake City. Das kampfbetonte Spiel erinnerte phasenweise an olympischen Wintersport. Auf dem verschneiten und teilgeräumten Rasen des Millerntorstadions, im dichten Flockenwirbel taten sich beide Teams verständlicherweise schwer, den Ball unter Kontrolle zu halten. "Der 16-Meter-Raum war schön grün. Alles andere war eine Katastrophe. Ich hätte das Spiel nicht angepfiffen", meinte van Lent. Auch die Hamburger - die unbedingt spielen wollten, weil sie sich im Vorteil wähnten - haderten anschließend mit den Bedingungen. "Da kam kein richtiges Spiel zu Stande. Das war mehr Zufall als alles andere", gab ein enttäuschter Marcel Rath zu Protokoll. Ihre fünften Gelben Karten kassierten Marcel Rath und Jochen Kientz, die dem FC St. Pauli damit beim Gastspiel im Dortmunder Westfalenstadion fehlen werden.
Aktion: "FC jeff Jas" brachte nix!
"FC jeff Jas - Wir kämpfen für Köln!" - Unter diesem Motto (die Mannschaft hatte 20.000 EURO zusammengelegt, um einen Sonderzug für 560 Personen zum Auswärtsspiel nach Nürnberg bereit zu stellen) und mit weiteren 1500 Fans fuhr der FC frohgemut nach Nürnberg.
Der Fall des 1. FC Köln geradewegs in die Zweitliganiederungen geht ungebremst weiter. Auch unter Trainer Friedhelm Funkel machen die "Geißböcke" keinen Boden gut und unterlagen nahezu ohne Gegenwehr beim Mitkonkurrenten 1. FC Nürnberg 0:2, womit ein Rückstand von nunmehr acht Punkten auf einen Nichtabstiegsplatz bei noch zehn Spielen nur noch schwer aufzuholen ist. Vor allem die Art und Weise, wie der 1. FC Köln im zweiten Spiel unter dem neuen Trainer gegen einen ebenfalls nicht berauschenden "Club" auftrat, war in der Tat mehr als bedenklich. Auch wenn Caspers und Funkel die kämpferische und läuferische Einstellung über den Klee lobten, im Spiel nach vorne war von den Kölnern nichts zu sehen. "Uns fehlen die Nerven und die Übersicht", monierte Caspers und "Uns fehlt ein Erfolgserlebnis", meinte Funkel. Aber eigentlich fehlt derzeit alles. "Wie wollen Sie die Mannschaft in den letzten zehn Spiele in der Bundesliga noch motivieren, wurde Funkel gefragt. Seine von Hilflosigkeit geprägte Antwort: "Es ist unsere Pflicht, nicht aufzustecken. Wir müssen die Laufbereitschaft weiter hochhalten, damit wir noch einige Spiele in der Bundesliga gewinnen." Ach so. Satte acht Punkte beträgt derzeit der Rückstand der Kölner auf einen Nichtabstiegsplatz, seit 959 Minuten und dem 24. November 2001 (2:1 in St. Pauli) warten die "Geißböcke" nun schon auf einen Treffer - da haben selbst die (alle Jahre wieder) von den eigenen Fans mit: "Wir sind Kölner und ihr nicht" Gesängen verhöhnten Spieler kaum noch Hoffnung. Kapitän Christian Springer bezeichnete die momentane Situation stellvertretend als "beschissen".
Im Gegensatz zu Keeper Pröll fehlte es den Kölner Feldspielern durchweg an Erstliga-Format. Von der ausgegeben Devise "FC jeff Jas" war so gut wie nichts zu sehen. Statt dessen waren Leerlauf und verbale Auseinandersetzungen mit "Freund und Feind" sowie Hilflosigkeit in Form von Foulspielen angesagt. Lediglich Carsten Cullmann setzte sich ein paar Mal gegen die Franken, die nach gut 20 Minuten unverständlicherweise den Faden verloren, in Szene. Der nach überstandener Virusinfektion ins Team zurück gekehrte Kameruner Nationalmannschaftskapitän Rigobert Song konnte der Kölner Abwehr dagegen keine Sicherheit verleihen.
Vor 25.100 Zuschauern im Frankenstadion bildeten die Tore allerdings die wenigen Höhepunkte. Nürnberg, das durch den dritten Heimsieg in Folge die Abstiegsplätze verließ, wollte nicht, Köln konnte nicht. Für die Gastgeber boten sich aufgrund der schwachen Abwehrleistung der Kölner immer wieder Chancen, die der fleißige "Cacau" zu zwei Toren nutzte. Der Vertragsamateur (mit ihm will die Club-Führung jetzt rasch zu "Profi-Bedingungen" verlängern), traf vor 25.100 Zuschauern abermals und dankte hinterher wie immer Gott für den "Doppelpack". "Das hat er abgebrüht wie ein 30-Jähriger gemacht", lobte Trainer Klaus Augenthaler den 20-Jährigen. Ansonsten konnte sich "Auge" am Spiel seiner Mannschaft allerdings nicht begeistern. "Nach der frühen Führung hat die Mannschaft gedacht, es geht so einfach weiter. Deshalb bin ich in der Kabine laut geworden. Wir mussten bis zum Schluss zittern", moserte Augenthaler. Friedhelm Funkel wäre über solcherlei Probleme am Samstag wahrlich froh gewesen...
Lausitzer 0:9 Tore in einer Saison eingeschenkt
Mit dem höchsten Saisonsieg gegen Abstiegskandidat Energie Cottbus hat der FC Bayern München seinen "Mindestanspruch" auf einen Champions- League- Platz am Samstag vor wieder mal "nur" 28.000 (!) Zuschauern im Münchner Olympiastadion untermauert. Mit 44 Punkten schlossen die Bayern bis auf einen Zähler zum dritten Tabellenplatz auf und bedrohen dort den Nachbarklub aus Gelsenkirchen.
Der höchste Sieg seit neun Jahren, doch schweigend wie ein Trauerzug verließen die Akteure des deutschen Fußball-Meisters Bayern München nach dem satten 6:0 Kantersieg gegen Energie Cottbus die Katakomben des Olympiastadions. "Die Spieler haben die Schnauze voll", sagte Pressesprecher Markus Hörwick und begründete den Presseboykott mit der kritischen Berichterstattung nach der jüngsten Negativserie. Während die zuletzt vielfach als "Scampi-Bayern" verspotteten Profis beleidigt von dannen zogen, stellte sich zumindest die Führung des amtierenden Meisters. "Die Spieler haben sich den Frust von der Seele geschossen", sagte Trainer Ottmar Hitzfeld erleichtert.
Beide Trainer hatten ihre Mannschaft auf jeweils vier Positionen verändert, wobei Hitzfeld mit Pizarro und Carsten Jancker auf ein neues Sturmduo setzte. Der Wechsel machte sich für den Meister früh bezahlt, denn nach Flanke von Scholl sorgte Pizarro per Flugkopfball mit seinem elften Saisontreffer für eine beruhigende Führung. Die Gäste aus der Lausitz, die auf Abstiegsrang 16 zurück fielen, hatten von Anfang an große Probleme in der Abwehr. Faruk Hujdurovic konnte Scholl nicht halten, Radoslaw Kaluzny bekam Pizarro nicht in den Griff, und Matyus konnte Jancker nicht stoppen. Als Matyus den deutschen Nationalstürmer nach einem Effenberg-Pass kurz vor dem Strafraum umriss, bewertete der Unparteiische das Foul sogar als Notbremse und zog Rot. Scholl verwandelte zu allem Überfluss den Freistoß zum 3:0-Pausenstand.
Schiedsrichter schickte zwei Cottbusser vom Platz
Die Gäste aus Cottbus haderten ihrerseits zu Recht nach der höchsten Saison-Niederlage vor allem mit einem Mann - Schiedsrichter Florian Meyer. "Ich hoffe, ich treffe Herrn Meyer in diesem Jahr nicht wieder" - machte Cottbus-Trainer Geyer seiner Empörung über Schiedsrichter Florian Meyer Luft. Der 33-Jährige aus Braunschweig sorgte mit seiner Elfmeter-Entscheidung, die zum vorentscheidenden zweiten Tor führte, sowie den Platzverweisen für die beiden ungarischen Energie-Abwehrspielern Janos Matyus (45.) und Laurentiu Reghecamp (58.) jeweils nach - offizielle Version - "Notbremsen" für hochgradige Empörung bei Trainer Eduard Geyer und den Cottbuser Spielern. In Unterzahl zu acht war Cottbus am Ende dann natürlich nur noch ein Spielball für die Bayern-Stars. Energie hakte noch an Ort und Stelle diese "Klatsche" ab: "Entscheidend wird sein, dass wir das Spiel so schnell wie möglich vergessen", erklärte "Ede" Geyer kategorisch.
Bis zum 0:2 durften die Gäste durchaus ein gewisses Pech beklagen. Denn in der 28. Minute hatte Vasile Miriuta mit einem Freistoß aus 16 Metern nur die Unterkante der Latte getroffen. Nur sieben Minuten später entschied Meyer nach einer Rettungsaktion von Abwehrspieler Jörg Scherbe gegen Pizarro auf Foulelfmeter, den Effenberg zu seinem zweiten Saisontreffer verwandelte. Spätestens nach den Platzverweisen war die Partie für die Münchner nur noch ein lockeres Schaulaufen.
Berliner Himmel hängt wieder "voller Geigen"
Der 1. FC Kaiserslautern hat zunächst einmal die große Chance verpasst, um zumindest für einen Tag nach Punkten zu Spitzenreiter Borussia Dortmund aufzuschließen und rutschte gar auf Platz vier ab. Und Berlin? Keiner weiß genau, was es ist. Aber jeder sieht, dass etwas ist. Im dritten Spiel unter Falko Götz holte Fußball-Bundesligist Hertha BSC den dritten Sieg und feierte beim 5:1 vor 35 000 Zuschauern ein Schützenfest gegen Titelaspirant Kaiserslautern. Damit holte der Nachfolger von Jürgen Röber nach dem 2:0 gegen Stuttgart und dem 3:0 bei 1860 München maximale neun Punkte bei sagenhaften 10:1 Toren aus den ersten Pflichtauftritten unter seiner Regie. Nach dem zwölften Saisonsieg am 24. Spieltag und nunmehr 42 Punkten darf der immer so grenzenlos euphorische Hauptstadt-Klub als Tabellen-Sechster weiter auf einen Uefa-Cup-Platz hoffen.
Niemand weiß, über was (und wie?) Falko Götz und Alex Alves genau geredet haben. Schon sein Vorgänger hatte häufig wie ausführlich mit dem Brasilianer gesprochen. Auffällig ist jetzt jedoch, dass der Stürmer seit dem Trainerwechsel wieder in bestechender Form ist. Die erste Halbzeit - eine eindrucksvolle Alves- Show. Schon den ersten Antritt des Stürmers konnte Kaiserslauterns Defensivroutinier Taribo West nur mit einem klassischen Foul im Strafraum bremsen, Elfmeter. Marcelinho trat an, schaute, zirkelte die Kugel hoch in den linken Winkel und feierte Saisontor Nummer zehn in weißem Unterhemd und schwarzen Handschuhen gemeinsam mit Falko Götz im Arm. "Es geht darum, den Abstand zu den oberen Klubs zu verkürzen", hatte Götz von seiner Mannschaft gefordert. Die griff kontrolliert, aber energisch im 4-3-3-System weiter an. Im Mittelfeld spielte der ungarische Internationale Pal Dardai einen sehr aufmerksamen Abfangjäger, davor hatte Marcelinho im offensiven Mittelfeld alle Freiheiten. Aber nicht nur die Stars zaubern, auch die Jungen entwickeln sich.
Und so trat das Ex- Reutlinger "Talent" Denis Lapaczinski auf der rechten Seite an, schickte Alex Alves in die Gasse. Der tanzte Hany Ramzy lässig aus, doch seinen Schuss konnte West zunächst noch abblocken - den Abpraller jedoch brachte Bart Goor aus sechs Metern im Lauterer Netz zum vielumjubelten 2:0 unter. Eigensinnig sei er, kaum integrierbar und unberechenbar. Von den Vorurteilen, die Alex Alves begleiten, können die Gäste nur das letzte bestätigen. Wie sie es anstellten, sie bekamen den 27-Jährigen nicht in den Griff. In Minute 43 schloss er einen Flankenlauf mit einer präzisen Eingabe auf Michael Preetz ab. Der Torjäger ließ den Ball zwar etwas weit abprallen, schob ihn aber dann doch im Fallen unter den "FCK- Hauptdarsteller" im Tor zum 3:0 Halbzeitstand hindurch. Berlins "Enfant terrible", schon als Fehleinkauf abgestempelt, verdiente sich die stehenden Ovationen der Fans wie das gesamte Team. Manager Dieter Hoeneß schloss den Südamerikaner in die Arme, drückte und herzte ihn: "Nur das Tor hat ihm noch gefehlt. Jeder im Stadion hätte ihm das gegönnt."
Und Kaiserslautern, immerhin als Dritter angereist? So desolat die Pfälzer im Rückwärtsgang agierten, nach vorne spielten sie durchaus gefällig. Miroslav Klose bestrafte einen Patzer von Marko Rehmer, der sich bei einer weiten Flanke verschätzt hat. Vorbei an Gabor Kiraly schob er die Kugel quasi mit dem Halbzeitpfiff zum 1:3 ins lange Eck. Wer nun allerdings einen Sturmlauf der "Roten Teufel" erwartet hatte, wurde böse enttäuscht. Auch in Durchgang zwei spielte nur eine Mannschaft - die Hausherren. Zum "running gag" geriet die Jagd von Alves nach einem Erfolgserlebnis. Einen 15-m-Kracher des Brasilianers wehrte der künftige Dortmunder Roman Weidenfeller noch ab. Auch den nächsten Anlauf des Stürmers mit der Nr. 7 blockte der bemitleidenswerte FCK-Schlussmann, allerdings genau vor die dankbaren Füße von "Oldie" Michael Preetz, der nach exakt einer Stunde dann zum 1:4 einschob. Und der "Lange" strahlte bis über beide Ohren! Der Mann, der in jedem Movie- Klassiker der 50´Jahre den Mafioso spielen könnte, hatte drei Monate lang nicht einmal den berühmten "Möbelwagen" getroffen und nun erzielte der 34-Jährige binnen einer Woche bereits seinen vierten Treffer - insgesamt 9 schon in dieser Saison. Den Schlusspunkt in der jetzt überschäumenden Baustelle setzte dann Marcelinho mit seinem Saisontreffer Nummer elf (69.). Was für eine Packung für die so ambitionierten Pfälzer! 5:1 - die Signale bei Hertha stehen jedenfalls auf Offensive. So viele Tore hat der Klub in der gesamten Saison in einem Match nicht geschossen. Der Abstand zu einem Uefa- Cup- Platz ist auf zwei Punkte verkürzt. Und am nächsten Wochenende geht es zum Tabellenletzten 1. FC Köln . . .
Sammer fordert: Mund abputzen, weiter!
Wem es nicht vergönnt war, im Werksstadion des Bayerkonzerns dabeisein zu können, der "durfte" sich den größten "BVB-Hasser" jenseits der Himmelsphäre reinziehen. Marcel Reif heißt der Mann, ist 52 alt, wohnt als echter Kosmopolit natürlich in Zürich und ist seit seiner Jugendkickerei beim FCK auch Fan des Pfälzer Bauernvereins. Seit seinen Scharmützeln mit den BVB-Fans im Jahre 1996 (Lodz) gelingt es ihm leider nicht, die kritische Reporter-Distanz zu finden und seinen Seelenfrieden mit der seinerzeit heftigst dargebotenen Kritik an seiner Person zu machen. So geschehen wieder Sonntag. Was diese "Schlabberbacke" da so in einer Spielzeit runterschruppt, bringt den geneigten Schwatzgelben schier der Verzweiflung nahe. Alles, buchstäblich alles, wurde zu Ungunsten des Dortmunder Traditionsvereins ausgelegt und dass, obwohl der Pay- TV- Sender an diesem Tage sicherlich einen Grossteil der riesigen BVB- Fangemeinde vor seinem Dekoder begrüßen durfte. Ich will das alles jetzt gar nicht zitieren, sonst verlasse ich hier noch die mir selbst auferlegte Fürsorgepflicht gegen mich selbst...
Und nun zu den Fakten: In einem hoch explosiven Bundesliga-Gipfel triumphierte der Herbstmeister überraschend hoch mit 4:0 gegen den früheren Weltpokalsieger und stürmte seinerseits damit auf den ersten Platz. Zuvor war den Dortmundern ein Tor durch Ewerthon aberkannt worden, weil Amoroso für Jedermann ersichtlich im - allerdings nach gängiger Regelauslegung passiven - Abseits stand. Das von Henrique Ewerthon regulär erzielte und von Dr. Fleischer auf "wedelnde Intervention" nicht anerkannte BVB-Führungstor, darf jetzt allerdings nicht zum "Casus- Knacktus" hochstilisiert werden! Vielmehr sollte man bei der vom Kolumnisten bereits vor Wochen gegeißelten "übertriebenen Fröhlichkeit" einiger und dem wohl inzwischen "chronischen Mitteilungsbedürfnis" vor Spitzenspielen ansetzen! Denn es waren abermals in erster Linie die gleichen Spieler, denen diese böse Klatsche anzukreiden ist.
Hanebüchene Deckungsfehler beim 0:1 bereiteten dem BVB schnell den Garaus, wie auch Matthias Sammer wütend anprangerte: "Da hätte man früher angreifen müssen." Dass unförmige wie pomadige Auftreten Rickens - nicht nur in dieser Szene - war beispielhaft für Einzug haltende Dortmunder Schlafmützigkeit. Und da lassen wir auch keine Ausreden gelten. Spielt er, ist er gesund und fit... "Es stimmt - wir sind in der zweiten Halbzeit ein bisschen auseinander gefallen", gab Nationalspieler Sebastian Kehl zwar zu, war aber auch sichtlich verärgert über Schiedsrichter Helmut Fleischer. "Der Kirsten muss in der ersten Halbzeit ganz klar eine gelb-rote Karte kriegen", befand Kehl allerdings auch nicht zu Unrecht. Auf der anderen Seite ist ein genauer Blick auf die brasilianische Flügelzange mit Evanilson und Dede angesagt, die wieder einmal außer Rand & Band zu sein schienen. Was gerade der zum Transferobjekt zwischen dem verarmten Parma und Borussia gewordene Außenbahnspieler in diesem Spiel falsch machte, geht nicht mehr auf die berühmte Kuhhaut! Aber das muß doch auch das Trainergespann sehen, oder?
Das Torverhältnis ist jetzt auch hin...
Und wenn selbst schon ein einigermaßen besonnen daherkommender Mensch wie Koller wegen einer Hinterhaltgrätsche, derentwegen er sicherlich nicht für teures Geld nach Dortmund transferiert worden ist, des Feldes verwiesen wird, muß auch dem Trainer langsam mal ein Licht aufgehen. Und schlussendlich die Einlagen des Marcio Amoroso, der in seinem Temperament wohl unzügelbar auf den Spuren von Enfant terrible Wolfram Wuttke wandelt, verhält sich höchst undiszipliniert. Da er wieder einmal durch unnötige Provokationen am Rande eines Platzverweises stand, mußte er schnellstmöglich vom Feld genommen werden. Was allerdings noch viel schlimmer wiegt: Der Brasilianer wollte sogar mit seinem Cheftrainer über die - seiner Meinung nach falsche - vorzeitige Auswechselung am Spielfeldrand wild gestikulierend diskutieren. Vielleicht setzt er sich ja auch viel zu sehr selbst unter Druck? Aussagen wie diese jedenfalls: "Wenn wir dieses Spiel gewinnen, dann bin ich sicher, werden wir auch deutscher Meister", sind derzeit wenig hilfreich...
Unfassbar auch wieder das Scharmützel zwischen Kirsten und Lehmann. Dieser hatte sich kurz vor der Pause mit dem wieder einmal übertrieben aggressiv reagierenden Keeper angelegt, dafür genau wie Lehmann gelb gesehen und kurz darauf ein böses Foul am Leverkusener Strafraum begangen, das nicht geahndet wurde. Und wie immer befand er darauf angesprochen in Unschuldsmiene: "Die erste gelbe Karte war aber unberechtigt, ich habe da nichts gemacht, und dann kam der Lehmann, wie man ihn ja kennt." Jaja, der böse Lehmann also. Tatsächlich aber hatte Kirsten "nur" ein wenig nach dem noch nicht ganz in den Händen des Dortmunder Torwarts befindlichen Ball ausgekeilt und war beim Aufstehen doch erstaunlich nah mit seinen Stollen an "Jensis" Nase, worauf dieser naturgemäß empfindlich reagierte, die Contenance verlor und dem "Schwatten" mit dem Handschuh leicht die Nase verdrehte. Das Ganze passierte unmittelbar vor den Augen des Schiedsrichters, der es - um des lieben Frieden willens - jedoch bei einer Gelben Karte für die Streithähne belies.
Für den BVB riss in Leverkusen eine tolle Erfolgsserie von 13 Bundesligaspielen ohne Niederlage. Zugleich verpassten die Westfalen, den Saisonrekord von Bayer mit 14 Partien einzustellen. Außerdem bleibt der BVB seit 1996 in der vollkommerzialisierten schnuckeligen "BayArena" ohne Sieg.
Eiskalter Romeo entscheidet "Nordderby"
Werder im Jahr 2002 - das ist nichts, worüber man sich als Weser-Hanseat freuen kann. Am Sonntag unterlagen die Bremer im 76. Nordderby gegen den Hamburger SV mit 0:1 und verlieren nun im Rennen um einen Platz im UEFA-Cup immer mehr an Boden. Wiedergutmachung hatte HSV-Trainer Jara für das 1:2 in Gladbach und für das 0:4 im Hinspiel gefordert - und es hat geklappt: In Bremen gab es vor 32 250 Zuschauern ein (glückliches) 1:0 - der erste Sieg im Weserstadion seit siebeneinhalb Jahren, damit hat sich der HSV aus der Abstiegszone verabschiedet. Das Tor des Tages erzielte der Argentinier Bernardo Romeo in der 73. Minute - allerdings mit freundlicher Unterstützung von Werder-Verteidiger Victor Skripnik. Die Szene, die ein einseitiges Match falsch entschied: Einen langen Ball ließ Skripnik gänzlich unbehindert über den Scheitel rutschen und verschaffte Romeo damit freie Bahn zum Tor. Dass der "Gaucho" den Ball versenkte, war Ehrensache und für den HSV wohl auch der Abschied vom Abstiegskampf.
Die Bremer hingegen fühlten sich nach dieser gleichermaßen unnötigen wie vermeidbaren Niederlage tief deprimiert. "Wir waren doch die klar bessere Mannschaft mit unendlich vielen Chancen. Der HSV hatte doch Angst vor uns und geht trotzdem als Sieger vom Platz. Da müssen wir uns nicht wundern, wenn wir in der Tabelle weiter abrutschen", schimpfte Torsten Frings. Freilich hatte er Recht: Werder war ohne Frage die dominierende Mannschaft, besaß auch die deutliche Mehrzahl an guten Chancen. Und ja, das Gegentor war dumm, superdumm sogar. Victor Skripnik wusste das, entsprechend stumm blieb er nach dem Abpfiff: "Kein Kommentar." Andere mussten sich ebenfalls auf die Lippen beißen, um den Ukrainer nicht zum Sündenbock zu stempeln. "Einen Vorwurf mache ich ihm nicht. Aber es hat ja jeder gesehen, was da passiert ist", meinte Frank Verlaat.
Die Frage aller Fragen vorm Anpfiff im Weserstadion beim HSV lautete: Kann es auswärts mit zwei offensiven Linksfüßen wie Albertz und Cardoso gut gehen? Die Antwort gab Trainer Jara überraschend: Er ließ den Argentinier Cardoso erst einmal draußen und brachte überraschend den libanesischen Youngster Antar, also die etwas defensivere Variante. Nach fünf Minuten bereits eine Schrecksekunde für die Hamburger: Nach einem langen Pass gewinnt Sergej Barbarez zwar das Sprint-Duell gegen Skripnik, steht aber dennoch als Verlierer da. Er fasst sich an den hinteren rechten Oberschenkel, muss mit Oberschenkelzerrung raus.
Das Derby-Niveau ist zunächst nicht besonders hoch, was daran liegt, dass der HSV hinten die Räume geschickt eng macht, sich taktisch diszipliniert verhält. Deutlich zu erkennen war auch, wem der HSV diesen ersten Sieg im Weserstadion seit dem 6. Oktober 1994 (4:1) zu verdanken hatte. Nämlich Martin Pieckenhagen. Der Torwart reagierte bei einem abgefälschten Schuss von Torsten Frings glänzend und tauchte blitzschnell in die rechte Ecke ab (33.). Auch bei einer Chance für Marco Bode war "Piecke" fix unten, und bei einem Klasnic- Kopfball segelte er wunderbar durch die Luft und pflückte den Ball runter (82.). Logisch, dass der Ex-Rostocker mit Lob überhäuft wurde. "Martin war einfach überragend", schwärmte HSV-Coach Kurt Jara, dessen kurzes Fazit kaum treffender hätte sein können: "Wir haben hinten kompakt gestanden, haben auf unsere Chance gelauert und Romeo hat wieder zugeschlagen - das hat heute gereicht." Einzig der Faktor Glück fehlte noch in Jaras Auflistung. Denn Fortuna hatte bei den Pfostenschüssen von Frings (27.) und Krisztian Lisztes (59.) kräftig mitgemischt. "So verliert man eben solche Spiele", seufzte Frank Verlaat.
Sich aber allein auf das Pech zu berufen, wäre schlicht zu simpel. Schließlich hätte Ailton in Minute 60 nur auf Fabian Ernst querlegen müssen, statt stumpf aus spitzem Winkel draufzuhalten. Thomas Schaaf drängte sich deshalb der schlüssige Verdacht auf, "dass wir uns heute selbst geschlagen haben". Das wiederum kann in der Endabrechnung böse Folgen haben. Vier Punkte trennen Werder mittlerweile von UEFA-Cup-Platz fünf, und Marco Bode weiß: "Jetzt haben wir die schlechtesten Karten." Logisch, schließlich ist Werder im rasanten Sturz von Rang drei schon auf Platz sieben angelangt. Ciao Champions League! - Hallo UI-Cup.
Fundsache: Ex-Profi Guido Erhard warf sich vor einen fahrenden Zug
Und weil es so selten ist, dass auch ein Bundesligaspieler mit sich und dem erworbenen Ruhm nicht klarkommt, dieses zum Nachdenken: Der frühere Bundesliga-Profi Guido Erhard (* 06.10.1969) ist tot. Der 32-Jährige Stürmer, der in der Saison 1994/95 nur 16 Bundsliga-Spiele für den TSV 1860 München bestritten hatte und durch sein Tor im Heimspiel gegen den BVB (1:5 am 18.02.1995) auch bei uns bekannt wurde, stand unter anderem auch beim FSV Mainz 05, dem VfL Wolfsburg den Offenbacher Kickers und Eintracht Frankfurt unter Vertrag. Der aus Klein- Krotzenburg bei Offenbach stammende Erhard war manisch-depressiv und hatte in den vergangenen Jahren bereits mehrere Selbstmordversuche hinter sich. Zuletzt hatte er Ende 2000 versucht, sich mit Tabletten zu vergiften. Die Krankheit war 1997 ausgebrochen, als Erhard beim Zweitligisten Mainz 05 spielte. Unter den Trainern Carsten Wettberg und Werner Lorant stieg er mit den "Blauen" von der Bayern- bis in die Bundesliga auf, wo er als talentierter Führungsspieler auffiel. Nach einem kurzen Gastspiel beim VfL Wolfsburg wechselte er 1996 nach Mainz. Zuletzt spielte er beim hessischen Bezirkligisten Kesselstadt.
Erhard war bis zu seiner Erkrankung ein charakterstarker Führungsspieler, der mit seiner Meinung selten hinterm Berg hielt, auch wenn er damit des öfteren aneckte. Sein ehemaliger Trainer Wolfgang Frank bezeichnete ihn als "guten Typen", dem die Krankheit "die ganz große Karriere" vermasselte. Nach vierjähriger Behandlung und zahlreichen Aufenthalten in der Psychiatrie entschloss sich Erhard im vergangenen Jahr, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau sagte er damals, er wolle "anderen Menschen Mut machen", die sein Schicksal teilten. Er unterzog sich damals einer alternativen Behandlungsmethode und betrieb Ursachenforschung - er meinte, in seiner Vergangenheit psychische Auslöser für sein Leiden ausgemacht zu haben.
Erhards Freunde und Bekannte glaubten damals, er habe seine Krankheit in den Griff bekommen. Nicht zuletzt, weil ihm sein Stammverein Kickers Offenbach als Co-Trainer der A-Jugend wieder eine verantwortungsvolle Aufgabe angeboten hatte. Nach anfänglich großem Engagement hatte er sich allerdings seit Weihnachten vergangenen Jahres auch dort wieder zurück gezogen.