Überheblichkeit böse abgestraft
Mit dem SC Freiburg erwarteten wir heute auch zwei „alte Bekannte“ im Westfalenstadion zurück, aber Ibrahim Tanko war verletzungsbedingt gar nicht erst angereist. Er und auch Vladimir But, die beim BVB ausgemustert wurden, verdienen ihre Brötchen heute längst in Freiburger Diensten. Die beiden wollten den Dortmundern beweisen, dass es ein Fehler war, sie ziehen zu lassen.
Die Vorzeichen dafür standen allerdings schlecht, denn noch am Donnerstag blamierten sich die beiden trickreichen Offensivspieler mit ihrem Klub im UEFA-Pokal gegen den FC St. Gallen. Die Schützlinge von Trainer Volker Finke verloren bekanntlich das Hinspiel der 2. Runde im Dreisamstadion durch eine Unkonzentriertheit in der Nachspielzeit mit 0:1. Jörg Heinrich, das Pendant zu den beiden Ex- Borussen auf Dortmunder Seite kehrte dagegen nach seiner langwierigen Verletzung erstmals in den Kader von Trainer Matthias Sammer zurück. Der Ex-Freiburger hatte beim letzten Gastspiel der Breisgauer den entscheidenden Treffer zum 1:0-Sieg erzielt und damit eine für den Sportclub deprimierende Serie aufrecht erhalten. Denn im Westfalenstadion haben die Freiburger bis dato bei ihren bisher sieben Auftritten noch nie gewonnen.
Ein Festtag außerdem auch für die 65000 im Dortmunder Westfalenstadion. Ewerthon Henrique de Souza (20) feierte gegen den SCF seine Heim-Premiere. Bisher wirbelte der Neu-Borusse nur bei den Siegen gegen St. Pauli (2:1) und Gladbach (2:1) auswärts. Seine imponierende Bilanz: 2 Spiele, 2 Tore selbst geschossen und 2 vorbereitet. Und dabei ist Ewerthons Erfolgsrezept so einfach: „Es ist wichtig, seinen eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. Und natürlich Gott, denn der hilft mir jeden Tag.“
Weiterhin im Fokus aller Anwesenden der SCF-Spieler mit der Nummer 6: Jung-Nationalspieler Sebastian Kehl, bei dem unter der Woche BVB-Präsident Dr. Gerd Niebaum medienwirksam das Dortmunder Interesse am Freiburger Mittelfeldakteur bestätigte!
„Rosa“ mußte seine Sperre absitzen
Das Dortmunder Mittelfeld mußte ja absehbar umgestellt werden, denn Tomas Rosicky saß heute seine gelb-rote Karte vom vergangenen Samstag auf der Haupttribüne ab. Lars Ricken schlüpfte stattdessen in die spielgestaltende Rolle zwischen Mittelfeld und Angriff. Überraschend hatte BVB-Coach Matthes Sammer wieder Jan-Derek Sörensen aufgeboten und den zuletzt sehr schwachen Kapitän Stefan Reuter sogar ganz geschont. Dafür spielten Kohler und Wörns mit den brasilianischen „Flügelzangen“ auf einer Linie.
Der „Kokser“ gewinnt die Seitenwahl gegen „Ritchie“ Golz, Anstoß für Freiburg. Die Südtribüne ist von Beginn an präsent. Der SC zieht sich zunächst in die eigenen Deckung zurück. In der 4. Minute ein erster Fingerzeig der Schwatzgelben, als Marcio Amoroso einen Scherenschlag knapp verzieht. In der 8. Minute öffnet „Dino“ Koller mit einem genialen Paß zu Ewerton, aber der schießt drüber. Weiterhin Einbahnstraßenfußball in eine Richtung, die der Gäste. Beim ersten vernünftigen Angriff der Breisgauer setzt Kehl Tobias Willi ein und dessen Flanke in den Strafraum verpasst Coulibaly im 5´er. Im Gegenzug geht Sörensen auf dem linken(!) Flügel, der von Lars Ricken steil geschickt wird, aber seine verzögerte Flanke kommt nicht an. Mensch Junge, trau Dir doch mal was zu! Dann herrlicher Paß in die Tiefe auf Ewerton, der hat nur noch Golz vor sich, aber entscheidet sich für die „falsche Seite“ und dribbelt ins Toraus. Schade! In der 20. Minute dann ein Freiburger Freistoß, den Lars Ricken vor dem Strafraum verursacht. Der abgeblockte Ball landet dann bei Amoroso, der Lars herrlich in den Lauf spielt. Er kann den Ball zwar noch irgendwie gut mitnehmen, aber Golz fischt ihm das Leder vom Fuß. Der Torschrei erstarb auf den Lippen der BVB-Fans. Keine Frage, Borussia hat das Heft fest in der Hand! Nur das erlösende Führungstor, dass steht noch aus...
Beim SC Freiburg läuft fast alles über Sebastian Kehl. Er ist hinten, er ist vorne – ein Aktivposten. Boubacar Diarra erhält das erste Gelb von Schirri Alfons Berg, als er 25 Meter vor der Bude Amoroso foult. Freistoß. Oliseh steht bereit, aber Dedé schießt - 1. Ecke, die wirkungslos verpufft. Die „Breisgaubrasilianer“ kommen nicht ins Spiel. Der BVB ist zwar überlegen, der Ball zirkuliert gefällig, aber es kommt bisher unter´m Strich zu wenig effektives dabei raus! Eva prüft Golz mit einer schönen Direktabnahme aus 20 Metern im Anschluß an eine Ecke (35.). Koller zieht einen Freistoß mit Wucht drauf, knapp drüber. Dann halten alle die Luft an. Jan-Derek Sörensen zieht eine wunderschöne Flanke von rechts auf den Kopf von Jan Koller rein und der verzieht aus 5(!) Metern etwa um einen Meter. Unglaublich! Ja, es liegt kurz vor der Pause böse in der Luft, dieses Führungstor. Aber stattdessen: Ein gescheiter Angriff der Freiburger und schon kommt die Defensivabteilung in Verlegenheit. Kohler will per Grätsche gegen Lars Hermel klären und spitzelt zu Wörns, der etwa bereits einen Meter zu weit ist. Dieser Querschläger im eigenen Strafraum begünstigt plötzlich Coulibaly und der läßt sich aus etwa 12 Metern nicht lange bitten! Der Ball schlägt im Winkel ein und läßt Jens Lemann keine Chance. Verkehrte Welt, der BVB liegt mit 0:1 hinten! Lars Ricken fällt kurz vor dem Pausentee noch einmal die Kugel urplötzlich vor die Füße, aber er kann damit nichts anfangen. Pause und mal wieder Pfiffe...
In Schönheit sterben...
Der BVB geht unverändert in die 2. Hälfte. In der 48. Minute zieht sich Sörensen den geballten Unmut zu, als dieser mal wieder eine Flanke ohne Bedrängnis in die Arme von Golz befördert. Monoman! Aber die SÜD ist erwacht. Es wird richtig gut gesungen, nur die Mannschaft kann davon zunächst kein Kapital schlagen. Umständlich (Sörensen, Evanilson) wie halbherzig wird die rechte Außenbahn „bearbeitet.“ Vladi But zeigt unterdessen bei einer seiner Ecken (von einem Eckpunkt zum anderen!), warum er derzeit auch in Freiburg nicht erste Wahl ist. Lustige Annekdote am Rande: Auf der Anzeigetafel leuchtet unterdessen auf, dass Jürgen Kohler mit 100% angekommenen Pässen glänzt! Tja, einer kam leider nicht an und führte zum Rückstand, das haben die lieben Kollegen wohl vergessen! *LOL*
Der BVB berennt das Freiburger Tor, so das es im Strafraum immer wieder turbulente Szenen gibt. Mit „Olé jetzt kommt der BVB“ will die Südtribüne jetzt zusätzlichen Schub geben! Micky Stevic ist in der 55. Minute für Sörensen gekommen und orientiert sich gleich nach vorn. Eine Angriffswelle nach der anderen und eine Ecke reiht sich an die Nächste. Es ist spannend und knistert gewaltig. Wann geht die Kirsche endlich rein? Borussia wird toll angefeuert. Hoffentlich kann sie den Fans das zurückgeben! Bei allem Bemühen schleichen sich aber immer wieder böse Abspielfehler rein, die den Breisgauern Entlastung bringen! Dann geht Koller zu Boden (65.). Was war da passiert? Berg verzieht keine Miene. Weiter geht´s in eine Richtung. Finke verstärkt angesichts des bedrohlichen Sturmlaufs mit Fabian Gerber die Defensive und nimmt Abder Ramdane raus. Ein kleines Kuriosum erleben die Zuschauer in der 71. Munute: Micky Stevic verläßt nach knapp einer Viertelstunde schon wieder das Feld und macht Fredi Bobic Platz. Zerrung.
Mit dem Kopf durch die Wand geht gar nichts!
Unterdessen scheint die Druckphase der Schwatzgelben deutlich an Wirkung zu verlieren. Zwar prüft Eva in der 73. Minute mal wieder Golz, aber der zeigt sich auf dem Posten. Bobic unterdessen führt sich nahtlos ein in die durchsichtigen Sturmversuche. Sunday Oliseh ist beim BVB-Spielaufbau ein stetiges Ärgernis! Was er auch macht, es wirkt pomadig und lustlos! SC-Trainer Finke wechselt zum 2. Male und nimmt seine Speerspitze Coulibaly vom Feld, um den jungen Andreas Kaufmann ins kalte Wasser zu werfen. Alles Maßnahmen, um das eigene Abwehrbollwerk zu stabilisieren.
80. Minute wieder so ein umständlicher Angriffsversuch. Aber SR Berg hat die Sache wie immer mittels Abseitspfiff im Griff. Wir ahnen es: Der BVB könnte heute noch bis Mitternacht kicken – es würde nix nützen! Aber was war das? Oliseh (in seiner besten Szene) zieht aus 30 Metern ab - abgefälscht – und Golz hat Mühe, diesen Ball noch um den Pfosten zu drehen. Ein kleines Lichtlein, mehr nicht! Die technischen Unfertigkeiten einiger stehen den Dortmundern bei ihren Bemühungen doch all zu oft selbst im Weg! Und so schaukelt der immer stets unbequeme Sportclub am Ende dieses Ding doch noch locker über die Runden. Alexander Iashvili hätte in der 89. gar das 0:2 machen können, Koller ebenso im Gegenzug das 1:1. Und dann doch noch der endgültige KO. Lehmann ist vorn und vier Freiburger spielen sich das Ei solange zu, bis ausgerechnet Sebastian Kehl vollenden kann. Der „i“-Punkt unter eine saubere Bewerbung! Das war´s BVB. Abhaken und nach Hause gehen...
Fazit:
Böser Schnitzer der Schwatzgelben! Die Heimschwäche stimmt bedenklich. Statt oben in der Tabelle hinter dem Führungstrio anzuschließen, vergeigt man gegen die in der unteren Tabellenregion beheimateten Freiburger mal wieder die „Big Points“ auf eigenem Platz. Außerdem: Ohne Rosicky is nix los! So traurig das auch ist, aber ohne den Mittelfeldregisseur fehlen dem BVB einfach die zündenden Ideen! Mühselig und Ideenarm agierten die Gastgeber durchweg vor dem gegnerischen Gehäuse. Was positiv war: Endlich wieder mal durchgängig ein ordentlicher Support im Tempel. So ein Ende hatten die Borussen-Fans nicht verdient, aber Hochmut kommt ja bekanntlich vor dem Fall...
Trainerstimmen:
Finke (SCF): Für die Voraussetzungen, mit denen wir hier starten mußten, hat die Mannschaft das geschickt gemacht. In der Summe der Statistiken muß man sagen, dass der Gegner mehr Torchancen hatte. Richard Golz hat den Sieg gerettet.
Sammer (BVB): Insgesamt ist das eine sehr ärgerliche Niederlage. Wenn wir keinen Druck haben, dann wird versucht, den Gegner zu veralbern. Wir wollten eigentlich nur „schön spielen“ und das geht im Fußball nicht. Ich muß mir den Sieg immer wieder erarbeiten. Wenn Du besser sein willst wie andere, mußt Du mehr tun! Insgesamt muß man klar und deutlich sagen, dass das „fehlende Einstellung“ war und darüber muß man sich bei Borussia Dortmund Gedanken machen. Uns geht´s doch wunderbar hier. Das werden wir jetzt ändern.
Statistik:
Dortmund: Lehmann (3), Evanilson (4), Wörns (3), Oliseh (5), Kohler (4), Dede (3,5), Ricken(3,5), Ewerthon (4,5), Koller (4), Amoroso (5), Sörensen (4,5) ab 55. Stevic (-), ab 71. Bobic (-)
Schiedsrichter: Alfons Berg aus Konz (3). An und für sich unauffällig, aber bei der einen oder anderen Entscheidung konnte man seine „Sympathie“ für den BVB schon erkennen!
Zuschauer: 66500