Jens Lehmann kam, redete und gewann Sympathien - Der Torhüter stand erstmals Rede und Antwort über seine Situation bei Borussia Dortmund
Endlich war es soweit. Auf Einladung des Fan-Projektes war er tatsächlich gekommen. Der, den sie seit seinem Amtsantritt hier wie einen „Aussätzigen“ behandeln. Jens Lehmann wirkt auch sichtlich nervös, als er die Räumlichkeiten in der Dudenstrasse betritt. In seiner Begeleitung BVB-Pressechef Josef Schneck, was deutlich macht, das der Verein großen Wert auf „Kommunikation“ legt. Es sollte ein schwerer Abend für ihn werden, denn etwa 100 seiner Kritiker waren dem Aufruf zum Gespräch gefolgt.
Die Stimmung war gedrückt und es mochte so recht keine Diskussion in Gang kommen. Zu sehr hingen die vom BVB frisch verhängten 2-jährigen Stadionverbote im Raum, als dass es zu einer Entspannung der Situation beitragen konnte. Zu frisch waren die verabscheuungswürdigen Vorfälle aus Neheim-Hüsten der vergangenen Woche. Und dennoch: Es wurde ein guter Abend. Jens Lehmann konnte entspannt wie erleichtert seinen Heimweg antreten Am morgigen Donnerstag kann er seinen Mannschaftskollegen, die ihm auf diesem schweren Weg viel Glück gewünscht hatten, Entwarnung geben! Die erste Annäherung ist gelungen! Sehr dazu beigetragen hat Jens selbst: Erstmals seit seinem folgenschweren Wechsel nach Dortmund war er spürbar ehrlich auf die „schwierigen Fans“ zugegangen und verblüffte mit Aussagen wie dieser: „Es war ein Fehler, dass ich mich nicht zum Verein ´Borussia Dortmund´ bekannt habe.“
Jens weiß, was er falsch gemacht hat...
„Ich habe 2-3 Fehler gemacht in der Anfangsphase, die ich wohl nicht mehr loswerde“, sagte er resignierend. Er wurde gefragt, ob er ein Quirrulant sei, der nicht integriert werden könne? „Ich bin auch mal gerne alleine“ war seine Antwort. Rolf Arndt Marewski, der gewohnt sicher moderierte setzte nach: „Fühlst Du Dich als Außenseiter?“ Jens entgegnete der Frage auf seine Art, indem es aus ihm sprudelte: „Ihr werdet´s mir nicht glauben, ich war früher mal Kapitän“, darauf „EinMeterVierzig“: „Da war die Mannschaft wohl besoffen“. Schallendes Gelächter, das gut tat! Mit fortschreitender Zeit wurde er lockerer und es kam hinter seinem „Schnösel-Image“ ab und an ein Mensch wie Du und ich zum Vorschein! Es gebe kaum „Freundschaften“ innerhalb dieses schwierigen Berufes, lediglich Jürgen Kohler und Heiko Herrlich nannte er auf Seiten des BVB als Freunde. Mit allen Anderen verstehe er sich doch auch prima, aber Freunde? Das er in diesem Zusammenhang auch aufrichtig zu seiner Freundschaft zu Youri Mulder von nebenan stand, nahm man ihm nicht übel. Dass er allerdings „Rudi Cigar“ nicht zu seinen Freunden zähle, machte er dagegen energisch deutlich...!
Kochen bei „Alfred Biolek“ wirkte sympathiefördernd
Häufig erwähnt auch sein Verhältnis zu den Medien. Immer wieder waren in der Vergangenheit Vorwürfe aufgetaucht, die den Keeper zu sehr mit seiner „blau-weißen“ Vergangenheit kokettieren sahen. Auf Nachfrage von Schwatzgelb.de
stellte der 31 jährige klar, dass er sich nicht über die verpasste Meisterschaft der Schalker geärgert habe, sondern über den Dusel der Bayern, die schon gegen Borussia die Gunst des Schiedsrichters genossen hatten und seiner Meinung nach in der Liga immer bevorteilt werden! Angesprochen auf die eine oder andere unüberlegte Äußerung in Interviews nach den Spielen, verblüffte er alle: „Ich bin jetzt keiner von denen, die kurz nach´m Spiel die Gescheitesten Antworten gibt“. Wie haben unsere Mütter da immer zu sagen gepflegt: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung...
Barbarez war ein abschreckendes Beispiel
Sehr gestunken habe ihm in letzter Zeit auch immer wieder, wenn es einige seiner Mannschaftskameraden dem „geneigten Publikum“ mal wieder nicht recht machen können und schon nach wenigen Minuten jeder Ballkontakt mit Pfiffen bedacht würde. Als Beispiele nannte er den dadurch besonders verunsicherten Evanilson und auch Micky Stevic, „der immer rackert“. „Wenn ein Mitspieler von mir permanent ausgepfiffen wird, kann ich nach dem Spiel einfach auch nicht zur Tribüne laufen. Das lässt mein Charakter auch nicht zu. Alles andere wäre doch Heuchelei!“
Bezogen auch auf seine wenig rühmliche Rolle in der unsäglichen Saison 1999/2000 gab er unumwunden zu, dass er in dieser Zeit viele Fehler gemacht habe, „besonders den, dass ich da nur an mich gedacht habe! Michael Skibbe war ein hervorragender Trainer, aber er machte den Fehler, alle Spieler gleich zu machen! So hatten wir niemanden, der den Mund aufmachte und ich übernahm das dann öfter. Und wenn Du dann über dreieinhalb Wochen über Dich in der Zeitung liest und Deine Mitspieler dann am Ende der Saison über Dich herziehen, dann denkt man über vieles nach!“, gestattete Jens ausgerechnet seinen ärgsten Widersachern Einblick in sein Seelenleben. Verkehrte Welt im Fan-Projekt. Die Mehrheit nahm´s dankend zur Kenntnis!
„Ich bin nicht unschuldig an der Eskalation“
Dann kam endlich das Thema „Neheim“ auf den Tisch. Einer der Anwesenden, die sich unmittelbar nach dieser Entgleisung zuerst bei Jens entschuldigt und anschließend tags drauf beim BVB gestellt hatte, diskutierte mit dem gebürtigen Essener über seine 2-jährige Aussperrung. „Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun, wenn ich einen Fehler mache, dazu stehe und mich entschuldige und dennoch beinhart dafür bestraft werde“, entfuhr es dem reudigen Sünder. Jens entgegnete ihm, dass da auch zwei Herzen in seiner Brust schlagen. Er sieht es grundsätzlich als Vergessen an, wenn die Entschuldigung ehrlich und unmittelbar erfolge! Aber andererseits.... Es ist sehr schwer da die Grenze zu ziehen! Wo hört „Eselei“ auf und wo beginnt „Kriminalität?“ Es ist nicht einfach, da als Fan zu urteilen. Jedenfalls verurteilte Jens den anderen Täter, der im Anschluß an dieses Spiel auch zu ihm in die Kabine gekommen war und allen Beteiligten ein schlechtes Gewissen gemacht hatte, selber aber als einer der „Redelsführer“ bekannt ist. Diese Form der „Scheinheiligkeit“ führe dann doch dazu, dass man einfach wütend werde, sagte der BVB-Torhüter verbittert. Aufgearbeitet scheinen seit heute auch die Vorfälle in Mouscron und Middelsbro´, als es erstmals derart unschöne Szenen am Rande der Freundschaftsspiele gab.
„Sich positiv zum Erzfeind zu bekennen, wäre Selbstmord“
Oft angesprochen auf den Vorstadtverein aus Gelsenkirchen entfuhr es ihm: „Sach ma, glaubst Du tatsächlich, dass ich mit einem 3,5 Jahresvertrag mich tatsächlich hinstelle und sage, ich will aber wieder zurück. Das wäre glatter Selbstmord! Das kann doch ernstlich keiner glauben!“ Und dann, einmal in Fahrt, brachte er den Hammer:“ Es kann sein, dass ich noch ein paar Jahre in Dortmund spiele, auch wenn es Euch nicht passt“, rief ein sichtlich gelöster JL in die Runde! Und es mochte so recht niemand wiedersprechen! Eine Teilnehmerin machte dann aus ihrem Herzen keine Mördergrube und zog als Fazit, dass man sich angenähert habe und er doch nicht so unsympathisch sei! Rolli und Thilo „vergatterten“ den „Langen“ dann, ab jetzt im Dialog „mit den Fans“ zu bleiben und betrieben Werbung in eigener Sache für das Fan-Projekt als Ort der Gespräche.
Auch uns gegenüber bekannte sich Jens Lehmann ausdrücklich öffentlich zu dem vereinbarten Interview und sagte eine rasche Terminierung an Ort und Stelle zu. Wir freuen uns auf den „Schlaks“ und unser Freund „Höppe“ würde sagen: Mannoman, erst wollter inne Boxbude und dann gibbet Schmusekurs! Nundenn, ein erstes zartes Pflänzchen eines „neuen Miteinanders“ haben wir heute gesät. Ob es allerdings den „eisigen Frost“ überlebt, wird nur die Südtribüne allein entscheiden...