Desolater BVB gibt alles aus der Hand
Endgültig! Aus der Traum von der deutschen Fußball-Meisterschaft. Borussia Dortmund spielt in der Vergabe um diesen ehrenvollen Titel keine Rolle. Vor 67 500 Zuschauern im fast ausverkauften Westfalenstadion spielte der BVB so, als habe er keinerlei Ambitionen die Saison auf einem Platz zu beenden, der zur Teilnahme an der lukrative Champions League berechtigt. Der Tabellendritte kam im Heimspiel gegen Abstiegskandidat VfB Stuttgart über ein enttäuschendes 0:0 nicht hinaus und muss nun sogar ernsthaft um die Europacup-Qualifikation für den Gelddruck-Wettbewerb bangen
Fehlpassfestival im Westfalenstadion. Ich muß gestehen, dass ich mich spontan nicht an ein ähnlich grottenschlechtes Heimspiel in jüngster Zeit erinnern kann. Schon die ersten Minuten lassen erkennen, dass der BVB sein taktisches Heimspielverhalten „schülerhaft“ umsetzt. Der Gast aus der Daimlerstadt darf sich in der Anfangsphase erst mal hier nach belieben einrichten. Frühes Vorchecken hat ja was mit Laufen zu tun – und dass ist bekanntermaßen nicht die Lieblingsdisziplin der Sammer Schützlinge. Räume werden großzügig gestattet und das eigene Mittelfeld fängt nahtlos bei der vom erneut schwachen Kapitän Reuter dirigierten Hintermannschaft an. Anfangs war dadurch auch kaum zu erkennen, dass es hier ein vermeintlicher „Titelaspirant“ mit einem Abstiegskandidaten zu tun hatte. Zumal der BVB – und das sei hier schon mal vorweggenommen – im weiteren verlaufe des Spiels den Stuttgartern in keiner Phase ernsthaft gefährlich werden konnte. Auch in den Folgeminuten spielten die Gäste eifrig mutig nach vorne und störten andererseits den Spielaufbau des BVB durch konzentriertes Defensivverhalten. Bei den abstiegsgefährdeten Schwaben hatte Trainer Felix Magath viel vom Wolfsburger Spiel gegen den BVB gesehen und seinen Mannschaftskapitän Zvonimir Soldo ebenfalls als Sonderbewacher für Tomas Rosicky aufgeboten.
Diese Maßnahme erwies sich abermals als außerordentlich wirkungsvoll, denn
die enge Manndeckung behagte dem zuletzt immer seltener überragenden
Spielmacher auch heute nicht. Dadurch fehlte es an zündenden Ideen, wobei es
sich die schwatzgelben nur allzu häufig selbst schwer machten.
Ungeordnet, unwirsch und mit einer Fülle von Fehlpässen behaftet, gab es nicht
eine einzige Kombination zu sehen, die diesen Namen auch nur ansatzweise
verdient gehabt hätte. Auch dem jungen Tschechen unterliefen heute ungewohnt
viele Fehlpässe. So fand ein geordnetes Mittelfeldspiel erst gar nicht statt.
Und dementsprechend kam das Dortmunder Offensivspiel, das auch durch das
beherzte, aber nicht immer faire Eingreifen der VfB-Viererkette wirkungsvoll
unterbunden wurde, nie richtig auf Touren.
Unser Albtraum heißt Alfons...
In dem dahinplänkelnden Frustgekicke, kamen beide Teams nicht einmal im Anschluss an Standardsituationen zu Torgelegenheiten und neutralisierten sich in der ersten Halbzeit weitesgehend gegenseitig. Für die einzige Aufregung sorgte in dieser Phase wieder einmal Schirri Alfons Berg in einer astrein erkennbaren Situation zu ungunsten der Dortmunder: In der 24. Minute wurde Jörg Heinrich nach einer rüden Attacke des Stuttgarters Jens Todt im Strafraum nahezu ausgehebelt, aber – wen wunderts – der Pfiff des „Unparteiischen“ blieb erwartungsgemäß aus!
In der 39. Minute dann die einzige
Borussen-Chance: Der sehr schwache Leonardo Dedé flankt stramm in den Strafraum
und Friedhelm Bobic kann freistehend seine Kopfball-Chance nicht nutzen. Er köpft
zwar auf´s Tor, allerdings so unplatziert, dass Hildebrand „spektakulär“
auf der Linie zur Ecke rettet, die nichts ein brachte. Beim Halbzeitpfiff ertönt
ein gellendes Pfeifkonzert der Fans, die den vollmundigen Sprüchen eines Billy
Reina aufgesessen waren und wirklich dachten, dass diese Mannschaft entschlossen
um die Minimalchance fighten würde. Pustekuchen!
In der zweiten Hälfte fand das Team von Matthias Sammer zu seinem völligen Ärger trotz zunehmender Feldüberlegenheit
kein Mittel gegen die kompakt stehenden und mit Mann und Maus verteidigenden Stuttgarter. Trotz teilweisem Tempospiel kam nichts produktives dabei raus. Zu hastig und schludrig rannten sich Schwatzgelben immer wieder in der vielbeinigen Abwehr der Schwaben fest! die Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als seien die Gäste mit ein, oder zwei Mann mehr auf dem Feld. Im altbekannten „Hase & Igel-Spiel“ war schon stets einer da, wohin die Kugel auch kam. Kunststück! Der BVB machte es den Schwaben ja auch geradezu einfach, sich auf die Einfaltslosigkeit einzustellen. Wenn einmal einer den direkten Weg zum Tor einschlug, dann blieb er garantiert am zweiten Stuttgarter hängen (Ricken), konnte das Leder nicht im Spiel halten (Reina), produzierte bei allem guten Willen haufenweise Fehlpässe (Stevic, Heinrich) oder offenbarte gar fehlendes taktisches Spielverständnis (Evanilson). Auch durch die (allerdings wieder viel zu späte) Hereinnahme von Otto Addo (75.) und Jan-Derek Sörensen (83.) bekam die Dortmunder Schlußoffensive kein Futter. Unfassbar zudem, dass der einst im Streit von 1860 München losgeeiste CL-erfahrene Sörensen erst 7(!) Minuten vor Schluß „seine Bewährungschance“ erhielt. So langsam muß man sich fragen: Wird hier ein Exempel statuiert? Will man dem einst aufmüpfigen Trondheimer nun zeigen, wer „den Hut“ aufhat? An der fehlenden Klasse kann es beim norwegischen Nationalspieler ja wohl kaum liegen, dass er zum bedauernswerten Stand-by Profi für die Ehrenrunde wird...
Südtribüne hat die Talsohle durchschritten
Als dann die letzten 30 Minuten anbrachen und sich bisweilen reger Unmut im weiten Rund breit zu machen drohte, da griffen die Supporter auf der Südtribüne zu einem älteren, aber bis dato immer äußerst wirkungsvollen Trick: Dem Dauergesang! Schnell auf Kopenhagen ´93 besonnen, intonierten sie eine Viertelstunde lang ununterbrochen den alten Song: „Olé, jetzt kommt der BVB.“ Nur, leider hat es die Mannschaft nicht belohnt, denn eine spürbare Verbesserung der „mit dem Kopf durch die Wand“ – Angriffe konnte vom Chronisten nicht festgestellt werden. Überhaupt die Fans: Im Block 82 entrollten sie rechtzeitig zum 35. Jubiläum des ersten Europacupsieges einer deutschen Mannschaft im Jahre 1966 Transparente und ehrten die 10 Finalspieler von Glasgow mit ihren Namen zum Gedenken. Eine tolle Idee!
Zurück zum Spiel, bzw. dem wenig erträglichen Anstürmchen auf die Festung VFB-Tor. Es ereignete sich immer wieder das selbe Spiel. Borussia greift bis zum Sechzehner an, wird gestellt und abgeblockt, der Ball wird irgendwie aus der Gefahrenzone befördert und gelangt zum Duo Reuter/Kohler, die ihrerseits eine lahmarschigen Spielaufbau einleiten, weil das Laufspiel der Kollegen... Naja, das hatten wir schon! Den Stuttgartern gelang es schließlich, schiedlich-friedlich das Unentschieden mit allerdings beachtlichem kämpferischen Einsatz über die Zeit zu retten und sich somit einen wichtigen Punkt im Kampf gegen den Abstieg in Westfalen zu entreißen.
Matthias Sammer sagte hinterher in der Pressekonferenz, dass ihm vor allem Körperhaltung und Körpersprache der Spieler nicht gefallen haben. „Wir haben hier sicherlich kein sehr gutes Spiel gemacht. Ich bin auch riesig enttäuscht, wie das ganze Umfeld hier sicherlich auch, die Bäume wachsen nicht in den Himmel, aber Kontinuität ist mir lieber als heute himmelhoch jauchzend und morgen zu Tode betrübt.“ Professionalität vorleben und verlange dies auch von meinen Spielern."
Sammers Apell macht Sinn: Ausgerechnet zum Ende einer passablen Saison scheint der Borussia die Luft auszugehen. Nur zwei Siege aus den vergangenen acht Spielen sind eines Meisterschaftsaspiranten ohnehin absolut unwürdig. Mit seiner öffentlichen Schelte wollte er am Donnerstag noch rechtzeitig die Reißleine ziehen, den Trend stoppen und seinem Team ein böses Erwachen ersparen: „Jetzt geht es ans Eingemachte. Wir können nicht alles verschenken, was wir uns in den vergangenen Monaten aufgebaut haben.“ Tja schade. So kurz vor´m Ziel und die Jungs ´ham wieder nur halbherzig zugehört...
Fazit:
Wie wir hier schon des öfteren ansprachen, ist der BVB mit seiner derzeitigen Mannschaft einfach noch nicht reif für den ganz großen Wurf. Zu viele Einzelspieler können in entscheidenden Momenten nicht ihre Leistungsgrenze erreichen und den inneren Schweinehund überwinden! Sicherlich war die Chance den Titel zu holen in diesem Jahr auf dem Präsentierteller geboten, aber seien wir doch mal ehrlich. Erinnert uns nicht gerade Stuttgart an ganz andere, weil stürmischere Zeiten in der vergangenen Saison. Gratulieren wir doch zu aller erst mal Matthias Sammer für seine gute und solide Aufbauarbeit und hoffen wir, dass er in Kooperation mit Reinhard Saftig noch über die eine oder andere Trumpfkarte zur qualitativen Verstärkung verfügt, denn in allen Mannschaftsteilen besteht nach Lage der Dinge Handlungsbedarf. Die Abwehr ist überaltert und bedarf ringend einer absehbaren Blutauffrischung, die Außenbahnen sind nicht annähernd konkurrenzfähig. Nicht in der Bundesliga und erst recht nicht in Europa. Das Mittelfeld benötigt einen weiteren ballsicheren und kongenialen Mitspieler für Tomas Rosicky, sonst vergeht dem bei der chronischen Lauffaulheit bald der Spaß in schwatzgelb. Im Sturm sieht es – wie heute wieder gesehen – ganz, ganz mau aus. Wenn man da mal einen Blick in den Donnerstags-KICKER wirft, kommen einem die Tränen, denn auf der einen Seite steht der Eine weggejagte, der wie befreit auftrumpft und 18 Buden im Norden gemacht hat und etwas weiter hinten der Andere, der offenbar in der Form seines Lebens mit seinen 18 Buden fast im Alleingang die Grashoppers zum Meisterschaft führt... Einfach nur traurig, dass beide nicht nur ohne Not viel zu früh hier gehen gelassen wurden, sondern auch bis heute nicht ansatzweise adäquat ersetzt worden sind!
Aufstellung und Noten
BVB: Lehmann (3), Evanilson
(5,5), Reuter (4), Kohler (3), Dedé (5) Heinrich (5), Stevic (4), Ricken (5),
75. Addo ( - ) Rosicky (4), Bobic (5), Reina (5) 83. Sörensen ( - ).
Einwechselungen:
für Reina, für Ricken - 58. Ganea für Adhemar, 69. Kauf für Thiam, 85.
Tiffert für Ganea.
Tore: Fehlanzeige. Eckstöße: 4:3
Chancenverhältnis: 5:3
Schiedsrichter: Alfons Berg aus Konz (5). Hatte wieder mal seine „Anti-BVB-Hasskappe“ auf, benachteiligte uns bei Abseitsentscheidungen und verweigerte einen eindeutigen Foulelfmeter an Heinrich
Zuschauer: 67.500.