Tatort Bundesliga - der 30. Spieltag: Harmonie im Team entscheidet über sein oder nicht sein!
An der Front nichts neues: Weiterhin tiefstapelnde Gipfelstürmer, personell stark angeschlagene Bayern obsiegen und ein unter Druck stehender Berti Vogts gibt sich kämperisch: Auch der 30. Spieltag der Bundesliga barg im Kampf um die Meisterschale und die Europacupplätze sowie der brisanten Abstiegsfrage viel Zündstoff in sich. Sind etwa erste kleine Trends erkennbar? - Nein, noch ist es zu früh für Prognosen. Das Prinzip hoffen, bangen und warten hat die Liga derzeit fest im Griff...
Und wieder leichtes Spiel für die Vorstädter...
Hertha
BSC Berlin - eine Name keine Konstanz! Haben sie noch vor Wochenfrist mit ihrer
"wir-warten-erst-mal-ab" - Strategie gegen uns mit Einigelung Erfolg erzielt,
wählten sie beim Übergangsspitzenreiter die Offensive - und damit gänzlich falsche
Einstellung. Zwar dominierten sie den Gastgeber in der ersten Hälfte zeitweise
nach belieben, versäumten es aber frühzeitig den Sack zuzumachen (Tretschi,
Alves). Jetzt laufen sie der Musik wieder hinterher und dürfen von Ambitionen
nach ganz oben tunlichst Abschied nehmen...
Die Himmelblauen bleiben Tabellenführer, soviel zur Pole-Position. Gelsenkirchen (zumindest die Verantwortlichen) bleiben trotz des zum Greifen nahen Doubles bei der Tiefstapelei. "Bayern München ist Titel-Favorit, dahinter haben Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen die besten Chancen", sagt Trainer Stevens und macht weiter in Understatement. Der erste Spieler, der sich bißken aus´m Gebüsch wagt ist (wenig überraschend) ein für uns guter Bekannter. Andrea Möller schwärmte geradezu euphorisch: "Unsere Perspektiven sind wie im Märchen. Unvorstellbar, ich hätte nie gedacht, dass wir was Außergewöhnliches schaffen können. Uns können jetzt nur noch drei Dinge stoppen: Überheblichkeit, Leichtsinn und der Gedanke, wir hätten schon etwas erreicht."
Und dann diktierte - wie schon in den letzten Tagen - wieder Vorsicht die Formulierungen: "Natürlich haben wir uns eine super Ausgangsposition geschaffen. Aber warum sollten wir vom Titel reden. Man muss ja nur die Tabelle anschauen, dann weiß jeder, was möglich ist. Doch erreicht haben wir noch überhaupt nichts." Wer jetzt glaube, "der Rest läuft von selbst, hat schon verloren", so Möller. Trotzdem, wer nicht rettungslos blind ist, dem muß schon jetzt Angst und Bange werden vor dem Double-Albtraum!
Vogts wollte das Handtuch werfen: "Ich hätte die Koffer gepackt"
Die vergangene Woche stand mal wieder ganz im Zeichen der "Chaos-Tage" bei "Plastica Legokusen" Mit einem zu diesem Zeitpunkt nicht allzu sehr überraschenden Rücktritts-Angebot von Trainer Berti Vogts, hat die intern schwelende sportliche Führungskrise der "nach-Daum-Ära" beim Werksclub nunmehr ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Denn spätestens seit der ehemalige Bundestrainer bei der "Klausurtagung" im Trainingslager in Dabringhausen seinen Rücktritt angeboten hat, ist seine Position im Team schwächer denn je. Sicherlich, der "Super-GAU" unterm Bayer-Kreuz blieb durch das kollektive Veto der Mannschaft zwar aus, aber die risse sind unverkennbar! In einem zuvor abgehaltenen "Krisenworkshop" hatten Obertrainer Hans-Hubert, Manager Reiner "der Pate" Calmund und Finanz-Chef Wolfgang Holzhäuser in einer fast vierstündigen(!) Krisensitzung mit Einzel- und Gruppengesprächen mit der kunterbunten Truppe die anhaltenden Probleme im Detail erörtert.
"Wenn sich die Spieler gegen mich ausgesprochen hätten, hätte ich meine Koffer gepackt. Das war nicht der Fall", erklärte Vogts nach dem Krisengipfel. Gleichzeitig räumte der 54-Jährige aber auch ein Verschulden des Trainerstabes (UPS, wer hätte das gedacht...) an der derzeitigen Misere ein: "Auch wir haben Fehler gemacht. Wir müssen jetzt versuchen, wieder näher an die Mannschaft heranzurücken." Calli stellte sich demonstrativ in seiner ihm eigenen gewichtigen Art sogleich "krachledern" hinter Vogts: "Fußballer leiden unter einer Krankheit und die heißt mangelnde Selbstkritik. Es ist momentan ein Gesellschaftsspiel in Mode. Das geht wie folgt: Berti Vogts ist die dumme Sau und wird von links nach rechts durch das Dorf gejagt. Und durch die Tatsache, dass Vogts in den Medien immer der Schuldige ist, denken das auch die Spieler."
"Wir hier sind schließlich nicht in Disneyland"
"So ein klärendes Gespräch habe ich noch nie erlebt. Das hat mir wieder Power gegeben", sagte Vogts zur Verblüffung aller im Anschluss. Und Calmund ergänzte: "Das war ein reinigendes Gewitter. Das ganze Gerede muss jetzt ein Ende haben. Wir sind schließlich nicht im Phantasia- oder Disneyland." Dass die Krise in Leverkusen nun wirklich beendet ist, konnte jedoch keiner im Mc-Donalds-Stadion gegen den Abstiegskandidaten aus Hamburg (ohne Torgarant Barbarez) erkennen. Das lauteste, was die versammelten Bayer-Arbeitnehmer beim mageren 1:1 im Stadion zu Werke brachten, war der Traditions-Stakkato: Berti raus! Nun, der Worte waren ja eigentlich auch genug gewechselt. Jetzt, endlich, sollten "auf´m Platz" die berühmten Taten folgen. Aber offenbar hatten sich die Farbenstädter in der vergangenen Woche nicht nur den Frust von der Seele, sondern auch gleichzeitig um Kopf und Kragen geredet. Denn statt des erhofften Befreiungsschlages setzte es gegen den HSV sogar den absoluten Tiefschlag. "Wer jetzt noch von der Meisterschaft spinnt, sollte schnellsten Nachhilfe in Mathematik nehmen"! zog Geschäftsführer Holzhäuser einen dicken realistischen Schlussstrich unter die Meisterschaftsträume der Bayer AG.
Unterdessen geht die Aufrüstungsaktion für die Saison 2001/02 in gewohnt aggressiver Manier über die Landkarte: Neben Bastürk, Sebescen, Zepek, und Hertzsch meldet der "KICKER" heute in seiner neusten Ausgabe auch: "Unter interessierter Beobachtung steht auch ein alter Vogts-Spezi: Steffen Freund (31, ablösefrei) soll Kontakte zu Bayer haben, einer, der exakt dem Anforderungsprofil entspräche: Führungsperson ohne Allüren, Mannschaftsspieler, der auch mal die Klappe auf macht. Und mit Vogts 1996 Europa meister wurde. So etwas verbindet." Ob der Matthes, der ihn ja vor dieser Saison unbedingt zurückholen wollte das nich besser weiß?
Frankfurt leistet gegen München Offenbarungseid
Was für ein mau´er Zock! Die Frankfurter Eintracht leistete mit der gezeigten Leistung einen Offenbarungseid und unterstrich damit eindrucksvoll ihre Abstiegsabitionen. Anders die Hitzfeld-Schützlinge. Sie waren mit einer durch den Amateur Hargreaves ergänzten B-Mannschaft aufgelaufen und anschließend dementsprechend happy nach dem lockeren 2:0-Sieg im Waldstadion. Am richtigen Tag auf den richtigen Gegner getroffen, nennt man das wohl. "Ein bißchen mehr Tempo und wir hätten Probleme bekommen", bekannte ein Mehmet Scholl in glänzender Spiellaune. Die Bayern hatten die Ausfälle von Effe, Jerry, Giovane Elber, Willy Sagnol und Carsten Jancker vergleichsweise gut weggesteckt und drei Tage nach dem Festtag gegen Manchester erstmals auch den Alltag souverän gemeistert. Doch die Frankfurter machten es dem Gast auch über Gebühr leicht und taten den zwischen Manchester und Madrid dümpelnden Bazis den Gefallen aufreizend behäbig bis lahmarschig aufzutreten. Keine Probleme also für die müden Bajuwaren, die nun wieder mitten drin sind im Spiel um Ruhm & Macht. "Für uns war dieser Sieg ganz ganz wichtig, jetzt können wir endlich 'mal ein paar Tage durchschnaufen", zeterte Ottmar einmal mehr gebetsmühlenartig daher.. "Wenn wir die letzten vier Spiele alle gewinnen, dann werden wir auch Meister", glaubt nun sogar der Scholli. Rot-weiß-blau bläst also zum Endspurt.
Bei den Frankfurtern herrschte bereits Endzeitstimmung. "Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich das Handtuch zur Aufgabe geworfen", sagte auf der Tribüne der resignierende Präsident Peter Fischer. Die Spieler auf dem Platz hatten nie den Eindruck hinterlassen, dass sie sich gegen den Abstieg stemmen. Der als Retter mit der heißen Nadel verpflichtete Friedel Rausch war "maßlos enttäuscht" und bekannte freimütig, dass seinem Team im ausverkauften Waldstadion "der Biss gefehlt" hätte. Für eine Mannschaft im Abstiegskampf der Offenbarungseid. "Nicht die Niederlage gegen Bayern schmerzt, sondern wie wir verloren haben", meinte der Frankfurter Trainer.
Sogar der ansonsten mit Brandstifter-Aufgaben betraute Wurst-Uli hatte als bald bemerkt, "dass die Frankfurter wie gelähmt spielen." Genauso lethargisch ging es auf den Rängen zu. Die 57.000 Zuschauer waren mucksmäuschenstill, eine bizzare Atmosphäre im weiten Rund. Als die Frankfurter Spieler nach dem Abpfiff in die eigene Fankurve liefen, wurden sie mit einem gellenden Pfeifkonzert empfangen. Es war auch hier die einzige Gefühlsreaktion an diesem tristen Nachmittag. Die Legionäre der Eintracht haben sich offenbar bereits vier Runden vor Schluß aufgegeben und sich scheinbar mit der Zweiten Liga abgefunden. Nach drei aufeinanderfolgenden Abstiegskämpfen in den letzten drei Jahren und nach drei Trainerwechseln in dieser Saison sind Verein, Mannschaft und die ansonsten immer astrein supportenden Fans ausgehöhlt, leer und einfach fix und fertig. Kann man gut verstehen. Dauerhafte Management-Schlampereien am Riederwald haben tiefe Spuren hinterlassen, die ein bedauernswerter und gutherziger Mensch wie Rolf Dohmen sicherlich nicht "über Nacht" heilen kann. Wer möchte in diesen Tagen schon mit ihm tauschen?
«Zettel-Ewald» war wieder nicht zu bremsen...
Kölns exzentrischer Übungsleiter Ewald Lienen hatte sich seine Rückkehr an seine einstige Wirkungsstätte in Rostock mit Sicherheit anders vorgestellt. Nach der 1:2-Niederlage gegen Hansa feuerte Lienen ein Feuerwerk an schlechter Laune ab. Vornehmlich zwei Leute hatten ihm angetan. Doch nur einen benannte Lienen mit Namen. Hansa-Trainer Friedhelm Funkel nahm den Beschuldigten kopfschüttelnd in Schutz: "Sven Benken ist ein Abwehrspieler, der wie jeder Andere mit Haken und Ösen kämpft. Aber er hat noch nie jemanden ernsthaft verletzt. Ich bin froh, so einen Spieler in der Mannschaft zu haben", konterte der Hansa-Trainer, der selbst am 15. März für derartige verbale Entgleisungen vom Sportgericht des DFB wegen unsportlichen Verhaltens zu einem Spiel Sperre und einer Geldstrafe von 25.000 Mark verurteilt worden war (Nach der 0:1-Niederlage seiner Elf gegen Hertha BSC Berlin hatte Funkel gegenüber Schiedsrichter Jürgen Aust von "Betrug" gesprochen, weil der Kölner Referee in der Nachspielzeit einen Wechsel von Hansa abgelehnt hatte. Diese Aussagen wiederholte er auch vor laufenden Kameras).
Hansa Rostock dürfte wohl gerettet sein!
Funkel selbst zeigte seinerzeit für die DFB-Strafe Verständnis: "Ich kann das Urteil nachvollziehen, weil ich mich nicht richtig verhalten habe." Bereits im Vorfeld hatte er sich persönlich bei Schiedsrichter Aust für seine Betrugsvorwürfe entschuldigt. Es habe sich "nicht um eine Unterstellung, sondern um emotional aufgeladene Aussagen gehandelt", so Funkel. Die Konsequenz des 47-jährigen Fußballlehrers anschließend: "Ich werde unmittelbar nach Spielende keine Interviews mehr geben und mich erst einmal fünf Minuten abreagieren."
Eine Empfehlung, der sein Kölner Kollege nicht folgten mochte. Dieser kartete in seiner unnachahmlichen Weise weiter nach: "Auf Dauer geht die Art und Weise des Auftretens eines Sven Benkens nicht gut", schimpfte Lienen. "Der Spieler darf 90 Minuten lang foulen, am Trikot zerren und sich mit unfairen Mitteln in Szene setzen", setzte Lienen seine subjektiven Ausführungen fort. Selbstverständlich freue er sich aber über den nahenden Klassenerhalt der Hanseaten. Aber nicht nur Benken war Lienen ein Dorn im Auge, auch der Schiedsrichter Wolfgang Stark bekam sein Fett weg: "Die Schiedsrichter-Entwicklung nimmt Formen an, diewir nicht dulden dürfen. Ich glaube nicht, das dies mit Absicht passiert, aberes fehlt hier eindeutig die Kompetenz", machte Lienen seinem Ärger Luft. Grund war unter anderem der nicht gegebene Strafstoß in der 83. Minute, als Rayk Schröder Marcus Kurth im Rostocker Strafraum zu Boden riss. Dann allerdings überschritt Lienen die Grenze des guten Geschmacks endgültig, als er eine Altersbegrenzung vom DFB forderte, "allerdings nicht von oben, sondern eher von unten!" Mal gespannt, was der Kontrollausschuss-Vorsitzende Horst Hilpert dazu meint... Gibt es tatsächlich noch Gerechtigkeit beim DFB?
Dabei waren es die Kölner selbst, die nach gutem Beginn völlig den Faden verloren und Hansa das Feld überließen. Nach dem unglücklichen 0:1 von Benken (23.) und vor allem nach dem 0:2 von Slawomir Majak (48.) fehlte es den Kölnern an Mumm und hatten zudem noch Glück, dass Hansa nicht Tor Nummer drei nachlegte. Nach dem Anschlusstreffer (74.) durch Markus Kurth waren die Domstädter zwar spielbestimmend, doch so richtig ernsthaft geriet Hansas Sieg nicht mehr in Gefahr. Mit 39 Punkten haben die Hanseaten nun acht Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz und dürften bei noch zwei ausstehenden Heimpartien (Cottbus, 1860) den Klassenerhalt sicher haben.
Cottbus: Ede Gnadenlos warb um Energie-Fans
Eduard Geyer, Trainer der abstiegsbedrohten Cottbuser, hat vor dem Spiel gegen Unterhaching einen Offenen Brief an die Energie-Anhängerschaft gerichtet. Darin forderte er die Cottbusser Fans auf, verstärkt zum Heimspiel gegen Unterhaching zu kommen und die Mannschaft bedingunslos zu unterstützen. Wenn nichts mehr hilft, dann hilft eben der Fan als Kollektiv!
"Nur mit Unterstützung der Fans werden wir die Bundesliga für Cottbus erhalten können. Deshalb ist das Zusammenspiel von Zuschauern und Mannschaft für uns alle, die Stadt, die Region so wichtig wie vielleicht noch nie", warb "Ede Gnadenlos" um ein volles "Stadion der Freundschaft". Denn: "Wenn die Mannschaft spürt, hier in unserem Stadion stehen alle hinter uns, ist das vielleicht schon die halbe Miete." Offensichtlich liegt auch Energie viel daran, dass das Stadion im harten Abstiegskampf voll wird. Und so griff auch der Gastgeber in die Subventionskiste und bot ein sogenanntes Vater-Sohn-Ticket für den Block F2 an, mit dem Väter und Mütter ihre Kinder kostenlos mit ins Stadion nehmen könnten.
Klar, es war eine überlebenswichtige Partie für beide Klubs. Deshalb versuchten es die Hachinger Spieler mit Anti-Abstiegs-Doping, griffen ihrerseits in die Mannschaftskasse um 200 Fans die weite Fahrt in die Lausitz zu finanzieren. Während allerdings nach Spielschluß die Energie-Fans ihren brasilianischen Retter Franklin Bitencourt überschwänglich feierten, schlichen die Hinterdörfler niedergeschlagen vom Platz. Denn für den Münchner Vorortklub sieht's jetzt ganz düster aus. Aber keine Angst, liebe Schibob-Freunde, wir kommen doch noch zu euch! Dann könnt Ihr im letzten Heimspiel noch mal so richtig Kasse machen, für den Zweitligaetat!
Und um die Stimmung braucht Ihr euch auch nicht sorgen, denn die Insassen des Sonderzuges sind garantiert Spitze drauf! Übrigens: Wer sich immer noch nicht angemeldet hat, sollte dies jetzt ganz schnell tun, denn das Restkontingent für diese einmalige "Erlebnis-Reise" ist nur noch sehr gering...
"Borussia Dortmund meldet Bochum für die 2. Liga an" (frei nach: NTV-Tele-Text)
Immerhin, ein 5:0 - wenn auch gegen den Absteiger vom westlichsten Dortmunder Parkplatz. Die Spieler strotzen vor Selbstbewusstsein und die Fans träumen von der sechsten deutschen Meisterschaft. Doch Dem "Vater des Erfolges" Matthias Sammer geht nach der sportlichen Achterbahnfahrt der letzten Wochen das Gerede vom Titel gehörig auf die Nerven. "Wenn ich auf alles eingehe, was ich so höre oder lese, kann ich mich einbuddeln. Vor einigen Wochen waren wir angeblich überragend, haben Fußball vom anderen Stern gespielt. Nach der Niederlage in Berlin war dann alles verkehrt und der Trainer konnte die Mannschaft nicht mehr motivieren. Und jetzt sollen wir Titelfavorit sein. Das ist doch alles Unsinn", sagte der Coach von Borussia Dortmund nach dem klaren Katersieg im kleinen Revierderby gegen den VfL Bochum.
Während der BVB sich im engsten Kreis der Titelaspiranten zurückmeldete, ist in Bochum nach dem Debakel auch das letzte Fünkchen Hoffnung auf den Klassenverbleib erloschen. "Jetzt kann nur ein Wunder helfen", sagte selbst der größte Optimist, Präsident Werder Altegoer resignierend. "Das war's wohl", meinte der von zahlreichen Clubs umworbene Spielmacher Yildiray Bastürk, der sich gemeinsam mit dem überragenden Torwart Rein van Duijnhoven als einer der wenigen Bochumer mit Erstligaformat profilierte und vehement gegen die höchste Niederlage der Clubgeschichte im Westfalenstadion gestemmt hatte.
Auslaufmodell Schafstall: Unsere Spieler sind willig
Inzwischen laufen beim VfL die Planungen für die kommende Saison auf Hochtouren. Ungewiss ist unter anderem die Zukunft von Schlüsselspieler Yildiray Bastürk (21). Der Mittelfeldspieler wurde in den letzten Wochen mit vielen Vereinen in Verbindung gebracht. "Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Das sind alles nur Gerüchte", sagte der Türke (der noch einen Vertrag bis 2002 besitzt) noch vor dem Spiel, um nachher allerdings in feinster "Adenauer´scher Tradition die Journalisten mit der Aussage: "Ich gehe auf gar keinen Fall mit dem VFL in die 2. Liga" bereits vor vollendete Tatsachen zu stellen. Auch Trainer Rolf Schafstall, vor Wochen in höchster Not als «Retter» geholt, hat sich innerlich mit dem Misslingen der Mission und dem vierten Abstieg des VfL seit 1993 abgefunden. "Mir tun die Spieler leid. Sie waren selbstbewusst und mit viel Hoffnung her gekommen." Aber Borussia war auch schwach noch viel zu stark für die bedauernswert gebeutelten Nachbarn.
Matthias Sammer hatte im
Vorfeld erneut Tacheles geredet und seinen Berlin-Versagern ins Stammbuch geschrieben:
"Ich brauche Typen, die Siegeswillen haben und die Ärmel hochkrempeln. Nur
so können wir eine weitere Pleite vermeiden", appellierte der Coach unmissverständlich
an seine Profis. "In der Verfassung von Berlin schlagen wir auch Bochum nicht".
"Matthes" forderte vor dem Anstoß Respekt vor dem westfälischen Nachbarn: "Der
VfL hatte zuletzt zweimal gewonnen und gegen Bremen unglücklich verloren. Ich
habe das Spiel gesehen und weiß, wovon ich rede." Und siehe da, die schwatzgelben
Spieler scheinen ihn verstanden zu haben. Zwar spielten sie keineswegs "meisterlich"
auf, aber sie beherzigten die elementarsten Dinge, die diesen Sport erfolgreich
werden lassen: Kämpfen, nachsetzen und Tore schießen! Schöner Nebeneffekt am
Rande: Wir können jetzt für uns in Anspruch nehmen, dass wir es waren, die die
"grauen Mäuse" wieder zurück in den Fahrstuhl geschoben haben. Es hat von uns
niemand was dagegen, wenn Bochum in der Bundesliga spielt, aber es muß ja nicht
gleich die Erste sein!
Weiter Spekulationen um "den blauen Jens"
Zuletzt ging der 31-Jährige
mit seinen Mannschaftskameraden hart ins Gericht. Die öffentliche Kritik von
Nationaltorhüter Jens Lehmann, der Mannschaft und einzelnen Spielern zuletzt
"fehlende Reife und Einstellung" vorgeworfen und "richtige Kerle" gefordert
hatte "die auch Fehler machen, aber auch mal dazwischen hauen", spaltete mal
wieder die Dortmunder Szenerie.
Michael Meier allerdings rüffelte - mit einiger Verspätung - öffentlich den Keeper ab. Warum also ergreift der pfiffige Manager erst 4(!) Werktage später die Initiative, um auf den Busch zu klopfen? Und weil "Mr. Bean" rein gannix ohne politisches Kalkül formuliert, darf jetzt gerätselt werden. Bahnt sich da etwa was Großes an zwischen dem BVB, den Hanseaten und dem Gelsenkirchener Nachbarn? Denn wüst spekuliert wird momentan über einen möglichen Torhütertausch zwischen den drei Clubs. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist der abwanderungswillige und zudem bei den Borussenfans ungeliebte Schlussmann Jens Lehmann.
Bis 2002 steht er beim BVB noch unter Vertrag. Spätestens dann wird sein Weggang erfolgen. Bevorzugtes Ziel: Sein früherer Klub. Immerhin verbindet ihn mit dem Manager der Blauen, Rudi Cigar, immer noch eine dicke "Männerfreundschaft" respektive eine erträgliche, gemeinsame Geschäftsverbindung.
Freilich gibt es in Dortmund einen Wunschkandidaten für die Lehmann-Nachfolge und der heißt Frank Rost. Der Torhüter des SV Werder Bremen wird schon länger mit den Borussen in Verbindung gebracht. Bereits im Februar soll es einvernehmliche Kontakte zwischen den beiden Parteien gegeben haben, die "Rost erfreut über Dortmunds Interesse" zeigten. "Es ist ja bekannt, dass ein Wechsel von Jens Lehmann nach Schalke möglich ist. Mich würde es sehr freuen, wenn die Borussia mich haben möchte", meinte er noch letzte Woche dazu im "KICKER".
Nicht unerwähnt bleiben
darf auch die Freude über das gelungene Comeback unseres Kapitäns Stefan
Reuter, der nach überstandenem Knorpelschaden im Knie nach exakt elf Monaten
seine Rückkehr auf die Bundesliga-Bühne (408. Spiel) feierte. Schön zu wissen,
dass da jetzt im alles entscheidenden Meisterschaftsfinish wieder einer ist,
der den Respekt der Mannschaftskameraden besitzt und die Jungs energisch daran
erinnert, um was es jetzt geht!
Schießbude FCK: Schon wieder fünf Stück im Päckchen!
Nichts geht mehr inne "Pfalz": Beim UEFA-CUP - Versager 1. FC Kaiserslautern herrscht nach der 2:5-Schlappe beim SC Freiburg totale Konfusion. Aufgebrachte Fans, ein wütender Trainer und ratlose Profis ließen nach dem erneuten Debakel keinen Zweifel mehr am derzeitigen Zustand des Klubs: Der FCK steckt nach fünf Niederlagen und 25(!) Gegentoren aus den zurückliegenden sechs Spielen und dem Ausscheiden im Europapokal tief in der Krise. "Fünf Gegentore in 30 Minuten, das ist beschämend für eine Mannschaft, die höhere Ansprüche hat.", erklärte der aufgebrachte Lauterer Teammanger Andry Brehme und ging mit seinen Profis mal wieder hart ins Gericht. Der Coach kündigte seinem Team eine härtere Gangart an.
"Wir werden jetzt verstärkt
auf die Jungen und unsere Vertragsamteure setzen. Schlechter als die Profis
können die auch nicht spielen. Der eine oder andere wird sich dann auf der Bank
oder der Tribüne wiederfinden", sagte Brehme. Welchen Akteuren die Strafversetzung
droht, ließ der Trainer allerdings offen. "Heute gab es Alt- und Neutäter",
meinte der 40-Jährige lapidar. Brehme wird die Auswahl allerdings nicht leicht
fallen. Die Vorstellung aller elf Spieler, vor allem in der ersten Hälfte, glich
einer kollektiven Arbeitsverweigerung. Nach der frühen Führung der Freiburger
brachen bei den "Roten Teufeln" alle Dämme. Die spielfreudigen Sellimi, Baya,
wiederum But und Kobiaschwili trafen nach Belieben gegen eine hilflose Lauterer
Mannschaft.
Lauterer Fans blockierten Mannschaftsbus
Für die FCK-Profis war der Spießrutenlauf allerdings auch nach der Partie noch nicht beendet. Mehrere hundert aufgebrachte Fans versammelten sich um den Mannschaftsbus, beschimpften ihre ehemaligen Lieblinge in Sprechchören als "Scheiß Millionäre" und flüchteten sich nach den zuletzt deprimierenden Auftritten ihres Teams in der Fremde mit der Parole "Auswärtsfahren macht Spaß" in Sarkasmus. "Ich verstehe den Frust der Fans. Sie haben uns immer unterstützt, aber was die in den letzten Wochen mitmachen mussten, ist unglaublich", meinte Brehme. Auch einige Spieler, darunter Michael Schjönberg, Andreas Buck und Jeff Strasser, erkannten den Ernst der Lage und stellten sich in langen Gesprächen der mitgereisten Anhängerschaft.
Trotzdem wirkten die meisten
Lauterer Akteure ratlos. "Fünf Gegentore - damit ist alles gesagt", analysierte
der Brasilianer Ratinho trocken. "Was bei uns derzeit abläuft, kann man schon
als Krise bezeichnen", bekannte auch Buck. "Wir haben aber alles noch
selbst in der Hand, wir können Sechster bleiben. Allerdings ist die Gefahr groß,
am Ende mit leeren Händen dazustehen", warnte der Rechtsaußen. Einen Ausweg
aus der verfahrenen Situation hatte auch der Lauterer Vorstandsvorsitzende Jürgen
Friedrich nicht parat. "Das geht doch jetzt schon wochenlang so. Wir spielen
total unkonzentriert. Am Freitag wurde in der Mannschaftssitzung alles ganz
genau besprochen und dann murmeln wir uns die Dinger hinten selbst rein. Das
ist eine Einstellungssache", meinte der FCK-Boss.
Darüber spricht die Liga: Kosten falsche Pfiffe den Titel?
Hamburg - Als Schiedsrichter Jörg Keßler, 37, am vergangenen Sonntag nach dem Spiel Hamburger SV - 1. FC Köln per TV-Aufzeichnung mit seinem Fauxpas konfrontiert wurde, entfuhr ihm nur ein Wort: "Scheiße." Keßler hatte dem HSV kurz vor Schluss ein einwandfreies Tor und damit den 2:1-Sieg versagt - der Ball war nach einem Schuss von Niko Kovac etwa 30 Zentimeter hinter der Linie gewesen und dort zudem noch von Kölns Alexander Voigt mit der Hand abgewehrt worden.
Auch Keßlers Zunft-Kollege Hartmut Strampe, 45, hatte eine Woche zuvor wenig Anlass zur Freude. Bei ihm bewiesen die Fernseh-Bilder, dass er Borussia Dortmund beim 1:1 gegen Rekordmeister Bayern gleich zwei Treffer durch Fredi Bobic und Dede zu Unrecht aberkannt hatte.
Zwei frische Beispiele für
ein altes Problem: Während den Unparteiischen ihre Unzulänglichkeiten nur Leid
tun, leiden die Klubs und zahlen im schlimmsten Fall mit Millionen, verpassten
Titeln oder dem Abstieg.
Oder gleichen sich etwa, gemäß einer beliebten Fußball-Weisheit, im Laufe einer Saison Benachteiligungen und Fehlentscheidungen zu Gunsten eines Teams aus? Borussia Dortmunds Sportmanager Michael Zorc, 39, würde daran nur zu gern glauben: "Man hofft das immer." Doch die Hoffnung trügt.
WELT am SONNTAG ermittelte in einer Untersuchung sämtlicher bisherigen Spieltage: Nicht weniger als 23 Partien wurden durch falsche Pfiffe entscheidend beeinflusst. Und damit auch die Tabelle. Für Schalke, Zorcs Dortmunder und auch den Hamburger SV waren die Folgen besonders gravierend. Schalke und Borussia verloren auf diese Weise bereits fünf Punkte, wären ohne die Fehlentscheidungen der restlichen Titel-Konkurrenz längst enteilt. Der HSV hätte, ebenso wie der VfL Wolfsburg, vier Punkte mehr und wäre aller Abstiegssorgen ledig.
Nutznießer im Titelrennen ist vor allem der FC Bayern München, der seinerseits zwei unverdiente Punkte "gewann" und andernfalls bereits neun Punkte hinter den Schalkern läge. Eine Verschiebung der Tabellensituation, die zumindest nicht gegen die landläufige These vom "Bayern-Bonus" spricht. Noch mehr profitierten im Saldo allerdings Freiburg und der VfL Bochum, der ohne sein Glück mit den Schicksalsgöttern in Schwarz, Grün oder Gelb vier Punkte weniger hätte und längst als Absteiger feststünde. Dem 1. FC Kaiserslautern wurden sogar fünf Punkte "geschenkt", was den Mythos vom Betzenberg als jenem Ort am Leben hält, an dem sich Schiedsrichter von der heißen Atmosphäre am leichtesten zu Pfiffen im Sinne der Gastgeber animieren lassen.