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Die schwatzgelb.de WM-Kolumne 2002 - Teil 2: Morgengrauen, Episode II

02.06.2002, 00:00 Uhr von:  Jan
Die schwatzgelb.de WM-Kolumne 2002 - Teil 2: Morgengrauen, Episode II
Das WM 2002-Kolumne-Logo

Nein, einem Fußballspiel, gar einem WM-Spiel war die Stimmung nicht würdig. Vereinzelte Anfeuerungsrufe der Franzosen, rhythmisches trommeln der Senegalesen und dazu das ununterbrochene Gedröhne der vielen kleinen Trommeln, was man, wenn das Eröffnungsspiel doch in Japan stattgefunden hätte, mit dem Geräusch eines ausschlagenden Geigerzählers hätte verwechseln können.

Zwar schön, braucht aber keine Sau... - Bild von der Eröffnung der WM
Zwar schön, braucht aber keine Sau...

Die imposante Eröffnungsfeier war wie jede andere Eröffnungsfeier – zu lang für das nach Fußball lechzende WM-Herz.

Die nicht aufhören wollenden Ausschweifungen von dem Traumpaar der ARD Günter und Gerhard, hatten die Ungeduld und das Sehnen nach dem Anpfiff ja schon in schier unglaubliche Höhen getrieben. So ertappte auch ich mich dabei, wie ich mir wünschte, dass doch eine Rakete des Feuerwerks einen Darsteller während der x-ten Kreisformation ruhig mal treffen könnte und so das Spiel doch bitte schon frühzeitig beginnen möge. Zugegeben, hirnrissig, doch das Lechzen nach der Droge Fußball lässt die Sinne oftmals verrückt spielen.

Doch irgendwie kann man es den asiatischen Gastgebern nicht übel nehmen, da selbst der anerkannteste Pop-Star über 1 Meter Körpergröße nicht hinauskommt und mehr einem Staubsaugervertreter oder 1a Schwiegersohn ähnelt, als einer östlichen Rock-Ikone. Doch nicht nur sein Auftritt bei der vorabendlichen Gala zauberte einem ein verschmitztes Lächeln aufs Gesicht, sondern auch der von Franz Beckenbauer, der neben Gerd Müller der einzig bekannte deutsche Fußballer in Korea ist.

Nachdem die französische Legende Platini seine kleine Rede an das anwesende Publikum in seiner Landessprache gehalten hatte, muss sich wohl unser Kaiser schon auf der sicheren Seite gewähnt haben, denn anders war sein Gesichtsausdruck nicht zu erklären, als ihm der Moderator klarmachte seine Rede doch bitte in Englisch zu halten. Ob es nun englisch mit bayrischen oder bayrisch mit englischen Akzent war, wird wohl sein Geheimnis bleiben auf jeden Fall tat auch das der guten Stimmung keinen Abbruch. Der Höhepunkt des Abends war der mit Feuerwerk und Effekten gespickte und mit dem „Radetzki-Marsch“ unterlegte Gesang der berühmtesten Opersängerin Koreas. Komisch, bei einem Marsch denke ich nicht unbedingt an Verbrüderung der Völker der Welt, aber vielleicht geht das nur mir so, na ja...

Schallende Ohrfeige für Blatter

So sieht er sich am liebsten: Saddam Blatter in Jubelpose
So sieht er sich am liebsten: Saddam Blatter

Doch das Highlight des Abends war der Auftritt vom vollkommen demokratisch wiedergewählten Sepp Blatter. Seine Rede wurde unterlegt mit Pfiffen, die ihm wohl doch sehr nahe gingen. Anscheinend hatten aber die „Pfeiffer“ was von der außerordentlichen Mitgliederversammlung von vor wenigen Tagen gelernt, denn sie warteten nicht darauf von Blatter aufgerufen zu werden und verzichten gänzlich auf Meldungen, die er sowieso nicht beachtet hätte. So wurde gepfiffen was die Lunge hergab, was Blatter mit „Fair-Play please“ kommentierte. Vielleicht sollte Herr Blatter erst mal die demokratischen Grundordnungen in seinem Verband wieder einführen, bevor er solchen verbalen Dünnschiss freisetzt.

Die Fifa – eine der letzten Diktaturen der Erde...George Bush hat schon Blut geleckt.

Und schon wieder strauchelt ein Weltmeister zum Auftakt

Das eigentliche Spiel zwischen Frankreich und dem ehemaligen Selbstbedienungsladen des Weltmeisters Senegal, erfüllte aber voll die Erwartungen. Vor allem der junge Diouf begeisterte, doch steht für seinen zukünftigen Trainer Gerald Huollier viel Arbeit an, denn es scheint, dass das Erklären der Abseitsregel bei ihm ungefähr genauso viel Schwierigkeiten mit sich bringt, wie beim Großteil der weiblichen Bevölkerung. Selbst Schuld, denn der junge Diouf, immerhin Fußballer des Jahres in Afrika, nahm sich durch seine dummen Abseitsstellungen immer wieder selbst aus dem Spiel. Im Zweikampf war er kaum zu stoppen, viel mehr vernaschte er Leboeuf ein ums andere Mal und leitete auch so das entscheidende Tor ein.

Dieses Gesicht sagt wohl alles - sorgenvolles Gesicht von Zinedine Zidan
Dieses Gesicht sagt wohl alles

Zinedine Zidane verkörperte auf der Bank der Franzosen das Leiden des Weltmeisters besser als kein anderer. Der leere und enttäuschte Blick zu Beginn wandelte sich von Minute zu Minute in schier unglaubliche Trost- und Ratlosigkeit.

Nein, dieser Mann sah nicht wie der Messias der Equipe Tricolore aus, dessen Aufgabe es ist, nun den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Es wird sich zeigen, ob die Ehrung „Bester Fußballer der Welt“ auf Zidane zutrifft, ein Spieler der für jede Mannschaft von elementarer Wichtigkeit ist.

In Madrid hatte er zu Beginn mit der hohen Verantwortung schon seine Probleme. Gegen die „Urus“ muss unbedingt ein Sieg her, sonst endet der Asien-Ausflug früher als geplant.

Harald Schmidt witzelte bereits mit dem sicheren Ausscheiden der Mannschaft...

Jetzt werden wir Weltmeister!

Kopfball – Tor, Kopfball – Tor...*gähn* wir wollen Fallrückzieher! - Ein jubelder Miro Klose
Kopfball – Tor, Kopfball – Tor...*gähn* wir wollen Fallrückzieher!

Doch nun zum alles überragenden Highlight des Wochenendes. Was hatten wir alle gerätselt, was hatten wir alle gelästert, doch die deutsche Mannschaft hat uns alle abgewatscht. 8:0 gegen die Prinzen aus dem größten Buddelkasten der Welt, der höchste WM-Sieg aller Zeiten. Nun soll auch die Angst vor der Turniermannschaft in die Gesichter der Gegner zurückgekehrt sein, wo schon der pure Anblick unserer neuen Helden zu Verkrampfungen führt. Einer der diesen Status spätestens seit dem Lion Werbespot inne hat, brachte alles auf den Punkt: „Der psychologische Faktor ist ganz entscheidend. Jetzt werden die anderen Mannschaften bei dieser Weltmeisterschaft wieder sehr, sehr großen Respekt vor Deutschland haben“, sagte Oliver Kahn kurz nach dem Spiel. Gut gebrüllt Löwe!

Sogar längst abgeschriebenen war es an diesen Abend nicht vergönnt sich aus der Krise zu schießen. Die Saudis hoppelten auf dem Platz hin und her, während sich Klose und Co munter die Bälle zuschoben. Schon bei der Begrüßung schienen einige Wüstenkicker vor Ehrfurcht gar nicht mehr aus dem Staunen herauszukommen. Jeder Deutsche war mindestens einen halben Kopf größer und hätten die japanischen Veranstalter nicht die 2. Klasse der städtischen Schule zur Begrüßung aufs Feld geschickt, sondern einen höheren Jahrgang, hätten sogar die kleinen Kinder, die Söhne der Wüste überragt. Doch das alles sollte den großartigen Sieg nicht schmälern, selbst gegen eine E-Jugend muss man erst mal gewinnen.

Begeisterung in der ganzen Republik und wie wir Deutschen nun mal sind, steht der neue Weltmeister nach diesem Spiel bereits fest. Im Grunde kann ja gar nichts mehr schief gehen. Die Saudis gewannen gegen Senegal 2:1, die Afrikaner bezwangen ihrerseits die Franzosen mit 1:0 das macht nach Adam Riese und deutscher Übermütigkeit ein 9:0 gegen den bisherigen Weltmeister. Problem nur, dazu müsste Frankreich sich bis ins Finale wursteln.

Möge die Macht mit ihnen sein

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