Reform des Transfersystems ist endlich perfekt: Nach langem Hickhack scheint die Fußball-Familie glücklich vereint
Zufriedenheit bei EU, Fifa und Uefa. Zurückhaltung in der Bundesliga, Zustimmung durch die deutsche Spielergewerkschaft VdV und Ablehnung durch die internationale Profi-Organisation FIFPro:
Der im Gipfeltreffen von EU-Kommission mit Welt-Verband Fifa und Europäischer Fußball-Union Uefa verabschiedete Kompromiss bei der Reform des Transfersystems hat zu sehr unterschiedlichen Reaktionen geführt.
Fifa-Präsident Joseph Blatter war "sehr glücklich" mit der nach fünfstündigen Gesprächen getroffenen Übereinkunft: "Ohne Spieler gibt es keinen Fußball, aber ohne Profi-Klubs gibt es auch keine Jobs im Fußball. Wir müssen die richtige Balance finden." Er unterstrich, dass er das Gespräch mit der FIFPro suchen werde, um die Fußball-Familie wieder zu vereinigen.
Bühnenreife Show hingelegt
EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti hatte die Pressekonferenz am späten Montagabend zu einer bühnenreifen Show genutzt. Er beschwor förmlich die im Fußballs als Zeichen der Verwarnung geltende Gelbe Karte und steckte sie theatralisch wieder in seine Brusttasche: "Wir brauchen die Gelbe Karte nicht mehr zu zücken."
Zähes Ringen um Kompromiss
Der geschlossene Kompromiss sieht unter anderem vor, dass Spieler bis zum Alter von 28 Jahren ihre Verträge mindestens drei Jahre einhalten müssen. Bei einem Alter über 28 gelten mindestens 2 Jahre. Bei einseitigen Kündigungen sind Geldbußen oder sportliche Sanktionen - wie etwa Sperren - möglich. Sollte ein Spieler im Alter unter 23 Jahren wechselt, wird eine Trainingsentschädigung für den ausbildenden Club gezahlt. Ebenfalls wurde die Bildung eines unabhängigen Schiedsgerichtes vereinbart. Die Fußball-Führer Blatter und Uefa-Boss Lennart Johannson hatten in einem Verhandlungsmarathon in den vergangenen fünf Monaten hart um diese symbolische EU-Reaktion gekämpft. Monti ist jedenfalls davon überzeugt, dass der Kompromiss von Brüssel auch vor europäischen Gerichten standhält. "Es ist möglich, den Sport zu respektieren, ohne das Gesetz zu verletzen."
Gewerkschaft: "Schwarzer Tag für den Sport"
Während sich die Macher des "Brüsseler Fußballfrieden" selbst
feierten, ernteten sie von anderer Seite harsche Kritik. Die
internationale Spielergewerkschaft sieht in diesem Kompromiss einzig und
allein eine politische Entscheidung. "Diese Übereinkunft akzeptieren
wir nicht. Es ist ein schwarzer Tag für den europäischen Sport und die
Fußballer", sagte FIFPro-Sprecher Laurent Denis: "Es wurde eine neue
Arbeitnehmer-Kategorie in Europa eingeführt. Fußballer genießen leider
nicht den gleichen sozialen Schutz wie andere Arbeitnehmer."
Die FIFPro erwägt die Anrufung des Europäischen Gerichtshofes, des in
Straßburg ansässigen Gerichthofes für Menschenrechte oder des
internationalen Arbeitsgerichtes. Denis: "Wir hoffen, dass alle
nationalen Gerichte viel zu tun bekommen, denn sie sind unabhängig. Im
Gegensatz zur EU-Kommission, die eine politische Entscheidung getroffen
hat."
Auch BVB Präsident Dr. Gerd Niebaum, sprach in diesem
Zusammenhang von einem "willkürlichen Eingriff in das Recht auf
Vertragsfreiheit".
Ist die Fußball-Familie wirklich glücklich vereint?
Der DFB findet viel Lob für die gefundene Transferlösung. Der geschäftsführende DFB Chef Mayer - Vorfelder hält den geschlossenen Kompromiss aus Sicht der Verbände und der Vereine für akzeptabel. Werner Hackmann (Präsident des Ligaverbandes) begrüßt vor allem die festgeschriebene Ausbildungsentschädigung.
Bayern Münchens Vize-Präsident Professor Fritz Scherer äußerte sich dagegen entsetzt: "Das ist ein weiterer Schritt zur Vernichtung des Fußballs. Die Spieler bekommen noch mehr Geld. Die großen Klubs können immer mithalten, das geht zu Lasten der Kleinen und damit zu Lasten des gesamten Fußballs. Die Vereine sitzen immer am kürzeren Hebel."
Reserviert reagierten auch andere namhafte Bundesliga-Vertreter. "Ich möchte jetzt nicht losplappern, bevor ich etwas Konkretes weiß. Bislang ist nichts Umwerfendes passiert, keine Revolution ausgebrochen. Ich bin gespannt, ob die Beschlüsse durch die Fifa weltweit ausgedehnt werden, ob Südamerika, Asien oder Ozeanien die gleiche Linie vertreten", sagte Dortmunds Manager Michael Meier.
Calmund: System muss weltweit umgesetzt werden
Ernst Thoman, Geschäftsführer der VdV, reagierte positiv auf das Ergebnis des "Gipfels" von Brüssel: "Wir halten diese Neuregelung für sehr zufriedenstellend. Das Wesentliche ist damit erreicht worden, die wirtschaftliche und zeitliche Planungsstabilität wird sowohl für Spieler als auch für die Vereine sichergestellt. Wichtig ist, dass in Brüssel nur Grundsätze beschlossen wurden. Die EU überlässt die Details dem Fußball. Herr Monti hat mir noch einmal bestätigt, dass die EU-Kommision nur das Grundsätzliche gewährleistet haben möchte, die Detailregelungen müssen die internationalen und nationalen Verbände nun EU-konform festlegen."
Es bleibt abzuwarten, ob der "Brüsseler Fußballfrieden" einer gerichtlichen Prüfung stand hält. Borussia Dortmund will dieses auf jeden Fall juristische Schritte einleiten, wie aus Dortmund zu hören war. Die Verantwortlichen beim BVB sind der Meinung, dass durch die getroffene Regelung einer sinnvolle und zukunftsorientierte Planung für den Verein nicht mehr gegeben ist.