Tatort Bundesliga - der 22. Spieltag: Ob Alaaf oder Helau: Nur „Pappnasen“ im Kopf! - Siege für´s „Nachrückerfeld“ in Bremen und Berlin
Kein Spieltag ohne Topspiel - und es gibt bereits erste Erkenntnisse festzuhalten: Bayern München rutscht ins Mittelmaß, Borussia Dortmund träumt weiter vom Titel und Bayer Leverkusen meldet sich erwartungsgemäß zurück. Der Wettlauf um die deutsche Fußball-Meisterschaft scheint sich zu einem Duell zwischen Dortmund und Leverkusen heraus zu kristallisieren, ja wenn die Pappnasen nicht noch am Wochenende distanziert werden können...
Elber rettet seine Bayern vor erster Heimpleite
Es läuft die 83. Minute in München: Giovane Elber köpft das schmeichelhafte 1.1 gegen das allzeit dominierende Team aus Dortmund, 1B-Torwart Lehmann, einen Meter zu weit vor seinem Tor stehend, muss den Treffer auf seine Kappe nehmen. Doch Elber will mehr, rennt Richtung Torlinie, um den Ball zu holen. Zentimeter vor Lehmann fährt dieser den Ellenbogen aus und streckt damit Elber zu Boden. Der holt den Ball aus dem Netz, läuft auf Lehmann zu, stellt sich auf Zehenspitzen Nase an Nasen mit ihm und wirft ihm vermutlich auf portugiesisch einige Unfreundlichkeiten an den Kopf. Lehmann behauptet später wahrheitswidrig: "Ich habe nichts getan." Erst als ihm der ZDF-Reporter dreimal die unbestechliche Zeitlupenaufzeichnung entgegenhält, räumt der zornige Keeper ein: "Dann stimmt es wohl." Schiri-Lehrwart Eugen Striegel sagt trotzdem später für alle Parteien exklusiv: "Keine Rote Karte." Wer den „Stellenwert“ des gebürtigen Esseners beim DFB-Sportgericht und seinem Vorsteher Dr. Rainer Koch bzw. deren Ankläger Horst Hilpert, bzw. Lehmann´s „größtem Fan“ Heinz Wilhelm Fink kennt, der weiß, welch Dusel „der Schnösel“ hier wieder mal hatte...
"Wir haben bewiesen, dass wir auch mit Spitzenmannschaften mithalten können", gab Jens Lehmann nach Spielschluß zum Besten, "das gibt noch mehr Selbstvertrauen". Dies sagte ausgerechnet der Torwart, obwohl er besagten Ausgleich kurz vor dem Ende fahrlässig verschuldet hatte: "Ich habe Leo gerufen, darauf sind unsere Verteidiger herausgerückt." Von den Kollegen allerdings, wurde der Keeper in Schutz genommen. "Solch ein Ding macht auch Elber nur alle Jahre mal", sagte Jürgen Kohler trotzig.
Da darf ein Amoroso auch mal aufs Dach klopfen, denn glaubt man der „Gerüchteküche“, soll sich Goalgetter Marcio Amoroso beinahe selbst eingewechselt haben. Dem Vernehmen nach soll er in der 65. Minute entschlossen zur Trainerbank gegangen sein, an die Plexiglas-Überdachung geklopft und mit einer deutlichen Geste siegesentschlossen aufs Spielfeld gedeutet haben. Seiner inständigen Bitte habe der Chefcoach dann auch nur ganze vier Minuten später nachgegeben und Jan Koller den gewünschten Sturmpartner zur Seite gestellt. Diese gute wie richtige Entscheidung demonstrierte das „neue, gewachsene Selbstvertrauen“ des Tabellenführers. Matthes Sammer ließ mit dem Bewusstsein, dass seine Kickerelite in der Schlussphase die bessere Kondition in die Waagschale werfen könne, beim schwächelnden Titelverteidiger auf Sieg spielen!
In den kommenden Wochen stehen
nun die Schlüsselspiele gegen Schalke und Leverkusen an. Es ist zu hoffen,
dass der BVB sich nicht beirren lässt und genauso entschlossen den Weg zum
Tor und damit zum Erfolg sucht. Gerade „uns Fans“ ist ein Sieg gegen die verhassten
„Himmelblauen“ am kommenden Samstag mehr wert, als irgend etwas anderes auf
der Welt! In diesem Bewusstsein müssen die Schwatzgelben ohne Kompromisse
den aggressiven Zweikampf suchen! Denn merke: Im heimischen Westfalenstadion
sind noch immer „WIR“ die Macht...
Kahn rastet aus - und wütet gegen Hoeneß
"Uli ist emotional ähnlich wie ich, aber da hat er überreagiert. Dem schmecken Scampis doch auch nicht schlecht. Wir können alles gebrauchen, aber keinen „blödsinnigen Populismus.“ Der hilft uns nicht weiter. Das Falscheste, was man in solchen Situationen tun kann, ist rumschreien und unendlichen Blödsinn erzählen." Sich in der Öffentlichkeit vorzurechnen, wer wann wie viele Scampis gegessen hat, kann eigentlich nicht Thema eines nach Gigantismus strebenden Fußball-Proficlubs sein. Dass ein Angestellter seinem Chef ungestraft "blödsinnigen Populismus" vorwirft, kommt auch nicht so häufig vor - es sei denn, man ist der beste Torhüter der Welt. Erfolgshunger, Titelgeilheit - werden die Grundbedürfnisse von Oliver Kahn nicht befriedigt, dann dreht er durch - und mischt den "FC Hollywood" mal kräftig auf. Für Oliver Kahn ist es damit jetzt endgültig fünf vor zwölf. Oder ist es doch schon zu spät? "Es tut einigen ganz gut, wenn sie lernen würden, auch mit so einer Situation vernünftig umzugehen", meinte Kahn. Noch taugten Champions League und DFB-Pokal als Rettungsanker: "Real Madrid hat auch 'mal die Champions League gewonnen und ist in der Meisterschaft nur Zehnter oder Elfter geworden. Warum soll uns nicht so etwas auch gelingen? Wobei ich nicht glaube, dass wir so weit abrutschen."
Manager Uli Hoeneß indes, reagierte ungewohnt gelassen auf den Kahn-Angriff. "Wir mussten den Spielern sagen, wo es lang geht. Der Olli darf manches sagen. Er braucht sich von all der Kritik nicht angesprochen fühlen. Der bringt immer seine Leistung", sagte Hoeneß. Die Bayern-Bosse sind kleinlaut geworden. "Vielleicht reicht's ja für Platz drei", meinte Kalle „die Schande von Lippstadt" Rummenigge nach dem Blick auf die Tabelle, die den "FC Hollywood" mit vier Punkten Rückstand auf Rang drei ausweist. Die beste Elf der Welt hat im Kampf um die Meisterschaft kapituliert - nur Kahn kennt dieses Wort (noch) nicht...
Werder zieht den Rettungsanker
Der SV Werder Bremen hat am Samstag den totalen Fehlstart in das Jahr 2002 verhindert. Das verdiente 1:0 gegen den 1. FC Kaiserslautern war nach drei Bundesliga-Niederlagen der erste Erfolg im neuen Jahr. Der Brasilianer Ailton dämpfte am Samstag mit seinem Siegtor die Ambitionen der Gäste auf die deutsche Meisterschaft erheblich. Das Team von Trainer Andreas Brehme enttäuschte vor 27 100 Zuschauern auf der ganzen Linie und erlitt nach fünf Auswärtssiegen in Serie einen Rückschlag. Gegen die engagiert spielenden Bremer wirkten die Pfälzer viel zu pomadig und dabei hatten sie im Vorfeld Großes angekündigt: "Wir müssen nachlegen und einen Dreier holen", hatte etwa der von Leverkusen heftigst umworbene Torjäger Miroslav Klose den dritten Auswärtssieg in Serie gefordert!
Auf der Mannschaftssitzung am Vormittag muss es ungefähr so zugegangen sein: Drei Mann spielten heimlich Skat, zwei "sms-ten", zwei spielten Playstation, einer guckte aus dem Fenster, der nächste dachte an die Tochter, die gerade den ersten Zahn bekommt. Der Rest döste vor sich hin. Vorne redete der Teamchef des 1. FC Kaiserslautern. Er habe zum Beispiel darauf hingewiesen, so verriet Andi Brehme der Journalistenschar hinterher, dass sich der SV Werder "sehr giftig" zeigen würde... "Wir waren 90 Minuten ohne Gegenwehr auf dem Platz und hatten nichts zu bestellen", kritisierte Brehme seine Profis. Die auf einer Position veränderte Werder-Mannschaft gab von Beginn an den Takt vor. Für Razundara Tjikuzu, der aus disziplinarischen Gründen pausierte, stand erstmals Holger Wehlage in der Anfangsformation. Der neue Werder-Regisseur Krisztian Lisztes hatte bereits in der 3. und 5. Minuten gute Chancen zum Führungstor. Sein Vorgänger Andreas Herzog, der inzwischen für Rapid Wien spielt, genoss noch einmal das Bad in der Menge im Weserstadion. Beim offiziellen Abschied gab es eine Uhr vom Vorstand und einen Zinnteller von den Fans für die langjährige Nummer 18.
"Heute haben wir endlich wieder
die Werder-Mannschaft gesehen, die im Vorjahr so erfolgreich aufgetrumpft
hat", freute sich Bremens Trainer Thomas Schaaf. Die Pfälzer konnten
sich erst nach 30 Minuten etwas vom Bremer Dauerdruck befreien. Einen Freistoß
von Lisztes lenkte Kaiserslauterns Keeper Georg Koch zur Ecke. Danach schossen
die Gäste durch Vratislav Lokvenc (42.) erstmals auf das Werder-Tor. Auch
die Pause konnte das Pfälzer Offensivspiel nicht beleben. Werder blieb Ton
angebend und nutzte eine der wenigen Unstimmigkeiten in der Lauterer Deckung
zur Führung. Ailton profitierte bei seinem Tor von einer Unstimmigkeit der
Namensvetter Georg und Harry Koch. Selbst der Rückstand rüttelte Kaiserslautern
nicht auf. Die einzige Ausgleichschance hatte wieder Lokvenc (90.), der mit
einem Kopfball aber an Frank Rost im Bremer Tor scheiterte.
Falko Götz setzt neue Schwerpunkte - nicht alle sind begeistert
Die Reißverschlüsse der Trainingsjacken waren hochgezogen, die Kapuzen tief in die Stirn gedrückt. Ein kalter Wind fegte über das Gelände. Der erste Tag nach dem ersten Sieg unter dem neuen Trainer, eigentlich müsste die Stimmung gut sein beim Auslaufen der Fußball-Profis von Hertha BSC. Die Gemütslage indessen war verschieden, je nachdem, wo man hinschaute. Links, auf dem Schenkendorff- Platz, wurde gescherzt und gelacht. Dort trabte der Stamm mit Michael Preetz und Stefan Beinlich und freute sich über das 2:0 vom Vortag über den VfB Stuttgart. In der Mitte stand Falko Götz und telefonierte. Rechts wurde Fußball gearbeitet. Die Reservisten spielten fünf gegen fünf, zu Scherzen war niemand aufgelegt.
In
der Kürze der Zeit - zwei Einheiten standen zur Verfügung - waren grundlegende
Dinge nicht zu ändern. So wurde wie in der Erfolgsphase im Herbst ein 4-3-3-System
gespielt. Aber es scheint, als habe sich mit dem Wechsel die Stimmung geändert.
Das war beabsichtigt. Gegen Stuttgart hatte Götz das Team auf sechs Positionen
gegenüber Cottbus (0:1) verändert. Wer wieder erste Wahl war, wie Michael
Hartmann, hob den Daumen. „Falko hat viele Einzelgespräche geführt. Er hat
versucht, das Selbstbewusstsein zu stärken.“ Kapitän Preetz befand: „Wichtig
war der erste Dreier in diesem Jahr.“ Götz sagte: „Nach einer Serie von nicht
erfolgreichen Spielen war klar, dass etwas geändert werden musste.“ Über Einzelheiten
wollte er sich nicht auslassen. „Es geht um das Ganze.“ Da spricht der erste
Sieg im neuen Jahr für sich.
Die Stimmung hat sich geändert. Was das heißt, muss sich noch erweisen. Denn es hat etwas Ironisches, dass Götz die neue Linie an zwei Akteuren festmachte, die bis vor zwei Wochen noch als „Synonym für Arbeitseinstellung und Kampfgeist“ galten. Die Rede ist von Christian Fiedler und Rob Maas. Beide hatten ihren Anteil an der Serie von zehn Spielen ohne Niederlage zum Ende vergangenen Jahres. Gegen Stuttgart musste Fiedler erstmals wieder auf die Bank und Maas stand nicht einmal im Kader. Fiedler hatte es am Spieltag zum Frühstück aus der Zeitung erfahren, dass er seinen gerade erkämpften Platz im Tor los ist. Später am Vormittag teilte Götz ihm mit, seine Vorstellung vom Torwart-Spiel verkörpere Gabor Kiraly. „Das möchte ich mit einem großen Fragenzeichen versehen“, entgegnete Fiedler, „ich bezweifele, dass die Entlassung von Jürgen Röber an meiner Arbeit gelegen hat.“
Vier Jahre hatte der 26-Jährige gekämpft, ehe er im Trainingslager im Januar erstmals das Rennen gegen Kiraly für sich entscheiden konnte. Nach nur vier Partien im neuen Jahr ist alles wieder vorbei. «Mit den Umstellungen will ich ein Signal an die Mannschaft geben», sagte der Neu-Trainer. Ähnliches hatte Fiedler im Herbst 1997 gehört, als er erstmals seinen Stammplatz verloren hatte. Er findet die Situationen dennoch nicht vergleichbar. „Damals waren meine Leistungen nicht überzeugend, aber das ist diesmal anders.“ Doch während sich der Torwart kämpferisch gab („Ich werde immer wieder aufstehen“), war sein Teamkollege Maas gestern weder zu sehen noch ans Telefon zu bekommen. Der Holländer, der 17 von 22 Saisonspielen absolviert hat, hatte sich abgemeldet - Magen- und Darmgrippe . . .
Götz
gab sich gleichmütig: „Die Saison ist lang, wir brauchen jeden.“ Wer weiß,
der offensiven Elf gegen Stuttgart könne nun eine defensive folgen. „Rob soll
sich auskurieren. Ab morgen bereiten wir uns auf 1860 München vor.“ Der Neue
hat gezeigt, dass er nicht gewillt ist, den Pappkameraden zu geben, bis im
Juli Huub Stevens kommt. Götz hat eingefahrene Bahnen verlassen, neue Reizpunkte
gesetzt. Teilen und herrschen. Dass Risiko ist ihm bewusst: „Ob die Änderungen
langfristig Erfolg bringen, muss sich noch zeigen.“
Schalke vor´m Derby weiter im Aufwind
Soviel ist klar: Schalke 04 reist selbstbewusst zum Revierschlager bei Tabellenführer Borussia Dortmund."Alles ist möglich. Wir müssen uns hohe Ziele setzen. Wer Vierter ist, will Dritter werden. Und das geht immer so weiter", sagte der belgische Nationalspieler Marc Wilmots, vor dem Richtungsweisenden 118. Derby. Und Ebbe Sand goss noch mehr Öl ins Feuer: „Ich freue mich schon aufs Revierderby. In Dortmund haben wir im Vorjahr 4:0 gewonnen. So etwas würden wir natürlich gern noch mal erleben." Abwarten, liebe Pappnasen!
Die Euphorie nach dem "historischen" 2:1 gegen den FC Bayern München war grenzenlos - und nicht wenige hatten die Hoffnung gehabt, dass der „Kiezclub“ St. Pauli mit einer ähnlichen Leistung auch in Gelsenkirchen-Schalke zumindest einen Punkt entführen könnte. Doch nach dem „Mirakel vom Millerntor“ erlebten die „Hurensöhne“ mit einem deutlichen 0:4 ihr blaues Wunder. Irgendwie passt die Pleite auch ja ins betrübliche Bild, das St. Pauli in der Fremde abgibt. Die schreckliche Bilanz: Noch kein Sieg, nur fünf Punkte, 12:28 Tore - kein Team in der Bundesliga ist schlechter. So ist die Klasse natürlich nicht zu halten, zumal es auch zu Hause auf dem Heiligengeistfeld bislang alles andere als optimal lief.
Sicherlich darf man bei einer Millionentruppe wie Schalke verlieren. Aber so wie die Hamburger sollte man eben nicht untergehen. Es war nicht einmal böse gemeint, als S04-Trainer Huub Stevens sich trotz des fünften Sieges in Folge bei den Fans entschuldigte: "Es tut mir leid, dass wir nur vier Tore geschossen haben." In der Tat, es war sogar ein Schützenfest drin. Dabei hatte es mal wieder gar nicht so schlecht für St. Pauli angefangen. Coach Dietmar Demuth hatte sich - supermutig - für die offensive Start-Elf aus dem märchenhaften Bayern-Match entschieden. Doch schon nach neun Minuten lagen die Helden vom vergangenen Mittwoch bereits 0:1 hinten, weil vorn leichtfertig der Ball verloren wurde, Dema Kovalenko Jörg Böhme freien Lauf ließ und Ebbe Sand schneller an den Ball kam als Jochen Kientz und Christian Rahn. Didi: "Wenn man auf Schalke so früh in Rückstand gerät, dann ist es natürlich schwer zu punkten."
Aber nicht nur wegen des frühen Gegentores war er sauer: "Die Schalker waren von der ersten Minute an heiß, als Mannschaft wesentlich aggressiver. Wir konnten weder kämpferisch und läuferisch mithalten. Wir hatten einfach zu viele Ausfälle. Das können wir nicht verkraften. Vielleicht waren einige zu müde oder von der Kulisse beeindruckt. Jedenfalls brauchten die Schalker doch nur auf unsere Fehler zu warten." Und so war es denn auch. Andy Möller konnte vorm 2:0 unbedrängt im Strafraum „Doppelpass mit dem Pfosten“ spielen. Als „Kampfschwein“ Wilmots („Wenn du jetzt in Dortmund gewinnst, bist du mitten im Titelkampf“), nach Henzlers stümperhafter Vorlage aufs Tor schoss, riss Zlatan Bajramovic - wie dereinst beim pölen im Park - die Hände zur Faustabwehr hoch. Der Elfer-Lupfer von „Asi“ Böhme war der Gipfel der Frechheit. Jeder andere Keeper hätte den mit „der Mütze“ gehalten!
Titelambitionen? Derlei Gedankenspiele
gehen dem „Ex-Borussen“ (*LOL*) Rudi Assauer trotz des fünften Erfolgs in
Serie (jedenfalls öffentlich) viel zu weit. „Vor einigen Wochen waren wir
schon abgeschrieben und jetzt sind wir auf einmal deutscher Meister. Das ist
doch Unsinn“, meinte Cigar, der Mühe hat, die aufkommende Euphorie zu bremsen.
„Unser Ziel ist Platz fünf. Es wäre doch vermessen, wenn wir jetzt sagen,
wir fahren in Dortmund drei Punkte ein. Die Borussia ist für mich der Titelfavorit.“
Hoffentlich sehen die Sammer-Schützlinge das genauso!
Leverkusen schiesst sich den Frust vom Leib
Auch Bayer Leverkusen kann es noch: Nach einem deutlichen 5:0 Kantersieg gegen Borussia Mönchengladbach hat sich das Toppmöller-Team im Kampf um den Titel nach ihrer erfolglosen München-Tournee eindrucksvoll zurückgemeldet. Damit haben sich die Farbenstädter erst einmal den Frust von der Seele geschossen und dem Tabellenführer aus Dortmund wieder den Kampf angesagt. "Die Spieler hatten viel Wut im Bauch, denn die Kritik nach dem Schalke-Spiel war ungerecht. Gladbach ist das Opfer geworden. Wir haben die passende Antwort gegeben", kommentierte „Toppi“ den hohen Sieg im Nachbarschaftsduell gegen Aufsteiger Borussia Mönchengladbach, nachdem seine Truppe nach zuletzt schwächeren Leistungen ja mit dem "Hosenscheißer-Image" bedacht worden war.
Nach zwei Niederlagen (0:2 bei den Bayern und 0:1 gegen Schalke) konnte sich die Werkself endlich mal wieder als großer Sieger eines Spieltags fühlen. "Wir haben den Rückstand auf Dortmund um zwei Punkte verkürzt und auf die Bayern auf zwei Zähler vergrößert, denn abgeschrieben habe ich die immer noch nicht", meinte Reiner „der Pate“ Calmund und vergaß offensichtlich, dass auch die Lauterer (0: 1 in Bremen) distanziert werden konnten. Derweil schwelgte der Vater des neuen rheinischen Erfolges und lobte den "Charakter der Mannschaft, die Willenskraft und die Laufbereitschaft, die nicht zu überbieten ist."
Außerdem kam diesmal auch das nötige Schussglück dazu, das noch gegen Schalke drei Tage zuvor gefehlt hatte. Toppmöller: "Das ist oft im Fußball so, dass man in einem Spiel noch Stunden spielen kann und kein Tor macht. Und im nächsten ist fast jeder Schuss ein Treffer." So war es, Michael Ballack mit Saisontor Nummer elf und die Nationalspieler Oliver Neuville und Bernd Schneider machten schon nach einer guten halben Stunde alles klar. Carsten Ramelow und der von Berti Vogs seinerzeit entdeckte Dimitar Berbatow in den Schlußminuten machten den höchsten Saisonsieg von Bayer perfekt.
"Wir
haben eine gute Leistung geboten und nicht viel zugelassen", meinte Ballack,
der ebenso wie Neuville angeschlagen ins Spiel ging, aber trotzdem eine Klasseleistung
ablieferte. Nun geht es aber darum, im nächsten Spiel beim Tabellenkellerkind
FC St. Pauli die Leistung zu bestätigen und die Auswärtsnegativserie von vier
Pleiten in Folge zu beenden. "Wir dürfen St. Pauli auf keinen Fall unterschätzen
und müssen eine genauso konzentrierte Leistung wie heute bringen", erklärte
Torwart Jörg Butt. Die Partie im Millerntor ist der Auftakt der wohl in punkto
Meisterschaft richtungweisenden kommenden Wochen. "Vom 16. Februar bis
23. März müssen wir elf Spiele machen. Wir sind noch in drei Wettbewerben.
Die heutige Leistung macht mir aber Hoffnung", meinte der Bayer-Coach,
der sich allerdings über eines im Klaren ist: "Die Mannschaft muss sich
allein helfen." Denn wie schon gegen Schalke geriet auch das Heimspiel
gegen Gladbach auf Grund der lautstarken Gästefans fast zur Auswärtspartie
– und als nächstes kommt Borussia Dortmund, das auch nicht gerade wenig Auswärtsfans
stellt.
Sein Kollege Hans Meyer war derweil nach der deftigen Pleite in Leverkusen sichtlich konsterniert. "Wir haben nach dem 0:3 bei Hertha die zweite richtige Klatsche kassiert. Leverkusen hat uns aufgestellt, und wir haben uns aufstellen lassen. Wir waren ein gefundenes Fressen", resümierte der Fußball-Lehrer mit gewohnt offenen Worten, wobei er darauf verzichtete, die viel zu harte Gelb-Rote Karte für Steffen Korell (57.) zu kritisieren. Der Ausfall von Bayer-Torjäger Ulf Kirsten (Gelbsperre) war wie von Meyer befürchtet nicht von Vorteil. Kirsten-Stellvertreter Dimitar Berbatow bereitete der Borussia- Innenverteidigung mehr Probleme, als ihnen lieb war. Meyer: "Als wir den in den Griff bekommen haben, da war die Krähe schon tot." Vier Tage nach dem 4:0-Triumph im Derby gegen den 1. FC Köln holte die Fußball-Wirklichkeit die Gladbacher fürchterlich wieder ein!
Kölle „Helau“
Der Regisseur des Stadion- TVs im Hamburger Volksparkstadion besitzt offenbar weder Mit- noch Taktgefühl. Ein ums andere Mal wird die Kamera voll auf Hannes Linßen gehalten – natürlich Großaufnahme! Und jedes Mal scheint der Sportdirektor des 1. FC Köln ein Stückchen tiefer in seinem Plastiksitz, Haupttribüne rechts, zu versinken. Als Linßen zum letzten Mal ins Bild gesetzt wird, ist's Gott sei dank vorbei. Mal wieder satt mit 0:4 hat der FC verloren - wieder einmal, nachdem es vor vier Tagen in Mönchengladbach dieselbe Abreibung gegeben hatte.
Der Sturzflug in die 2. Liga wird mit aller Hingabe vorangetrieben. "Wir haben heute mal wieder Geschenke verteilt", bilanzierte Immer-noch-Trainer Christoph John, dem täglich klarer werden dürfte, dass er sich auf eine unlösbare Mission eingelassen hat. Dabei hatte den Coach vor der Partie noch das Gefühl beschlichen, "dass die Mannschaft wieder an sich glaubt". So etwas muss man wohl als loyaler Club- Angestellter sagen, selbst wenn man zunehmend in die Rolle eines Katastrophen- Beauftragten genötigt wird.
Über weite Strecken der 90 Minuten konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, als wollten die FC´ler mit ihrem Gegner lediglich darüber verhandeln, wie sie die drei Punkte überreichen sollten. Mutlos und verunsichert fügte sich der Geißbock in die Opferrolle. Allein Markus Pröll konnte sich damit nicht anfreunden. Ungefähr ein halbes Dutzend mal musste der Keeper seine Talente zeigen. Und die waren an diesem nass-windigen Sonntag bemerkenswert. Barbarez raufte sich jedenfalls mächtig das Haar, als der FC- Keeper seinen 12-Meter-Schuss noch aus dem linken unteren Eck fingerte, und auch der Argentinier Romeo staunte nicht schlecht, als Pröll gleich zwei mal prächtig reagierte. Nach 34 Minuten aber beulte sich dann doch das Kölner Netz, weil „einer allein“ eben zu wenig ist. Bei Hollerbachs Eckball durfte Fukal die Plastikkugel unbedrängt einnicken.
Für die HSV-Fans das untrügliche Zeichen, erste Häme über den ohnehin schwer
angeknockten Gast auszukübeln: "Und sooooo.... spielt ein Absteiger",
hetzten die Hanseaten und werden am Ende wohl recht behalten. Denn auch nach
Wiederanpfiff demonstrierte der FC alle Attribute eines Sitzenbleibers. Bei
Romeos Kopfball an die Latte half Fortuna noch, doch als Moses Sichone ohne
Not einen Querpass von Barbarez ins eigene Tor beförderte, war alles vorbei.
Dass Barbarez drei Minuten später unbedrängt auf der Torlinie zum 3:0 einnicken
durfte, gehört inzwischen zum kölschen Standardrepertoire. Romeo traf schließlich
noch einmal kurz vor dem für Kölner Narren erlösenden Abpfiff, aber das interessierte
nicht mehr wirklich. Genauso wie die rote Karte für den Franzosen Laslandes
kurz vor Ultimo.
Der Kölner Fan fragt sich vielmehr, ob und wann es zu einer Änderung des Klubnamens
kommt: "Tasmania Köln" wäre eigentlich nicht der schlechteste Vorschlag
- in Anlehnung an die statistisch bislang schlechteste Bundesliga-Truppe aller
Zeiten. Nichts Neues natürlich auch an der Sportlehrer-Front. Unterdessen
hat Präsident
Albert Caspers wegen der sportlichen Krise des dreimaligen deutschen Meisters
erstmals seinen Rücktritt nicht ausgeschlossen. „Wenn ich das Hauptproblem
sein sollte, wäre ich bereit, zurückzutreten“, sagte der 68 Jahre alte ehemalige
Automobil-Manager (Ford), während der sportliche Leiter Hannes Linßen
für sich persönliche Konsequenzen ausschloss, "keinen Kommentar"
zum aktuellen Reizthema abgeben mochte, John lediglich versicherte, sich "nicht
von der Brücke stürzen" zu wollen, vermeldete Hauptgeschäftsführer Claus
Horstmann zumindest, dass "sich noch nichts getan hat und sich auch am
Rosenmontag nichts tun wird." Alles wie gehabt... Kölle helau!