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Tatort Bundesliga - der 19. Spieltag Rückrundenauftakt der Bundesliga: eine zu frühe Wiedergeburt?

29.01.2001, 00:00 Uhr von:  BoKa
Tatort Bundesliga - der 19. Spieltag Rückrundenauftakt der Bundesliga: eine zu frühe Wiedergeburt?
Tatort Bundesliga

Knappe sechs Wochen war die Bundesliga-Pause lang. Zu kurz, sagen viele. Denn hätten nicht ein paar Tage mehr fußballfreie Zeit uns allen gut getan? Die Clubs hätten in der Halle mit mehr Ernst gespielt, länger üben können, weil sie länger im Trainingslager in südlicher Sonne gewesen wären. Und dann hätten sie vermutlich auch besser gespielt als am 19. Spieltag.

Denn es mussten alle Highlights schon in vier-bis fünffacher Wiederholung über die Mattscheibe flimmern, um dem Fußball-Freund zu suggerieren, da sei Epochales passiert. Ist aber wohl nicht, wenn Sch*lke und Dortmund, Ba*ern und Legokusen ihre Heimspiele unüberraschend und unspektakulär gegen die „Tabellenunterhauskinder“ Rostock und Cottbus, Bochum und Stuttgart gewinnen...

Nein, der Bundesliga-Fußball ist nicht wirklich Sieger dieser [zu] frühen Wiedergeburt. Spätestens im Mai werden sich alle die Frage stellen, warum denn eigentlich am 19. Mai schon Schluss ist. Da die Nationalmannschaft aber Anfang Juni noch zwei WM-Qualifikationsspiele bestreitet, hat Rudi Völler vorsorglich die Bundesligisten aufgefordert, ein paar Freundschaftsspiele abzumachen. Kicks auf dem Dorf also zur besten Sommerzeit. Der Preis dafür? Eben, Bundesliga zur biterkältesten Winterzeit.

Lautern gegen VW
Das denkt auch eine überraschend große Zahl der Stadionbesucher. Obwohl tagelang und seitenweise über Sch*lke und Ba*ern berichtet und die Aussichten in Gelsenkirchen und Ansichten aus München in epischer Breite abgehandelt wurden, war es mal wieder vielen dieser grandiosen Clubanhänger nicht wert, in diese zugigen Stadien zu pilgern. Halbvolle Arenen bei den beiden Meisterschaftsanwärtern gaben all jenen Kritikern neue Nahrung, die den zerfledderten wie ausgeweiteten Terminplan als fanfeindlich abstempeln. Und auf lange Sicht sogar für «geschäftsschädigend» halten. Denn eines ist gewiss: Die Schneeflocken am Betzenberg, das dortige Murks-Matsch-Morast-Spiel lieferte einen Vorgeschmack auf das, was offenbar noch bevorsteht. Fußball bei Frost, Kicken auf aufgewärmtem, samtweichem Untergrund also.


Die Sieger des ersten Spieltags im Jahr 2001? Stefan Effenberg? Gewiss, er hat zwei Tore geschossen, wobei das erste ein abgefälschter Schuss, das zweite eines aus kurzer Distanz war. Also abgelehnt. Tomas Rosicky bei Borussia Dortmund? Nich aufgelaufen, also aus der Wertung. Einer von den anderen Neuen wie Lucio, der Brasilianer bei Bayer? Nein, sicher auch nicht.

Herr Hilpert, wie lange wird Pettersson gesperrt?

Zu Männern des Tages müssten die ernannt werden, die ansonsten so oft kritisiert werden. Die Schiedsrichter! Sie vermochten besonders gut zu gefallen. Etwa das gute Auge des Gelsenkircheners Hellmut Krug, der sich bestimmt schon oft hat anhören müssen, er sei ein Blinder. Ist er aber nicht, denn er hat die Schwalbe des Spieltags, den freien Flug des Jörgen Pettersson enttarnt.

Gelb gezückt und damit einen Spieler zum verbalen Abschuss von allen Seiten freigegeben. Wolfsburg Wolfgang Wolf schimpfte wie ein Rohrspatz. Doch mit ihm krächzte auch Trainer-Pendant Andreas Brehme Böses. Gegen seinen Stürmer, der wegen Schauspielerei intern bestraft wird. Sogar Mannschaftskamerad Mario Basler, eigentlich nicht der Prototyp Profi, der für Benimm und Anstand steht, lästerte nach Kräften, um dem Moralverlust vorzubeugen. Ein Lob für Herrn Krug ging ihm aber nicht über die Lippen. Den Referee in Kaiserslautern hat ein Assistent aus dem Gespann von Herbert Fandel in punkto Sehvermögen in Hamburg noch übertroffen. Er sah am Sonntag - als am weitesten entfernt stehender Schiedsrichter - ein Handspiel, das vom Trainer bis zum Kommentator alle erst in der Superzeitlupe als eindeutig identifizierten. Die Schiedsrichter sollen ruhig weiterhin so genau hingucken, der Fan lässt sich damit besser noch ein bisschen Zeit.

Deutschlands Oberschiedsrichter Volker Roth fordert jedenfalls Platzverweis bei einer Schwalbe. Der Vorsitzende des Schiedsrichter-Ausschusses des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) will, dass die Schiris in Zukunft für offensichtliche Flugeinlagen sofort die Rote Karte zücken. "Es war eine Frechheit, wie Pettersson versucht hat, den Schiedsrichter zu linken," wettert der 58-Jährige.

Münchener Rundumschläge sorgten mal wieder für Verärgerung

Franzl Beckenbauer: Wo ich bin ist oben... und scheinbar überall!

Kurzer Rückbblick auf Freitag. Energisch hatte da auch Bayer Legokusen die waghalsigen Äußerungen von Franz Beckenbauer zu «etwaigen wirtschaftlichen Vorteilen» des Werksclub zurückgewiesen. «Ich muss stark bezweifeln, dass der Präsident des FC Bayern München die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge bei einem Liga-Konkurrenten hundertprozentig beurteilen kann», hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Pressemitteilung vom „Paten“.

Beckenbauer hatte in seiner unnachahmlichen Flapsigkeit mal wieder so daher behauptet, dass der Bayer-Klub nicht wirtschaftlich zu arbeiten brauche, weil er eine mächtige «Company» im Rücken habe. Der Verein kaufe wahllos ein und das Werk bezahle dann die Schulden. Und die würden zu «50 Prozent abgeschrieben und an den Steuerzahler weiter gereicht». Sonst könne sich der Werksklub die Spielerverpflichtungen in Höhe von knapp 35 Millionen Mark doch gar nicht erlauben. Bereits Anfang der Woche hatte ja «Abteilung Attacke» Bayern-Manager Uli Hoeneß sich den Zorn von Borussia Dortmund zugezogen, als er behauptete, sich über deren Börsengang «ein bisschen kaputt gelacht» zu haben und den wirtschaftlichen Erfolg des Börsenganges in Zweifel zog. Er hatte völlig unsinnig behauptet, dass die Borussia nur noch 25 Prozent der Anteile «am eigenen Verein» besitze, und die Frage aufgeworfen: «Wenn die 250 Millionen Mark aus dem Börsengang weg sind - was dann?» Das wiederum hatte Mr. Bean energisch auf den Plan gerufen und zu nachhaltigen Reaktionen in Richtung «selbsternannter bayuwarischer Verbraucherschützer» geführt.

Auch Maradona konnte Frankfurt nicht helfen...

Machen derzeit jeden Oddset-Tipper wahnsinnig: Die Spasskicker aus Köln

Er war da. Daumendrückend, mit schwarzem Hut bekleidet, fröstelnd, ja sogar mit einem Eintrachtschal dick vermummt sah der ehemalige argentinische Weltstar Diego «Die Hand Gottes» Maradona auf der Ehrentribüne die 1:5-Demontage der Hessen gegen entfesselnd aufspielende Kölner. So ist das Leben:

Etwa 5000 Kölner verlegen einfach mal ihre närrischen Karnevalstriebe in die Mainmetropole und die wieder mal restlos bedienten Eintracht-Anhänger pfiffen ihre Mannschaft nach der sechsten Bundesliga-Pleite in Folge bei 4:19 Toren gnadenlos aus. Magaths Bemühen in Ehren, seine Mannen zuvor stark reden zu wollen und eine taktische Orientierung am konterstarken Gegner abzulehnen; die im Vorfeld herausgegebene "Wir-sind-Herr-im-Haus-Parole" erwies sich im Nachhinein als naiv. Gegen ein Team mit so schnellen Spielern, wie sie die Kölner in Matthias Scherz, Christian Springer und Christian Timm aufbieten, ist eine individuelle taktische Ausrichtung dringend geboten. Da sich die Eintracht-Spieler noch nie durch herausragendes Sprintvermögen ausgezeichnet haben, war es blauäugig, den Kölnern derart ins offene Messer zu laufen. "Wir sind vorgeführt worden", analysierte Thomas Sobotzik, "die Kölner konnten sich austoben", gab Torsten Kracht kleinlaut zu, "eine Offenbarung" kritisierte Alexander Schur seine und die Leistung seiner Mitspieler erfrischend offen. Ähnlich Erfrischendes hätte die Anhängerschaft freilich lieber auf dem Spielfeld wahrgenommen. Zu Tausenden verließen sie vorzeitig und fluchtartig das Waldstadion... Was viele von Ihnen da noch nicht ahnen konnten: Nur einen Tag später ging auch ihr Trainer mit sofortiger Wirkung, wie es so schön heißt.

Servus, machts guart... Felix ist schon wieder auf dem Weg zum Arbeitsamt

Tja Felix, da ist der «Unsterblichkeitsbonus» schon wieder mal aufgebraucht, was?

Und die Kölner? Kölns Spaßbremse heißt Ewald Lienen. Auf Lob reagiert Arbeitsethiker Lienen allergisch. Kalt herrscht er nach dem Spiel in Frankfurt den verdatterten TV-Reporter an, der die offensive Marschrichtung der Gäste angesprochen hat: «Was meinen Sie mit Offensivspiel?» Es gibt Fragen, die stellt man dem gewendeten Realogrünen Ewald Lienen besser nicht. Auch solche zu den besten Akteuren des Abends im Waldstadion: dem zweifachen Torschützen Markus Kurth und den beiden Ex-Paulianern Matthias Scherz und Christian Springer. Sollen andere frohlocken. Kölns Manager Hannes Linssen etwa, der nach dem Abpfiff diebisch freuend feixt: «Der war schnell, der Scherz, wa?» War er. Der Flügelflitzer spielte mit seinen Gegenspielern Hase und Igel. Wo immer ein Eintracht-Jäger zum Tackling ansetzte: Scherz und Ball waren schon weg. Wie überhaupt Kölns wieselflinke Angreifer den hüftsteif wirkenden Abwehrrecken der Eintracht nach Belieben davonliefen. Nahezu jeder Konter der Gäste brachte Frankfurts Defensive in Verlegenheit.

Ewald Lienen

Lienens Version klingt natürlich ganz anders. Von glücklichen Umständen ist da viel die Rede, von «den ersten zehn Minuten» und «weiten Strecken der zweiten Halbzeit», in denen die Eintracht den Ton angegeben habe. Lienen in seiner Glanzrolle: als Streiter wider den rheinischen Überschwang. «Ich hab' schon genug Schwierigkeiten», wird er später in trauter Runde der mitgereisten Kölner Journaille bekennen, «euch auf dem Boden zu halten.»

Erhöhte Alarmstimmung auch in Hamburg

Traurige Hanseaten wollen endlich wieder jubeln können

Auch in Hamburg brennt so langsam der Baum! Denn nichts wendet sich zum Besseren beim HSV. Der Traditionsverein, der als einziger nicht abgestiegener Bundesligist noch als Gründungsmitglied dabei ist, spielt endgültig gegen den Abstieg. Nun 1:2 auf eigenem Platz gegen Hertha BSC Berlin verloren, eine Überzahl nicht genutzt, am Ende durch Preetz ganz allein geschlagen. Allen Beteiligten blieb die da schnell die Sprache verschlagen. Sie retteten sich in Allgemeinplätze: «Es muss uns bewusst sein, dass es schnell nach unten gehen kann», räumte beispielsweise ein konsternierter Torwart Hans-Jörg Butt ein. Sportchef Holger Hieronymus stammelte merklich angeschlagen: «Wir sind nicht in der Verfassung wie zu Beginn der Saison. Mir hat ein bisschen Aggressivität gefehlt» Auch Trainer Frank Pagelsdorf kommentierte sichtlich niedergeschlagen: «Wir haben die Situation nicht ausgenutzt.“ Aber aber, liebe Hanseaten: Das alleine reicht leider nicht!






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