Hauptsache mal wieder gewonnen!
Eigentlich hätte man es bei der Überschrift belassen können, dürfte sie doch genau das ausdrücken, was der Großteil des Borussenanhangs nach diesem Spiel denken wird. Da es aber irgendwie albern wäre, den Spielbericht schon nach 4 Worten zu beenden, wollen wir uns dann doch mal etwas intensiver mit dem Spiel bei den "Kiezkickern" beschäftigen.
Nach sieben sieglosen Spielen in Folge und in Anbetracht einer langsam aus den Löchern kriechenden Boulevardpresse, die einen erneuten Ausrutscher der Borussia beim "Kellerkind" St. Pauli wohl als Anlass für einen Großangriff auf den BVB genutzt hätte, gab es für den BVB nur eine Devise: Gewinnen, um den Kritikern zumindest vorerst ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen und das Gerede von der großen Krise schon im Ansatz zu ersticken.
Doch auch beim Gegner aus Hamburg ging es in diesem
Aufeinandertreffen um einiges. Mit gerade einmal drei Punkten, bisher
keinem Sieg und nur vier Toren aus sieben Spielen (davon keines auf
eigenem Platz erzielt) waren die Hanseaten in der Tabelle ziemlich tief
nach unten bis auf den vorletzten Tabellenplatz gerutscht, und die
Mannen von Trainer Dietmar Demuth hätten einen Sieg schon sehr gut
brauchen können, um nicht schon frühzeitig den Anschluss an die
Nichtabstiegsplätze zu verlieren.
Da kam die Borussia eigentlich gerade recht, denn eine ins Straucheln
geratene Spitzenmannschaft gehört in dieser Situation wohl zu den
dankbareren Aufgaben für einen Abstiegskandidaten: Man gilt als
Underdog, aber die Chance zur Sensation ist durchaus vorhanden.
Dessen war man sich sicherlich auch beim BVB bewusst, denn die Borussen legten in der ersten Halbzeit äußerst selbstbewusst los und ließen keine Zweifel daran aufkommen, dass man nun lange genug sieglos geblieben war.
Aber der Reihe nach: Matthias Sammer hatte seine Mannschaft nach der desolaten Vorstellung bei Boavista Porto kräftig durcheinandergewirbelt und gleich auf vier Positionen umgestellt. Wie bereits seit Freitag fest stand, fiel Christian Wörns mit einer Bänderdehnung im Knie aus - für ihn rückte Christoph Metzelder ins Team. Des weiteren verordnete "Matthes" Stefan Reuter, Micky Stevic und dem leider oftmals glücklos agierenden Jan-Derek Sörensen eine Verschnaufpause und besetzte die freigewordenen Positionen mit Sunday Oliseh, Lars Ricken und Neuzugang Ewerthon, der somit seinen Einstand im schwatzgelben Trikot geben durfte. Der Taktik des BVB war offensichtlich: Nach vorn! Mit drei Stürmern und zwei offensiven Mittelfeldspielern suchte die Borussia ihr Heil eindeutig in der Offensive.
Das Spiel begann dann auch recht munter und bereits kurz nach Beginn ergab sich schon die erste Gelegenheit für Amoroso, doch nach einer Rickenflanke kam der Brasilianer nicht mehr richtig an den Ball und die Hamburger Hintermannschaft konnte zur Ecke klären.
Mit einem 30m-Freistoss von Marcel Rath machten die Paulianer in der 4. Spielminute zwar kurz auf sich aufmerksam, aber in der Folge machte einzig der BVB das Spiel und dominierte die erste Halbzeit nach Belieben, und so fiel folgerichtig auch bereits in der 12. Spielminute der Führungstreffer für die Borussia. Amoroso spielte den Ball hoch in den Strafraum, Koller konnte sich gegen seinen Gegenspieler durchsetzen und den Ball per Kopf zu Ewerthon weiterleiten. Dieser hebt den Ball über sich und den Gegenspieler und traf dann mit einem äußerst ansehnlichen Schuss aus der Drehung an Pauli-Keeper Bulat vorbei ins Netz.
Danach beherrschten die Borussen das Spiel nach Belieben und das Spiel kannte nur noch eine Richtung, auf das Tor der Gastgeber, doch Koller per Kopf sowie Ricken, Oliseh und Dede (jeweils mit eindrucksvollen Schussversuchen aus der Distanz) scheiterten am gut aufgelegten Schlussmann der Braun-Weißen.
In der 32. Minute dann eine fast unglaubliche Situation: Schöner Konter über die rechte Seite, Rosicky war durch und legte den Ball quer auf Amoroso, der das Leder eigentlich nur noch irgendwie im leeren Tor unterbringen musste, aber dennoch irgendwie nur den Pfosten traf.
Doch direkt im Anschluss war der BVB dann
doch noch erfolgreich: Ewerthon flankte einen abgeblockten Ball von der
Grundlinie aus in die Mitte und dort gelang es Jan Koller problemlos,
sich gegen seine vergleichsweise kleinen Gegenspieler durchzusetzen und
den Ball mit einem schönen Kopfball im Tor unterzubringen.
Eine zu diesem Zeitpunkt hochverdiente BVB-Führung, da die Paulianer den
Schwatzgelben nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen hatten. Zu
harmlos hatten sie bis dato agiert und zu überlegen konnten die Borussen
in dieser Phase auftrumpfen. 10:1 Ecken für den BVB machten den
zeitweise herrschenden Klassenunterschied überdeutlich.
Mit 0:2 ging es dann auch in die Pause und damit waren die Gastgeber eigentlich sogar noch gut bedient, denn in den ersten 45 Minuten waren sie den heute in weißen Hosen angetretenen Borussia-Spielern in sämtlichen Bereichen hoffnungslos unterlegen.
Umso erstaunlicher daher dann das Auftreten beider Mannschaften nach
dem Seitenwechsel. Nachdem Trainer Demuth umgestellt und Baris und
Kollinger durch Bajramovic und Rahn ersetzt hatte, gelang es den
Gastgebern am Millerntor plötzlich, die Partie offener zu gestalten.
Zwingend waren die Aktionen zunächst zwar eher nicht, aber man merkte
den Gästen deutlich an, dass sie noch einmal alles versuchen wollten.
Der BVB dagegen zog sich in der zweiten Hälfte stark zurück, vom Elan
der ersten Halbzeit war fast gar nichts mehr zu spüren und es schien so,
als wolle man das 2:0 einfach über die Runden schaukeln.
In der 58. Minute brachte Matthias Sammer dann Fredi Bobic für den bis dahin eher glücklos agierenden und müde wirkenden Amoroso. Das Prädikat "glücklos agierend" traf leider in der letzten halben Stunde auch einmal mehr auf den Schwabenpfeil zu. Freundlich umschrieben, hat er es dem Trainer die Wahl heute doch deutlich erheblich leichter gemacht, mit welcher Sturmformation man die kommenden Spielen angehen wird, denn was er auch versuchte, es misslang.
20 Minuten vor Schluss wurde die Partie dann aufgeheizter. Nach einem nicht wirklich schlimmen Foul von Christoph Metzelder und anschließendem Handgemenge sehen sowohl der U21-Verteidiger (zu Recht), als auch Evanilson (zu Unrecht) die gelbe Karte und Matthias Sammer, der Zwecks Schlichtung das Spielfeld betreten hatte, wurde von Schiedsrichter Sippel auf die Tribüne bzw. vor den Borussenfanblock verbannt.
Nur fünf Minuten später dann die große Chance für den BVB, alles klar zu machen. Dede setzte sich schön auf der linken Seite durch, zog in den Strafraum und wurde von Bürger unsanft gestoppt - Elfmeter und die Chance, mit dem 3:0 den Sack zuzumachen, doch Koller semmelte den Strafstoß direkt am rechten Pfosten vorbei.
Fast im Gegenzug passierte dann das, was fast zwangsläufig passieren musste: Die eine Mannschaft ist zu blöd, den Sack zuzumachen, und dann trifft die andere plötzlich wie aus heiterem Himmel. In diesem Fall war es Thomas Meggle, der eine schöne Aktion mit einem Treffer krönen konnte. Da waren noch fast 15 Minuten zu spielen und es hieß noch einmal zittern für die Borussen. Ganz besonders als Lehmann einen Distanzschuß von Bajramovic etwa fünf Minuten später nur noch an den Pfosten lenken kann.
Damit war das Spiel dann aber auch zu Ende, denn auch den Paulianern war nun offenbar die Kraft ausgegangen und sie versuchten nur noch halbherzig, sich gegen die drohende Niederlage zu stemmen, und so gelang es der Borussia, den knappen Vorsprung noch über die Zeit zu retten.
Unschöne Szene nach Spielschluss: Dede musste nach dem Abpfiff von den Physiotherapeuten behandelt und vom Platz getragen werden.
Fazit:
Hätten die Borussen ihre Leistung der ersten Halbzeit für die vollen 90 Minuten konservieren können, hätten wir an dieser Stelle wohl ein eindrucksvolles 5:0 kommentieren können. Doch nach der Pause präsentierten sie sich in einer eher schwachen Verfassung, was vermutlich jedoch auch auf die Doppelbelastung und die Reisestrapazen unter der Woche zurückzuführen sein dürfte. Doch auch dies darf nicht als Ausrede dafür gelten, dass man eine klare Führung gegen den Tabellenvorletzten noch beinahe völlig aus den Händen gibt.
Was die Bundesliga angeht, kann man für den BVB jedoch festhalten: Die schweren Brocken sind erst einmal weg. Zwar demonstrierte das Team heute wie auch zuletzt, dass man nicht die Über-Mannschaft ist, von der wir alle zu Saisonbeginn noch geträumt haben, aber wenn es jetzt endlich wieder gelingt, in die Erfolgsspur zurückzukehren, könnte sich die Warnung, die die vergangenen Wochen für die Borussen darstellen sollte, durchaus positiv auf den weiteren Saisonverlauf auswirken.
Insgesamt lässt sich wohl für das Spiel folgendes Paradoxon aufstellen: Hoch verdient und doch recht glücklich 3 Punkte eingefahren! Spieler des Spiels war wohl eindeutig "unser Neuer" Ewerthon. Erstes Spiel, ein Tor geschossen, eins vorbereitet - ein Traumeinstand nach Maß
Zu guter Letzt wollen wir an dieser Stelle mal ein Lob an den Ordnungsdienst des FC St. Pauli aussprechen, der sich auch den Gästefans gegenüber äußerst vorbildlich verhalten und nicht wie Schwerverbrecher behandelt hat. Dies haben wir ja auch bereits in dieser Saison in anderen Stadien schon ganz anders erlebt und gerade daher wollen dies mal lobend hervortun.
Die Daten zum Spiel:
Borussia: Lehmann (2,5) - Metzelder (3,5), Kohler (3) - Evanilson (3,5), Oliseh (3,5), Dede (3) - Ricken (3,5), Rosicky (3) [81. Stevic (-)] - Ewerthon (2), Koller (3) [90. Madouni (-)], Amoroso (4) [58. Bobic (4,5)]
St. Pauli: Bulat - Stanislawski - Baris (46. Bajramovic), Amadou, Gibbs - Kolinger (46. Rath), Kientz, Bürger - Meggle - Marcao (65. Yakubu), Rath
Gelbe Karten: Meggle, Bürger - Ricken, Rosicky, Evanilson, Metzelder
Tore: 0:1 Ewerthon (12.), 0:2 Koller (33.), 1:2 Meggle (77.)
Schiedsrichter: Sippel, Note 3,5 - in der 1. Halbzeit solide, ließ er sich in der zweiten Hälfte ein wenig von der aufgeheizten Atmosphäre aus dem Konzept bringen. Ansonsten aber ohne spielentscheidende Fehler und sicherlich einer der besseren Schiris, die den BVB in dieser Saison gepfiffen haben
Nachtrag:
Die Rückfahrt endete für einige Borussen mit einem schweren Schock.
Gegen 0.30 Uhr, kurz hinter der Anschlußstelle Oyten, hat sich aus bisher ungeklärten Gründen ein mit drei Personen besetzter Ford Fiesta ca. 200 Mtr. vor dem Bus überschlagen. Dabei wurden Fahrzeugteile über die gesamte Fahrbahn verstreut. Ein den Bus überholendes Auto wollte wohl diesen Teilen, als auch einer aus dem Auto herausgeschleuderten Person ausweichen und bremste scharf ab und zog dabei direkt vor den Bus. Unser Busfahrer hatte trotz Vollbremsung keine Chance auszuweichen und fuhr mit hoher Geschwindigkeit auf den bremsenden PKW auf. Dabei wurde die auf dem Rücksitz des PKW`s sitzende 48-jährige Frau getötet, weil der PKW (Audi A4 Limousine) bis zu den Vordersitzen zusammengeschoben wurde.
Insgesamt wurden bei diesem Unfall 10 Personen schwer verletzt und in die umliegenden Krankenhäuser zur weiteren Untersuchung eingeliefert. 4 davon aus dem Bus; mit Gehirnerschütterung und Schleudertrauma, sowie einer mit Gehirnerschütterung und Wirbelverletzung. Einzig der Wirbelverletzte mußt zur weiteren Untersuchung im Krankenhaus bleiben. Wir können dankbar sein, dass der Fahrer den Bus so sicher zum stehen gebracht haben. Dies war nach Aussagen aller Mitfahrer nicht einfach.
Wir BVB-Fans trauern mit den Angehörigen des Opfers dieses schlimmen Unfalls.