Warmlaufen

Borussia Dortmund - VfL Wolfsburg

23.11.2000, 00:00 Uhr von:  Micha B.
Das Wappen vom VfL Wolfsburg
Das Wappen vom VfL Wolfsburg

Der VFL Wolfsburg, 1997 aufgestiegen nach einem Herzschlagfinale gegen den FSV Mainz 05, galt in seiner ersten Saison im Oberhaus gleich als ungeliebtes Kind der Bundesliga. Das kleine Stadion, das provinzielle Umfeld, der angeblich erstliga-untaugliche Kader - all das ließ viele sogenannte Experten davon ausgehen, daß die Werkself von VW ziemlich flott wieder da verschwinden würde, wo sie hergekommen war, nämlich in der Bedeutungslosigkeit der Amateurklasse, denn immerhin kickte der 1945 gegründete Verein 1992 noch in der Amateur-Oberliga Nord.

Doch die Experten täuschten sich. Finanziell unterstützt durch den Volkswagen-Konzern und souverän geleitet vom ehemaligen Lauterer Wolfgang Wolf, der bereits in der ersten Bundesliga-Saison den glücklosen Willi Reimann ablöste, hat der VFL mittlerweile Fuß gefaßt in Deutschlands höchster Spielklasse und will nach eigener Aussage alsbald eine ähnliche Rolle spielen wie die Elf von Bayer 04 Leverkusen. Das neue Stadion ist bereits in Planung, die Mannschaft gespickt mit reichlich Erstliga-Erfahrung, konnte in der letzten Saison im UEFA-Cup erste internationale Erfahrungen sammeln und scheiterte erst in Runde 3, diese Saison schied man erst in Halbfinale des UI-Cups aus und verpaßte so den erneuten Sprung ins "Internationale Geschäft".

Bisheriger Saisonverlauf:

Das Auftaktprogramm stellte sich für Wolfsburg vom Papier her äußerst schwierig da: Heimspiele gegen Hertha BSC und den FCK sowie zwei Auswärtsauftritte bei den Branchenführern Bayern und Bayer - jedoch konnten sich die Ergebnisse des VFL sehen lassen. Nach einer 1-2-Niederlage beim Vize-Meister, die allerdings deutlich höher hätte ausfallen können, schickte man den FCK 4-0 nach Hause. Danach folgte eine unglückliche Niederlage beim Meister Bayern, abgeschlossen durch einen ungefährdeten 3-1-Erfolg gegen Berlin. Doch nach diesen beiden Siegen war es mit der Wolfsburger Herrlichkeit mehr oder weniger vorbei.

Lediglich die Spiele gegen Köln (zu Hause) und in Unterhaching konnten noch gewonnen werden. Daß man trotz erst 4 Saisonsiegen in 13 Spielen auf Platz 8 mit Kontakt nach oben steht, "verdankt" man den lediglich 3 Niederlagen, die die Mannschaft von Wolfgang Wolf hinnehmen mußte - genauso viele wie der Tabellenzweite Schalke und nur eine mehr als Tabellenführer Leverkusen. Zuletzt spielte der VFL jedoch 4 mal in Folge unentschieden, gab unter anderem in Rostock zwei unnötige Punkte ab, als man erst in der Schlussminute den Ausgleichtreffer durch allerdings überlegene Rostocker hinnehmen mußte.

Hinzu kam eine deutliche Benachteiligung beim Heimspiel gegen Cottbus, als der Schiedsrichter das Handspiel eines Cottbussers auf der Linie übersah und danach auch noch verkannte, dass sich der Ball bereits hinter der Linie befand. Rechnet man diese 4 Punkte aufs Wolfsburger Konto hinzu, stände der VW-Klub derzeit punktgleich mit den Bayern auf Rang 4.

Stärken:

Der VFL verfügt in allen Mannschaftsteilen über ein hohes Maß an Bundesliga-Erfahrung. Allein die drei alten Mittelfeld-Haudegen Greiner, Wagner sowie Munteanu, der Kapitän der rumänischen Nationalmannschaft bringen es auf über 700 Bundesliga-Spiele. Zwar ist von diesen drei Spielern derzeit nur der erstgenannte Ex-Kölner Greiner Stammspieler, aber allein die Tatsache, dass es sich Trainer Wolf erlauben kann, zwei gestandene Spieler wie die beiden letztgenannten auf der Bank zu lassen, spricht für die Qualität des Kaders.

Derzeit bester Spieler im Kader der "Wölfe" ist der Österreicher Didi Kühbauer, der es ebenfalls schon auf über 40 Einsätze für die Nationalmannschaft des Alpenlandes brachte.

Ein Blick noch auf die anderen Mannschaftsteile: Die Abwehr wird derzeit souverän organisiert vom ehemaligen Dortmunder Thomas Hengen, der 1998 gemeinsam mit Thomas Hässler vom KSC gekommen, es in Dortmund nicht zum Stammspieler schaffte, und über den Umweg Besiktas Istanbul in die Bundesliga zurück kehrte. In Anbetracht der doch recht überalterten Abwehr von Borussia gibt es sicher den einen oder anderen, der dem ehemaligen U21-Nationalspieler hinterher trauert.
Das Tor hütet seit 1998 der ehemalige Karlsruher Klaus Reitmaier, dessen Stärken in erster Linie seine tollen Reflexe auf der Linie sind.

Im Sturm schließlich, so scheint es, haben sich alle gescheiterten Torjäger der Bundesliga versammelt, grüßen doch vom Spielberichtsbogen solche "Tormaschinen" wie Johnny Akpoborie, Andrej Justowiak, Jürgen Rische und Markus Feldhoff. Doch entgegen der Annahme, dass diese Koryphäen keine Tore machen, sondern eher als solche vor dem Tor versagen, erweisen sich vorallem Akpoborie und Juskowiak als äußerst treffsicher. Nicht zuletzt hier zeigt sich eine der Stärken von Trainer Wolfgang Wolf: er schafft es immer wieder, aus augenscheinlich gescheiterten Profis das letzte herauszuholen.

Schwächen:

Thomas Hengen (Bild von 2018)
Thomas Hengen (Bild von 2018)

In dieser kompakten und gut besetzten Mannschaft erscheint es schwierig, wirkliche Schwächen zu finden, dennoch lassen sich diese beim genaueren Hinschauen finden. So ist die Abwehr anfällig bei Flanken von außen, da Libero Hengen nicht der größte ist und Torhüter Reimaier zudem im Herauslaufen seine Schwierigkeiten hat. Hinzu kommen die beiden zwar körperlich großen, aber nicht sonderlich wendigen Manndecker Thomsen und Biliskov, die vor allem mit kleinen, schnellen Spielern wie es in Borussias Kader beispielsweise Ricken, Reina und auch Ikpeba sind, ihre Schwierigkeiten haben.

Im Mittelfeld sucht Trainer Wolf derzeit noch nach einem adäquaten Ersatz für den formschwachen Spielmacher Munteanu. Kühbauer ist zwar ein sehr guter defensiver Mittelfeldmann, ihm geht jedoch weitestgehend die Gabe ab, den tödlichen Pass zu spielen!

Das letzte Spiel:

Letzte Saison trat der VFL Wolfsburg als erster Gegner zu Hause bei Borussia an, und lieferte "brav" die 3 Punkte ab. Was den Zuschauern geboten wurde, war ein für die letzte Saison typisches Spiel. Wolfsburg stellte sich 90 Minuten mit 10 Mann an den eigenen Strafraum und profitierte bei der mehr oder weniger einzigen Chance (Chancenverhältnis laut Kicker 11-3) von einem Fehler von Borussias Abwehr. Doch nach einem tollen Tor von Billy Reina sowie einem verwandelten Elfmeter von Andreas Möller nach einem Foul an Dédé in der Schlussphase siegte Borussia verdient mit 2-1.

Der Kicker schrieb damals: "Borussias Sieg war eine schwere Geburt. Wolfsburg Taktik der kontrollierten Defensive ging nicht auf. Dabei hätte der VfL mit mehr Mut in der Vorwärtsbewegung eine dicke Überraschung schaffen können."

Prognose:

Bisher glücklos: Victor Ikpeba
Bisher glücklos: Victor Ikpeba

Borussia hätte in Bochum den Sieg verdient gehabt, scheiterte jedoch an der mangelnden Chancenverwertung, und mußte am Ende dankbar sein, daß das stark abseitsverdächtige Tor von Jörg Heinrich noch das Unentschieden rettete. Hier läßt sich auch das Manko des BvB erkennen. Borussia spielt relativ gefällig nach vorne und setzt die Außenbahnspieler besser ein als letzte Saison. Dennoch fehlt in der Sturmspitze nach dem Ausfall von Heiko Herrlich ein Stürmer mit Brecherqualitäten, der den Ball zur Not auch mal mit Gewalt in den Maschen versenkt. Und weder der verletzungsanfällige Bobic noch der bisher glücklose Ikpeba strahlen auch nur annähernd die Torgefahr aus, die nötig wäre, um Ruhe und Sicherheit in Borussias Spiel zu bringen.

Deswegen gilt es, dem zuletzt starken Lars Ricken den Rücken zu stärken, zudem auf die gefährlichen Standards von Micky Stevic zu hoffen und in erster Linie darauf, dass die beiden genannten Stürmer ihre Pechsträhne beenden. Gelingt dies und kann Matthias Sammer eine sichere Abwehrformation aufbieten, die den Wolfsburger Stürmern Einhalt gebietet, ist ein Sieg gegen den Werks-Kicker eigentlich Pflicht - zumal Wolfsburg außer dem Sieg in Unterhaching auswärts bisher eher Magerkost servierte.

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