Tatort Bundesliga - der 23. Spieltag: Warum will bloß keiner Deutscher Meister werden - Das Niveau der Spiele verärgert so langsam die Massen
Sie hätten wieder den Konkurrenten davoneilen können, doch der bayerische Nobelclub aus München hat die Gunst der Stunde in der Fußball-Bundesliga einmal mehr nicht genutzt. Das Starensemble von Ottmar Hitzfeld kam am 23. Spieltag gegen Aufsteiger 1. FC Köln über ein 1:1 nicht hinaus und verpasste damit die Chance, die Konkurrenten weiter zu distanzieren. Denn die Verfolger des Tabellenführers hatten entweder jämmerlich gepatzt, bzw. sich „ohne Ambitionen“ gegenseitig die Punkte abgenommen.
Was soll der geneigte deutsche Fußballfan in diesen Tagen auch machen, wenn er ein wenig Spaß haben will? Etwa ins Stadion gehen, um sich Spiele wie Schalke gegen Borussia Dortmund anzuschauen, einem Ereignis, von dem "Bild am Sonntag" ohne Widerspruch behaupten darf, es habe sich um "Geld- und Zeit-Verschwendung für 62.000 Fans" gehandelt? Benno Weber vom gleichen Blatt sagte sogar:" Wir haben für die Vorberichte auf dieses Spiel zu viel Tinte verplempert."
Oder soll er sich mal wieder ein Ticket für ein Heimspiel von Bayer Leverkusen kaufen? Da hat er wenigstens was zu lachen und kann miterleben, wie unter der Leitung vom Berti und vom Litti und vom Toni in der größten Geldvernichtungs-Anlage des deutschen Fußballs das spielerische Niveau der Truppe in kürzester Zeit auf den Level der Nationalelf aus dem Jahre 1998 herunter geholt wird. Auch ein Ausflug zu den "Dusel-Bayern" (neuester Volksmund) nach München kann das Herz des deutschen „Fußball-Liebhabers“ derzeit nicht so recht erwärmen, solange „Glatze“ Jancker und „Finger“ Effe mehr auf Schiedsrichter und Gegner verbal losgehen als real auf den Ball. Und „Weichspüler“ Hitzfeld sie alle anschließend auch noch öffentlich in sein Herz schließt und erste Abnutzungserscheinungen offenbart.
Es fällt derzeit wirklich nicht so leicht, sich für das Gekicke in Deutschland zu erwärmen - und das hat nur wenig mit den Außentemperaturen zu tun, eher schon mit dem betriebsinternen Bundesliga-Klima. Wenn man nachzählt, dass sich mit Kaiserslautern (Uefa-Cup) und Bayern (Champions League) nur noch lediglich zwei deutsche Vereine in internationalen Wettbewerben befinden (Spanien 7, England 4) kommt erneut die Frage auf: Anschluss verpasst?
Vielleicht hat sich der Zirkus Bundesliga auch nur zu weit von der Materie entfernt. Ob „Iron“ Andy irgendwann mal Aufnahme in das Schalke-Museum findet? Ob Berti Vogts auf der Tribüne oder auf der Bank sitzt? Ist das wirklich wichtig? Cottbus´s „Mulitkulti-Truppe“ hat soeben in Leverkusen gewonnen, weil der Aufsteiger feinen, witzigen Fußball gespielt hat - mit klugem Spielaufbau, herrlichen Doppelpässen und clever herausgezauberten Toren. Das war wichtig. So etwas gibt es leider bei Anderen viel zu selten zu sehen!
Effenberg frech: Vielleicht reichen uns ja 60 Punkte?
Der amtierende Meister patzte jedenfalls erneut, doch die Konkurrenz traut sich einfach nicht an die Spitze. "Der Ärger über das Spiel hält sich in Grenzen. Wir wollen, aber die anderen wollen offenbar weniger", sagte Bayern Münchens Vizepräsident Karl-Heinz „die Schande von Lippstadt“ Rummenigge nach dem mal wieder mehr als peinlichen 1:1 seiner verwöhnten Schauspielerschar gegen Aufsteiger 1. FC Köln. Ein Schmunzeln konnte er sich dabei ebenso wenig verkneifen wie Unsymp Stefan Effenberg: "Wir hatten wieder mal Glück. So was dürfen wir uns aber nicht zu oft erlauben, sonst geht der Schuss irgendwann nach hinten los."
In der Tat. 0:1 in Unterhaching, 1:1 gegen Köln - statt mit sieben Punkten Vorsprung davon zu ziehen, liegen die Bayern weiter nur schlappe zwei Zähler vor der Konkurrenz. Dass der Rekordmeister überhaupt noch Tabellenführer ist, hat er dem Unvermögen seiner Verfolger zu verdanken. Entsprechend sauer reagierte Trainer Ottmar Hitzfeld: "Ich bin sehr enttäuscht. Wir wollten uns absetzen, das ist uns wieder nicht gelungen. So bleibt es leider spannend. Aber dann müssen wir halt die Spitzenspiele gewinnen."
Der FC Bayern schaffte es zum wiederholte Male nicht, nach einem gelungenen Auftritt in der Champions League (3:0 in Moskau) auf den tristen Bundesliga-Alltag umzuschalten. Bereits zum sechsten Mal in Folge(!) gelang nach Spielen in der "Königsklasse" kein Sieg.. Doch „Effe“, der als Regisseur wieder eine schwache Partie zeigte, beruhigte sogleich seinen "Vize": "Wenn wir jetzt Fünfter wären, würde ich auch etwas anders reden. Weil aber die anderen nicht gewinnen, fällt das für uns nicht so schlimm aus. Vielleicht reichen diesmal 60 bis 65 Punkte zur Meisterschaft und nicht 70 bis 75."
Doch selbst diese stattliche Punktzahl müssen die Münchner erst mal selbst holen. Denn das, was die Bayern zeigten, war eines angehenden Titelverteidigers unwürdig: Lustlos, planlos, einfallslos, bisweilen sogar hilflos. "Wir brauchten 45 Minuten, um uns die Müdigkeit aus den Beinen zu laufen", sagte Ottmar. Aber das klang wenig überzeugend.
Leverkusen hat schon jetzt wieder die Hosen gestrichen voll
Der ewige „Vizemeister“ Bayer Leverkusen hat nach dem blamablen 1:3 gegen Energie Cottbus eine weitere hausinterne Krise zu bewältigen. „Die Spieler müssen sich fragen lassen, ob sie zu dämlich sind, oder ob ihnen der Charakter fehlt. Das wird Konsequenzen haben“, drohte bereits der „Pate“ Calli Calmund . „Wir werden uns bald von zwei oder drei Spielern trennen“. Trainer Berti Vogts („Das war eine Frechheit, das kann man so nicht hinnehmen.“) war entsetzt über die Darbietung seiner Elf. Allerdings verwundert es den neutralen Betrachter der Szenerie jetzt nicht sonderlich, dass ausgerechnet beim Werksclub rechtzeitig zum Meisterschaftsfinish wieder die „schlotternden Buchsen“ Einzug halten.
"Sensationell - wir arbeiten jede Woche wie die Schweine. Und der Trainer ist der Vater des Erfolges", sagte Energie-Kapitän Christian Beeck. "Das ist unsere einzige Chance, dass die Großen uns unterschätzen und dann den Hebel nicht rechtzeitig umlegen können", meinte Trainer Ede Geyer.
"Wir müssen uns alles hart erarbeiten, dann werden wir am Ende sehen, wo wir stehen."
Derweil haben die Bayer-Fans in Torhüter Pascal Zuberbühler ihren "Sündenbock" gefunden. Der Schweizer hat nach erneuten Unsicherheiten beim Publikum, das den auf die Ersatzbank verbannten Adam Matysek favorisiert, keinen Kredit mehr und wurde von der ersten Minute an gnadenlos ausgepfiffen, später gar noch verhöhnt. Auf eine Torwart-Diskussion wollte sich jedoch in blinder Selbstverleugnung keiner der Verantwortlichen einlassen. "Das ist viel zu billig, ihm jetzt den Schwarzen Peter zuzuschieben", sagte Calmund. Nationalspieler Michael Ballack wurde dagegen schon deutlicher, jedoch ohne Namen zu Nennen: "Wir kriegen, wie in Rostock zwei Bälle aufs Tor und die waren beide drin."
Nach der zweiten Niederlage innerhalb von sechs Tagen gegen eine abstiegsbedrohte Mannschaft aus dem Osten hat sich beim selbst ernannten Titelkandidaten vom Rhein große Ernüchterung breit gemacht. "Wenn wir so spielen, haben wir da oben nichts zu suchen", sagte Nationalspieler Carsten Ramelow, der den verletzten Jens Nowotny als Kapitän und im Abwehrzentrum vertrat. Trainer Vogts, der die hilflosen Bemühungen seiner mit Stars gespickten Mannschaft beim Unternehmen „Aufbauhilfe Ost“ mit versteinerter Miene verfolgte: "Dafür muss man sich beim Publikum entschuldigen.“ Ganz recht, lieber Berti, ganz recht!
Bayerns Dank an die „Minimalisten“ aus dem Ruhrpott
Es war, als müssten zwei Mannschaften, die sich ungeachtet der Tabelle die Meisterschaft nicht zutrauen, das bei dieser Gelegenheit allen Zuschauern beweisen. Sie spielten so schlecht, wie sie sich sonst immer nur machen. Der Gelsenkirchener Vorortclub hat den "Hattrick" gegen den Erzrivalen aus Dortmund jedenfalls verpasst und im Titelrennen der Fußball-Bundesliga ebenso zwei wichtige Zähler eingebüßt, wie der BVB selbst. Im sauschwachen 116. Revierderby kamen die "Königsblauen" trotz vollmundiger Ankündigungen diesmal nicht über ein 0:0 hinaus und verpassten damit den im Vorfeld zum „historisch“ hochgejubelten dritten Sieg gegen den BVB innerhalb von sechs Monaten. Vor endlich einmal wieder ausverkaufter Kulisse (62.109 Zuschauer) wahrten die Gastgeber ebenso ihren Nimbus als einziges Bundesliga-Team ohne Heimniederlage, wie die Borussen, die weiter die beste Auswärtsbilanz der Liga haben. Dennoch bleiben beide Teams tabellarisch zunächst die hartnäckigsten Verfolger des Spitzenreiters und Titelverteidigers aus München. Vergeblich war da der Versuch, nach einem unspektakulären Spiel zumindest eine spektakuläre Aussage in dieser Richtung zu bekommen. BVB-Torwart Jens Lehmann, der, kaum zu glauben, Meister werden will und dafür von Sammer herb gerüffelt wurde, sagte beleidigt: "Ich persönlich habe mir zwar ein hohes Ziel gesetzt, aber das mache ich nicht öffentlich. Sorgt nur für Unruhe."
„Mr. Bean“ jedenfalls, ließ sich das Wochenende auch nicht verderben. Das wichtigste war ja geschafft, die dritte Niederlage in einer Saison war abgewendet. Die Angriffe der Journalisten ließen sich da ziemlich leicht meistern. Es gebe keinen Grund, das Saisonziel (internationaler Wettbewerb) zu korrigieren: "Warum sollten wir jetzt verbal angreifen?" Selbst in größter Bedrängnis ("Sie werden ja immer gieriger in Ihrer Fragestellung") predigte er Bescheidenheit: "Sie schauen immer nach oben, aber wir müssen nach unten schauen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bis wir die Qualifikation für einen Europapokal-Wettbewerb geschafft haben."
Von Serien, Helden und den Traurigen
Es könnte an der Sternen-Konstellation liegen, an irgendwelchen überirdischen Kräften oder ruhelosen Ahnen. Der Wellensittich liegt plötzlich regungslos im Käfig, danach brennt die Waschmaschine im Kochwaschgang und dann die Lebensgefährtin im Arm des besten Freundes durch. Wen wundert es, dass jetzt noch das Finanzamt eine Nachforderung anmahnt. Und der Nachbar? Der kann auf alles pfeifen, gibt seine Hemden in die Wäscherei und fliegt mit der neuen Blondine in den Spanien-Urlaub - bezahlt von einer üppigen Steuer-Rückzahlung. Serie nennt man die unheimliche Folge gleichartiger Dinge. Man(n) erträgt sie, Spieler richten danach ihre Strategie und den Einsatz aus. Für Fußball-Spieler jedoch, ist sie mehr. Ein fester Wert sozusagen, eine kalkulierbare Größe, eine Erscheinung, an der nicht zu rütteln ist. Da glauben erwachsene Menschen in Stollenschuhen zuweilen sogar an das „Natur-Gesetz“ der Serie. Dabei muss auch dem letzten Profi am 23. Spieltag der Fußball-Bundesliga endlich aufgefallen sein, dass Serien nur statistischen Wert haben. Und dass garantiert nur eine Regel gilt: Jede Serie reißt einmal.
Der tragischste aller Serienhelden hatte seinen Auftritt dabei in Freiburg. Nach 510 Minuten ohne Gegentor musste SC-Keeper Richard Golz hinter sich greifen. Der «Löwe» Borimirow nahm sich ein Herz und beendete Richards Unbesiegbarkeit. Der war danach so sehr von allen Torwart-Geistern verlassen, dass an diesem Tag gleich noch eine Serie zu Ende ging: Freiburg kassierte einen Dreierpack, bekam die erste Niederlage nach zehn Spielen und verpasste den Sprung in Uefa-Cup-Regionen.
Ein ähnliches Schicksal widerfuhr dem VfL Wolfsburg bei der 2:3-Niederlage in Hamburg. Während die Wölfe in die Mittelmäßigkeit heulen, verschaffte sich der weiter seiner Form hinterherhechelnde HSV etwas Luft im Abstiegskampf. Es war übrigens der erste Bundesliga-Sieg der Hanseaten in acht Spielen gegen die Niedersachsen, die in Zukunft als GmbH Fußball mit beschränkter Haftung praktizieren.
Stichwort Klassenerhalt. Wichtige Punkte im erstklassigen Existenzkampf sammelte neben dem Traditions-Klub aus Hamburg auch der Liganeuling aus dem Osten. Energie Cottbus gewann dank „Magic-Miriuta“ beim hoch gehandelten und noch höher ambitionierten Vize-Meister Leverkusen. Statt dem erwarteten 200. Heimerfolg des Bayer-Ensembles die Sensation des Spieltages - und ganz nebenbei der erste Auswärtssieg des Aufsteigers in dieser Saison.
Ein Konkurrent für die Klassenkämpfer aus der Lausitz ist spätestens seit gestern auch wieder Eintracht Frankfurt. Die Hessen verloren ihre ungeschlagene Serie gegen Werder Bremen und der neue Eintracht-Verantwortliche an der Seitenlinie Rolf Dohmen seine „Trainerunschuld.“ Für den Nachfolger von Felix Magath war es im vierten Spiel die erste Schlappe.
Sicherlich auch ein Serienclub ist der Verein für Leibesübungen aus Bochum. Deren Serie als „[un-]absteigbarster Club des Bundesliga-Oberhauses, führt sie serienmäßig nach 1993, 1995 und 1999 geradewegs wieder zurück in die unteren Niederungen. Der neue Coach der Bochumer Rolf Schafstall startete nach dem 0:0 in Wolfsburg und dem gestrigen 0:0 gegen Stuttgart eine torlose Miniserie, die jedenfalls wenig Hoffnung verheißt!
Jede Serie geht einmal zu Ende. Bleibt nur die Hoffnung, dass wenigstens eine Folge gleichartiger Dinge hält. Bayern München konnte zum sechsten Mal in Serie nach einem Champions-League-Spiel nicht gewinnen. "So was darf man sich nicht erlauben", schimpfte Rummenigge über die "eigenartige Serie" Aber was nützt es, denn Schalke und Dortmund konnten ja bekanntlich in unmittelbarer Lauerstellung dahinter wieder einmal keine(!) Siegesserie starten. Fortsetzung folgt. Wetten?