Tatort Bundesliga - der 20. Spieltag: Trauer im Revier - »Unabsteigbaren« droht der vierte Absturz
Theater an der Castroper Straße. Protestierende Fans, ratlose Profis, ein Trainer unter Druck und eine Vereinsspitze in Erklärungsnot - beim VfL Bochum stehen die Zeichen auf Sturm. Nach der neuerlichen Heimpleite entlud sich im Ruhrstadion der seit Wochen aufgestaute Frust orkanartig. Mit Schneebällen und »Vorstand-Raus« sorgten die aufgebrachten Anhänger bereits 14 Spieltage vor Saisonende für ein Abstiegs-Szenario. Das daran ausgerechnet das "ausgewanderte VFL-Eigengewächs" Kai Michalke (11 Jahre im blauen Trikot) durch seinen "Doppelpack" maßgeblichen Anteil hatte, ist ein zusätzliches Ärgernis und entbehrt nicht einer gewissen Tragik.
Für die miese Stimmung und den sportlichen Niedergang der vergangenen Wochen machte der Präsident weniger die formschwache Mannschaft als vielmehr die Medien verantwortlich. „Das Arbeiten in Bochum ist fast unmöglich geworden“, meinte ein sichtlich gebeutelter Präsi Altegoer, dem die kritische Berichterstattung seit jeher ein Dorn im Auge ist.
Dabei kommt diese nicht von ungefähr: Denn nach der fünften Heimschlappe sind die einstigen »Unabsteigbaren« dem vierten Bundesliga- Absturz binnen acht Spielzeiten wieder ein beträchtliches Stück näher gerückt. Jeder spürt das und die Luft für den bedauernswerten Coach „Katze“ Zumdick wird zusehends dünner...
Sch*lke geht in der Lausitz böse unter
Erst haben sie den Arsch versohlt gekriegt, dann flüchteten sie sich wieder zügig in Allgemeinplätze: „Die Tabellenführung ist für uns nicht interessant. Wir wollen international spielen, und dafür reicht auch der fünfte oder sechste Platz. Wir wissen genau, wo wir hingehören, Meister wird sowieso der FC Bayern“, erklärte S05-Manager Rudi Assauer angesäuert nach der wunderbaren 1:4 Pleite im Stadion der Freundschaft. Gleichwohl gab der Mann mit der Zigarre zu, das dieses eindeutige Ergebnis «ein Schock» gewesen sei, und sein Trainer Stevens fügte an: „Diese Klatsche ist hart, aber mit 37 Punkten aus 20 Spielen bin ich nach wie vor zufrieden. Nur mit der Art und Weise unseres Spiels natürlich nicht.“
Vor allem aber verpassten es die Vorstädter, den wieder einmal überragenden Cottbuser Spielmacher Miriuta außer Gefecht zu setzen. Hinzu kam der mangelnde Druck auf das gegnerische Gehäuse, denn die einzig nennenswerte Chance des ganzen Spiels war das Tor durch Sand.
Nur Positives ziehen die Cottbuser aus ihrem höchsten Saisonsieg. Nach dem kämpferisch und spielerisch überzeugenden Auftritt träumt man in der Lausitz jetzt vom möglichen Klassenerhalt «Wir hatten Respekt vor dem Gegner, aber keine Angst. Für uns sind das jetzt alles nur noch Finalspiele, aber ich hätte nicht gedacht, das uns ein so überzeugender Sieg gelingen würde», so Trainer Eduard Geyer. Eine simplere Erklärung hatte Leistungsträger Vasile Miriuta: „Manchmal ist es eben so, das der Kleine gegen den Großen gewinnt.“
Der hoffnungslos enttäuschende Herne-West Verteidiger Markus Happe wollte dieser Niederlage unbedingt dennoch etwas Positives abgewinnen: «Klar wären wir gerne an der Spitze geblieben, aber vielleicht kam diese Klatsche zur rechten Zeit.»
War wirklich nur der Elfmeter schuld?
Waren es in der Vorwoche die „Herren Schwarzkittel“, die eines besondern Lobes bedurften, bin ich mir heute schon nicht mehr so sicher, ob sich da alle Referees dem Fahrstuhl Richtung „Extraklasse“ angeschlossen hatten. Ob allerdings die Elfmeterentscheidung[en] vom Kölner „Schirri“ Aust in München dieses Prädikat verdienen, muß nachdrücklich bezweifelt werden! Zweierlei Maß muß man da wohl unterstellen, nachdem er den Rempler von „Eva“ gegen Bierofka als „würdig“ empfand, desgleichen von Ehlers gegen Rosicky allerdings nicht.
Dem Youngster aus Tschechien hätte gegen Ende der Partie ein Strafstoß zugesprochen werden müssen, nachdem er im «Löwen»-Strafraum von Ehlers zu Fall gebracht worden war. Der Pfiff blieb jedoch aus, obwohl die Borussen lautstark demonstrierten. „Ich werde dem Schiedsrichter meinen Optiker empfehlen. Da war ganz klar vorher Hand im Spiel. Der Elfmeter war ein Witz“, wetterte «Oldie» Jürgen Kohler, ansonsten wieder einmal einer der Besten in seinem Team. Auch Sammer war in seiner Wut auf Aust gar nicht gut zu sprechen: „Der Schiedsrichter hat sich dem Niveau meiner Mannschaft nahtlos angepasst. Er war eine Katastrophe.“
Dortmunds Trainer saß wütend in der Pressekonferenz und vermutlich wahrte er nur deswegen die Fassung, weil Mikrofone und Kameras waffenähnlich auf ihn gerichtet waren. Und wenn Waffen auf einen gerichtet sind, wird man selten aggressiv. Ruhig sagte Sammer, dass seine Mannschaft „grottenschlecht“ gespielt, und dass es zudem an der Einstellung gefehlt habe. Das ist etwas, was Sammer, dieses personifizierte Ehrgefühl, nicht verkraften kann. Er unterstellte seinen Spielern Überheblichkeit. „Es wird von außen hereingetragen, dass wir sehr weit sind – das Problem ist, wenn sie es glauben.“ Der Coach glaubte, dass sie es glaubten. Auch der Zugewinn an Spielern scheint die Borussen eher zu hemmen als zu beflügeln. Sammer formulierte es so: „Wir haben jetzt ein paar beleidigte Spieler mehr.“ BVB-Boss Gerd Niebaum deutete in München ein gravierendes Defizit an: Das Fehlen von Persönlichkeiten, die den Anfängen wehren. „Wenn der Matthias Spieler wäre“, sagte Niebaum über den pflichtbewussten Sammer, „dann hätte er vor dem Spiel auf den Tisch gehauen.“
Und dann war da noch... Der VFB, der zu neuen Ufern aufbricht
Er ist wieder da. Zwei Jahre nach seinem letzten Blitzlichtgewitter steht er wieder im Rampenlicht: Rolf Rüssmann. Der neue Manager will beim abstiegsbedrohten Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart unverzüglich massive Korrekturen in der Führungsstruktur zu Gunsten von Coach Ralf Rangnick vornehmen ("Der Trainer ist doch eine arme Sau“). Die verkrusteten, altbackenen Strukturen will er verbessern, um die Effizienz zu erhöhen.
Die Rückendeckung für den Trainer und zukünftige Börsenpläne zeitigen die aktuellen Gedankengänge, die vor allem auch den Präsidenten des VfB Stuttgart umtreiben. Dieser denkt jetzt laut über einen Gang an die Börse nach. „Man muss das ändern, um seine Wünsche erfüllen zu können", erklärte daraufhin der Nachfolger des zurückgetretenen Sportdirektors Karlheinz Förster in einem Interview für die Stuttgarter Nachrichten. Auch im Mannschaftsgefüge will der frühere BVB-Nationalspieler Rüssmann, der im Gegensatz zu dem blassen Förster bei Spielen neben Rangnick auf der VfB-Bank sitzen wird, Veränderungen vornehmen: "Da ist eine technisch gute Mannschaft, die noch durch die Fragmente dieser großen Vergangenheit geprägt wurde. Andererseits verfügt sie über Profis, die noch kein eigenes Gesicht haben." Für eine Mannschaft, die einerseits im DFB-Pokal Halbfinale sowie im UEFA-CUP Viertelfinale steht, andererseits aber das Tabellenende der Bundesliga ziert, ein wahrlich schwieriges Unterfangen. Viel Glück Rolli!
Bei Abstieg: HSV sackt 20 Mio´s ein!
Erfolg ist normalerweise gleich Geld. Dass es auch anders funktioniert, zeigt das Beispiel HSV. Bis zu 20 Millionen Mark fließen in die Klubkassen, wenn der Verein - absteigt! Der Versicherer Lloyds würde dem HSV den Abstieg so zumindest finanziell ein wenig versüßen. Der Verein versicherte sich auf Drängen der UFA, der Geldgeber des HSV zahlt auch die Versicherungssumme von 8,5 Millionen Mark.
Fußball-Ereignisse als Versicherungsfälle sind keine Seltenheit mehr. Borussia Dortmund ist z. B. gegen den Abstieg, Bielefeld gegen den Nichtaufstieg versichert. Kaiserslautern besitzt eine Police für das Erreichen der Champions-League, um Prämien zahlen zu können. Selbst wenn ein Verein an Image verliert oder Angestellte folgenschwere Fehler begehen - Hauptsache, versichert!
HSV-Präsident Werner Hackmann war also weitsichtig, als er nach der verkorksten Saison 97/98 die Abstiegs-Police erwarb. Denn um die DFB-Lizenz für das nächste Jahr zu erhalten, muss der Verein demnächst auch eine Planung für die 2.Liga vorlegen. Davon ist der HSV derzeit gerade noch einen Punkt entfernt. Der Verein ist nun zwar wirtschaftlich abgesichert, sportlich betrachtet wären die Hamburger trotzdem ziemlich blamiert, denn dem HSV ist der erhoffte Befreiungsschlag in der Bundesliga einmal mehr nicht gelungen. Die Mannschaft des immer mehr unter Druck geratenden Ex Borussenspielers Frank Pagelsdorf unterlag Gastgeber Werder Bremen im 74. Nordderby mit 1:3 und wird weiter in Richtung Abstiegsstrudel durchgereicht. Die Bremer sind derweil nach ihrem fünften Heimerfolg in Folge auf dem besten Weg, den Anschluss an die Uefa-Cup-Ränge wieder herzustellen. Der BVB wird also ähnlich wie beim letzten Heimspiel [23. Oktober 2000, auch Sonntags / Die Red.] wieder vor einem verdammt schweren wie richtungsweisenden Spiel gegen die ungeliebten „Fischköppe“ stehen!
„Werkself“ legt Haching-Trauma ab
„Eine Durchschnittstruppe“ sei die SpVgg Unterhaching, sagte Ulf Kirsten vor dem Spiel, was zwar nicht als Beleidigung gemeint war, aber auch nur mit Mühe als Kompliment verstanden werden durfte. Bewältigung durch freche Klappe: Bayer Leverkusen hat das "Trauma Unterhaching" letztlich unbeeindruckt überwunden und im Kampf um die deutsche Fußball-Meisterschaft deutlich gemacht, dass man in diesem Jahr gewillt ist, einen gewichtiges Wörtchen mitzureden. Bei der Rückkehr in den Sportpark 260 Tage nach dem 0:2-Desaster im Titelendspurt gewann die "Werkself" bei den Hachingern verdient mit 2:1 und schob die nun seit drei Spielen sieglosen Münchner Vorstädter auf einen Abstiegsplatz ab. Niemand würde ernsthaft aufschreien, wenn der traditionslose Dorfverein samt Dorf in der kommenden Saison nicht mehr auf den Landkarten der Erstliga-Supporter auftauchen würde. Mensch, schießt die endlich wieder raus aus unser´m schönen Oberhaus... Unbedingt zitierenswert auch noch die Farbenstädter Anhänger: „Samstag ist Fußball, Sonntag ist Familie“, hatten die lediglich in Kegelclub-Stärke angereisten Leverkusener Fans auf ein Laken gepinselt und damit ihrerseits vernünftig begründet, warum so viele von ihnen zu Hause geblieben waren!
Brehme geschockt: "Mittlere Katastrophe"
FCK-Coach Andreas Brehme sprach zermürbt von einer "mittleren Katastrophe". Mehr Mut und Aggressivität. Genau diese Tugenden gibt Andreas Brehme als Philosophie aus, seit er in der Pfalz den Teamchef gibt. Doch diese „Zutaten“ müssen wohl in den Katakomben des Betzenberg´s verblieben sein, als die „Teufel´chen“ im Schwabenland den Laden so richtig voll gekriegt haben. Und schon brennt der „Pälzer“-Baum! In Kaiserslautern aber kann man den großen Worten nur noch schwer glauben. Das „beste offensive Mittelfeld der Bundesliga“, wie Trainer Andreas Brehme die Achse mit Weltmeister Djorkaeff, dem bulgarischen Nationalspieler Hristov, Kroatiens Fußballer des Jahres Bjelica und dem ehemaligen DFB-Auswahlspieler Basler vor dem Rückrundenstart auszeichnete, hat wohl schon sein Verfallsdatum hinter sich. Mit athletischem Fußball, und dem Stil, der die Roten Teufel auch in dieser Saison schon ein paar Mal ausgezeichnet hat, hatte die Stuttgart-Formation aus der Pfalz nichts zu tun. Nur für ein paar Minuten zog sich das Team am glücklich abgefälschten Freistoß-Tor Baslers hoch. Überhaupt Super-Mario: Der taugt allenfalls noch zum „Medien-Faktotum“. Sein überhebliches, öffentlichkeitswirksames Gehabe droht das gesamte Team zu infizieren.
In Sao Caetano weiß man offenbar, wie man sich rüstet, wenn man aus 40 Grad Hitze in die Kälte fliegt und dort als Nothelfer gebraucht wird. Eigentlich ist Hilfe ein schwacher Ausdruck für das, was Adhemar Ferreira Camargo Neto in Stuttgart bewirken soll. Er muss ein Wunder fabrizieren. Und deshalb ließ der Wiedergeborene Christ und Mittelstürmer Adhemar, bevor er fortflog aus Sao Paulo, noch 20 weiße T-Shirts mit seiner Botschaft bedrucken: „Deus e fiel“ – Gott ist treu. Das soll ausdrücken, dass dem, der daran glaubt, auch im Fußball alles möglich ist. Der fromme, kleine Kerl aus Brasilien hat dann gerade mal zehn Minuten gebraucht, bis er der neuen Umgebung seine Unterhemden und seinen Glauben vorführen konnte, und warum er in seiner Heimat als David galt. Am Ende war das erste Mirakel vollbracht, der VfB hatte 6:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern gewonnen.
Oh Du wunderbare Bundesliga, Du schreibst jede Woche ein neues Kapitel verbriefter Wirklichkeit. Unfassbare Spielerschicksale, verzweifelte Anhänger und glückselige Hauptkassierer. Spannung pur. Wenn da nur nicht die „Leo Kirch Mafia“ uns das Spiel klauen wollte! Aktive Fußballfans, die ihre Mannschaften jedes Wochenende in alle Stadien der Republik begleiten, fühlen sich u.a. durch die vom TV-Übertragungsplan dominierten Spielansetzungen stark vernachlässigt. Nun setzen sich Fangruppierungen vieler deutscher Vereine für den Samstag als ausschließlichen Bundesliga-Spieltag ein. Am 20. Spieltag haben die Fans ihren Auftakt-Protest in den BL-Stadien zum Ausdruck gebracht. Eine entsprechende Pressemitteilung wurde von den Fans allen relevanten Redaktionen (auch Schwatzgelb.de) zugestellt.
Sicherlich war damit nicht zu rechnen, dass man irgendwo auf seinen domestizierten Kanälen auch nur einen Fetzen unserer Transparente sehen konnte, aber der Protest war da. Er hatte Einzug gehalten in die Stadien unserer geliebten Bundesliga und kaum einer nahm Notiz davon. Alle lügen sich in die Tasche, [ver-]schieben, mauscheln und verarschen uns mit den Spielverlegungen am laufenden Band. Der Live-Zuschauerzuspruch ist stark rückläufig.
Den in Bayern beliebten, traditionsreichen TSV München von 1860 gegen den ebenfalls sehr beliebten, traditionsreichen BV Borussia Dortmund wollten gerade mal ganze 20.000 Leutchen sehen. EIN ALARMSIGNAL !
Mir fällt da nur spontan der Satz ein: Und wenn der letzte Baum gerodet...