Tatort Bundesliga - der 34. Spieltag: Schade Schalke, alles is vorbei... - So spielt das Leben: Minuten glücklich, monatelang frustriert!
Es war vollbracht. Exakt 9 Jahre und 3 Tage mussten wir darauf warten, dass wir uns für den beißenden und kränkenden Hohn und Spott vom 16. Mai 1992 bei „unsern Nachbarn“ weidlich revanchieren konnten, denn ebenso wie seinerzeit bei uns, war Schalke bereits 4 (i.W. “Vier“) Minuten und 48 Sekunden (dachten alle) deutscher Meister - dann entschied sich der "Fußball-Gott" allerdings wieder für die „Süddeutschen Glückskinder“ auf der Sonnenseite und rettete die Fußballwelt von den honigklebrigen Pappnasen auf allen Kanälen. Die "Blauen" stürzten in derart tiefste Depression, dass es abzuwarten bleiben wird, ob sie sich gegen die glückseligen Aufsteiger von „Eisern Union“ – noch dazu in ihrer Stadt – jetzt überhaupt noch einmal motivieren können...
Während schon unmittelbar nach dem Abpfiff die abgefeuerten Raketen und Böller in der Luft über dem in die Altersruhe verabschiedeten Packstadion explodieren und zig-tausende himmelblaue Fans sich bereits schon kringelig über den Rasen kullerten, freudetrunken in den Armen lagen und den vermeintlich ersten Titel seit 43 Jahren feiern, sehen die entsetzten Spieler den 1:1-Ausgleich der Münchner beim Hamburger SV durch Patrik Andersson in der Nachspielzeit wenigstens „live“ im Fernsehen auf Ihrer nachgerüsteten Kommerzanzeigetafel Süd. Anschließend in der Kabine flossen dann statt Schampus haufenweise und in Strömen die salzhaltige Feuchtigkeit aus den Sehschlitzen. Trauer statt Titel, Frust statt Freude, Jammer statt Jubel, Hölle statt Himmel. Der Supergau. Inferno pur in blau und weiß. Was kann es schönres geben? Ob allerdings die Zeit wirklich alle Wunden heilen wird, muss man auch erst noch mal abwarten. Schalke wäre nicht das erste Team, das im Anschluß an so ein Drama in alle Teile zerbricht...
"Ich gestehe, ich habe selbst Rotz und Wasser geheult. Ich habe geheult ohne Ende, weil ich die Grausamkeit des Fußballs manchmal nicht nachvollziehen kann. Ab heute glaube ich nicht mehr an den Fußball-Gott. Wenn alles gerecht gelaufen wäre, wäre Schalke 04 Deutscher Meister“, blärrte Rudi Cigar anschließend in der Pressekonferenz. Der praktizierende Christ Gerald Asamoah dagegen, immerhin so was wie der kommende Nationalspieler in Schalkes Reihen und Schütze des ebenso wichtigen wie abgezockten Hackentricks zum zwischenzeitlichen 2:2, empfahl seinen niedergeschmetterten Kameraden mit Blick aufs anstehende DFB-Pokalfinale eine Fügung ins Schicksal: „Gott weiß, was er tut. Vielleicht ist er nächste Woche bei uns. Man muss an ihm festhalten. Ich glaube weiter an ihn." Fest steht, daß der Gelsenkirchner Fußball-Gott vorzeitig in Urlaub ging. Falls es je einen solchen gab....
Irdische Gefühlen ließ Schalkes Trainer Huub Stevens nach dem „Sudden death“ freien Lauf und präsentierte sich in der grenzenlosen Enttäuschung als schlechter Verlierer: „Es ist eine unglaubliche Ungerechtigkeit. Und es tut noch mehr weh, wenn man mit ansehen muss, wie die Meisterschaft durch einen Fehler des Schiedsrichters in Hamburg entschieden wird“, meinte der Niederländer mit Blick auf den korrekten indirekten Freistoß zu Gunsten der Bayern, den Andersson mit dem Mute der Verzweiflung zur Entscheidung für den alten und neuen Meister ins Hamburger Netz hieb wie ein Berserker.
Und Ebbe Sand darf nicht einmal darüber jubeln, Bundesliga-Torschützenkönig zu sein. Der vom DFB rechtzeitig begnadigte Sergej Barbarez ist es gewesen, der den HSV in der Schlussminute in Führung gebracht hat. Damit war Gleichstand erzielt. Kicker Sportmagazin, das „Zentralorgan“ des deutschen Fußballs, muss im nächsten Sonderheft wieder zwei feine Hochkantfotos auswählen, um beide gleichermaßen zu würdigen. Indes, Barbarez und Sand dürften auf dieses Jahresfoto sicherlich gerne verzichten. Barbarez dieser Teufelskerl: In Dortmund weggeekelt, zeigte er eindrucksvoll an der Elbe, wie fälschlich Michael Skibbe doch seine Dienste verschmäht und wie wenig energisch Michael Meier doch um seinen Verbleib beim BVB gekämpft hat! Nun ist´s raus: Er is einer!
Für den ehemaligen Schalker Keeper, gebürtigen Marler und eingefleischten Schalke-Fan Matthias Schober, der ausgerechnet die Bayern zum Meister machte, hier noch einmal zum Nachlesen: Die Rückpass und indirekte Freistoß-Regel, die es bereits seit der Saison 1993/94 in der Bundesliga gibt.
>>Spielt ein Feldspieler den Ball absichtlich mit dem Fuß seinem Torwart zu, so ist es diesem untersagt, den Ball mit den Händen zu berühren. Die Strafe: ein indirekter Freistoß, der sowohl im Straf- als auch im Torraum gegeben werden kann. Wie der Name schon sagt, kann aus einem indirekten Freistoß direkt kein gültiges Tor erzielt werden. Der Ball ist im Spiel, wenn er 70 Zentimeter, also einmal seinen Umfang, zurückgelegt hat. Der vorgeschriebene Abstand der Gegenspieler von 9,15 Meter kann nicht eingehalten werden, wenn der Freistoß weniger als 9,15 Meter von der Torlinie verhängt wird. In diesen Fällen dürfen sich die Abwehrspieler auf der Torlinie zwischen den Pfosten aufstellen. Um die Wirkung dieses Freistoßes nicht zu mindern, muss der Schiedsrichter sorgfältig darauf achten, dass sich die Abwehrspieler erst dann nach vorne bewegen, wenn der Ball ins Spiel gebracht wurde. Selbstverständlich kann beim indirekten Freistoß der Ball auch direkt auf das Tor geschossen werden. Geht er dabei, ohne vorher berührt zu werden, ins Tor, so ist auf Abstoß zu entschieden. Wird der Ball jedoch von irgendeinem Spieler, gleich welcher Mannschaft, vor Überschreiten der Torlinie berührt, so ist auf Tor zu entschieden. Die Abseitsregel ist in Kraft<< [Quelle: DFB-Fußballregeln]
titelte am Sonntag die „BILD“ und so empfand es wahrscheinlich auch einjeder im Land. Auch der „gemeine Dortmunder“. Das enthusiastische applaudieren nach dem 1:1 Dusel-Ausgleichstreffer in Hamburg bei allen „wahrhaften Dortmundern“ (und es gibt wahrlich einen großen Haufen „Bürger“ dieser Stadt, für die man sich schämen muß!!!) hatte nichts aber auch gar nichts mit einem „PRO Bazis“ zu tun, sondern drückte lediglich unsere überschäumende Freude über das knüppelharte Abstrafen der großkotzigen Pappnasen aus, die ihrerseits in den zurückliegenden Monaten nix unversucht ließen, uns Borussen bis aufs Blut zu piesacken – und zwar bis weit über das Maß des Erträglichen hinaus...
Das sich dann allerdings auch der staatlich subventionierte WDR in seiner ohnehin nich so tollen Sendung "Sport im Westen" erdreistet, uns „eine Schande für das Ruhrgebiet" zu betiteln, verlässt schon den Boden der vom Satzungsauftrag der Landesrundfunkanstalt vorgegebenen - und demnach gebotenen - öffentlich-rechtlichen Neutralität um ein vielfaches. Dieser SPD-Quoten-Sender entblödete sich anschließend dann natürlich auch nicht, eindeutig „ANTI-BVB“ - Stellung zu beziehen und einen Aufstiegs-Beitrag der Niederrheiner musikalisch mit dem Lied "es gibt nur eine Borussia... Borussia Mönchengladbach“... zu untermalen. Ein weiterer Grund, vehement gegen die bestehenden restriktiven Sender-Monopole und für die Liberalisierung der pluralistischen Sendervielfalt bei gleichzeitiger Abschaffung der Rundfunkgebühren einzutreten! Lieber Heribert Fassbender, so eine Senderdiktatur hat sich selbst ad absurdum geführt – die braucht in diesen Zeiten wirklich kein Mensch mehr!!!
"Alle waren gegen uns, was gibt es Schöneres?"
Oliver Kahn schmiß sich ein letztes mal in dieser Wahnsinns-Saison, drückte und herzte wie wahnsinnig die rausgeruppte Eckfahne, Unser aller Kaiser, Fränzchen Beckenbauer hüpfte wie ein wildgewordenes Kängeruh auf der Haupttribüne umeinander und Ottmar „der Gentleman“ Hitzfeld tanzte losgelöst wie weiland 1995 bei der „Meisterschaft der Herzen“ auf dem Rasen: Das "Finale furioso" mit Masel-Happy End in der Nachspielzeit sorgte bei den sonst so coolen Bayern für eine ungeahnte Eruption der Gefühle. Doch selbst der kurioseste und glücklichste Titelgewinn ihrer Karriere ließ die pflichtbewussten Profis des alten und neuen deutschen Meisters keinen Deut von der Tagesordnung abrücken. Die interne Titelfeier lief so trocken und derart gesittet ab wie noch nie, so dass zum Training am Sonntagvormittag die Sonnenbrillen nur zum Schutz vor dem "Kaiserwetter" dienten - aber nicht – wie sonst bei Effe & Co. üblich – um die Spuren der Nacht zu verdecken.
Der gewaltige Ausbruch der Emotionen nach Patrik Anderssons Glückshammer in der 94. Minute zum schmeichelhaften 1:1 beim Hamburger SV war am Morgen danach schon Geschichte. Mailand, das große Saisonfinale gegen den FC Valencia, rückte pflichtgemäß wieder in ihre Köpfe. Vom auf der Westtribüne in Dortmund weilenden schwatzgelben Bundeskanzler Gerhard Schrödi vernahm ganz Deutschland auch die Forderung im Namen der deutschen Fußball-Fans: "Jetzt sollen sie noch eins draufsetzen und am Mittwoch in Mailand auch Champions-League-Sieger werden". Ob er wohl nicht realisiert hatte, dass ein ziemlich großer Teil „seines Volkes“ diesen Wunsch in keinster Weise hegt, geschweige denn teilt?
Umwandlung des Klubs voran treiben...
Hoeneß machte mit Blick auf die kommende Saison (wo es gewiß schwerer werden wird) auch bereits jetzt schon klar, dass der FC Bayern schon weit über den 23. Mai hinaus denkt und plant. "Es ist die größte Herausforderung, wenn man oben ist, auch oben zu bleiben. Wir müssen den FC Bayern auf diesem hohen Niveau halten und sogar verbessern. Eine große Kunst wird es sein, eine Mannschaft zu basteln, die dieses hohe Niveau hält." "In den kommenden ein, zwei Jahren", sagt Hoeneß, werde nicht nur die Mannschaft ein neues Gesicht erhalten. Völlig unabhängig von den nun möglichen zwei Titeln "werden wir die Umwandlung des Klubs voran treiben". Und Hoeneß verspricht: "Unanhängig vom sportlichen Erfolg werden wir gigantische Zahlen produzieren." Und in seiner maßlosen Machart: "Wenn man die Gewinne für Aktionäre ausweisen würde, würden die jubilieren." Was der Visionär Hoeneß diesmal nicht sagt, aber weiß: Das ganze Geld wäre nichts gegen einen Sieg im Europapokal in Milano.
Die Minuten der Wahrheit
Fußball ist verrückt, manchmal unlogisch und eben auch ungerecht. Aber großartig eben. Wie gerade bei der Vorentscheidung um die Deutsche Meisterschaft, die am Samstag endgültig zu Ende geht. Zwei Orte, zwei Spiele, zwei neunzigste Minuten, zwei Schüsse in sieben Sekunden. Vier verrückte Minuten, nach denen alles Kalkül, alle Taktik, die vermeintliche Logik einer ohnehin turbulenten Saison nichts mehr gelten. Die vier verrückten Minuten bergen das ganze Geheimnis des Fußballs, den Grund für seine einzigartige Anziehungskraft: Es ist der Triumph des Irrationalen in einer durchkalkulierten Welt. Das Genom mag entschlüsselt sein, aber warum Bayern im entscheidenden Spiel gemauert und nicht gestürmt hat, nur unentschieden gespielt, aber dennoch gewonnen hat, wird man nie ergründen. Während wir außerhalb des Stadions alles daransetzen, das Wirken höherer Mächte auszuschließen, akzeptieren wir auf den Rängen und auf dem Platz das Walten des Schicksals, ja da beschwören wir´s herauf, wir fordern es geradezu.
Je überraschender, tragischer, aufwühlender
der Spielverlauf, desto besser - eine Risikobereitschaft, die sich im Leben vor
dem Anpfiff niemand leisten will. Bedingungslos überantworten wir uns einem
unfassbaren Ereignis - weil wir nach dem Schlusspfiff zurückkehren in eine
Welt, die wir im Griff haben. Und flüchten uns dann in verzweifelte Erklärungsversuche.
"Die Null muss stehen" und anderer „höherer Blödsinn“ soll die
Sehnsucht nach dem Numinosen verschämt kaschieren. Das ist die unwiderstehliche
Dialektik des Spiels: Streng begrenzt auf 90 Minuten, gestattet es uns wilde
Archaik, Stammesrituale, Kriegsgesänge und -Bemalung, Schlägereien,
Unvernunft. Macht nichts, dass auch der Ausbruch aus der
Dienstleistungsgesellschaft eine Dienstleistung ist, die diese bereitstellt.
Hauptsache, wir gewinnen. Letztlich funktioniert Fußball wie Kunst: Durch sie können
wir ein anderes Leben leben, ohne die Folgen tragen zu müssen. Dichter müssen
lügen, erklärte schon Nietzsche, und das Gleiche gilt für den Fußballfan.
Bereitwillig lügt er sich in die Tasche. Romantisch verklärt sehen die Fans in
Schalke 04 immer noch den rußgeschwärzten Proletarierklub, der seine Talente
in den Hinterhöfen der Bergarbeitersiedlungen findet und in einem heroischen
Klassenkampf das Münchner Schickimicki-Establishment wenigstens einmal besiegt.
Dass Schalke sich mit dem Belgier Mpenza den zweitteuersten Spieler der Liga
leistet und allein um des Erfolges willen den abgehalfterten Spielmacher des
„verhassten Nachbarn“ aus Dortmund engagiert hat, bremst die Sozialromantik
nur bis zum dritten Pils. Und noch eines hat der Profifußball mit der Kunst
gemeinsam. Hier waltet nicht ökonomische Vernunft, hier ist, allen anderen
Behauptungen zum Trotz, Erfolg nicht eben käuflich. Bayer Leverkusen heuerte
noch im Verlaufe der Saison neue Spieler für 30 Millionen Mark an, kämpfte
aber nicht [mehr] um die Meisterschaft, sondern verzweifelt um die Sicherung von Platz 4. Der VfL
Bochum und der SC Freiburg sind mit dem gleichen niedrigen Etat in die Saison
gestartet. Doch Bochum steigt ab, und Freiburg startet im Uefa-Cup durch...
Aber Bayern München, werden nun wieder alle rufen. Kaufen jeden, der ´nen Namen hat und halbwegs geradeaus laufen kann, was sich irgendwann schon irgendwie auszahlt; jetzt sind sie doch wieder Meister. Und spielen übermorgen um den wichtigsten Titel in Europa. Nur: Im kontinentalen Vergleich ist der größte deutsche Verein ein biederer Mittelständler. Dennoch schlug die Mannschaft auf dem Weg ins Champions-League-Finale den reichsten Club der Welt (Manchester United) und das Team um den teuersten Spieler aller Zeiten (Real Madrid, das für den Portugiesen Luis Figo 120 Millionen Mark bezahlt hat).
Seine Unberechenbarkeit hat den Fußball allerdings auch zum Opfer fachfremder Rechenkünstler werden lassen. Um an den TV-Übertragungen der Spiele möglichst viel zu verdienen, werden die wöchentlichen Bundesligapartien auf drei Tage verteilt und die vermeintliche Superdroge Champions League durch ölig-mehlige Vor- und Zwischenrunden gestreckt. Was die Kommerzialisierung so gnadenlos anheizt, untergräbt sie aber zugleich: die Unkalkulierbarkeit des Spiels. Doch „die Ware wehrt sich“ Die Fans entdecken die Lust am Widerstand und fordern seit Wochen auf Plakaten "15:30", will heißen: Alle Spiele sollen möglichst wie in der guten, alten Ich-wasch-mein-Auto-vor-der-Haustür-Zeit am Samstagnachmittag stattfinden. Mit Erfolg. In der kommenden Spielzeit schon, werden wieder sieben Partien am Samstag um halb vier angepfiffen. Um den überflüssigen Sonntag wird noch gerungen und der Samstag-Abend ist bereits Geschichte!
Der Erfolg der antikapitalistischen Stadionpolitik sagt freilich nichts darüber aus, ob nun der mündige Bürger „Einzug in die Arenen“ gehalten hat. Die Fans bleiben so unberechenbar wie ihr Sport als solches. Wie ja auch die vermeintliche Toleranz gegenüber dem ausländischen Mitspieler kein Triumph der Aufklärung ist, sondern in erster Linie eine aus der Not geborene Tugend. Seit dem Bosman-Urteil vor acht Jahren ist die Zahl der Ausländer in einer Bundesligamannschaft nicht mehr begrenzt. In dieser Saison hat das zu einem schönen, neuen Höhepunkt der Völkerverständigung geführt: Energie Cottbus bestritt ein Bundesligaspiel ohne einen einzigen deutschen, geschweige denn einen „BRANDENBURGER“ Profi. Der Schlachtruf "Cottbus, Cottbus" freilich bleibt der alte - nur der Fußball ist verrückt genug, bedingungslosen „Lokalpatriotismus“ und Globalisierung miteinander versöhnen zu können. Gerhard Schröder hat mit dem Torinstinkt des früheren Stürmers die besondere Situation sogleich erkannt und der „national befreiten Zone der anderen Art“ seine Aufwartung gemacht. Allzu naiv darf man diesem schleichenden Multikulturalismus allerdings nicht begegnen. Hartgesottenere, eingefleischte Fans lösen ihren Zwiespalt zwischen Nationalgefühl und Vereinstreue zuweilen auch schon mal sehr eigenwillig auf. Unterdessen wir Ihr Bester, Vasile Miriuta von fanatischen Fans aus Rumänien mit Morddrohungen gegen sich und seine Familie bedacht. Darüber berichteten am Wochenende mehrere rumänische Zeitungen. Auslöser dieser Drohungen, ist sein bevorstehender Wechsel des in Rumänien geborenen Spielmachers zum ungarischen Verband. Beide Länder treffen am 2. Juni im Rahmen der WM-Qualifikation für die Endrunde 2002 in Japan und Korea aufeinander. In diesem Zollgrenzbezirk der gesellschaftlichen Realität erlebt die Berliner Republik Momente von absurder Wahrhaftigkeit.
Als der Abstieg der Frankfurter Eintracht am vorletzten Spieltag besiegelt war und der Spieler Rolf-Christel Guié-Mien aus dem Kongo mit der Bitte um Verzeihung und als Geste guten Willens sein quasi letztes Hemd ins Publikum warf, flog das Leibchen sofort postwendend zurück. Dazu riefen die Fans: "Wir sind Frankfurter und ihr nicht." Nur eine Momentaufnahme? Sicher nicht, denn der Fan als solches wird langsam mündig! ER ist das maß aller Dinge. ER entscheidet durch seinen Besuch maßgeblich darüber, ob „sein Verein“ oder dessen „Angestellte“ sich in Bereichen der Volkszufriedenheit bewegen oder nicht!
Bis in die verrutschte Grammatik hinein behauptet der Fußball seinen Eigensinn. Und in seinen Absurditäten zeigt er das Leben wahrhaftiger, als wir es sonst ertragen. Denn all unseren Planspielen zum Trotz ist scheinbar ja nichts so vorhersehbar wie der nächste Deutsche Fußballmeister: FC Bayern München...
Borussen konnten ihr Potenzial nicht abrufen
In den letzten Spielen wollte Matthias Sammer mit mutiger Offensivtaktik den Gegner im Westfalenstadion unter Druck zu setzen. Völlig durchkreuzt wurde diese Marschroute dann allerdings von den konterstarken Kölnern die den wackeligen Defensivbereich wiederholt von einer Verlegenheit in die andere stürzte. Außerdem musste sich die Borussia von den spielstarken Rheinländern zeitweilig vorführen lassen, wie eine geschlossene Mannschaftsleistung aussieht. Dortmund habe große Individualisten und tolle Einzelspieler in seinen Reihen, anerkannte FC-Trainer Ewald Lienen. Aber damit legte er den Finger in die Wunde: Dortmunds Einzelkönner waren mal wieder zu keiner Zeit als Team aufgetreten. Im Gegenteil. Sie machen sogar, was sie wollen. Nach dem Foul von Sichone an Eigentorschütze Dedé hatte Micky Stevic aufreizend lässig nur ein klägliches Elfmeter-Schüsschen - vergleichbar etwa einer Rückgabe - zustande gebracht. FC-Torwart Pröll hatte nicht die kleinste Mühe, den Kullerball aufzunehmen. "Das war arrogant von mir", gab der Schütze kleinlaut zu.
BVB-Präsident Gerd Niebaum sprach von einer Saison der sportlichen Konsolidierung. Der 3.Platz sei allein das Verdienst des Trainers Matthias Sammer. Aber der Borussen-Boss redete mahnend auch von einem Steigerungs-Potenzial, das die Mannschaft nicht abgerufen habe. In diese Kerbe schlug ebenfalls der Trainer. "Es sind ein paar Dinge zuviel passiert, die mir nicht gefallen haben", gab er von sich. "Wir haben uns so viel erarbeitet, ich kann nicht verstehen, wie man alles vergessen kann. Wenn wir heute eine Niederlage kassieren und Schalke vielleicht Meister wird - das wäre tragisch geworden bei unserer Abschlussfeier," schimpfte Sammer. "Matthias, man muss auch gönnen können", warf Kölns Trainer Lienen zwar ein. Doch Sammer wollte das nicht: "Dazu bin ich zu jung."
Die Spieler waren auch nicht glücklich. "Wer weiß, ob wir diese Chance so schnell wieder bekommen", meinte Kapitän Stefan Reuter, der in der Schlussphase der Meisterschaft zwar noch mal ins Team zurückkehrte, dort allerdings aber auch keine Impulse setzen konnte. "Wir hätten weiter oben landen können", fügte Otto Addo an. "Ich bin enttäuscht, wir hatten eine riesige Chance, mehr zu machen", sagte Micky Stevic. Doch dann siegte auch bei ihm die Zuversicht. "Der Verein wird sich verstärken, wir können uns steigern. In der nächsten Saison ist alles möglich", kündigte der kampfstarke Mittelfeldspieler vor dem Gang in den Urlaub mit erhobenem Zeigefinger an.
Da zeigten sich die wieder zahlreich in den Tempel geströmten BVB-Freunde über die 90 Minuten schon wesentlich emotionaler. Die „WAZ“ schrieb heute: „Die Fans der Borussia zeigten sich so gnadenlos wie die Inquisition. Als auf der Südtribüne die Nachricht von Bayerns Ausgleich die Runde machte, schrien sie ihre Freude durchs Westfalenstadion: "Scheiß FC Schalke". Mitleid mit den "blau-weißen Zecken" kennen sie nicht, die Dortmunder. Niemals. Im umgekehrten Fall wäre es nicht anders. Dass der eigene BVB über ein Unentschieden gegen Köln nicht hinausgekommen war, interessierte die Anhänger weniger. Schalke hatte den Titel verloren, das war wichtig. Und es hätte eine Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung in Dortmund herrschen können, wenn dort nicht ein ehrgeiziger Trainer seine Arbeit professionell verrichten würde. Auch am letzten Spieltag.“ Treffender kann ein Journalist nicht zusammenfassen, was unendlich viele Schwatzgelbe an diesem Samstag bewegte! Kompliment!
43 Jahre sind noch nicht genug!!!
Glückwunsch Freiburg!
Für Volker Finke ist der Weg das Ziel. Mit Rückenwind der Sonne entgegen: Der SC Freiburg spielt ab der kommenden Saison in Trikots mit Werbung für erneuerbare Energien „unter Strom“ im Uefa-Cup.
Zum zweiten Mal nach 1995 zogen die „Multikultis“ aus dem Breisgau in den Uefa-Cup ein und überraschten einmal mehr alle Vereine mit weit größeren Etats. Die Stromrechnung wird also für das Dreisamstadion in Zukunft noch höher ausfallen, denn im Europacup wird bekanntlich unter Flutlicht gespielt.
"Eine große Enttäuschung kann es nach dieser Saison ganz sicher nicht
mehr geben", resümierte Trainer Volker Finke bereits nach dem Erreichen
der magischen 40-Punkte-Marke Mitte April und wiederholte diese Einschätzung
auch nach dem 4:1-Sieg seiner Elf gegen Wolfsburg. War Finke vor gut vier Wochen
allerdings noch mehr als froh über den feststehenden Klassenerhalt, so konnte
der Coach im Falle einer Legokusen-Pleite am letzten Spieltag sogar von Platz
vier und der damit verbundenen Teilnahme an der Qualifikation zur "Königsklasse"
träumen. Aber auch so gilt: Saisonziel mehr als erreicht!
"Breisgau-Brasilianer" in Torlaune
"Der Weg ist das Ziel, über Platzierungen können wir uns dann am Schluss unterhalten", beantwortete Finke während der Saison stereotyp Fragen nach dem am Ende Machbaren. Für den 53 Jahre alten früheren Studienrat, der seit 10 Jahren die Geschicke der Freiburger maßgeblich bestimmt und sogar Dortmunds aussortierte „Cababis-Kicker“ But und Tanko integrierte, stand immer die Weiterentwicklung seines Teams im Vordergrund. Ergebnisse kamen erst an zweiter Stelle. Finke wollte von seiner Mannschaft in erster Linie "guten Fußball sehen".
Die Vorstellungen des Trainers hat die Mannschaft gleich mehrmals umgesetzt. Vor allem aus dem heimischen Dreisamstadion wurden die Gegner oftmals mit einem dicken "Päckchen" nach Hause geschickt. Cottbus, Stuttgart, Bochum, Frankfurt, Kaiserslautern sowieso und jetzt die „Wölfe“ bekamen mit vier beziehungsweise fünf Gegentoren kostenlosen Anschauungsunterricht in Sachen modernem Offensiv-Fußball. Auch die Tordifferenz von plus 17 spricht für die starke Durchschlagskraft der "Breisgau-Brasilianer".
Mit der jetzigen Teilnahme am Uefa-Cup scheint für den Sportclub auch eine erfolgreiche Zukunft gesichert. Der in früheren Zeiten unabwendbare Ausverkauf des Freiburger Talentschuppens wird nach dieser Saison ausbleiben. "Alle Spieler, die wir halten wollen, bleiben bei uns", sagt Manager Andreas Rettig trotz des Abgangs von Spielmacher und Kapitän Zoubaier Baya (voraussichtlich zu Besiktas Istanbul). Allerdings dürfte in der kommenden Saison der vergleichsweise bescheidene Etat von 18 Millionen Mark der laufenden Spielzeit nicht mehr ausreichen, um Talente wie Sebastian Kehl, Daniel Schumann, Tobias Willi und Björn Dreyer langfristig an den Verein binden zu können. Der rasche Aufstieg der hoffnungsvollen Nachwuchskräfte zu Leistungsträgern ist untrennbar mit dem Namen Volker Finke verbunden, der auch bei Formkrisen immer an den jungen Spielern festhielt. Die hervorragende Arbeit des streitbaren niedersächsischen Unikums in den zurückliegenden Jahren für den Klub, blieb auch SC-Präsident Achim Stocker nicht verborgen: "Er ist dabei, sich hier ein Denkmal zu bauen."
+++ letzte Meldung +++
Heute hat wenig überraschend „Toppi“ beim Werksclub in der Kölner Bucht seinen Anker geworfen. Da diese Information aber von wenig spektakulärem Gehalt und noch weniger Aussagekraft für die Bayer-Zukunft ist, wird auf weitere Kommentierung hier zu Gunsten unserer Leser verzichtet.... Stattdessen danken wir Berti für seine Arbeit!