Borussia verabschiedet ohne Mumm die Serie
In einem niveauarmen Spiel vergab der BVB leichtfertig die gute Aussicht, zumindest über Nacht auf dem Platz an der Sonne zu stehen. Die im Winter in Andalusien so glänzend eingestimmte Mannschaft verlor überraschend beim TSV 1860 München durch einen Foulelfmeter von Thomas Häßler (53.) mit 0:1. Nach acht Spielen ohne Niederlage riss die Erfolgsserie ausgerechnet im Münchner Olympiastadion, wo die Borussia am 4. November 2000 beim 2:6 gegen den FC Bayern eine ebenso leidenschaftslose Partie abgeliefert hatte.
Hochmut kommt vor dem Fall: Nach acht Spielen ohne Niederlage und ziemlich forschen Tönen im Vorfeld [Fredi Bobic: "Wir sind auswärts nicht zu unterschätzen und treten mit breiter Brust an."] fiel der BVB wieder von jetzt auf gleich ins Mittelalter zurück. Und dabei wies die Statistik im Vorfeld durchschnittlich 1,8 Tore zu Gunsten der Schwarzgelben gegen die "Blauen" von der Isar erzielt - soviel wie gegen kein anderes Team aus. Die Realität jedoch war eine andere. Von pomadiger Arroganz war da die Rede, ja sogar von leidenschaftslosem Untergehen in Spaliermentalität. Und auch Matthias Sammer fand anschließend klare Worte: „Wir haben grottenschlecht gespielt und zu recht verloren. Wir haben jetzt ein paar beleidigte Spieler mehr, die sich gegenseitig runterziehen und so haben wir heute auch Fußball gespielt“.
Die Partie im Münchner Olympiastadion beginnt aus Sicht der Löwen denkbar schlecht. Bereits in der 1. Minute mußte unser alter Bekannter aus tollen Dortmunder Tagen, Ned Zelic nach einem Tritt von Fredi Bobic mitten ins Gesicht den Platz verletzungsbedingt verlassen.
Münchens Libero erlitt dabei eine klaffende Platzwunde über dem Auge und war kurzzeitig sogar ohnmächtig. Trainer Werner Lorant schickte dafür Ehlers als Manndecker ins Feld, der Norweger Vidar Riseth übernahm die Rolle des Abwehrchefs. Und beim BVB kam noch vor dem Anstoß Christian Nerlinger, der bis dato neben Fredi Bobic noch nie ein Auswärtsspiel gegen die Sechziger verloren hatte, in die Startelf, da unser „Balkan-Maradonna“ Micky Stevic beim warm machen Stiche im Oberschenkel spürte [Sammer über Bobic: "Das festigt um so mehr seinen Platz im Kader"] Ne Trainer, dafür tat er selber einmal mehr nichts. Christian Nerlinger war für den Part als Sonderbewacher von "Löwen"-Regisseur Hä$$ler vorgesehen, aber Vorgartenzwerg Hä$$ler war Dreh- und Angelpunkt nahezu aller [wenigen] 60´er Angriffe.
Beide Mannschaften zeigten bei klirrender Kälte und leichtem Schneetreiben wenig erwärmende Szenen. Der ambitionierte Gast aus Dortmund begnügte sich damit, den Löwen das Spielfeld zu überlassen und macht keinerlei Anstalten deren Angreifer frühzeitig zu attackieren. Nahezu unbehelligt konnten die ihre Bemühungen vorantreiben, wobei Evanilson einmal mehr krasses „Kreisliganiveau“ offenbarte. Und so waren K[r]ampf und haufenweise Nickeligkeiten das Einzige, was die spärliche Zuschauerkulisse (davon etwa 1000 Dortmunder) zu sehen bekam.
Fehlpässe bestimmten das schwatzgelbe Geschehen und Torraumszenen hatten Seltenheitswert. Die Dortmunder hatten insbesondere in der Person von Giuseppe Reina nur einen immer anspielbaren Stürmer, der allerdings schlampig mit den sich bietenden Kontermöglichkeiten umging. Und so musste erst ein Fehler von „Eva“ herhalten, damit Martin Max mit einem Drehschuss (27.), die einzig nennenswerte Tochance in der ersten Halbzeit hatte. Diese stellte allerdings BVB-Hüter Jensi Lehmann vor keine allzu großen Probleme...
In der zweiten Halbzeit änderte sich zunächst das Bild und der Betrachter bekam den Eindruck, als hätte „Matthes“ ´Gardinenpredigt erste Konsequenzen erkennen lassen. Zunächst drückten die Borussen auch auf die Führung. Der Ball lief wesentlich flotter durch die eigenen Reihen und Lars Ricken trieb lauffreudig die Schwungräder an. Bis sie sich wieder um den Lohn eigener Arbeit brachten.
In der 53. Minute dann gerieten sie durch eine amateurhafte Dummheit und einen daraus resultierenden, zumindest zweifelhaften Elfmeter in Rückstand: Schiedsrichter Aust zeigt nach einem Zweikampf zwischen Bierofka und Evanilson zur Überraschung aller BVB-Akteure auf den ominösen Punkt. Der fahrige Brasilianer, ohnehin der Schwachpunkt in der BVB-Deckung, attackierte den stets gefährlichen Daniel Bierofka so ungeschickt, dass der sehr schwache Schiedsrichter Aust sich genötigt sah, unverzüglich zu pfeifen. Thomas „der Raffzahn“ Hä$$ler ließ sich die Chance nicht nehmen und verwandelte unten links zum 1:0.
Nach dem Rückstand reagierte Matthias Sammer und antwortete mit einem Doppelwechsel. Ab der 60. Minute sollen Addo und Debütant Rosicky die BVB-Aktionen gezielter nach vorn lenken. Der diesmal völlig enttäuschende Jan Derek Sörensen, um den sich ja bekanntlich beide Vereine einen monatelangen Wechselstreit geliefert hatten, sowie Nerlinger mussten raus – Zwei frische offensive Mittelfeldspieler sollten jetzt noch die Wende bringen. Dazwischen gab es ab und zu auch immer mal einen Konter in die entblößte Hintermannschaft. Schönes Zusammenspiel zwischen Hoffmann und Schroth. Schroth legt nach einem Doppelpass der Beiden quer, doch der Ex-Leverkusener Torben Hoffmann scheitert mit seinem Schüsschen an Lehmann (71.). Der umsichtige Jürgen Kohler befand sich allerdings aber auch stets da, wo auch nur im Ansatz Gefahr zu entstehen pflegte.
Doch die Dortmunder Schlussoffensive geriet zu einem gequält-ideenlosen Anrennen. In der 77. Minute trat dann der sich tapfer mühende 20-Jährige Rosicky effektiv und abgebrüht in Erscheinung, als er zuerst einen Sechziger natzte und dann im Zweikampf mit „Eiche“ Uwe Ehlers ausgehebelt wurde, aber vergeblich auf einen Elfmeterpfiff hoffte. Obwohl diese Aktion dem Vernehmen nach von Matthias Sammer den gleichen „Straftatbestand“ darstellte, wie die Szene zum 1860-Elfmeter. Die beste Ausgleichschance vergab Lars Ricken (81.), doch Jentzsch reagierte bei seinem Schuss aus 18 Metern glänzend und faustete den Ball zur Seite weg.
In den Schlußminuten probiert Borussia Dortmund hecktisch-betriebsam noch mal alles [Warum eigentlich erst jetzt?]. Bei einem Eckball ist wie selbstverständlich auch Jens Lehmann mit im Strafraum der "Löwen". Doch die Abwehr des TSV 1860 kann alles klären. In der Nachspielzeit sah dann Lars Ricken noch die Gelb-Rote Karte wegen Umstoßens des Ex-Dortmunders Marco Kurz, der ihn unsanft von den Beinen holte, als er schon vorbeigedribbelt war. Überdeutlich war ihm der Frust ins Gesicht geschrieben, als er mit steinharter Mine den Platz verließ. Er zeigte wenigstens noch Reue...
Fazit: Der BVB spielte einen solchen Rotz zusammen, dass bei den frustrierten Anhängern wohl erst mal alles wieder Bodenhaftung hat. Den euphorischen Meldungen aus dem spanischen Paradies namens Jerez, folgte ein mühseliger „Arbeitssieg“ gegen die Lausitzer. Mit der lässig-unprofessionellen Haltung im Kopf, die Sammer immer so zuwider ist, hat man unterm Olympiadach seine hervorragende Serie leichtfertig lax verspielt. Vielleicht ist das ja vor „der großen Woche der Hanseaten“ genau der Richtige Schuß vor´n Bug! Allerdings muß Sammer ganz schnell die schwelenden Stammspieler-Neid-Feuer innerhalb der Mannschaft löschen. Da ist jetzt Konsequenz gefragt und er weiß das! Aber diese Borussia macht einem trotzdem Bauchschmerzen mit dieser unsäglichen Unberechenbarkeit!
Noten und Aufstellungen
Borussia Dortmund: Lehmann (3) Evanilson (6) Wörns (4) Kohler (3) Dede (4,5) Nerlinger (5) , 60. Rosicki ( - ) Heinrich (5,5) Ricken (4)- Sörensen (5) 60. Addo, Bobic (5) Reina (4)
Schiedsrichter: Aust, Köln (5): Hatte das Spiel nie im Griff. Seine Kartenparade war weidlich unnötig und sein spielentscheidender Elfmeter zumindest fragwürdig.
Zuschauer: 20 500
Tor: 1:0 Häßler (53. Foulelfmeter)
Gelbe Karten: Borimirow, Schroth, Bierofka, Stranzl / Dede, Evanilson, Kohler
Gelb-Rote Karte: Ricken (90.)