Bayern kontra Dortmund: Feindschaft nach Maß
Uli Hoeneß here, there and everywere! Gerade erst aus den Schlagzeilen entschwunden, lohnt sich jedoch ein Blick zurück, auf den August. Da hatte der Manager nämlich den vermeintlich einzigen Kontrahenten des FC Bayern für diese Saison entdeckt: "Es gibt dieses Jahr nur einen Gegner für uns, und der heißt Borussia Dortmund", ist er sicher.
Damit sehe er sich mit seiner Einschätzung bereits vor Saisonbeginn bestätigt: "Ich habe das von Anfang an gewußt. Die Dortmunder haben wieder einen guten Kader. Sie haben sich sehr gut verstärkt und blühen jetzt auf." Neben dem Plus, "daß sie von Abstiegssorgen befreit sind", hätten die Dortmunder noch einen weiteren "irren Vorteil: Sie können sich in Ruhe ausschlafen, wenn die anderen auf Reisen sind." Das war, unüberhörbar, eine pointierte, provozierende Spottnote darauf, daß der BVB in keinem europäischen Wettbewerb vertreten ist.
Noch während der vergangenen Saison hatte Hoeneß die Dortmunder mit ritterlicher Gesinnung verschont: "Über die rede ich erst wieder, wenn sie ein Gegner sind", hatte er zur Zeit akuter Abstiegsnot des BVB fast mitleidvoll gen Dortmund angemerkt. Jetzt sind sie ihm offener Gegnerschaft wieder wert. Unüberhörbar nämlich, daß der Manager vom FC Bayern mit Wonne das alte als das neue Feindbild geortet hat. Denn die Borussia ist für den FC Bayern aus gutem Grunde und fast schon traditionell ein gefährlicher „Rivale nach Maß“.
Immer schon zermürbten die Münchner aufkommende Gegner, indem sie deren bestes kickendes Personal mit ausgeprägt geschmackvollen DM-Offerten gen Alpenrand lockten. Beinahe hätten sie damit dem BVB die 2. Meisterschaft in Folge 1996 durchkreuzt. Quasi über Nacht gelang es Ihnen, den halben Verein an der Strobelallee verrückt zu machen. Zuerst musste BVB-Manager Michael Meier flugs nach dem Auswärtsspiel in Köln rüber nach Frechen rasen, um den damaligen BVB-Torwarttrainer Harald „Toni“ Schumacher mit pekuniärem Anreiz zum bleiben zu bewegen, dann galt es die Korsettstangen Stefan Reuter und Steffen Freund vom Wechsel an die Isar abzubringen, während der eigentliche Köder des Ulmer Wurstfabrikanten auf Matthias Sammer ausgerichtet war. Dieser aber hatte glücklicherweise 2(!) Tage vorhger dem BVB-Präsidenten in einem Gespräch unter vier Augen sein Wort auf eine Vertragsverlängerung gegeben. Ein Ehrenwort unter Männern verhinderte somit den großen Bayern-Coup und Hoeneß seine Strategien gingen nicht auf, fast zumindest! Denn ein erklägliches Sümmchen musste der BVB schon draufzahlen, um in der Öffentlichkeit den „unfriendly take over“ auf seine Stars als „abgewehrt“ bezeichnen zu können...
Den ersten Meistertitel für die Leverkusener hätte Hoeneß vergangene Saison, wenn auch zähneknirschend, so alles in allem doch klaglos hingenommen. Die Dortmunder niederzuhalten ist für ihn eine ungleich edlere, eine ehrenvollere Pflicht. Das hat damit zu tun, daß Hoeneß im gerade vollzogenen Börsengang des BVB eine tendenziell unsolide Geldbeschaffungsmaßnahme sieht. Nämlich deshalb, weil sie überwiegend der Stärkung und Finanzierung des teuren Spielerkaders - vergangenes Geschäftsjahr 129,2 Millionen Mark - dienen soll. Die Dortmunder Finanzpolitik widerspricht damit ganz der eher maßvollen, konservativen Haushaltspolitik des FC Bayern München. Auch käme für den FC Bayern nur im äußersten Notfall in Frage, seine Vermarktungsrechte abzutreten wie dies bereits Borussia Dortmund tat, das sich den seit 1993 bereits tätigen Rechteverwerter UFA ganz ins Haus holte und somit ganz zum Ärgernis des Guten, erstaunlicherweise doch am Ball blieb!
"Die Vermarktungsrechte bei sich zu haben, das werden die Ölquellen des Profifußballs der Zukunft sein", sagte kürzlich Unterhachings Präsident Engelbert Kupka. Ein Satz, der natürlich auch für die Verantwortlichen des Rekordmeisters voll und ganz gilt. Der Kampf zwischen den großen G14-Mitgliedern FC Bayern München und Borussia Dortmund beschränkt sich mithin nicht nur auf den Rasen. Es ist, womöglich noch spannender, das Ringen um Wettbewerbsvorteile mit ganz unterschiedlichen finanziellen und marketingstrategischen Instrumenten.
Im bisherigen Vergleich liegen die Bayern klar vor den Westfalen. Die Bayern kamen im abgelaufenen Geschäftsjahr auf einen Jahresumsatz von 249,7 Millionen Mark, Dortmund hingegen nur auf 160,7 Millionen Mark. Beeindruckend die reine Gewinnbilanz: Konnten die Bayern 24 Millionen Mark verbuchen, so waren es beim BVB lediglich 1,47 Millionen Mark. Lassen sich die Bayern ihre Lizenzspielerabteilung gut 80 Millionen Mark kosten, so dürfte der Etat in Dortmund höchstens geringfügig unter die letztjährigen 129,2 Millionen Mark gesunken sein. Vor diesem Hintergrund werden für den BVB Erfolge der Bayern im laufenden Champions-League-Wettbewerb, wo es für den Sieger rund 80 Millionen Mark zu gewinnen gibt, nicht eben erbaulich sein. Jeder Bayern-Sieg für sich genommen, bringt die Borussia „Mark für Mark“ ins Hintertreffen. Der eitle BVB-Präsident Gerd Niebaum hingegen, kann dies nicht verknusen und rüstet mit dem „Allheilmittel Börse“ nun auf anderem Parkett gegen die drohende Bavaria-Dominanz auf. Neben schönem Fußball ist dies genau das Spiel, das Uli Hoeneß überaus liebt und das er mit Verve betreibt.
Besonders gegen die Dortmunder. Wir erinnern uns: Während des Champions-League-Finales 1997 der Dortmunder, ausgerechnet in „seinem“ Münchner Olympiastadion gegen Juventus Turin stand Bayerns Manager beim Turiner Ehrentreffer durch Del Piero einsam applaudierend auf in der Ehrentribüne. Ein harter Schlag war der Dortmunder Triumph speziell für ihn, der seit zwei Jahrzehnten dem Traum von Europas Fußballkrone nachjagt. Unvergessen die Spotttiraden aus besseren Dortmunder Tagen, seinerzeit süffisant vor allem vorgetragen von Andreas Möller: "Borussia Dortmund", reizte er den Rekordmeister bis zur Weißglut, "ist längst da, wo die Bayern gerne noch hinmöchten." Ein bis heute gern gehörter Satz.
Möller ist längst über alle Berge - die Erzfeindschaft aber ist die alte geblieben. Die Bayern haben am Samstag ihren liebsten Feind wieder voll im Visier. Womit sie auch ein gut Stück ihres eigenes Selbstverständnisses wiedergefunden haben. Denn ohne erklärten Antipoden waren die Bayern, war die Bundesliga immer nur die Hälfte wert.