Kommerz oder Herz? Mix it, baby!
Ein Gespenst geht um in Dortmund - das Gespenst einer vollständigen Kommerzialisierung. Spätestens seitdem der Hamburger SV mitsamt der Namensrechte des Volksparkstadions auch die Herzen zahlreicher Anhänger an den amerikanischen Onlineriesen AOL verscherbelt hat, mehren sich auch unter der Dortmunder Anhängerschaft die Sorgen, dass gleiches ebenfalls dem Dortmunder Westfalenstadion widerfahren könnte. Nicht zu Unrecht, denn während die BVB-Fans angesichts alberner Kunstwörter wie „Telekom-Tribüne“ oder „Langnese-Familienblock“ noch vor wenigen Monaten mit dem Finger gen Westen zeigen konnten, droht ihnen mittlerweile das Lachen im Halse stecken zu bleiben.
Manager Michael Meier hatte zwar bereits schon im September im Interview mit schwatzgelb.de darauf hingewiesen, dass ein solcher Schritt zur Finanzierung eines Stadionausbaus nicht ausgeschlossen werden könne, doch erst einen Monat später, nachdem Meier diesen Gedankengang auch in bundesweit erscheinenden Printmedien aufgegriffen hatte, regte sich erster breiter Widerstand gegen eine solche Option.
Viele Anhänger sehen mit einer kompletten Umbenennung des Stadions zugunsten eines Sponsoren einen weiteres großes Stück Tradition sterben und wollen dies unbedingt verhindern.
Umbau – warum?
Die Frage, die sich mir persönlich jedoch noch viel mehr stellt, ist folgende: Wozu überhaupt ausbauen? Warum sollte das Westfalenstadion erneut erweitert werden? In der Bundesliga ist es zwar bisher äußerst gut ausgelastet, jedoch nur selten ausverkauft und ob hier die Notwendigkeit für 10.000 neue Sitzplätze besteht, ist zumindest fraglich. Europacup oder DFB-Pokal mit zuletzt recht schwachen Zuschauerzahlen, seien an dieser Stelle gar nicht erst erwähnt.
Bleibt also die Weltmeisterschaft: Für Vorrunden, Achtelfinal- und Viertelfinalspiele reicht die derzeitige Kapazität des Westfalenstadions locker aus; für Finale und Eröffnungsspiel stehen bereits jetzt – warum auch immer – Berlin und München als Ausrichtungsorte fest. Bleibt also nur die Möglichkeit, ein Halbfinale auszurichten.
Ist es das, warum das Stadion ausgebaut werden soll? Für ein einziges Fußballspiel, bei dem nicht einmal unsere Borussia auf dem Rasen steht? Sicherlich würde ein solches Ereignis dem Westfalenstadion und auch der Stadt Dortmund ein enormes Prestige bescheren, das lässt sich kaum von der Hand weisen. Allerdings ginge der BVB mit einem solchen Schritt ein enormes Risiko ein, zumal selbst bei einem Ausbau Dortmund als Ausrichtungsort für ein Semifinale längst nicht feststehen dürfte, denn bei der Vergabe dieser Spiele spielt nicht zuletzt Politik eine große Rolle, und genau da könnten Verein und Stadt schnell ins Hintertreffen geraten, verfügt man im nationalen Vergleich doch nur über eine vergleichsweise kleine Lobby.
Was beispielsweise würde passieren, wenn die Halbfinal-Entscheidung auf einmal zugunsten von Stuttgart (mit namhaftem Automobilhersteller und einem ebenso unbeliebten wie mächtigen DFB-Präsidenten im Rücken), G*ls*nk*rch*n ( zwar ohne erforderliche Kapazität, aber immerhin selbsternanntes Aushängeschild der Weltmeisterschaft 2006) oder München (der Wiege alle „Amigos“ und Arbeitsstätte zahlreicher abgehobener Lichtgestalten) fällt? Vor allem den nicht gerade als bescheiden bekannten Bajuwaren ist jederzeit zuzutrauen, dass sie sich nicht nur mit dem Eröffnungsspiel abspeisen lassen wollen, und insbesondere die strategische Partnerschaft mit dem Sportartikelhersteller Adidas - gleichzeitig Großsponsor der FIFA – könnte der Stadt zusätzlich zum Auftaktmatch sicherlich auch noch ein Halbfinalspiel bescheren.
Sollte es tatsächlich so kommen, hätte die Borussia sich verspekuliert und das Stadion nahezu umsonst umbauen und die Fans somit die Kröte eines neuen Stadionnamens schlucken lassen. Ist das wirklich notwendig? Sollte man sich nicht einfach damit zufrieden geben, bereits jetzt eines der besten und schönsten Stadien Europas sein Eigen nennen zu können? Warum balanciert man beim BVB so häufig am Rande von Gigantismus und Größenwahn entlang? Das Westfalenstadion hat schon bereits seit der letzten Ausbauphase einen Teil seiner Ausstrahlung und insbesondere seine Image als Hexenkessel verloren und es steht zu befürchten, dass ein erneuter Ausbau der Stimmung und der ehemals einzigartigen Atmosphäre den Rest geben würden.
Doch zurück zur Vermarktung des Stadionnamens. Zwei Konzerne werden bei Insidern als mögliche „Taufpaten“ gehandelt. Zum einen der langjährige BVB-Ausrüster Nike, der – wie es heißt – eine strategische Partnerschaft nach „bayrischem Vorbild“ mit der Borussia plant und sowohl Anteile an der BVB-Tochter goool.de zu erwerben gedenkt, als auch in Zukunft wieder als Ausrüster der Schwatzgelben auftreten will; und zum anderen der derzeitige Hauptsponsor E-ON.
Gegen Nike als Namensgeber dürfte jedoch der bereits eingangs angesprochenen Einfluss sprechen, der von Herzogenaurach aus auf die FIFA bzw. den DFB und seine WM-Kommission einwirkt. So soll Konkurrent Adidas beispielsweise bereits in Berlin seinen Einfluss geltend gemacht haben, wo Nike das Areal des ehemaligen Stadions der Weltjugend aufgekauft hatte, um dort einen Football-Park zu errichten. In direkter Nachbarschaft zu diesem Gelände liegt derzeit noch das DFB-Pressezentrum, über dessen Verlegung nun spekuliert wird.
Borussia Mix-Power ist da
Einen weiteren Hinweis darauf, dass es wohl E-ON werden wird, die in Zukunft den Stadionnamen mitprägen, lieferte unlängst BVB-Präsident Gerd Niebaum. In einer Präsentation der Dortmunder Vorstellungen von einem Stadionumbau äußerte sich der Rechtsanwalt dahingehend, dass die in den vier Ecken entstehenden Gebäude voraussichtlich die Form von Türmen erhalten sollen und dass man diese dann – in Anlehnung an die verschiedenen Energieformen beispielsweise in Wasser- oder Windturm benennen könne.
Was des weiteren für eine Zusammenarbeit mit E.ON in der Stadionfrage spricht, sind die äußerst guten Beziehungen zwischen beiden Seiten und die für den Energiekonzern äußerst positiven Ergebnisse der bisherigen Kooperation. So stellte beispielsweise das Magazin „Sponsors“ im September in einer Umfrage fest, dass E.ON beim Bekanntheitsgrad als Trikotsponsor (Fragestellung: „Wessen Logo prangt auf der Brust von...?“) auf Platz 3 und somit sogar noch vor dem Volkswagen-Konzern rangiert – ein Traumwert in Anbetracht der noch recht jungen Liaison zwischen der Energieversorger und der Borussia.
Wie schwatzgelb.de zudem erfuhr, geht man beim BVB zudem davon aus, dass die Entrüstung bei der Einführung des neuen Namens nicht besonders groß sein wird, da der bisherige Name offenbar wohl nicht komplett geändert, sondern nur leicht modifiziert werden soll.
Für Fans wohl völlig inakzeptable Wortschöpfungen mit den Endungen „Dome“ oder gar „Arena“ wird es demnach in Dortmund ebenso wenig geben, wie einen einfachen Austausch des Wortes „Westfalen“ durch den jeweiligen Sponsor.
Von diesen Gedanken beeinflusst, hat sich die Schwatzgelb.de-Redaktion einmal Gedanken gemacht und BoKa war es letztendlich, der als erster die wahrscheinliche Lösung des Namenrätsels hervorbrachte:
WestfalenstadEON
Ebenso einfach wie genial erscheint diese Kombination aus Sponsor- und altem Stadionnamen und mit einer solchen – „leichten“ Lösung werden sich die Anhänger der Borussia wohl deutlich eher zufrieden geben, als mit einer kompletten Umbenennung, die von großen Teilen der Fans als völlig indiskutabel betrachtet wird.
Und eines darf man in einer solchen Diskussion sicherlich nicht vergessen: Für den ursprünglichen Namen „Westfalenstadion“ zeichnete sich 1974 einzig und allein die Stadt Dortmund verantwortlich, und es steht wohl außer Frage, dass diese damals keine Sekunde gezögert hätte, zur Refinanzierung der Baukosten das Stadion nach dem Namen eines Sponsors zu taufen, wenn sich ein solcher gefunden hätte.
Mir persönlich widerstrebt der Gedanke einer Umbenennung zwar, denn vom Gefühl her gehören der BVB und das Westfalenstadion untrennbar zusammen und das Stadion mitsamt seines Namens stellt für mich einen elementaren Teil der BVB-Tradition dar, habe ich – immerhin gerade einmal Baujahr 1981 - den BVB doch nie in einer anderen Heimspielstätte spielen sehen (können).
Ältere Fans unserer Borussia jedoch, die die Schwatzgelben noch in der roten Erde haben kicken sehen, mögen vermutlich über keine derart emotionale Verbindung zu Stadion und insbesondere dessen Namen besitzen und eine solche Umbenennung als völlig legitim ansehen.
Alles in allem versucht die Borussia mit einer solchen Entscheidung einen äußerst tollkühner Spagat zwischen Kommerz und Herz.
So bleibt festzuhalten: Der BVB-Vorstand mixt seinen Verein selbst: Mit 50% Traditionsbewusstsein und 50% Kommerzialisierung!
Ob diese Mischung die richtige ist, wird sich zeigen.
Unsere Frage nun an euch: "Könntet ihr mit einer solchen Form der Vermarktung leben, oder seit Ihr der Meinung, dass der Vorstand den falschen Weg wählt?" Schreibt uns eure Meinung und diskutiert mit uns im Forum! Wir halten euch weiter auf dem Laufenden.