Spielbericht Profis

Liverpool im Kopf - Kiew in den Beinen

27.10.2001, 00:00 Uhr von:  Arne
Dede im Duell
Dede im Duell
© Foto: Onlinesport

"Mund abputzen und den Blick nach Liverpool richten!" - mehr ist nach diesem erschreckend schwachen Aufeinandertreffen von Energie Cottbus und unserer Borussia eigentlich nicht zu sagen. Fünf starke Minuten des BVB reichten am heutigen Tage aus, um die Mannschaft von Eduard Geyer in ihre Schranken zu weisen und einen etwas schmeichelhaften 2:0 Sieg aus der Lausitz mit ins heimische Ruhrgebiet zu bringen.

Vor der Kür erst noch die Pflicht: "Matthes" schon im Liverpool-Zwirn
Vor der Kür erst noch die Pflicht: "Matthes" schon im Liverpool-Zwirn
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Sportdirektor Michael Zorc hatte vor dem Spiel noch gewarnt, sich nur auf das "Endspiel" in Liverpool zu konzentrieren. Genutzt hat es nicht viel, denn der Großteil der Borussen schien heute in Gedanken schon in der Beatlesstadt zu weilen: Lustlos, ideenlos, Stockfehler in Hülle und Fülle - so präsentierte sich der BVB im Stadion der Freundschaft. Dass diese Leistung dennoch für drei Punkte ausreichte, dürfte eher den schwachen Cottbuser Gastgebern als einer starken Leistung unserer Schwatzgelben anzurechnen sein.

Doch der Reihe nach: Für beide Mannschaften sollte dieses Aufeinandertreffen am heutigen Tage richtungsweisenden Charakter besitzen: Während die Brandenburger mit vier Niederlagen in Folge nach zunächst gutem Saisonstart völlig aus dem Tritt geraten waren und heute endlich wieder die Trendwende einläuten wollten, ging es für die Borussen in der erster Linie darum, den Kontakt zu den Spitzenplätzen nicht vollständig abreißen zu lassen.

Wahrscheinlich auch aus diesem Grunde hatte Matthias Sammer darauf verzichtet, überspielten Stammspielern wie Jan Koller eine Ruhepause zu gönnen und die Mannschaft ein bisschen "rotieren" zu lassen. Dennoch begann der BVB im Vergleich zum Feiburgspiel vor sechs Tagen mit drei Änderungen in der Anfangsformation. Für Rosicky, der seine Sperre abgesessen hatte, musste zunächst der zuletzt erstarkende Sörensen wieder mit einem Platz auf der Ersatzbank Vorlieb nehmen, und des weiteren ersetzten Metzelder und Stevic den verletzen Kohler und Sunday Oliseh.

Auf der Seite des Gegners dagegen feierte Christian Beeck nach siebenmonatiger Verletzungspause sein Comeback und durfte auch gleich wieder in der Anfangsformation ran, denn die Cottbuser hatten sich für den BVB offenbar eine "Spezialtaktik" ausgedacht, für die Beeck nur allzu geschaffen zu sein schien:

Fiel in letzter Zeit vor allem durch dumme Sprüche auf: Eduard Geyer
Fiel in letzter Zeit vor allem durch dumme Sprüche auf: Eduard Geyer
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Energie-Trainer "Ede" Geyer hatte vor dem Spiel nämlich einmal mehr ein großes Mundwerk bewiesen und davon gesprochen, den Borussenspielern durch harte Spielweise den Spaß am Fußballspielen nehmen zu wollen. Dies allerdings wollten die Schwatzgelben offenbar nicht zulassen und nahmen sich den Spaß gleich selbst.

Von Beginn an lief beim BVB nicht viel zusammen: Zwar zeigte die Mannschaft sich zumindest in den Anfangsminuten der ersten Hälfte noch bemüht, ein wenig Ordnung in das Spiel zu bringen, doch zahlreiche Unkonzentriertheiten und Fehlpässe ließen dieses Vorhaben zu einer "mission impossible" zu werden.
Auch die Cottbusspieler präsentierten sich keineswegs besser. Ungestüm und mit vielen kleinen versteckten Fouls versuchten sie, die wenigen erfolgversprechenden Aktionen der Borussen konsequent zu unterbinden.

Auf diese Art und Weise neutralisierten sich beide Teams zunächst und es dauerte fast 20 Minuten, bis die Zuschauer den ersten ansatzweise als Torchance zu betrachtenden Spielzug mit anschauen durften: Nach einem Evanilson-Fehlpass sah die Dortmunder Hintermannschaft einen Moment lang nicht gut aus und Kaluzny prüfte Jens Lehmann mit einem Schuss - der BVB-Keeper meisterte diesen Test tadellos.

Kurze Zeit später dann auch die erste Gelegenheit für den BVB: Freistoß Dede, Torwart Piplica wehrte den Ball unglücklich nach vorne ab, doch Amoroso traf aus äußerst spitzem Winkel nur den Außenpfosten des Cottbuser Gehäuses.

In der Folge dann jedoch wieder das gewohnte Bild: Der BVB mit mehr Spielanteilen, jedoch ohne Kreativität und auch ohne den rechten Willen, das Spiel an sich zu reißen; Energie dagegen bemüht, aber viel zu schwach, um den BVB durch seine Konter ernsthaft in Bedrängnis zu bringen.

"Rosa" gelang heute fast nichts
"Rosa" gelang heute fast nichts
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Einziger Lichtblick in der ersten Halbzeit die 38. Minute: Ricken mit einem schönen Pass auf die rechte Seite, wo Rosicky lief und den Ball mustergültig in den Strafraum flanken konnte, doch Amoroso vergab diese gute Gelegenheit freistehend, in dem er den Ball über das Tor köpfte.

Bis zur Halbzeit änderte sich nicht mehr viel an diesem bis dahin grottenschlechten Spiel beider Teams und wer immer sich von der zweiten Hälfte mehr versprochen hatte, wurde bitter enttäuscht, denn beide Mannschaften dachten offenbar gar nicht daran, irgendetwas an ihrer Spielweise zu ändern.

Zwei "halbe" Kopfballgelegenheiten von Kaluzny in der 61. und 62. Minute waren die einzig nennenswerten Aktionen, ansonsten präsentierten beide Mannschaften den Fans Fußball zum abgewöhnen. Insbesondere von der Borussia musste man enttäuscht sein, ließen die Spieler doch zu keiner Zeit ihr großes Potential aufblitzen. Tomas Rosicky war am heutigen Tage ebenso ein Totalausfall wie die Sturmreihe Amoroso-Koller-Ewerthon. Einzig der ständig bemühte Lars Ricken und die sicher stehende, aber auch kaum geprüfte Innenverteidigung wussten gegen Cottbus zu überzeugen.

Auch Matthias Sammer hatte diese Schwächen der eigenen Mannschaft offenbar erkannt und brachte in der 70. Minute Stefan Reuter für Micky Stevic, sowie sechs Minuten später Jan-Derek Sörensen und Sunday Oliseh für Ewerthon und den bereits angeschlagen in die Partie gegangenen Rosicky.

Lars Ricken, heute Kapitän, Torschütze und Vorbereiter in Personalunion
Lars Ricken, heute Kapitän, Torschütze und Vorbereiter in Personalunion
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Und dann passierte, womit wohl kaum noch einer gerechnet hatte. In der 78. Spielminute setzte sich Ricken im ersten ansehnlich vorgetragenen Angriff des gesamten Spiels schön auf der linken Seite durch und spielte den Ball in den Strafraum auf Jan Koller, der zunächst vier Gegenspieler auf sich zog, um den Ball dann mustergültig an die Strafraumkante zurückzulegen, von wo Lars Ricken den Ball unhaltbar zur 1:0-Führung ins Energie-Netz hämmerte.

Nur fünf Minuten später folgte dann die Entscheidung durch den bis dato völlig abgetauchten Marcio Amoroso. Nach einem erstklassigen Pass von Lars Ricken, der mit dieser Leistung seine heutige Premiere als Borussen-Kapitän krönte, lies der Brasilianer Piplica lässig aussteigen und schob den Ball ins leere Tor der Gastgeber ein.

Kurz vor Schluss hatte Jan-Derek Sörensen dann sogar noch die Chance, das Ergebnis auf 3:0 zu erhöhen und gleichzeitig seinen ersten Treffer im BVB-Trikot zu markieren, doch sein Schuss ging knapp am Gehäuse vorbei. Wenn man ehrlich ist, wäre ein Sieg in dieser Höhe aber auch keineswegs verdient gewesen, zu schlecht haben die Borussen über weite Teile der 90 Minuten gespielt.

Es war nicht wirklich schön anzusehen, was einem heute auf dem Platz geboten wurde
Es war nicht wirklich schön anzusehen, was einem heute auf dem Platz geboten wurde
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Was jedoch auffällt, ist die Abgeklärtheit, mit der die drei Punkte am heutigen Tage doch noch eingefahren wurden. Ganz im Stile einer Spitzenmannschaft rumpelte sich der BVB heute über die Zeit und es genügten zwei gute Aktionen, um dem Gegner den "Todesstoß" zu versetzen. Ob das jedoch auch gegen eine stärkere Mannschaft geklappt hätte, ist zumindest zweifelhaft.
Deutlich wird auf jeden Fall, dass die Doppelbelastung dem BVB immer mehr zu schaffen macht. Der Championsleague-Rhythmus wirkt sich deutlich auf das Auftreten der Borussen aus, die heute sichtbar müde und ohne jeglichen Elan auftraten. Hier ist Vorsicht geboten, will man nicht am Ende dasselbe Schicksal erleiden wie vor zwei Jahren.

Wichtig ist aber auf jeden Fall auch die Erkenntnis, dass die Borussia solche Spiele auch ohne Tomas Rosicky gewinnen kann, denn beide Tore fielen erst nach seiner Auswechslung. Möglicherweise ist es ganz gut, dass nun einmal alle gesehen haben, dass es auch ohne den jungen Tschechen geht, denn in der Vergangenheit hat die Mannschaft zu oft einzig und allein auf sein Talent und seine Ideen vertraut und sich so in eine gewisse Abhängigkeit begeben.

Fazit:

Maximaler Ertrag bei minimalem Einsatz - zumindest Ökonom Michael Meier dürfte an der effizienten Vorstellung der Borussia heute seine Freude gehabt haben. Für Fußball-Ästheten war dieses Spiel am heutigen Tage sicherlich nichts und die Borussia sollte sich dringend um einige 100% steigern, will man am Dienstagabend in Liverpool wirklich den Einzug in die Championsleague-Zwischenrunde feiern können.

Die Daten zum Spiel:

Borussia: Lehmann (2,5) - Evanilson (5), Wörns (3), Metzelder (3), Dede (4) - Ricken (3), Stevic (4) [70. Stevic (-)], Rosicky (5) [76. Oliseh (-)] - Ewerthon (5) [76. Sörensen (-)], Koller (4), Amoroso (4) - Trainer: Sammer

Cottbus: Piplica - Sebök - Beeck, da Silva, Hujdurovic [81. Brasilia] - Helbig, Akrapovic, Kaluzny - Miriuta - Franklin [68. Vincze], Topic [46. Kobylanski] - Trainer: Geyer

Gelbe Karten: Sebök, Helbig, Franklin, Kobylanski, Miriuta - Evanilson, Stevic, Wörns, Ricken, Lehmann

Tore: 0:1 Ricken (78., Koller), 0:2 Amoroso (83., Ricken)

Schiedsrichter: Kemmling, Note 2,5 - pfiff sehr solide und nahezu fehlerlos, hätte aber in dieser nicht gerade besonders unfairen Partie ruhig die Gelbe Karte ein paar Mal steckenlassen können

Abseits des grünen Rasens:

Gut bewacht wurden die Borussenfans nach dem Spiel von der brandenburgischen Polizei: Da die Busfahrer ihre gesetzlichen Ruhezeiten einhalten mußten, verzögerte sich die Abfahrt einiger BVB-Fanbusse. Zum Schutz (oder zur Einschüchterung?) der Insassen stellte die Polizei kurzerhand ein Aufgebot zur Verfügung, das fast Derby-charakter hatte - ganz getreu dem Motto: "Für jeden Fan ein Freund und Helfer".

Kleiner Trost für die Bus-Besatzungen: Die Anreise mit dem Privat-PKW war auch nicht völlig problemlos, denn wer mit dem eigenen Auto da war, brauchte angesichts der chaotischen Parkplatzsituation vor allem eines: Geduld!

Zu Kämpfen hatten aber auch die Daheimgebliebenen - und zwar mit Premiere World. Dort hat man am heutigen Tage offenbar kräftig rotiert und die zweite oder dritte Mannschaft an die Mirkofone und Regiepulte rangelassen. Während der Kommentator sich im Verlaufe der Partie immerhin steigerte und 15 Minuten nach Spielbeginn dann auch Evanilson von Dede zu unterscheiden wußte, blieb die Bildregie leider das gesamte Spiel über unter aller Sau. Da wurden Zuschauer, Trainer und Auswechselspieler gezeigt, während einem im Hintergrund erboste Zuschauerreaktionen von dem Weiterverlauf des Spiel verkündeten und Bälle wechselten von Lehmann zu Piplica ohne daß der Zuschauer am Bildschirm erfuhr, wie es denn dazu kam. Leo Kirchs Schergen haben an diesem Nachmittag wirklich jede Chance genutzt, sich dem Niveau des Spiels anzupassen. So muß man sich über rote Zahlen nicht wirklich wundern.

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