Topspiele in schwatzgelb

Der Wiederaufstieg 1975/76

04.06.2001, 13:22 Uhr von:  BoKa

Was war das für ein Jubel im Westfalenstadion! Nach vier bitteren Jahren in der Zweitklassigkeit war die Reifeprüfung zur Rückkehr in die Beletagé abgelegt. Wer als BVB-Fan diese packenden Spiele miterlebt hatte, wird sie garantiert niemals vergessen. Zu groß waren die aufgewühlten Gefühle einer ganzen Stadt und jeder Dortmunder spricht heute voller Freude davon, dass schwatzgelb einfach ein Bestandteil der Bundesliga ist - und dass nicht nur deshalb, weil am 24. August 1963 in Dortmund die Bundesliga begründet wurde und das allererste Tor dieser neuen Klasse mit Friedhelm "Timo" Konietzka auch ein Dortmunder erzielte....

Sie brachten uns wieder zurück ins Rampenlicht: Der BVB-Kader der Saison 1975/76.

Aber zunächst ein kurzer Blick zurück: Borussia stieg 1972/73 sang und klangslos ab. Ein Jahr später musste Bergwerksdirektor Heinz Günther mit finanziellen Kraftakten, dem notwendigen Mut zum Risiko und einer Hand voll pflichtbewusster Mäzene in der Hinterhand "den Laden" übernehmen, weil per 31.12.1973 eine Überschuldung mit einer damals riesigen Summe von 422.000 DM zu Buche schlug.


Das der BV Borussia in der Zweitliga-Endabrechnung in der als "Übergangs-Saison 1974/75" betrachteten Spielzeit lediglich wieder nur auf Platz 6 landete, konnte getrost mit der desaströsen letzten Saison in der Regionalliga - die in sportlichem wie finanziellen Desaster verlief - erklärt werden. Aber jetzt - jetzt sollten die (sportlichen) Träume wieder reifen, zumal das "Faustpfand neues Westfalenstadion" sehr zum Aufschwung beitrug...

Die seit Menschengedenken aber immer üppig in die Biermetropole strömenden schwatzgelben Menschenmassen bescherten dem Club Einnahmen, die für einen europäischen Superstar investiert worden waren: Zoltan Varga

Einer der genialsten „Techniker“ seiner Zeit: Zoltan Varga, Spielmacher aus Fleisch und Blut

Der eigenbrötlerische Ungar war wegen disziplinaren Mätzchen bei Ajax Amsterdam auf die Reservebank verbannt worden. Zu schlimm, für einen Zauberer wie ihn!

Und so feierte er vor 42.000 Zuschauern seinen Einstand beim BVB, der in diesen Tagen so lukrative Gegner wie den DJK Gütersloh (Vorgänger des FC Gütersloh) empfing!

Um ihn herum sollte eine gute Mannschaft aufgebaut werden, die den Wiederaufstieg in die Eliteklasse und damit die herbeigesehnte Bundesliga-Zugehörigkeit anstrebte - und zwar in der darauffolgenden Saison.

Als Trainer ging man bei Borussia damals mit dem erfahrenen Otto Knefler in die Saison 1975/76. Ihm sollten im Verlaufe der Saison mit Horst Buhtz und Otto Rehhagel noch zwei weitere Übungsleiter im Kampf um dieses Ziel folgen...

Für alle, die später dazugekommen sind, zur Erläuterung:

Es handelte sich hierbei um ein heute nicht mehr praktiziertes Reglement der 80´er Jahre, dass eine solche Situation ermöglichte: Die Aufstiegsrunde bestand in dieser Spielzeit des Übergangs damals genau genommen aus dem Hin- u. Rückspiel des Tabellenzweiten der Südgruppe gegen den Tabellenzweiten der Nordgruppe der noch zweigeteilten 2. Bundesliga.

Kurzum: Wer diese beiden Spiele in der Addition gewann, spielte fortan (weiter) in der ersten Liga, der Verlierer müsste dann in der jetzt dann aber eingleisigen zweiten Liga kicken. Im Falle einer Torgleichheit hätte es ein 3. Spiel in Frankfurt gegeben.

Die Ausgangssituation:

Saison 1975/76. Der BVB hatte sich für das Ziel ?Oberhaus? gut verstärkt. Aus Ahlen war Stürmer Wolfgang Vöge (heute Spielerberater) gekommen, von TeBe der stürmende Linksfuß Peter Geyer, Mittelfeldspieler Gerd Kasperski von Hannover 96 folgte den Spuren seines Vaters Edmont genannt "Ede", der als Mittelstürmer von 1948-53 für die schwatzgelben Farben 62 Tore schoß.

Für die sogenannten Fußball-Experten war der Favorit schnell ausgemacht. Doch der Druck des vielerorts prognostizierten Aufstiegs lähmte die Beine der Kicker mehr, als dass er sie beflügelte.

4 durchwachsene Jahre hinter sich, davon 2 Jahre wöchentliche Lokalderbys in der Regionalliga West und zwei in der 1974 neu gegründeten 2. Bundesliga (im ersten Jahr gab es noch eine Übergangs-Einteilung in Nord und Süd mit je 20 Mannschaften!) hatten ihre Spuren im Verein hinterlassen!

Ein stets sicherer Schlußmann: Horst Bertram

Und so quälte man sich - zumeist ohne zu überzeugen - durch die Meisterschaftsspiele und wäre beinahe sogar noch im Schlussspurt von den Preußen aus Münster und deren ehrgeizigem "Trainerfuchs" Rudi Fassnacht abgefangen worden.

Eine demütigend hohe 4:1 Klatsche beim Aufstiegsmitkonkurrenten in Münster ließ das Euphoriebarometer in der Kohle- und Stahlstadt merklich fallen. Der später bei einem Autounfall am Westhofener Kreuz schwer verletzte Otto Knefler war zwischenzeitlich durch den Routinier Horst Buhtz ersetzt worden, weil der Vorstand um den Bergwerksdirektor Heinz Günther seine Investitionen und das Ziel "Aufstieg" bei diesem "Durchschnittsgekicke" gefährdet sah.

In einer zähen Auseinandersetzung - so wird kolportiert - habe er, Knefler vor versammelter Mannschaft dem ständig intervenierenden Präsidenten lauthals mitgeteilt: "Auf Deinem Pütt, da kannst Du bestimmen, hier aber nicht!" Der Riß war unverkennbar und war auch nich mehr zu kitten

BVB-Schlußmann Horst Bertram offenbarte einem Journalisten seinerzeit, dass er die Entlassung des fachlich unangreifbaren Trainers als "sehr dubiose Angelegenheit" empfand. Aber anders als Bertram sah es eine Oppositionsgruppe um diejenigen Spieler (Varga, Nerlinger, Geyer), die der Trainer schon mal auf dem Kieker hatte.

Wie dem auch sei.

Das Gerangel hatte eine große Unruhe in den Verein gebracht und das erklärte Ziel war unnötig in Gefahr geraten.

Der BVB rettete sich jedoch durch ein 4:0 gegen die bereits als Aufsteiger feststehenden Berliner von Tennis Borussia auf einen 2. Platz, der zur Teilnahme an den Entscheidungsspielen berechtigte.

Gegner war ausgerechnet der vom 66´er BVB-Helden Hans Tilkowski trainierte "Club" aus Nürnberg.

Kurioserweise hörte "der schöne Hans" zum Saisonende auf und mit dem jetzigen BVB-Trainer Horst Buhtz stand sein Nachfolger an der Noris für die kommende Spielzeit bereits fest, nachdem der BVB-Vorstand mit der Vertragsverlängerung zu lange gezögert hatte.

Interessenskollision - Borussen-Präsident Heinz Günther ("ich hoffe, unsere Fans haben dafür Verständnis") witterte jetzt natürlich den Verdacht der Manipulation und berief vorsorglich in einer Nacht- und Nebel-Aktion Otto Rehhagel als neuen Coach an die Strobelallee.
Die Mannschaft im Wuppertaler Trainingslager damit konfrontiert, hatte sich noch ausnahmslos für Buhtz ausgesprochen. Die Frage war jetzt also nur: Konnte der gebürtige Essener mit der passenden Ruhrgebiets-Mentalität die Dortmunder Truppe noch rechtzeitig auf Trab bringen?

Angesichts der angeknacksten Moral durch dieses Tohuwabohu in der Trainerfrage und der schwachen spielerischen Möglichkeiten, waren die Nürnberger der Top-Favorit. Rehhagel betrieb "Seelenmassage" vom Feinsten. Und jeder hier weiß, was es heißt, wenn man spürt, dass "der Glaube Berge versetzen kann"...

Aufstellung beim 1. Aufstiegsspiel 1976

19. 6. 1976: Nürnberg - BVB 0 : 1

Eintrittskarte für das Hinspiel in der Relegation


BVB: Horst Bertram, Lothar Huber, Friedhelm "Fiedsche" Schwarze, Helmut Nerlinger, Klaus Ackermann, Mirko Votava, Hannes Hartl, Ede Kasperski (68. Burkhard Segler), Ede Wolf, Gerd Schildt, Peter "Piet" Geyer

Schiedsrichter Horstmann (Nordstemmen).
Zuschauer: 53.000 (ausverkauft)

Tor: 0:1 Wolf (86.)

Der BVB kam also erhobenen Hauptes an die Noris. Dem fränkischen Selbstvertrauen und der Euphorie begegneten die Westfalen mit kühler Nüchternheit. Sprüche im Vorfeld wievon FCN-Kapitän Dieter Nüssing: "Wir haben uns schon etwas für das Spiel gegen Dortmund geschont. Die Borussen können ruhig kommen, die gehen auch wieder. Wir haben jedenfalls keine Angst vor ihnen", nahm man am Borsigplatz gelassen zur Kenntnis. Der von BVB-Idol Adi Preißler vererbte Spruch: "Grau is alle Theorie, was zählt is auf´m Platz" wurde zum ausschließlichen Motto der kämpferisch entschlossenen Borussen gekürt!

Das Hinspiel:

Wenn er dribbelte, ging sofort die Post ab: „Pedda“ Geyer

Und in der Tat hatte man die Borussen in der abgelaufenen Saison bisher überhaupt noch nicht derart diszipliniert und kampfstark spielen sehen. Selten war ein Spieler so viel für den anderen unterwegs wie an diesem Freitag. "König Otto" (war er noch nicht, wurde er ja erst in Bremen) hatte also ganze Arbeit geleistet.

Borussia kam dabei natürlich auch sehr gelegen, dass ausgerechnet der aus Herne stammende Ex-Borusse Tilkowski zwei eklatante Fehler beging: Gegen Dortmunds zwei Spitzen Gerd Schildt und Pit Geyer machte er ausgerechnet den eckigen Manfred Rüsing (hat das Fußballspielen beim SV Roland 98 in Dortmund gelernt) zum freien Mann im Mittelfeld, der für Druck sorgen sollte, doch der Nürnberger spielte in der gesamten 2. Hälfte quasi lediglich eine Art zweiter "Stopper" suchte und fand "seinen Gegenspieler" nicht. Dadurch entstanden im Mittelfeld riesen Lücken, in die mit Vorliebe immer wieder der dribbelstarke Geyer stieß!

In der Halbzeit korrigierte "Til" den Fehler, stellte Pechthold in diese Rolle und sorgte so immer wieder für blitzschnelle Vorstöße in die von Helmut Nerlinger stark dirigierte Borussen-Deckung. In diese Zeit fielen auch die beiden größten Chancen der Nürnberger, die jedoch Hannes Walitza vergab. Doch dann nahm FCN-Coach Tilkowski zur Überraschung aller den starken Pechthold in der 70. Minute vom Platz und Borussia kam gegen Ende der Partie richtig in Fahrt. Die 53.000 Zuschauer - unter ihnen etliche Tausend unentwegte aus Dortmund - rieben sich die Augen, ob der Borussenangriffe.

"Wenn nur die klarsten Chancen genutzt worden wären, hätten wir heute 5:2 siegen müssen", zog der wieder überragende Borussenkeeper Horst Bertram sein Fazit. Und er hatte damit den Nagel auf den Punkt getroffen: Der oft blind agierende Mittelstürmer Gerd Schildt (hat als erster und einziger BVB-Spieler bis heute die Stadionuhr auf Nord im Westfalenstadion getroffen), traf in der 39. Minute aus 8 Metern bei 3(!) Versuchen freistehend nicht ins Netz! Hans-Werner Hartl scheiterte ebenfalls aussichtsreich allein vorm Torwart (60.), Burghard Segler verschoß alleinstehend (74.) und Peter Geyer lief allein auf FCN-Schlussmann Franz Schwarzwälder zu, umspielte ihn gekonnt, um dann anschließend den Ball an den Pfosten zu schieben (81.). Und bevor alle mitgereisten Borussenfans wahnsinnig wurden, zeigte Egwin "Ede" Wolf dann dem Kollegen, wie man einen Superalleingang auch erfolgreich abschließen kann, umkurvte den Torwart und versenkte das Leder ohne viel Geschiß endlich in der 86. Minute im Kasten. 0:1 Damit krönte er seine überragende "Terrier-Leistung" und machte den Sack endgültig zu.

Getroffen hatte zuvor auch "Clubberer" Libero Hannakampf - und zwar brutal in die Beine von Hannes Hartl, als dieser auf und davon zog in Richtung Nürnberger Gehäuse. Die Rote Karte und seine Ausbootung für´s Rückspiel war sein Lohn.

Ede Wolf sichert "halbe Miete"

Otto Rehhagel indes, war nach dem Schlusspfiff nicht mehr zu halten, rannte begeistert auf seine Spieler zu und stürzte sich mitten in das schwatzgelbe Freudenknäuel. Peter Geyer war freudentrunken dem neuen Trainer um den Hals gefallen. Gerade er, der Ex-Nürnberger hatte den Trainer im Vorfeld excellent über seine ehemaligen Mitspieler instruiert und war so maßgeblich am entstehen der Erfolgstaktik beteiligt. Doch so sehr der Coach auch seine Freude offenbarte, so schnell ging er danach zur Tagesordnung über: Mit einem schroffen: "Tür zu!" donnerte er die Kabinentür in´s Schloß und gab anschließend den siegestrunkenen Spielern eine Gardinenpredigt: "Ich warne jeden davor, jetzt in Euphorie zu verfallen. Dieser Sieg ist in der Endabrechnung höchstens 50 % wert. Endgültig abgerechnet wird erst nächste Woche Mittwoch. Wenn Ihr jetzt schon durchdreht, kann es ein böses Erwachen geben!"

Bei Kapitän Klaus Ackermann hatte dieser "Raunzer" offenbar sofort Eindruck hinterlassen: "Der Trainer hat recht, wir sind noch längst nicht in der Bundesliga. Aber das wissen wir alle. Wir werden am Mittwoch noch einmal voll konzentriert zur Sache gehen!".

Sprachs und wand sich wieder seiner Cola zu, die das in solchen Fällen obligatorische Gläschen Sekt bei den bodenständigen Borussen ersetzt hatte...

23. 6. 1976: BVB - Nürnberg 3 : 2

Öffnete das Tor zurück in die Tür Bundesliga : Ede Wolf

BVB: Horst Bertram, Lothar Huber, Friedhelm "Fiedsche" Schwarze, Helmut Nerlinger, Klaus Ackermann, Mirko Votava, Hannes Hartl, Ede Kasperski (65. Burkhard Segler), Ede Wolf, Gerd Schildt, Peter "Piet" Geyer (35. Zoltan Varga).


Schiedsrichter Ferdinand Biwersi (Bliesransbach)
Zuschauer: 54.000 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Geyer (22.), 1:1 Petrovic (60.), 2:1 Hartl (75.), 2-2 Walitza (79.), 3:2 Huber (90.)

Das Rückspiel in Dortmund

Eintrittskarte für das Rückspiel in der Relegation in Dortmund

Es war ein typischer Fußball-Mittwoch im Ruhrgebiet. Ab Mittag war die Vorfreude auf dieses "Endspiel" bereits überall zu spüren. Zu siegesgewiß waren die Bewohner dieser fußballverrückten Stadt, als da noch irgend ein Zweifel hätte aufkommen könnten. Schließlich lagen wir ja schon mit einem Tor in Front. Die Medien berichteten von einem psychlogischen Vorteil und verließen sich bei ihrer Prognose weitesgehend auf das siegreiche Hinspiel und die "Macht der 50.000 Borussenfans".

Borussen-Trainer Otto Rehhagel war - wie man es bis heute von ihm kennt - die Ruhe selbst. Er hatte seine Mannen bis auf den Punkt fit gemacht und ihnen in den vergangenen 4 Tagen erklärt, dass man dieses Rückspiel nicht mit "Schönspielerei, sondern nur durch bedingungslosen Kampf" gewinnen könne. Getreu der alten Devise: "Never change a winning Team" setzte er auf die siegreiche Formation aus dem Frankenstadion und gab bedingungslose Offensive vor eigenem Publikum als Marschrichtung aus.

Seit 1974 ist er in seinem Verein treu: Bananenflankenspezialist Lothar Huber

Und so legten sie auch los. Borussia übernahm vom Anpfiff weg das Kommando. Die Nürnberger wurden von einer Verlegenheit in die andere versetzt. Das Mittelfeld mit den fleißigen Klaus Ackermann, Ede Wolf, Mirko Votava und Ede Kasperski gewannen die Zweikämpfe und zeigten gleich, wer hier Herr im Haus ist. Clever inszenierte Angriffe ergaben erste Möglichkeiten. Die Franken hielten dagegen, oftmals auch sehr derb. Bei einem überharten Zweikampftackling befördert Rüsing seinen Ex-Kumpel Geyer, der immer wieder unfairen Attacken seiner "alten Kameraden" ausgesetzt war, ins Toraus, woraufhin der Borussenstürmer eine schwere Gehirnerschütterung erlitt. In der 22. Minute tankt sich Wolf auf dem Flügel durch, passt auf "Pit" Geyer und der "sichtlich abwesend und benebelte Goalgetter" verwandelt zum frenetisch bejubelten 1 : 0 für seine Farben! Das Westfalenstadion gerät zum Tollhaus! Diese Stimmung ist Weltklasse! Brasilianischer Karneval? Loveparade? Alles nichts gegen diese Borussenfans! Das beliebteste Lied in diesen Tagen: "Und da erschuf der liebe Gott, die Borussen aus´m Kohlenpott - sogar der alte Petrus hat gelacht: Mensch das hast´e fein gemacht" klang auf der B1 bis zum Ruhrpark nach Bochum!

Peter Geyer musste dann knapp 10 Minuten später mit Sichtbeeinträchtigungen und Kreislaufproblemen gegen Zoltan Varga ausgetauscht werden, was aber - bei allen Mühen Vargas - einen schmerzlichen Verlust im Angriff bedeutete. Geyer wurde zur Pause in die Städt. Klinken gebracht und sagte verwundert: "Tor? Ich weiß gar nichts von meinem Glück".

Borussia blieb am Drücker und gestattete dem Südzweiten kaum Möglichkeiten. Der einmal mehr umsichtig agierende Helmut Nerlinger (anders als sein Sohn Christian ein exzellenter Techniker!) dirigierte den Deckungsverband großartig! Und war er einmal nicht zur Stelle, konnte man sich auf den Evinger Jungen "Fiedsche" Schwarze ebenso verlassen, wie auf Lothar Huber oder den lauffreudigen Kapitän Klaus Ackermann. Mit dem 1:0 Vorsprung ging es in die Kabinen und jedem im Stadion war klar, dass der "Club" in der 2. Hälfte "alles oder nichts" spielen würde. Harte 45 Minuten standen uns allen also noch bevor!

Und so war es auch. Der ehemalige Borussen-Klassetorwart Hans Tilkowski peitschte seine Mannschaft mit dem Mute der Verzweiflung nach vorne. Petrovic und Lieberwerth sollten Torjäger Hannes Walitza immer wieder aussichtsreich in Szene setzen. Etwa eine Viertelstunde war gespielt, als eben Petrovic mit einem Freistoß BVB-Schlußmann Horst Bertram überlisten konnte (60.)

1:1

In die Drangphase der Nürnberger hinein, zeigte Otto das Schlitzohr seine analytischen Fähigkeiten: Er wechselte Kasperski aus und brachte den läuferisch starken Stürmer Burghard Segler, den der BVB schon 1973 zu Regionalliga-West-Zeiten von Bayern München geholt hatte. Dieser Schachzug brachte wieder Ruhe in das BVB-Spiel, weil durch jetzt vermehrt inszenierte Entlastungsangriffe der bedrohlich aufkommende Gegner wieder zurückgedrängt werden konnten. Überhaupt: Borussias Plus war die großartige Moral und der unbändige Siegeswille, der sich auf die Tribünen übertrug. Die Schwatzgelben feuerten in dieser kritischen Phase "ihre Lieblinge" dermaßen an, dass den schwarzroten Angst und Bange werden musste! Immer wieder die langgezogenen Stakkato-Rufe: Beh-Vau-Beh, Beh-Vau-Beh, Beh-Vau-Beh, sorgten für eine gnadenlos gute Stimmung im ganzen(!) Stadion, die eben alle mitriß.

Elegante Ballführung, klasse Libero: Helmut Nerlinger

Dauerrenner Hannes Hartl war es dann in der 75. Minute vorbehalten, mit seinem erlösenden Tor die Tür zur Bundesliga weit aufzustoßen. Sein Hammer zur 2 : 1 Führung bedeutete jedoch keineswegs schon Entwarnung, denn der Ex-Bochumer Kapitän Hannes Walitza produzierte in einer Co-Produktion mit Rudi Sturz nur 5 Minuten später das 2 : 2. Wie würden die klasse fightenden, aber jetzt langsam müde werdenden Borussen damit fertig?

Gemäß der heute modernen Formel: "Mund abputzen, weiter", gab es für die Rehhagel-Schützlinge jetzt nur ein taugliches Mittel: dagegenhalten um jeden Preis! Und die Jungs wurden immer wieder unter den Dauer-Gesängen der Anhänger wieder lockerer und kamen besser ins Spiel. Ha-Ho-He - Borussia BVB schallt´s jetzt immer wieder aus der Südtribüne. Den Dortmundern gelingt es in dieser Phase die besseren, gezielteren Aktionen zu starten, denn auch angesichts der Tatsache, das Geyer mit Gehirnerschütterung sicher ausfallen würde, wurde allen mulmig beim Gedanken an ein Entscheidungsspiel in Frankfurt nur 3 Tage später. Und so nahm sich der König der Bananenflanken, Lothar Huber ein Herz und drosch in der Schlussminute das Leder mit links in den Giebel! 3 : 2 , 90. Minute, Schluß, aus, gewonnen... Der BVB war wieder erstklassig. Auf seine Bude angesprochen schwärmte der mit Schampus beinahe ertränkte Rechtsverteidiger: "Habt Ihr meine linke Klebe zum 3:2 gesehen? Ich hab gar nicht gewusst, wie hart ich damit schießen kann!" "Schampus muß her, wir wollen feiern", schrie Ede Wolf in den Kabinentrakt. Der Sekt floß in strömen. Überschäumende Freude pur. Deutschland, wir kommen!

Ohnehin hatte es für die BVB-Fans beim Schlusspfiff kein Halten mehr gegeben. Die Spielfeldumzäunung stellte für sie keine sonderlich große Hürde dar und selbst der Verfasser dieser Zeilen muß eingestehen, dass er damals mit seiner 3 Meter großen Fahne dieses "Sakrileg" beging. Selbst die Dortmunder Polizei machte angesichts dieses Ereignisses eine gute Miene zu den losbrechenden Begeisterungsstürmen. Es wird sogar berichtet, das sie zum gerade erst erschienenen "Heja BVB" von Karl-Heinz Bandosz rhythmisch im Takt mitgeklatscht haben soll. Doch die Feier der Spieler mit ihren Fans war nur von kurzer Dauer. Zu unübersichtlich war die unkontollierbare Masse der Freude da auf dem Grün, zu groß war die Gefahr der Verletzung. Und dafür, dass sie gerade noch mitten im Feiern waren, waren Dortmunds Fußballlieblinge aber schnell mit einer "vernünftigen Euphoriebremse" zu vernehmen, wie sie sonst nur bei den hartgesottenen Borussenfans üblich ist, denn die Wandlung zum "Vollprofi" - durch Otto Rehhagel propagiert und eigentlich erst zur neuen Saison programmiert - schien bereits Abends auf dem Bankett schon reale Wirklichkeit geworden zu sein...

Und hier noch einige Stimmen zum BVB-Aufstieg:

Der unterlegene FCN-Trainer Hans Tilkowski: "Einer musste ja ins Gras beißen. Leider hatten wir die schlechtere Ausgangsposition, aber wir wollten hier in Dortmund zeigen, dass wir besser spielen können, als das bei der 0:1 Niederlage der Fall war. Ich bedauere, dass ich in 3 Jahren meiner Tätigkeit in Nürnberg zwei mal nur 2. geworden bin, aber ich bin nicht frei von Fehlern."

Der siegreiche BVB-Trainer Otto Rehhagel: "Die Dortmunder haben das Ziel erreicht, wovon sie 4 Jahre geträumt haben. Meine Mannschaft zeigte eine ausgezeichnete Moral. Ich freue mich, dass sich meine kurze Arbeit beim BVB so erfolgreich ausgewirkt hat. Ich glaube, dass wir verdient gewonnen haben. Leider wurde Geyer verletzt. Mit ihm, hätten wir sicherlich höher gewonnen. In Zukunft gibt es beim BVB nur noch Fußball total, wenn wir in der Bundesliga bestehen wollen."

Der vor den Entscheidungsspielen ausgeschiedene Horst Buhtz: "Ein Spiel, das nerven gekostet hat. Besonders die Borussen litten mitte der 2. Hälfte darunter. Die Nürnberger konnten frei aufspielen, deshalb hatten sie auch in der 2. Hälfte Vorteile und sahen da optisch besser aus."

BVB-Präsident Heinz Günther: "Ich bin überglücklich, Einen besseren Fußballkrimi konnten die Zuschauer nicht sehen."

Saisonbilanz 1975/76

Die neue Saison 76/77

Anschließend gab es wie gesagt ein tolles Bankett, für jeden Spieler DM 21.500.- Aufstiegsprämie und DM 40.000.- Schmerzensgeld für den entlassenen Trainer Buhtz. Der BVB holte für die kommende Saison den Essener Publikumsliebling Willi „Ente“ Lippens, ein Mann aus Offenbach Namens Erwin Kostedde und etwas später stieß dann aus Uerdingen ein Spieler zu uns, der bis heute höchstes Ansehen genießt: Manfred Burgsmüller, der für Borussia in 224 Spielen bis heute unerreichte 135 Treffer markieren sollte...

Manni Burgsmüller (1976-83)
Willi „Ente“ Lippens (1976-79)
Erwin Kostedde (1976-78)
10.000 Dortmunder Fans erlebten dann am 14. August 1976 das erste Bundesligaspiel im Hamburger Volksparkstadion mit! Beim 4:3 Sieg (Rückspiel übrigens 4:4) gegen den HSV meldete sich der BVB mit einem Paukenschlag zurück! Weitere sollten folgen... Dabei hatte Borussias Idol Jürgen „Charly“ Schütz es den Hamburgern schon 13 Jahre früher gesagt: „Ihr lernt es eben nie“. Anschließend wurde der BVB Deutscher Meister!

Zur Erinnerung:

Der BVB meldet sich in der neuen Saison mit einem Paukenschlag zurück: 4-3 beim HSV

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