...Christoph Metzelder: Smalltalk mit "Metze"
Er war der Shootingstar der vergangenen Saison beim BVB: Christoph Metzelder. Zunächst eigentlich nur für die Amateure verpflichtet, machte der damals 19-jährige schon bald in der Bundesliga auf sich aufmerksam und beeindruckte selbst gegen nahmhafte Gegenspieler mit außerordentlich guten Leistungen und ohne jede Spur von Nervosität. Schnell wurde klar: Diesem jungen Mann mit der Nummer 21 gehört in Dortmund die Zukunft. Ähnlich muß es wohl auch DFB-Teamchef Rudi Völler gesehen haben, denn am 15. August, nur etwa ein Jahr nach seinem Bundesligadebut für den BVB, absolvierte "Metze" beim 5:2-Sieg gegen Ungarn in Budapest seinen ersten Einsatz in der A-Nationalmannschaft.
schwatzgelb.de traf den sympathischen Verteidiger in seiner Heimatstadt Haltern zum Gespräch:
schwatzgelb.de: Blicken wir mal ein Jahr zurück: Hast Du nach Deinem direkten Wechsel von der Regional- in die Bundesliga überhaupt an eine solche Karriere im Profikader des BVB gedacht, der sogar mit Deinem ersten Einsatz in der A-Nationalmannschaft gekrönt wurde, oder hattest Du eher Zweifel daran, ob Du überhaupt den Sprung in die BVB-Mannschaft schaffst?
Metzelder: Meine, wie ich finde, realistischen Erwartungen sahen so aus: Ich habe damit gerechnet, bei den Profis zu trainieren und dazuzulernen, aber zumindest im ersten Jahr bei den Amateuren zu spielen. All das erwies sich dann allerdings schon nach wenigen Wochen als vollkommen verkehrt und der Plan war über den Haufen geworfen. Dabei machte ich eigentlich den achten Schritt bereits vor dem ersten, wozu natürlich auch eine Menge Glück gehört. Und ganz klar: So ist es natürlich viel schöner als andersherum.
schwatzgelb.de: Die Nationalmannschaft war folglich noch gar kein Thema für Dich...
Metzelder: Nein! In Münster habe ich in der Jugend nur ein U 18-Länderspiel gemacht und weil ich ansonsten in keiner Jugend-Nationalmannschaft gespielt habe, war es auch keinerlei Thema für mich.
schwatzgelb.de: Die deutsche Nationalmannschaft hat sich für die WM 2002 in Dortmund mit einem Klassespiel qualifiziert. Bist Du im nachhinein eigentlich froh, um die große Schmach von München und das Finnland-Spiel herumgekommen zu sein?
Metzelder: Jede Nominierung für die Nationalmannschaft ist eine Ehre für mich. Natürlich wäre ich auch gerne bei diesen Spielen dabei gewesen. Wobei ich auch sagen muss, dass die 180 Minuten Spielpraxis bei der U 21 wichtiger waren. Generell sehe ich das aber auch nicht so schwarz, wie in der Presse dargestellt. Gegen die Engländer haben wir zwei saudumme Tore vor der Halbzeit kassiert und das entscheidende 3:1 direkt nach dem Seitenwechsel. Schließlich wurden wir noch zwei Mal ausgekontert. Allerdings war ich immer fest davon überzeugt, dass wir die WM-Qualifikation noch schaffen werden.
schwatzgelb.de: Wie fühlt man sich denn als frischgebackener A-Nationalspieler, Christoph?
Metzelder: Es ist natürlich ein sehr schönes Gefühl. Jeder Fußballer wird schon als kleiner Junge davon geträumt haben, in der A-Nationalmannschaft seines Landes zu pielen. Von daher war es natürlich eine sehr große Ehre für mich, auch wenn ich mit dem Spiel selber nicht besonders zufrieden sein konnte.
schwatzgelb.de: In diesem für Dich außergewöhnlichen Moment warst Du scheinbar (vielleicht sogar verständlicherweise) ein wenig nervös, oder?
Metzelder: Ja, klar! Die Nervosität konnte ich leider nicht so ganz ablegen. Aber sowohl Rudi Völler als auch Matthias Sammer haben zu mir gesagt, dass es eigentlich als ein positives Zeichen gewertet werden könne. Es zeige, dass die Nationalmannschaft für mich auch wirklich etwas besonderes ist und somit einen riesigen Stellenwert besitzt. Aber trotz alledem bin ich ehrgeizig und selbstkritisch genug, um meine Fehler einzugestehen.
schwatzgelb.de: Der erste Schritt ist mit Deinem Debüt geschafft. Ist nun auch die WM 2002 ein sportliches Ziel für Dich oder doch eher unrealistisch?
Metzelder: Nein, das denke ich eher nicht. Meine nähere Nationalmannschaftskarriere wird wohl in der U 21 liegen. Und letztlich führt der Weg zur WM 2002 nur über gute Leistungen im eigenen Verein, wo ich zuerst einmal wieder genügend Spielpraxis erhalten muss.
schwatzgelb.de: Vor allem Christian Wörns wurde nach dem Spiel gegen die Engländer von der Presse angegriffen. Merkte man ihm das in der anschließenden Zeit beim Training an oder konnte er die Kritik verdrängen?
Metzelder: Die ganze Kritik an ihm war für mich eine absolute Frechheit! Ich habe ihn sogar noch als einen der besseren gesehen. Zumindest war er besser als sein Kollege Thomas Linke. Er hat bis zum 1:1-Ausgleich, wo er das Tor von Owen wirklich nicht verhindern konnte, ein solides Spiel abgeliefert. Auch nach vorne hat er keine Bälle verloren und einige Offensivaktionen eingeleitet. Und dann schreibt ein Max Merkel, er hätte 35 Ballverluste gehabt. Das ist natürlich absoluter Quatsch. Es ist auch schade, dass er bereits zur Halbzeit ausgewechselt wurde, weil er für die Medien so ein gefundenes Fressen war. Ich finde es einfach nicht in Ordnung, was in der Presse geschrieben wurde. Ich habe es auch schon am eigenen Leibe, zwar nicht in dem Ausmaß, erfahren müssen und das ist nicht leicht zu verdauen. Zum Beispiel beim Ligapokalspiel gegen Schalke, wo mir das ganze Spiel in die Schuhe geschoben wurde, war eine solche Situation. Das sind Dinge, die meines Erachtens nicht fair sind. Die Presse lobt einen schließlich schon nach einem guten Spiel, wie z.B. nach meinem ersten Spiel gegen Rostock, in den Fußball-Olymp. Die Sport-Bild fragte beispielsweise, ob Metzelder schon besser als Kohler sei... Andererseits lassen sie die Spieler nach nur einem schlechten Spiel eiskalt fallen. Man muss als Spieler einfach lernen, damit umzugehen. Und vor allem als Abwehrspieler wird man meistens zum Deppen abgestempelt, weil bei uns meistens der entscheidende Fehler begangen wird. Um das wegstecken zu können, muss man ein dickes Fell haben.
schwatzgelb.de: Hat sich bei Dir etwas verändert, seitdem Du beim BVB angefangen hast? Schließlich hast Du einen Aufstieg erlebt, wie es nur bei den wenigsten Fußballern der Fall ist...
Metzelder: Das ist eine Frage, die sehr oft mit "nein" beantwortet wird. Aber ich muss sagen, dass sich ganz eindeutig etwas in meinem Leben verändert hat. Alleine schon wegen des großen Stellenwerts des BVB, der sich durch den unheimlich großen Medien- und Presserummel und das große Interesse der Fans zeigt. Das ist natürlich sehr schön, aber andererseits teilweise auch unheimlich anstrengend.
schwatzgelb.de: Findest Du die Veränderungen denn eher positiv oder negativ? Am Trainingsgelände sieht man beispielsweise Teenies, die kreischend hinter Dir herrennen...
Metzelder: Im ersten Jahr war all das absolut neu für mich und somit habe ich es, ganz ehrlich gesagt, die meiste Zeit über genossen. Mittlerweile nimmt es vor allem durch den Wechsel von Tomas Rosicky Ausmaße an, die mit dem Fußball und dem Sport selber rein gar nichts mehr zu tun haben. Es geht beinahe schon in die Ecke "Popstars"! Und dann bin ich manchmal wirklich froh, wenn ich meine Ruhe habe.
schwatzgelb.de: Was erwartest Du in dieser Saison noch vom BVB, nachdem der Saisonstart mit einer furiosen Siegesserie, gefolgt von einer Reihe von Spielen ohne Sieg etwas kurios verlief?
Metzelder: Ich denke, dass durch die Wechsel und das dafür investierte Geld der Anspruch schlicht und einfach riesengroß ist. Wir müssen ganz oben angreifen und nicht bloß um Platz 3 kämpfen. Ob es letztendlich möglich ist Meister zu werden, entscheiden natürlich Kleinigkeiten, wie vor allem die letzten beiden Jahre gezeigt haben. Eine genaue Prognose ist von daher auch nicht möglich. Aber das Potential sollte, wie gesagt, für ganz oben ausreichen.
schwatzgelb.de: Und welche persönlichen Ziele möchtest Du selber in dieser Saison erreichen, nachdem Du zu Saisonbeginn oftmals nur auf der Bank gesessen hast? Ganz im Gegensatz zum letzten Jahr, wo Du von Anfang an regelmäßig gespielt hast.
Metzelder: Das war natürlich auch eine andere Situation. Jürgen Kohler und Christian Wörns sind wieder fit und spielen sehr gut, das muss ich ganz klar anerkennen. Ich muss mich von daher immer wieder bremsen und mir sagen, dass ich mit 20 Jahren schon in meiner zweiten Saison beim BVB spiele. Ich darf natürlich nicht die Geduld verlieren, aber mein Ziel ist es schon, mehr und mehr Spielpraxis zu sammeln.
schwatzgelb.de: Ist ein Aspekt, der Dich diese wohl nicht ganz einfache Zeit durchstehen lässt, neben Deinem Alter auch die Tatsache, dass zwei Oldies aus dem Defensivbereich wohl den Weg zum Stammplatz frei machen? Jürgen Kohler beendet ja zum Saisonende seine Profikarriere und bei Stefan Reuter ist noch offen, ob er nach der Saison seine Karriere beendet.
Metzelder: Ganz klar: Ich würde mich natürlich freuen, wenn die beiden der Mannschaft weiterhin erhalten bleiben würden, weil sie mir besonders viel helfen können und auch schon sehr viel geholfen haben. Generell sind Stefan Reuter und Jürgen Kohler für die Mannschaft sehr wichtige Spieler. Nicht nur auf, sondern auch außerhalb des Platzes. Alleine schon aufgrund ihrer Persönlichkeit.
schwatzgelb.de: Es ist für Dich überhaupt kein "tröstender" Aspekt, dass Jürgen nächstes Jahr den Weg für Dich "freimacht"?
Metzelder: Ich denke nicht, dass ich im nächsten Jahr der Nachfolger von Jürgen Kohler bin. Da wird der Verein bei seinen Ansprüchen auch nach Verstärkungen suchen. Von daher betrachte ich den Rücktritt Kohlers ohnehin ganz anders. Für mich persönlich sind die nächsten zwei bis drei Jahre wichtig, weil vor allem in den jungen Jahren der Grundstein für die weitere Karriere gelegt wird. Unabhängig davon, ob dann Jürgen Kohler oder irgendein anderer Spieler da ist, muss ich versuchen, mich weiterzuentwickeln. Und wie gesagt: Ich hätte es schön gefunden, wenn Jürgen noch weiter gemacht hätte, weil er mir bei meiner Entwicklung unheimlich hilft.
schwatzgelb.de: Jürgen Kohler beherrscht mit seiner Routine und Erfahrung sicher auch einige versteckte Tricks, die man sich sicherlich abschauen kann....
Metzelder: (schmunzelt) Ja, er hat einige Tricks, die er auch mir weitergeben kann...
schwatzgelb.de: Stefan Reuter ist ja ein ähnliches Beispiel, auch wenn er nicht ganz Deine Position versperrt, aber da siehst Du es wohl ähnlich.....
Metzelder: Richtig, es wird eigentlich seit fünf Jahren schon gesagt, dass Stefan Reuters Zeit eigentlich vorbei ist. Über die ganze Saison gesehen ist er allerdings immer wieder einer der besten. Das zeichnet ihn natürlich aus und sein Wert für die Mannschaft und vor allem für junge Spieler ist auch sehr hoch.
schwatzgelb.de: Du spielst jetzt im zweiten Jahr bei Borussia und hast in dieser Zeit schon mittlerweile vier Derbys gegen den kleinen Vorortverein in unmittelbarer Nachbarschaft zu Herne miterlebt - leider allesamt nicht ganz so erfolgreich. Wie empfindest Du das Derby als Spieler?
Metzelder: Ganz klar: Auch für mich ist es ein ganz besonderes Spiel. Ich habe in der Jugend ein Jahr bei Schalke gespielt, was für mich aber ein katastrophales Jahr war. Allerdings halte ich nicht viel davon, in solch ein Spiel zu gehen und zu sagen, wir haben noch eine Rechnung offen, weil man dann zu verkrampft wäre und zu wenig mit einem klaren Kopf agiert.
schwatzgelb.de: Also war es dort keine so erfreuliche Zeit für Dich, oder?
Metzelder: Nein, ganz sicher nicht. Dabei spielten verschiedene Faktoren eine Rolle. Zum einen war ich in diesem Jahr von der Entwicklung und der Leistung noch nicht so stark. Zwei, drei Jahre später bin ich unheimlich gewachsen und habe zudem einen enormen Leistungsschub erfahren. Andererseits liefen da noch ein paar Dinge im Verein, die sicherlich den Ansprüchen eines Bundesligisten nicht gerecht wurden. Das sind zum Beispiel Geschichten, was Pass- und Spielerlaubnis angeht oder Übermittlung von Trainingszeiten, usw. Man muss unserem Rivalen aber dennoch zu Gute halten, dass damals die Jugendarbeit im Umbruch war. Es hat sich sicherlich viel geändert und heute sind sie im Bereich Jugendarbeit einer von den besten Klubs in Deutschland.
schwatzgelb.de: Deine Verbindung zu Preußen Münster, dem Klub, bei dem Du das Interesse des BVB wecken konntest, soll dagegen noch viel enger sein...
Metzelder: Ja, die ist sehr gut. Mein Bruder spielt bei den Senioren und dazu auch noch sehr viele alte Mannschaftskollegen, mit denen ich teilweise inder Jugend gespielt habe. Ich habe auch immer gesagt, dass mir der Verein sehr am Herzen liegt, weil ich ihm schließlich sehr viel zu verdanken habe. Trotz des schlechten Jahres in Schalke hat man mich nach Münster geholt und mir ermöglicht, direkt im ersten Seniorenjahr dort Fuß zu fassen. Das darf ich mit Sicherheit nicht vergessen und versuche,den Verein soweit mir möglich zu unterstützen.
schwatzgelb.de: Du sagtest, dass in Münster auch noch Dein Bruder Malte spielt, dem ebenfalls großes Talent bescheinigt wird. Was traust Du ihm noch zu und würdest Du dem BVB zu einer Verpflichtung raten?
Metzelder: Er hat ähnliche Voraussetzungen wie ich, ist zum Beispiel genauso groß, spielt die gleiche Position und hat auch fast alle Stationen in einer ähnlichen Weise durchlaufen. Was aber leider keiner vorhersagen kann ist, ob er in manchen Situationen das gleiche Glück haben wird, was ich hatte. Deswegen muss man ihm einfach Zeit geben und den Druck von ihm nehmen, dass er es genauso schnell schaffen muss wie ich.
schwatzgelb.de: Mal ein ganz anderes Thema, eingeleitet durch die Frage, was Du über die BVB-Fans denkst...
Metzelder: Für einen jungen Spieler ist es ganz wichtig, dass die Fans einen akzeptieren und einem auch den ein oder anderen Fehler nachsehen. In der Hinsicht kann ich nur sagen, dass die Fans von der ersten Minute gegen Hansa Rostock hinter mir standen und mich immer angefeuert haben. Auch die ersten Fehler, die sicherlich teilweise mit meinem jungen Alter verbunden sind, wurden mir immer verziehen. Auf diesem Wege möchte ich mich auch noch einmal recht herzlich dafür bedanken, weil diese Unterstützung für einen jungen Spieler unheimlich wichtig ist. Das beste Beispiel dafür ist wahrscheinlich Jens Lehmann. Seitdem die Fronten geklärt sind und wirklich keine Pfiffe mehr zu hören sind, werden seine Leistungen auch wieder stetig besser!
schwatzgelb.de: Fällt den Spielern eigentlich wirklich auf, welches Engagement zumindest der ganz harte Kern unter den Fans, der den BVB auch bei den weitesten Auswärtsfahrten unterstützt, leistet?
Metzelder: Natürlich! Auch deswegen habe ich auch einige Patenschaften und betreue drei Fanklubs. Dort spüre ich, was so mancher Fan an Zeit und vor allem an Geld für den BVB investiert. Das rechne ich den Leuten natürlich unheimlich hoch an, zumal wir nicht immer so gut spielen, dass die Leute Montags immer frohen Mutes ins Büro gehen könnten...
schwatzgelb.de: Allerdings muss man kritisch bemerken dürfen, dass die Mannschaft das nicht immer anzuerkennen scheint. Gerade bei Freundschaftsspielen wie in Basel macht man schon einmal die negative Erfahrung, dass sich die Mannschaft bei den Fans, die über 600 km für so ein Spiel reisen, allerhöchstens unzureichend für die Unterstützung bedankt.
Metzelder: Zu diesem Thema habe ich schon sehr viele E-Mails bekommen und wusste das auch sehr gut zu schätzen, weil auf dem Wege meistens nur Lob und nur ganz selten Kritik ausgesprochen wird. Grundsätzlich ist es so, dass wir direkt nach dem Spiel 20 Minuten auslaufen sollten, auch wenn manchmal die Motivation dafür nicht gerade groß ist, man keine Lust darauf hat. Danach, so meine ich, sind wir auch geschlossen in die Fankurve gegangen. Was sich natürlich nicht abstreiten lässt, ist dass die Distanz zu den Fans immer größer wird. Ich denke, vor 20 Jahren war s noch möglich, dass der ein oder andere Spieler mit einem Fan noch in einer Kneipe einen Trinken gegangen ist. Doch das geht mittlerweile einfach nicht mehr. Aber natürlich ist diese Entwicklung bedauernswert, weil die Distanz doch sehr groß ist.
schwatzgelb.de: Nimmt man als Spieler eigentlich solche Aktionen wie in Rostock wahr? Dort hielten die Fans beispielsweise 200 ausgeschnittene schwarz-gelbe Pappherzen und noch mehrere dazugehörige Plakate hoch. Oder ist man so konzentriert, dass es einem gar nicht auffällt?
Metzelder: Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich in Rostock die Aktion nicht wahrgenommen habe. Manchmal erblickt man zwar solche Dinge, ist aber so konzentriert, dass man dennoch nicht alles wahrnimmt. Gesänge dagegen hört man schon, doch besonders solche Plakataktionen, die nur drei, vier Minuten dauern, fallen einem nicht immer auf.
schwatzgelb.de: Stellt ihr Spieler überhaupt einen Unterschied zwischen der Stimmung bei Heim- und bei Auswärtsspielen fest? Einmal abgesehen von der starkunterschiedlichen Zahl der Fans, die einen unterstützen...
Metzelder: Ja, schon beim Rückspiel gegen Donezk habe ich beispielsweise einen Riesenunterschied bemerkt. Teilweise war ich sogar sehr erschrocken, weil es von der Stimmung her, vor allem durch die Sitzplätze bedingt auf der Südtribüne, ungewohnt war. Gerade weil es mein erstes Champions-Leaque-Spiel für den BVB war, empfand ich die Stimmung im Vergleich zu Bundesligaspielen als ungewöhnlich. Natürlich merkt man aber auch insgesamt, dass bei Heimspielen eine andere Stimmung herrscht, die auch für riesiges Selbstvertrauen sorgt.
schwatzgelb.de: Stellt man denn auch fest, dass bei Auswärtsspielen eher der "harte" Kern mitfährt, der seltener pfeift als die Fans zu Hause?
Metzelder: Man merkt schon, dass bei Auswärtsspielen der Kern dabei ist, der uns in jeder Situation unterstützt. Besonders in der vorletzten Saison, obwohl ich das noch nicht so genau wie jetzt verfolgen konnte, bemerkte man schon, dass vor allem von den Haupttribünen bei sehr vielen Aktionen ein Raunen durchs Stadion ging, was für mich sogar noch schlimmer als Pfiffe ist. Ich weiß nicht, ob man solche Leute überhaupt als Fans bezeichnen kann. Scheinbar verstehen sie überhaupt nicht, dass es an manchen Tagen ganz einfach schwerer geht. Manchmal braucht man eben länger, um ins Spiel zu finden. An diesen Tagen sollte man uns schon mehr Zeit geben und auch ein wenig Verständnis aufbringen, weil man damit sonst vor allem der Mannschaft schadet.
schwatzgelb.de: Wenn mal wieder ein Raunen durch das Stadion geht, wirkt es also wirklich unheimlich belastend für die Mannschaft?
Metzelder: Ja, und ich habe auch schon öfter gesagt, dass es sehr schön ist, wenn man bereits 4:0 führt und 70.000 Zuschauer hinter einem stehen. Aber gerade dann, wenn es nicht so gut läuft, braucht man diese Unterstützung noch viel mehr. Davor haben viele der Vereine, die nach Dortmund kommen, auch großen Respekt. Es wäre also schön, wenn diese Art der Unterstützung auch weiterhin betrieben wird!
schwatzgelb.de: Erwähnen auch gegnerische Spieler nach Gastspielen im Westfalenstadion diesen großen Einfluss der BVB-Fans?
Metzelder: Wenn ich mich manches Mal in der U 21 umhöre, dann stelle ich fest, dass die Spieler schon Respekt haben, wenn sie nach Dortmund kommen. Darüber hinaus freuen sie sich aber auch, weil sie nicht alle Tage vor so einer Kulisse spielen können. Ich denke, dass man bei vielen "kleineren" Vereinen, wie z.B. Wolfsburg oder Nürnberg in dieser Saison, den Respekt förmlich spüren konnte.
schwatzgelb.de: Es gibt aber, wie von Dir angesprochen, nicht nur die positiven Seiten. Gerade Spieler wie Evanilson oder Stevic sind am häufigsten von dem Raunen betroffen, das manchmal durch das Stadion geht. Muss man diese Spieler anschließend aufbauen und wie sehr bemerkt man, wie nahe ihnen das Verhalten der Fans geht?
Metzelder: Ich denke, Micky und Fredi, die schon länger dabei sind, nehmen sich das nicht ganz so sehr zu Herzen. Ob man das auch bei Evanilson sagen kann, weiß ich nicht. Ich kann mich aber überhaupt nur wiederholen und sagen, dass es den Spielern gegenüber nicht fair ist. Jeder gibt immer alles und an manchen Tagen klappt es nicht so gut, wie wir alle uns das vorstellen. Zudem muss ich sagen, dass dieses Raunen oder die Pfiffe nicht nur den einzelnen Spieler verunsichern, sondern die gesamte Mannschaft. Es breitet sich automatisch eine Verunsicherung aus und das kann ja auch nicht im Sinne der Fans sein...
schwatzgelb.de: Können die Spieler nach dem Spiel abschalten und die Pfiffe gegen sie vergessen oder macht ihnen das auch außerhalb des Spielfeldes noch zu schaffen?
Metzelder: Das kann ich jetzt schwer beurteilen, weil ich glücklicherweise noch nicht in solch eine Situation geraten bin. Aber man macht sich ohne Frage Gedanken, weil es ganz sicher kein schönes Gefühl ist, von den eigenen Fans ausgepfiffen zu werden. Auch wenn ich das nur als Außenstehender beobachten konnte, denke ich, dass beispielsweise Sergej Barbarez sehr darunter zu leiden hatte. In Hamburg, wo er vollkommen akzeptiert wird, bringt er auch seine Leistung. Spieler, die voll und ganz akzeptiert werden, rufen im Normalfall auch ihr wirkliches Potential ab.
schwatzgelb.de: Zuletzt wollten wir noch ein paar Namen nennen, um Deine Meinung über diese zu erfahren. Angefangen bei Bernd Krauss...
Metzelder: Er ist der Trainer, der mich nach Dortmund geholt hat. Das wird oft vergessen, obwohl ich mit ihm die Gespräche geführt habe. Als kleiner Junge war ich Fan von Borussia Mönchengladbach und auch als er dort Trainer war, begeisterte mich seine moderne Art, Fußball spielen zu lassen. Das war damals einer der ausschlaggebenden Gründe, nach Dortmund zu wechseln.
schwatzgelb.de: Du hast folglich fest damit gerechnet, dass er im Amt bleibt....
Metzelder: Eigentlich schon. Wobei man im Nachhinein vielleicht sagen muss, dass die Lösung mit Matthias Sammer die Bessere gewesen sein dürfte...
schwatzgelb.de: Und das war eigentlich die nächste Frage: Was ist Deine Meinung über Matthias Sammer?
Metzelder: Er hat den Mut gehabt, einen so jungen und unerfahrenen Spieler von Anfang an zu bringen. Das ist auch nicht gerade selbstverständlich, denn bei meinem ersten Bundesligaspiel war ich erst 19 Jahre alt und es hätte auch alles anders laufen können. Wenn ich den Ball nach fünf Minuten selber ins Netz gehauen hätte, dann hätte er dafür gerade stehen müssen. Deshalb bin ich ihm sehr dankbar, dass er dieses Risiko in Kauf genommen hat.
schwatzgelb.de: Was denkst Du über Deinen Nationalmannschaftskollegen Sebastian Kehl, mit dem Du sehr gut befreundet sein sollst?
Metzelder: Er ist ein sehr guter Kollege, sowohl in der U 21-, als auch in der A-Nationalmannschaft. Ich verstehe mich privat sehr gut mit ihm und er ist natürlich auch ein großartiger Fußballer, der alles mitbringt. Trotz seiner jungen Jahre ist er schon ein Führungsspieler beim SC Freiburg und es ist ja kein Geheimnis, dass der BVB an ihm interessiert ist. Ich würde mich sehr freuen, wenn er nächstes Jahr zu uns käme und werde auch das ein oder andere gute Wort einlegen...
schwatzgelb.de: Siehst Du denn eine realistische Chance, ihm einen Wechsel zum BVB schmackhaft zu machen?
Metzelder: Er weiß schon, was er in Dortmund hätte. Ich erzähle ihm nämlich schon, wie es in Dortmund abläuft und weil ich generell nur Positives zu berichten habe, sehe ich da keine Probleme.
schwatzgelb.de: Was denkt man als Abwehrspieler des BVB über das Offensivtrio Amoroso, Koller und Rosicky, das sich derzeit in aller Munde befindet?
Metzelder: Das sind drei beeindruckend gute Fußballer. Tomas ist mit 20 Jahren schon ein kompletter Spieler, der so langsam auch in eine Führungsrolle hereinwächst. Marcio ist ein absoluter Weltklassespieler, der auch im Training fast jede Chance eiskalt nutzt. Und Jan ist ein sehr netter und ruhiger Typ, der auch sehr viel nach hinten arbeitet und zudem noch sehr viele Tore für den BVB schießen wird. Die drei waren die Garanten für die ersten vier Siege und arbeiten auch nach hinten. Man darf aber nicht vergessen, dass man nur erfolgreich nach vorne spielen kann, wenn man auch in der Abwehr und im Mittelfeld gut steht. Man sollte unser Spiel von daher nicht nur von den Dreien abhängig machen, wenngleich sie sehr wichtig sind.
schwatzgelb.de: Wenn wir schon beim Thema Torjäger sind: Wie sehr fieberst Du eigentlich selbst Deinem ersten Bundesliga-Tor entgegen? Bei der U 21 klappte es ja gegen England schon sehr gut, auch wenn ihr das Spiel damals letztlich sehr unglücklich verloren habt.
Metzelder: Man malt sich schon aus, wie es wohl wäre, vor dieser Kulisse ein Tor zu schießen. Leider bin ich dafür aber nicht so bekannt...
schwatzgelb.de: Was uns persönlich noch interessiert: Kanntest Du Schwatzgelb.de bereits vor diesem Interview und wenn ja, woher?
Metzelder: Ich kannte Schwatzgelb.de bereits vorher. Zum Beispiel aus E-Mails, in denen mich Mitglieder aus verschiedenen Fanklubs auf die Seite aufmerksam gemacht haben. Ich habe mich auch schon zwei Mal ins Gästebuch eingetragen. Es ist eigentlich die einzige Seite von BVB-Fans, die ich kenne und regelmäßig besuche. Auch bei anderen Spielern, wie zum Beispiel Fredi Bobic, ist die Seite gut bekannt. Ich persönlich fand die Aktion, die nach dem Spiel in Neheim gestartet wurde bzw. die Reaktionen darauf sehr positiv. Das hat mir gezeigt, dass diese wenigen "Spinner" nicht die BVB-Fans sind, sondern nur die absoluten Ausnahmen.
schwatzgelb.de: Wie sehr nutzt Du generell das Internet?
Metzelder: Eigentlich nur, um die eigene Homepage zu aktualisieren und zwischendurch mal ein wenig zu surfen. Im großem Maß nutze ich das Internet allerdings nicht!
schwatzgelb.de: Wie würdest Du den Kontakt zu den Fans über Deine Homepage beschreiben?
Metzelder: Es ist eine schöne Möglichkeit für die Fans, mehr über mich zu erfahren und auch mit mir in Kontakt zu treten. Den Großteil der E-Mails beantworte ich selber. Mittlerweile kann ich aber nicht mehr alle E-Mails beantworten, weil es einfach zu viel geworden ist. Bei persönlichen Fragen schreibe ich jedoch immer zurück. Ich denke, dass man vor allem in jungen Jahren, wo man noch nicht so viele Verpflichtungen hat, den Kontakt so weit wie möglich pflegen sollte.
schwatzgelb.de: Danke für ein offenes und aufschlussreiches Interview!