schwatzgelbes Halbzeitgespräch mit Freddie Röckenhaus
Freddie Röckenhaus dürfte den meisten BVB Fans vor allem durch seine gelegentlichen Gastauftritte im DSF "Doppelpass" bekannt sein. Doch der Journalist und Filmemacher hat viel mehr zu bieten als Fußball-Talk im DSF. 1956 in Dortmund geboren und direkt bei der Pferderennbahn, auf der Grenze zwischen Wambel und Gartenstadt, aufgewachsen, konnte er bis heute nie ganz vom BVB lassen.
So schreibt er schon seit Anfang der Neunziger Jahre Woche für Woche über den BVB - regelmäßig für die Süddeutsche Zeitung und die Berliner Zeitung, häufig für den Tagesanzeiger in Zürich sowie die Financial Times. Nach dem Abitur studierte er Germanistik, Sport, Erziehungs- und Sozialwissenschaften in Bochum und Münster. Schon als Schüler und während des Studiums arbeitete er für die Westfälische Rundschau und für das Pop-Kultur-Blatt Spex. Nach dem Staatsexamen absolvierte er ein Volontariat bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) und bei Radio Bremen Fernsehen, wo er als freier Mitarbeiter auch bei der täglichen RB-Sendung "Buten un binnen" mitarbeitete. Von 1989 bis 1994 war er Redakteur bei der Wochenzeitung Die ZEIT und wechselte dann zur Süddeutschen Zeitung. Von dort aus machte Röckenhaus, wie er sagt: "einige Fernsehsachen", wie etwa das Medienmagazin "Studio / Moor". Bereits seit 1994 betreibt er gemeinsam mit Petra Höfer die Produktionsfirma colourFIELD. Röckenhaus selbst konzentriert sich schwerpunktmäßig seit 1996 aufs Fernsehen. Das Filmemacher-Duo Röckenhaus/Höfer hat bis dato knapp 30 Dokumentationen produziert. Die wohl bekannteste Doku-Reihe dürfte "Mondän!" sein.
Zwischen 1998 und 2000 liefen bisher 13 Teile, und die Reihe wird
wegen des anhaltenden Erfolges derzeit mit einer vierten Staffel
fortgesetzt. Zuletzt produzierten die beiden im Jahr 2001 die
vierteilige Reihe "California Dreamin", die sonntags abends um 19.30 Uhr
im ZDF lief und wie "Mondän!" ebenfalls ein Millionenpublikum hatte.
Darüber hinaus steuerte ColourFIELD unter anderem sechs Folgen für die
mehrfach preisgekrönte, sehr renommierte ARD-Reihe "Unter Deutschen
Dächern" bei. Nominierungen für den Grimme-Preis und sogar für den
Deutschen Fernsehpreis unterstreichen nachhaltig die Qualität der
Filmemacher. ColourFIELD arbeitet zurzeit gleichzeitig an drei
ZDF-Reihen und an einer weiteren für den Kultursender arte. Zudem
produziert die Firma gerade einen Film über "Fußball und Zwangsarbeiter"
für die ARD.
Zum Thema Fußball produzierten Freddie
Röckenhaus, Petra Höfer und Heinz Reudenbach 1996 unter dem Titel "Die
Profis" eine Dokumentation über Borussia Dortmund. Dabei schauten die
Filmemacher hinter die Kulissen des Vereins und beobachteten die
Selbstinszenierung des BVB zwischen Öffentlichkeitsarbeit und
Vereinsalltag, brasilianischem Trainingslager, Europacup in Amsterdam,
täglichen Interviews, Massagebank, Vereinsarzt und dem Warten auf das
nächste Spiel. Dem Trio gelang damals eine bemerkenswerte Darstellung
des Vereins. Trefflich zeigten sie die Wandlung vom Arbeiterverein zum
professionell gemanagten Topklub. ColourFILED liegt zurzeit eine Anfrage
vor, einen weiteren Film über Borussia zu produzieren, der dann als
Doppelpack mit einer Doku über Schalke ausgestrahlt werden soll. Im
Moment ist aber noch nicht sicher, ob das mit den derzeitigen
Kapazitäten noch zu schaffen ist. Neben seinen filmischen Aktivitäten
schreibt Röckenhaus weiterhin in verschiedenen Blättern, regelmäßig vor
allem für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit und die Berliner Zeitung.
Ein Fußball-Buch über Borussia Dortmund ist im Eichborn-Verlag
erschienen.
Seitenwahl
schwatzgelb.de: Kannst Du Dich noch erinnern, wie Du BVB Fan geworden bist?
RÖCKENHAUS: 1963 - da durfte ich als kleiner Dotz mit zum Finale im Neckarstadion, wo der BVB Meister gegen Köln wurde.
schwatzgelb.de: Was war der bewegendste Moment, den Du als Fan mit dem BVB erlebt hast?
RÖCKENHAUS: Zwei Momente: 1. Der Pokalsieg 1989, 2. Der Abschied von Fleming Povlsen.
schwatzgelb.de: Bist Du Vereinsmitglied bei Borussia und/oder in Besitz einer Dauerkarte?
RÖCKENHAUS: Mitglied war ich, so lange ich für den BVB gespielt habe, in Jugend- und Amateurmannschaften. Heute haben wir mehrere Dauerkarten ? ich sitze direkt neben dem Presseblock mit Freunden und gehe dann meist erst nach dem Spiel in den Pressebereich.
Anpfiff
schwatzgelb.de: Wie oft erlebst Du noch Spiele live im Westfalenstadion?
RÖCKENHAUS: Fast jedes - wenn ich nicht auf längeren Drehreisen bin.
schwatzgelb.de: Findest Du, dass sich die Fanszene in Dortmund in den letzten Jahren verändert hat, und woran machst Du Deine Beobachtungen fest?
RÖCKENHAUS: In den letzten Jahren sehe ich keine große Veränderung. Sicher gibt es ein paar mehr Mitläufer, weil einfach mehr Leute im Stadion sind als früher. Vor allem mehr ruhige Sitzplatzbesucher als früher, die mehr Konsumenten sind als leidenschaftliche Fans.
schwatzgelb.de: Wie würdest Du die heutige Fanszene in einer Dokumentation darstellen?
RÖCKENHAUS: Originell, einfallsreich, erstaunlich loyal, mit viel Ruhrgebiets-Mutterwitz.
Abstoss
schwatzgelb.de: Deine Dokumentation "Die Profis" hast Du 1996 gedreht. Was wäre anders, wenn Du diese Doku heute noch einmal machen würdest?
RÖCKENHAUS: Erstaunlicherweise hat sich gar nicht so viel verändert. Die Millionensummen sind noch weiter explodiert, aber im Grundtenor ging es damals wie heute um den Balanceakt des BVB: einerseits volkstümlich bleiben wollen, andererseits Legionäre kaufen, um im Millionenspiel Fußball weiter mitmischen zu können. Ich beneide Niebaum, Meier und Co. nicht um diesen Job.
schwatzgelb.de: Ist eine Neuauflage geplant?
RÖCKENHAUS: Es gibt eine Anfrage von einem Sender dafür.
schwatzgelb.de: Wie siehst Du die Arbeit von Matthias Sammer, was macht er anders als seine Vorgänger?
RÖCKENHAUS: Matthias ist trotz seiner Jugend als Trainer schon unglaublich souverän. Ich finde ihn auch sehr kommunikativ (im Gegensatz zu vielen Journalisten-Kollegen), wenn man ihn zu nehmen weiß und mit ihm nicht Phrasen drischt, sondern fachlich über Fußball redet. Ottmar Hitzfeld hat sicher einen ganz anderen Stil ? Sammer wird aber über kurz oder lang genauso erfolgreich werden wie der große Hitzfeld.
Eckball
schwatzgelb.de: Glaubst Du, dass der Verein trotz seines enormen Wachstums traditionsbewusst geblieben ist? Woran machst Du Deine Meinung fest?
RÖCKENHAUS: Wie schon gesagt: Das ist ein ständiger Drahtseilakt. Ich nehme einem wie Michael Meier aber zumindest ehrliches Bemühen um Bodenständigkeit ab. Man muss aber nur nach München oder Leverkusen schauen, um festzustellen, dass sich der BVB nach wie vor etwas volkstümlicher anfühlt. Das kann sich aber mit jeder Personalentscheidung und jeder VIP-Loge schnell ändern.
schwatzgelb.de: Was hältst Du von der Umwandlung des Vereins in eine KGaA, und mit welchen Gefühlen verfolgst Du die Vermarktung des BVB?
RÖCKENHAUS: Ich finde die spezifische Form der KGaA, die man sich da ausgetüftelt hat, ganz intelligent. Zumindest mittelfristig hat sie die Investitionen in Spieler wie Rosicky, Ewerthon oder Amoroso erst ermöglicht. Die Frage ist, ob sich die Wachstumsprognosen tatsächlich erfüllen, die in dem Geschäftsmodell und den Business-Plänen stecken. Wenn die Anfangsinvestitionen nicht wie erhofft zu eigenem Wachstum führen, besteht die Gefahr, schleichend das Börsenkapital aufzuzehren. Irgendwann könnte dann die Kontrolle über den Kernverein BVB verloren gehen. An dem Punkt würde ich skeptisch. Sollten die Fernsehgelder in nächster Zeit nicht mehr so sprudeln, wie bisher, dann wäre das zum Beispiel ein Problem, mit dem man nicht kalkuliert hat. Die Versuchung ist dann groß, ausgefallene Fernsehgelder durch die Gelder auf den Festgeldkonten zu ersetzen.
Einwurf
schwatzgelb.de: Wenn Du die Wahl hättest zwischen Deiner jetzigen Karriere und einer Karriere als Fußballprofi beim BVB, welche würdest Du wählen?
RÖCKENHAUS: Meine eigene. Mit 20 hätte ich das aber möglicherweise anders beantwortet.
Steilpass
schwatzgelb.de: Wie hältst Du Dich auf dem Laufenden über die Geschehnisse rund um den BVB?
RÖCKENHAUS: Ich bin im Stadion, gelegentlich beim Training, spreche mit Kollegen, Spielern. Und ich lese.
schwatzgelb.de: Was planst Du auf Deiner Internetseite colourfield.de mit dem BVB?
RÖCKENHAUS:
Als reine Liebhaberei: Meine eigenen Texte über den BVB reinzustellen,
vielleicht auch die von ein paar befreundeten Kollegen. Sicher werden
wir demnächst auch wieder einen Journalisten-Tipp machen, wie im letzten
Jahr.
Abseits
schwatzgelb.de: Was macht für Dich den Unterschied des BVB zu Vereinen wie dem FC Schalke 04 und Bayern München aus?
RÖCKENHAUS: Ich bin Dortmunder. Ich glaube, das ist der entscheidende Unterschied. Alles andere ist ein bisschen Legende. Ich denke, ein Schalke-Fan kann sich mit Schalke genauso gut identifizieren, wie ein Dortmunder eben mit dem BVB.
Elfmeter
schwatzgelb.de: Angenommen, Leo Kirch schickt Dir einen Scheck über 1 Million Euro als Darlehen. Was machst Du damit?
RÖCKENHAUS:
Ich leihe mir nie auch nur eine Mark. Deswegen nehme ich keine Darlehen
an. Ich denke außerdem, dass Kirch im Moment eher selber um Darlehen
bittet.
Freistoss
schwatzgelb.de: 1 Frage 3 Antworten: Was fasziniert Freddie Röckenhaus am BVB?
RÖCKENHAUS:
1) Dass der BVB mir so lange etwas bedeutet, wie ich denken kann.
2) Die Stadionatmosphäre.
3) Dass der BVB aus einer Underdog-Position sehr viel gemacht hat.
Aufstellung
RÖCKENHAUS: Früher: Fleming Povlsen, heute: Jürgen Kohler und Stefan Reuter
schwatzgelb.de: Welchen Spieler würdest Du gerne einmal im Dress des BVB spielen sehen?
RÖCKENHAUS: Mir hat Marco Bode immer gut gefallen. Der hört leider nun auf.
Freddie Röckenhaus' "All Star-Team"
Tor
Tilkowski
Abwehr
Kohler Sammer Cesar Reuter
Mittelfeld
Ricken Rosicky Sousa
Sturm
Povlsen Amoroso Chapuisat
Abpfiff
schwatzgelb.de: Wann gibt es wieder Produktionen von colorFIELD zu sehen?
RÖCKENHAUS: Weihnachten einen Zweiteiler ?Mondän!
Spezial? im ZDF, im Sommer 2003 einen Vierteiler, auch im ZDF, über den
ich sonst noch nix verraten darf. Zudem einen Film über ?Fußball und
Zwangsarbeiter?, den wir für den WDR machen. Und noch so einiges.
schwatzgelb.de: Was wünschst Du Dir für die Zukunft, bezogen auf Borussia Dortmund?
RÖCKENHAUS:
Wir holen den U-u-efa-Cup und werden Deutscher Meister. Dass Kohler
noch eine Saison dranhängt, ist wohl aussichtslos. Aber wünschen darf
man sich ja was...
schwatzgelb.de: Wir danken Dir für das Gespräch !