Serie

Die schwatzgelb.de WM-Kolumne 2002 - Teil 1: Morgengrauen, Episode I

29.05.2002, 00:00 Uhr von:  Jens
Die schwatzgelb.de WM-Kolumne 2002 - Teil 1: Morgengrauen, Episode I
Das WM 2002-Kolumne-Logo

Episode I - Na klar, die Episode vor dem Morgengrauen, noch hat die WM tief im Osten unseres Planeten noch nicht begonnen, noch heißt es für alle Studenten und Arbeitslosen ausschlafen. Auch die Nachtschichtler können sich morgens noch gemütlich ins Kissen legen und schlafen.

Logo schwatzgelb.de (auf japanisch)
schwatzgelb.de (auf japanisch) auf Asia-Trip...

Doch spätestens Freitag, 13:30 Uhr sieht die Welt für 4 Wochen wieder anders aus. Die WM in Japan und Südkorea beginnt – endlich! Und die ersten Appetithappen waren vielversprechend: unsere Nationalmannschaft spielt in neuen, roten Trikots (sind die eigentlich eine Reminiszenz an MV’s rote Nase?) großartigen Fußball gegen die renommierte U18-Auswahl der Region Makidingens im Süden Japans. Abertausende deutsche Fans werden Japan und Südkorea überrollen, sie alle leisten sich einen Billigflug nach Ostasien. Über 15.000 Chinesen und 8.000 Engländer können deutsche Fußballfunktionäre nur müde lächeln, sie wissen knapp 1.000 deutscher Hardcorefans hinter sich und der Mannschaft. Soweit, sogut.

Das Panini-Logo
Zur WM-Zeit wieder hoch im Kurs: Das Panini-Sammelheft
© Bildquelle: Panini

Und was passiert derweil zu Hause? Man, Freitag wird das Turnier beginnen und ich bin ehrlich: ja, ich freu mich drauf. Jetzt sind bald 3 Wochen ohne Fußball um, die Pause reicht, der Heißhunger kehrt zurück, von mir aus kann es wieder losgehen. Also her mit der WM und mit der Nationalmannschaft zittern. Bis vor wenigen Tagen hat sie mich überhaupt nicht interessiert, die WM. Da wurde mir bewußt, daß sie das einzige fußballerische Ereignis – außer der sonntäglichen, hochklassigen Kicks im Freundeskreis auf dem Bolzplatz – der nächsten Wochen sein werden. Da begann ich mich erstmals mit der WM zu beschäftigen, die alten Rituale wieder ausgegraben. Wie seit 1994 üblich, kaufte man sich nun flugs das Panini-Sammelheft und mit einigen ebenfalls nur scheinbar erwachsenen Freunden geht es nun regelmäßig ans Tauschen der begehrten Bilder. Das kicker-WM-Sonderheft war sowieso Pflichtprogramm und nach 2 Wochen habe ich mich dann auch mal beim Studieren der gegnerischen Aufstellungen erwischt. Die wiederum waren wichtig für das kicker-WM-Spiel, bei dem ich ja schließlich eine gute Mannschaft zusammenstellen mußte. 3 Spieler aus jedem Team, da muß man Stammspieler erwischen und diese möglichst aus Favoritenteams wählen, man will ja im Viertelfinale nicht mit nur noch 3 Spielern dastehen. Das typische WM-Fieber steigt also, man vergnügt sich schon im Vorfeld mit allerlei Unsinn. Oder ist es schlicht nur Bundesliga-Entzug?

Quatsch, natürlich freut man sich auf eine Weltmeisterschaft. Inzwischen ärgere ich mich, in der Vergangenheit nicht ein wenig sparsamer gewesen zu sein, dann hätte ich mir vielleicht 2 Wochen Japan gönnen können. Ok, ein Fahrrad ist kein echter Ersatz für ein Auto, aber was tut man nicht alles für sein Land!?

Zurück zum Auslandseinsatz unserer Nationalspieler, der ja bekanntlich unter keinem guten Stern steht. In der Vorbereitung, ausgerechnet gegen die Ösis, verletzt sich unser aller Basti-Fantasti (in Berlin liebevoll Zasti-Fantasti gerufen) schwer und fällt für ein halbes Jahr aus. Leverkusens Libero „Kerze“ Nowotny mit Kreuzbandriss nicht minder lange. Dann kneift Jörg Heinrich, den die Bild gar nicht dabei haben wollte und ihn trotzdem des Kneifens verdächtigt (klingt logisch, oder?). Wohl extra für US-Präsident Bush ist Gerald Asamoah einberufen worden, der neulich Brasiliens Staatspräsidenten fragte: „Do you’ve blacks, too?“, der mit Asamoah jetzt wohl ein großes Rätsel zu lösen haben dürfte. Aber wahrscheinlich interessiert er sich gar nicht für Fußball und bleibt Football und Kriegsspielchen treu, da geht’s schließlich jeweils um Raumgewinn. Im Gegensatz zu Clintons Tochter Chelsea, die selbst Fußball spielte und wie ein Londoner Erstligist heißt, ist Bush’s Tochter eher für Saufgelage bekannt, was sie dem „gemeinen Fan“ natürlich sympathischer macht. Vielleicht taucht die kleine Bush ja am Rande eines Spiels auf und schüttet sich mit englischen Fußballfans mal richtig die Rübe zu.

Während Medien und Öffentlichkeit nur über das vermutet schlechte Abschneiden der eigenen Nationaltruppe spekulieren, versprühen unsere Fernostkämpfer gesunden Optimismus. Für den gar von den „Prinzen“ besungenen Torwarthelden Olli Kahn ist es klar, daß „wir für einige positive Überraschungen sorgen werden.“ Und alle anderen sprechen es ihm nach und tun so, als würden sie vor Übermut nur so strotzen. Selbst Rhetorik-Künstler Michael Skibbe weiß von toller Stimmung zu berichten. Wobei einem bei Michael Skibbe alles mögliche einfällt, nur nicht tolle Stimmung oder gar Euphorie. Rudi Völler a.k.a. „Tante Käthe“ weiß natürlich, daß er auch mal dazwischen hauen muß und der kicker findet, daß „der Rudi das ganz prima macht“. Nicht so hart wie Berti Vogts (fällt einem bei Vogts etwa „Härte“ ein?), aber auch nicht so lasch wie der senile ergraute Erich Ribbeck. Quasi eine Mischung aus beiden, da bleibt die Frage offen, was für ein sportliches Ergebnis bei der Mischung Ribbeck/Vogts zu erwarten ist? Wir warten ab und hoffen natürlich das Beste...

Bild von unserer WM-Truppe
Unsere WM-Truppe

Und dann war da noch das Theater um Diego Maradona. Um seinen Heiligenstatus zu untermauern wollten die Argentinier die legendäre Nummer 10 nicht mehr neu vergeben, stattdessen sollte die „24“ an den Ersatztorwart gehen. Die FIFA lehnte ab, genau wie die japanische Regierung die Einreise von Maradona. Nun sollte der Ersatztorwart die „10“ tragen, das war Nationaltrainer Bielsa am Ende dann wohl doch zu albern und er entschied, daß Ariel Ortega wie schon 1998 die 10 bekommen solle. Japans Koksstuben und sonstige Etablissements werden die Einreiseverweigerung für Maradona nicht gerne gesehen haben, aber einer der letzten großen Weltstars muß draußen bleiben. Vielleicht fliegt er nun wieder zu Genosse Fidel und weint sich über die Ungerechtigkeit der Welt aus, während dieser ihm den auf den Arm tätowierten Che Guevara streichelt.

Nicht zu vergessen das pre-WM-Theater um Irlands Kapitän Roy Keane, der war nach derber Kritik am Nationaltrainer von diesem aussortiert worden und sauer nach Hause geflogen. Dort hatte er dann verkündet nie wieder unter Trainer ... zu spielen. Am nächsten Tag fiel ihm dann wohl beim Blick in seinen Personalausweis ein, daß das sein letzte WM sein wird. Nun bettelt er um Wiederaufnahme, doch das irische Team verkündete erst sein knallhartes „never - sorry, kein Interesse“ in die Welt um dann per Pressemitteilung eilfertig kund zu tun, daß man bei entsprechender Entschuldigung seinerseits an Trainer und Team wieder an einer Rückkehr von Keane glauben könne. Verrücktes Irishvolk...

In Schweden löst man solche Streitigkeiten anders, da wird im Training mal ordentlich auf die Mütze gekloppt und das selbige Training dann aufgeregt abgebrochen. Am Ende spielen aber alle wieder mit und keiner ist nach Hause geflogen.

Die BVB-WM-Fahrer

Ich werde schon jetzt Lothar Matthäus vermissen, in meinem Universum fand keine WM ohne ihn statt. Ein schrecklicher Gedanke, seine geistigen Ausflüsse nicht zu hören zu bekommen. Was wäre das ein Sonntag morgen, wenn Loddar früh morgens verkündet, gut drauf zu sein und zu berichten weiß, daß alles in bester Ordnung ist, seit Jürgen Klinsmann nicht mehr dabei sei. Na, wer weiß, vielleicht wird Loddar vom Rudi ja doch noch nachnominiert, als Motivator und anonymer Tagebuchschreiber von Michael Skibbe. Das Stefan Effenberg für die Spielerfrauenbetreuung nachgeholt wird, ist aber nur ein Gerücht, der hat‘s in Thailand derzeit sicher viel bequemer.

Und zu guter Letzt freuen wir uns auf den versöhnlichen Tandemsprung von Friedrich W. Möllemann und Michel Friedmann über dem Finalort von Yokohama. Ne, wat schön..............

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel