Tatort Bundesliga: Extra Tatort zur Nationalmannschaft - Alle wollen Bierhoff die Binde abnehmen! - Unschönes Kesseltreiben ALLE gegen EINEN
Ausgerechnet Franz Beckenbauer fordert noch vor dem Griechenland-Spiel einen Kapitäns-Wechsel in der Nationalmannschaft. "Für Bierhoff scheint die Last nun doch zu schwer zu werden", schrieb der DFB-Vizepräsident und Chef des FC Bayern München am Montag in seiner Boulevard-Kolumne. Beckenbauer forderte DFB-Teamchef Rudi Völler zu einer "schnellen Lösung" auf. Völler sollte sich noch vor dem WM-Qualifikationsspiel am Mittwoch "mit Bierhoff zusammensetzen" und das Problem lösen. Hat man da noch Töne?
Erste Wahl für Bierhoffs Nachfolge ist für Beckenbauer natürlich nur Ersatzkapitän Oliver Kahn. "Der stellt was dar, ist in der Mannschaft und in der Öffentlichkeit unumstritten", schilderte der "Kaiser" die Vorzüge seines Bayern-Keepers, wenngleich er auch einräumte: "Ein Torwart ist keine Traumlösung, aber es geht." Die beste Alternative zu Kahn, so Beckenbauer, wäre natürlich ein wiedererstarkter Jens Nowotny von Bayer Leverkusen.
Kapitän Bierhoff von Völler degradiert
Keiner weiß genau, was den DFB-Teamchef da geritten hatte. Völler trat ohne Not diese unschöne, typisch deutsche Panikmache los, als er der Demütigung im Spiel die darauffolgende Demontage gleich folgen ließ: Der als „Rudi-Riese“ geadelte, degradierte seinen Kapitän Oliver Bierhoff, 1996 einst gefeierter EM-Held in England, nach dem 2:1 in der WM-Qualifikation gegen Albanien endgültig zum Ergänzungsspieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und leitete damit in selten gekannter Öffentlichkeit einen unrühmlichen Abschied des 32-Jährigen auf Raten ein. "Er ist nicht in der Verfassung, dass man ihn von Anfang an spielen lassen kann. Olli weiß aber, dass er jederzeit eine Alternative ist", sagte Völler über Bierhoff, den er nach seiner indiskutablen Leistung konsequenterweise bereits zur Pause ausgewechselt hatte.
Die Kritik wurde zuletzt immer lauter
Entsprechend angefressen und gefrustet präsentierte sich Bierhoff nach der Partie in der Leverkusener BayArena. "Ich bin sauer, dass ich ausgewechselt worden bin. Ich muss das zwar akzeptieren, aber glücklich bin ich nicht", kritisierte der Torjäger a.D. ungewohnt offen seine vorzeitige Herausnahme und gab einen kleinen Einblick in sein Seelenleben: "Ich bin verärgert über die vertane Chance. Da tritt eine Leere ein, da weiß man nicht, was man denken soll."
Vielleicht dachte Bierhoff auch schon daran, dass sein 54. Länderspiel auf längere Sicht seine letzte Chance auf einen Einsatz von Beginn an war. Zumal die Kritik an seinen Qualitäten zuletzt (auch und gerade in Italien) immer lauter wurde und auch Völler seinem seit nunmehr fast zwei Jahren umstrittenen Kapitän nicht gerade den Rücken stärkte. Aber aufgeben will der Italien-Legionär vom AC Mailand, der dem Teamchef bereits in der vergangenen Woche mangelnde Unterstützung vorgeworfen hatte, trotzdem nicht. Zumindest jetzt noch nicht: "Ich werde keine Fahnenflucht begehen, meine Karriere hört ja nicht morgen auf."
Auch ein Abschied vom Kapitänsamt war für den derzeit formschwachen und arg angeschlagenen Angreifer am Sonntag jedenfalls noch kein Thema. "Dieser Punkt wird immer hochgepuscht. Da habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich lasse das erst einmal sacken. Es geht auch nicht darum, ob Bierhoff Kapitän ist, sondern dass Deutschland die WM-Qualifikation schafft", sagte der laut „Emnid-Umfrage“ noch immer beliebteste Fußballer Deutschlands genervt und fügte an: "Das Problem ist nicht die Kapitänsbinde." Dies sieht der Teamchef aber ganz anders. "Das Problem ist dieses verfluchte Kapitänsamt. Das ist eine sehr große Bürde für ihn", erklärte Völler. Gut möglich deshalb, dass die DFB-Auswahl bis zum Spiel am Mittwoch in Athen gegen Griechenland einen neuen Kapitän hat. Favorit wäre demnach Torwart Oliver Kahn, der bereits in der zweiten Hälfte gegen Albanien die Spielführerbinde von Bierhoff übernommen hatte. Doch „Vizekapitän“ und Namensvetter Olli Kahn wiegelte ab und stellte sich vielmehr schützend vor Bierhoff: "Man darf jetzt nicht auf dem Olli herumhacken. Die Mannschaft muss ihm jetzt helfen und nicht groß über das Kapitänsamt reden."
Etwas wenig für die Ansprüche eines Oliver Bierhoff, dessen letztes großes Ziel die WM 2002 in Japan und Südkorea ist. Dafür zieht der 32-Jährige inzwischen sogar(!) einen Vereinswechsel in Betracht. "Ich will im Hinblick auf die WM bei einem Klub sein, bei dem ich mit Sicherheit spiele." Dafür könne sich der Milan-Profi, dessen Vertrag beim AC noch bis 30. Juni 2002 läuft, ein Tauschgeschäft in Italien vorstellen, aber auch ein Wechsel nach Frankreich oder Spanien sei möglich. Was jedoch nichts an der Tatsache ändert, dass Bierhoff möglichst schnell das Tor wieder treffen muss. Wie er selbst weiß: "Jetzt kann ich mir nur selbst helfen - indem ich wieder treffe."
Der "Kaiser" fordert jetzt Newcomer Klose
Derweil belässt es das DFB-Umfeld von Bierhoff nicht beim mutmaßen, sondern erstellt ganz klare Vorgaben: "Ein Abschied als Kapitän heißt nicht, dass Bierhoff jetzt aus der Nationalelf aussortiert werden sollte", sprach sich Franz Beckenbauer zugleich für einen Verbleib des 32-jährigen Stürmers vom AC Mailand in der DFB-Auswahl aus. Für das WM-Qualifikationsspiel der deutschen Mannschaft im Athener Olympiastadion heißt seine erste Stürmer-Wahl jedoch Miroslav Klose: "Warum sollte er nicht gegen die Griechen von Anfang an stürmen? Der Junge hat mit Lautern im UEFA-Cup schon internationale Erfahrung gesammelt, bekommt jetzt durch seinen Treffer noch mehr Rückenwind", so Beckenbauer über den 22-Jährigen, der sich sein Länderspiel-Debüt am Samstag gegen Albanien selbst mit dem 2:1- Siegtreffer gekrönt hatte. Unterstützung erhält der "Kaiser" in seinem Plädoyer für Klose von einem „so genannten Experten-Kreis“, der sich in einer Umfrage des Fachblattes "Kicker" heute mehrheitlich für einen Einsatz des Saison-Aufsteigers aussprach. "Ich würde Klose bringen, auch wenn solche Talente ihre Zeit zur Entwicklung brauchen", meinte Trainer Jupp Heynckes: "Die derzeit schwierige Situation erfordert es, diese jungen Kräfte schneller heranzuführen, als es normal der Fall ist."
In der 100 jährigen Geschichte des DFB hat bisher noch kein deutscher Fußball-Nationalspieler nach einem Treffer einen eingesprungenen Salto vorgeführt. Miroslav Klose, schon in der Bundesliga in dieser Disziplin als Kunstturner aufgefallen, feierte sein tolles Debüt stilecht. Nach 73 Minuten hatte Rudi Völler den Senkrechtstarter aus Kaiserslautern ins mühsame Rennen geworfen. "Trau dir was zu, spiel frei auf", hatte der Teamchef dem Neuling mit auf den Weg gegeben. Und der hielt sich hörig an die Vorgaben. Es muss kein Zufall sein, dass ausgerechnet „der Neue“ diesen entscheidenden Treffer besorgte. Der Junge, der vor zwei Jahren noch im Lauterer Fan-Block stand, war vermutlich als Einziger unbelastet und sorgenfrei in dieses Match gegangen, überwältigt von der Freude darüber, sich überhaupt in diesem Kreis bewegen zu dürfen. Miro Klose bringt vieles mit, was auf eine gute Karriere hindeutet. Er sollte allerdings noch lernen, nicht jede Antwort mit "Ja gut" zu beginnen. . .
So schnell geht das: Auch Völler wird bereits kritisiert
Der ehemalige Bundestrainer Jupp Derwall hat ja bekanntermaßen inzwischen recht radikale Ansichten entwickelt. Als Konsequenz aus der Partie am Samstag in Leverkusen hätte er Bierhoff und Carsten Jancker gar nicht mehr zum zweiten Teil der Dienstreise nach Athen mitgenommen. "Beide sind zu schwach. Wir brauchen keine Prellböcke, sondern Typen, die beweglich sind", meinte Derwall und nannte als Alternativen den Dortmunder Lars Ricken und U21-Nationalspieler Christian Timm vom 1. FC Köln. Heynckes, Streich und Kuntz sehen indes momentan keine Alternativen zu dem von Völler nominierten Aufgebot.
Harsche Kritik an Völlers Aufstellung und Teamführung übt unterdessen Ex-Profi Thomas Helmer. Er befand "insgesamt die Aufstellung der deutschen Mannschaft als nicht so glücklich", urteilte der ehemalige Mannschaftskamerad von Bierhoff und Europameister von 1996. „Gerade als in der zweiten Halbzeit die Flanken kamen, war Oliver nicht mehr da um seine Kopfballstärke einsetzen zu können.“ Die Nominierung von drei defensiven Mittelfeldspielern (Jens Jeremies, Dietmar Hamann und Carsten Ramelow ) konnte Helmer "nicht nachvollziehen". Zudem kritisierte er auch, dass Völler nicht rückhaltlos zu Bierhoff stehe: "Rudi Völlers Haltung zu seinem Kapitän wirkt nur halbherzig." Seinem ehemaligen Nationalmannschafts-Teamkollegen Bierhoff gab Helmer den Rat, nicht aufzustecken, und warnte zugleich davor, Klose als Allheilmittel zu betrachten: "Nun den jungen Miroslav Klose mit allen unseren Hoffnungen zu belasten, mein Gott, so kann die Lösung nicht aussehen."