Torgeile Bayern fegen BVB mit 6:2 vom Platz - Desolate Dortmunder verspielen jeglichen Kredit!
Wohin man auch schaute, überall reichlich Brisanz! Ja, Bayern gegen Borussia ist eben kein Spiel wie jedes andere. Neben dem Kick auf dem Rasen standen natürlich die beiden so unterschiedlichen Fußballlehrer im Fokus der Öffentlichkeit. Aber es gab auch eine Reihe anderer, interessanter Perspektiven: Das Duell der Brasilianer Elber und Sergio gegen Evanilson und Dedé, das heiße Gegenüber der Nationaltorhüter, den nach München wechselwilligen Wörns, den „Olympiastadionhelden“ Lars Ricken in seinem Wohnzimmer oder den gebürtigen Dortmunder Torsten Fink im ekligen roten Jersey... Es war alles gerichtet für ein Klasse-Fußball-Spiel. Das wurde es auch, nur der brutale Ausgang ist aus Dortmunder Sicht alles andere als zufriedenstellend!
Ein nasskalt-regnerischer Herbsttag, den der BVB wohl so schnell nicht vergisst. Beim FC Bayern München hingegen, hatten offenbar die Herren Profis dem Trainer besser zugehört. Mit der Leichtigkeit des Seins, rehabilitierten sie sich in allerbester Torlaune für die Pokal-Blamage von Magdeburg. Im teilweise hochklassig geführten Bundesliga-Schlager feierte der deutsche Fußball-Meister gegen Borussia Dortmund am Samstag ein deklassierendes 6:2 (3:1). Mit dem höchsten Saisonsieg gewann auch Trainer Ottmar Hitzfeld das Trainerduell gegen seinen früheren Dortmunder Spieler und heutigen Borussen-Coach Matthias Sammer und sorgte für dessen dritte bittere Niederlage in Folge. Sammer zeigte sich anschließend deutlich angefressen und kündigte unmittelbar nach dem Spiel „Sofortmaßnahmen“ an.
Die Titel-Rivalen der Neunziger-Jahre standen extrem unter Zugzwang. Beim gerade an der Börse eingeführten BVB, hatte mal wieder in einer seiner berühmten Chorreden Präsident Gerd Niebaum nach zwei Bundesliga-Niederlagen in Folge beschwörend von der "Stunde der Bewährung" geredet. Hitzfeld sprach vor der Begegnung von einem "Endspiel".
Ausgerechnet „sein BVB“ bringt Hitzfeld wieder in ruhige Fahrwasser
Überhaupt: Ottmar Hitzfeld sieht schlecht aus. Sein Blick wirkt verkniffen, mürrisch geradezu und seine ansonsten strahlende Aura ausgelaugt und verblasst. Die leidlich durchwachsenen Darbietungen seiner Elitekicker haben den Erfolgscoach ebenso geschlaucht, wie die nicht enden wollende Diskussion um seine Berufung zum Bundestrainer. Der Trainer des amtierenden deutschen Fußballmeisters stand heute Abend in München extrem unter Druck. Gegen seinen Ex-Klub Borussia Dortmund musste ihm heute nun ein erster Befreiungsschlag gelingen. "Das war ein Sechs-Punkte-Spiel. Wir wollten unbedingt gewinnen, wenn auch die Höhe überrascht“, erklärte Hitzfeld kämpferisch, aber gleichzeitig größere Emotionen leugnend: "Es war ja schließlich nicht das erste Mal, dass ich mit Bayern gegen Borussia gespielt habe. Es war ein ganz normales Spiel." Natürlich habe er immer noch ein paar Freunde in der Westfalen-Metropole. Aber: "In den letzten Tagen stand das Telefon merkwürdig still." Ausgerechnet Dortmund. Dort feierte Hitzfeld zwei deutsche Meisterschaften, den Gewinn der Champions League und des Weltpokals. Der ehemalige Olympia-Auswahl- und B-Nationalspieler stieg dort zur Nummer eins der deutschen Trainer-Gilde auf und schied nach dem Zerwürfnis mit BVB-Präsident Niebaum und dem Bruch der „Troika“ von der Borussia 1998 nach einem Jahr als Sportdirektor in eisiger Kälte, als er ausgerechnet zum Erzrivalen nach München wechselte. Am Ende seiner BVB-Trainerzeit 1997 sah der Coach, der schon 1994 einen Darmdurchbruch erlitten hatte, nicht gesünder aus als jetzt...
Angespanntes Verhältnis zum „leidenschaftlichen“ Sammer
Und da war ja noch sein damaliger Libero Matthias Sammer, jener ehemalige Lieblingsspieler, zu dem Hitzfeld in Dortmunder Zeiten ein nicht immer harmonisches Verhältnis pflegte. Nun seinerseits Trainer beim westfälischen Traditionsclub. "Wenn solche Spannung derartig große Erfolge hervorbringen, ist das schon okay", äußerte sich Sammer nun im Vorfeld und versuchte dadurch, die Misstöne aus der Vergangenheit herunterzuspielen. Und auch der Bayern-Trainer ist um Freundlichkeit bemüht: "Matthias genießt das Vertrauen der Spieler, des Präsidiums und der Fans. Er wurde ins kalte Wasser geschmissen, aber Matthias wird sich freischwimmen und einen hervorragenden Trainer abgeben." Ottmar wie er leibt und lebt. So ist er eben. Ganz Gentleman – verbindlich bis zum Abschalten der letzten Kamera... Doch zurück zum Spiel, auch wenn es schwerfällt.
Diese Klatsche ist eigentlich nur schwer zu begreifen, denn Borussia startete furios! Schon in der 2. Minute hatte Heiko „die gelbe Tonne“ Herrlich den BVB vor 62.000 verdutzten Zuschauern bereits in Führung gebracht. Der Dortmunder aus Marten, Torsten Fink erinnerte sich offenbar seiner Herkunft und spielte den Ball Maßgerecht in den Lauf des Goalgetters, der dann Sforza wie einen Schuljungen „ausbremste“ und unhaltbar zu seinem siebten Saisontor im langen Eck versenkte. Was für ein Auftakt!
BVB scheitert erneut an eigener „Unzulänglichkeit im Abwehrbereich“
Das müsste dem BVB doch eigentlich die nötige Ruhe verleihen, sollte man meinen. Und es geht weiter im Minutentakt. Zunächst erfreuten beide Teams die Fans durch kämpferischen Einsatz und mit zum Teil wirklich schönen Spielzügen. Scholl´s Freistoß, wird von Heinrich´s Kopf aufs Tornetz abgefälscht. Ecke, Elber läuft dem „japanerfahrenen“ Nijhuis weg, verlängert mit dem Kopf auf den kurzen Pfosten und der natürlich völlig ungedeckte „Brazzo“ Salihamidzic kann die Pocke mit dem „Knie“ ins Tor lügen (7.). In der 10. Minute erfolgt dieses Spielchen dann genau umgekehrt. Salihamidzic, diesmal als Vorbereiter tätig, natzt den mittlerweile untragbaren Dedé an der Eckfahne und kann dann in aller Ruhe präzise auf Giovane Elber flanken, der per Kopf abnimmt. Danach das alte Bild der vergangenen Wochen. Der BVB außer Rand und Band im Abwehrbereich. Zuordnungen? Fehlanzeige? Außer Wörns, im immer grünen Duell mit dem Ex-Werksklubkollegen „ich falle schnell“ Sergio, einmal mehr Torso. In der 20. Minute läuft Elber mit dem Leder am Fuß(!) 60 Meter zwar von 4 schwatzgelben umkreist, aber dennoch unbehelligt über den halben Platz, bevor er dann rechts raus zum alles überragenden Hassan Salimamidzic legt, der sieht den ganz freien Scholl auf der anderen Seite, der sofort abzieht. Lehmann wehrt per Grätsche zunächst ab und Scholli flankt butterweich auf Elber, der unbedrängt an die Latte köpft. Unglaubliche Szenen spielen sich da ab...
Nicht, dass man glaubt, der BVB wäre zu diesem frühen Zeitpunkt schon aus dem Spiel gewesen, nein er hatte durchaus auch weiterhin seine Chancen. Unmittelbar im Gegenzug schlenzt der bisweilen wenig entschlossen wirkende „Billy“ Reina einen Ball auf das lange Eck von dem auch diesmal wieder „total übermotivierten Fanatiker“ im Bayerntor. Doch der zeigt entschlossen, wofür man einen Torwart wirklich braucht, nämlich auch für die sogenannten „Unhaltbaren!“
In der äußerst temporeichen Partie mit Chancen auf beiden Seiten brachte dann ausgerechnet der „Zwerg im Luftkampf“ Mehmet Scholl die Vorentscheidung (39.), als er nach einer präzisen Vorlage vom Monegassen Willy Sagnol mit einem Kopfball aus kürzester Distanz erfolgreich war. Die linke Außenbahn des BVB war wieder einmal zum Tag der offenen Tür „sperrangelfrei geöffnet“.
Bei Borussia wird „vorn drin“ zu wenig vollstreckt!
Kurz vor der Halbzeit dann dribbelt „Billy“ in seiner besten Szene durch gleich vier Münchner mitten hindurch und visiert aus 5 Metern(!) das lange Eck an, doch „Wahnsinnskandidat Kahn“ klärt durch Spreizschritt noch so eben. Das hätte noch einmal ein Signal zum Sturmlauf für die zweiten 45 Minuten bedeuten können, aber so...
Die einzigen erwähnenswerten Taten nach dem Wiederanpfiff, sind die von Schiedsrichter Hartmut Strampe, der den Borussen zwischen der 46. und 48. Minute 3 gelbe Karten unter die Nase rieb. Wollten sie da etwa fehlende Aggressivität des ersten Durchgangs nachholen? Obwohl es die Bayern vor allem in der zweiten Halbzeit etwas gemächlicher angehen ließen, kamen die immer träger werdenden Dortmunder zu keinen nennenswerten Chancen.
In der 59. Minute fiel dann folgerichtig zum Spielverlauf auch Scholls zweiter Treffer, diesmal aber ausnahmsweise durch eine Standardsituation: Der Nationalspieler zirkelte einen Freistoß aus rund 22 Metern sensationell wie unhaltbar ins Tordreieck. Der passte! Vier Minuten später war die Dortmunder Hintermannschaft, in der Alfred Nijhuis von Anfang an mit dem quirligen Giovane Elber hoffnungslos überfordert war und Christoph Metzelder seinem Gegenspieler Scholl alle nur erdenklichen Freiheiten ließ, wieder einmal nicht im Bilde: Nach einem Freistoß von Michael Tarnat, der von Lehmann bravorös an den Pfosten gelenkt wurde, beförderte Salihamidzic den Ball per Schwerenschlag in die Strafraummitte, wo sich unter ehrfurchtsvollen Blicken sämtlicher BVB-Spieler auch noch Paulo Sergio per Hackentrick in die Torschützenliste eintragen durfte (62.). Der bei den Bayern eingewechselte Zickler kam zwar noch zu weiteren Münchner Torchancen, ein Treffer blieb ihm jedoch versagt. Den Schlusspunkt unter dieses turbulente „Scheibenschiessen“ setzte erneut „Schlitzohr“ Salihamidzic (82.), natürlich wieder nach einer Standardsituation (Mein Gott, warum schlafen wir da bloß immer so unsäglich?) Lustig auch bei diesem Treffer, dass der kleine „Brazzo“ gegen den „langen Schlacks“ Addo das Kopfballduell locker gewinnt. Lehmann, statt sich auf diesen Luschenball zu konzentrieren, zog derweil lieber den ahnungslosen Elber an seinem Trikot zu Boden ins Tor und fiel gleich mit ihm rein! Auch nicht schlecht! Naja, kurz drauf kam ja auch noch der Ball zum 6:2 dazu...
Ohne „Kreativität im Mittelfeld“ sind wir nur Mittelmaß!
Im Spielaufbau, um den sich Lars Ricken im zentralen Mittelfeld zwar eifrig, aber dennoch vergeblich mühte, fehlte es – wen wundert´s – wie immer an Ideen. Und so blieb es dabei: Seit neun Jahren warten die Dortmunder vergeblich auf einen Auswärtssieg bei den Bayern. Zwischenzeitlich hatte Otto Addo (71.) noch zum zwischenzeitlichen 2:5 in der einzig erwähnenswerten Offensivaktion der 2. Hälfte für den BVB getroffen. Bitter zudem für die Borussen: Jörg Heinrich sah in der 83. Minute die Gelb-Rote Karte und musste wegen eines unnötigen Frustfouls an Scholl vorzeitig vom Platz. Leider haben wir nur EINEN Jörg Heinrich (Es war eine Vorführung heute, eigentlich wollten wir ja was mitnehmen aus München und ham den Arsch voll gekriegt...). Würden sich die selbsternannten „Herren Starspieler“ alle so reinhauen, wie der Brandenburger, dann müsste uns um Borussia nicht Bange sein. Aber leider spielen bei uns einige Spieler, die ihr Zweitligaformat nicht länger verbergen können. Schlimmer noch: Sie können spielerische Defizite noch nicht einmal durch >KAMPF< kompensieren! Die Unkonstanz der vermeindlichen „brasilianischen Flügelzangen“ (sind die wirklich aus dem richtigen Brasilien?) macht einen wahnsinnig! Es wird langsam Zeit bei uns, von „Illusionen“ Abschied zu nehmen. Willkommen im Mittelmaß! Die Sorge um einen guten Saisonverlauf hat uns alle angesichts des nächsten schweren Heimspiels gegen den „Überraschungs-Tabellenführer“ aus Berlin wohl spätestens am Freitag Abend wieder eingeholt. Da kann uns Manager-Azubi und BVB-Denkmal „Zorci“ noch so viel erzählen, um eine schlagkräftige „Nachrüstung“ (Abwehr, Mittelfeld, Sturm) kommen die Entscheidungsträger im AEG-Hochhaus in der Winterpause wohl nicht drum herum, will man das Klassenziel „Europacup“ diesmal auch tatsächlich erreichen. Und da gibt es ja auch noch den Druck durch die institutionellen Anleger, denen das eigene Hemd auch näher ist, als des Präsidenten Versprechungen...
Insgesamt hinterließ die Mannschaft - des sich langsam an den rauen Bundesliga-Alltags gewöhnenden - Chefcoach Matthias Sammer heute einen sehr konfusen Eindruck. Kein BVB-Spieler erreichte auch nur annähernd Normalform. Dies zeigt sich auch im Notenspiegel.
Statistik und Noten:
BVB: Lehmann (4), Wörns (4,5), Heinrich (4), Nijhuis (6), Metzelder (6), - Evanilson (6), Ricken (4,5), Dede (6), Addo (5,5), Herrlich (5), Reina (5) - 59. Ikpeba (-), 74. Tanko (-)
Schiedsrichter: Strampe, aus Handorf (3,5). Zückte zu Beginn der 2. Hälfte inflationär die gelbe Kartenflut aus dem Brustbeutel.
Tore: 0:1 Herrlich ( 2.), 1:1 Salihamidzic ( 7.), 2:1 Elber (10. ), 3:1 Scholl (39.), 4:1 Scholl (59.), 5:1 Sergio (63.), 5:2
Addo (72.), 6:2 Salihamidzic (83.)
Zuschauer: 62.000
Gelbe Karten: 4:4 Jeremies, Scholl, Fink, Elber – Dede, Lehmann, Addo, Nijhuis