Spielbericht Profis

Harmloser BVB leistet Überlebens-Adrenalinstoß für „Katze“ Zumdick - Ein ...itsch stellt das Spiel beinahe auf den Kopf

19.11.2000, 00:00 Uhr von:  BoKa
Spielbericht-Teaserbild
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„BVB-Allzweckwaffe“ Jörg Heinrich hat Borussia im kleinen Revierderby beim Schlusslicht VfL Bochum vor einem unnötigen Rückschlag bewahrt. Der Italien-"Heimkehrer" rettete dem BVB beim 1:1 (0:0) mit seinem zweiten Saisontor wenigstens einen Zähler im Kampf um den Anschluss an die Tabellenspitze, nachdem der Tabellenletzte 12 Minuten zuvor durch einen ihrer zahlreichen ...isch, nämlich Zdravko Drincic´s Sonntagsschuß äußerst schmeichelhaft in Führung gegangen war.

Ein sehr zerfahrener Beginn, beide Mannschaften begannen die Anfangsviertelstunde äußerst nervös. Vor allem dem VfL war der "Druck anzumerken", wie Präsident Werner Altigoer bereits in der Halbzeit feststellte. Borussia bekam mit zunehmender Spieldauer allerdings das Spielgeschehen immer besser in den Griff. Bereits nach zehn Minuten hätte Otto Addo zu einem seiner gefürchteten Dribblings in den Strafraum ansetzen können, überlegte es sich anders und passte stattdessen ins Niemandsland. Drei Minuten später zog der wieder einmal konstant gut spielende Lars Ricken aus 20 Metern ab – drüber.

Der BVB blieb dran. So verpasste Otto Addo nach 22 Minuten einen Querpass von Lars Ricken, und wenig später versagten dem 25-jährigen freistehend die Nerven (36.). Dazwischen ein Freistoß des zweiten gebürtigen Dortmunders im Team, Christian Nerlinger (25.) und der Schlußmann des „Vereines für Leibesübungen“ , Rein van Duijnhoven, bringt gerade noch eine Hand an´s Leder. Sieben Minuten später noch einmal Nerlinger, aber der Keeper „der Grauen“ taucht ab. Nur eine Minute später erstarb den etwa 8 - 10. 000 BVB-Fans der Torschrei auf den Lippen, denn nach einer Stevic Flanke (vermutlich die einzige, die ´beinahe´ ankam!) rauschten gleich Ikpeba und Heinrich im 5´er am Ball vorbei. Das sah alles sehr gefällig aus, was die Jungs da spielten.

Heinrich und Mandreko
Heinrich und Mandreko

Der wiedergenesene Bochumer Yildiray Bastürk, der nach auskurierter Fußverletzung in die Mannschaft zurückkehrte, war sehr zum Leidwesen von Kilometerfresser „Micky“ Stevic sehr engagiert um Ordnung im Spiel seiner Mannschaft bemüht. In der 35. Minute allerdings hatte er mit einer schönen Körpertäuschung Wörnsi düpiert und droppte die Kugel mit Vollspann an´s Außennetz. In der Offensive bewies der VFL ein um´s andere mal eindrucksvoll, warum man ohne den in Ungnade gefallenen Achim Weber, den schwächsten Sturm der Liga stellt. Drincic, der erneut den Vorzug vor dem südafrikanischen Nationalspieler Delron Buckley erhielt, und Maric (der kleine Bruder vom Wolfsburger Tomislav, an den sich die Kickers Stuttgart-Fahrer im letztjährigen DFB-Pokal-Achtelfinale noch ungern erinnern), waren in der Regel abgemeldet. Auf der anderen Seite verpasste im Gegenzug der sehr starke Brasilianer - der schnell wie ein Zug ist - Evanilson mit einem fulminanten Pfostenschuss die mögliche und zu diesem Zeitpunkt gerechte Halbzeitführung. Und auch Ikpeba war in der 44. Minute nach Ricken Pass in die Gasse knapp zu spät.

Rein van Duijnhoven
Rein van Duijnhoven

Bochums holländischer Schlussmann van Duijnhoven war bester Bochumer. Gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit rettete der Keeper erneut zweimal gegen den wieder total flatterhaften Otto Addo, der wiederum nach Klassevorarbeit von Ricken alleine vor ihm auftauchte (47.). Der Aufsteiger aus der kleinen Nachbarstadt überzeugte lediglich durch überharten Einsatz und Kampfgeist, durchdachte Kombinationen blieben aber Mangelware. Bei Borussia sah das da schon anders aus. Unzählige gute Aktionen fielen dadurch aber leider der typischen Bochumer Abstiegs-Angst-Zweikampfhärte anheim!

Im Abstiegskampf steigen die Nachbarn immer hart ein

VfL-Coach Ralf Zumdick
VfL-Coach Ralf Zumdick

Schiedsrichter Jürgen Aust aus Köln hatte viel Mühe, die Emotionen im mit 33.000 Zuschauern ausverkauften Ruhrstadion zu kontrollieren. Schon nach 20 Minuten hatte Aust drei Gelbe Karten verteilt und gleich mehrfach auch in strittigen Situationen ein Auge zugedrückt. Das führte dazu, dass die verletzten Dortmunder Profis Fredi Bobic, Christoph Metzelder und Sunday Oliseh, die sich lautstark an der Außenlinie ereifert hatten, vom Unparteiischen zu Beginn des zweiten Abschnitts von der Trainerbank in den Innenraum geschickt wurden.

Der BVB hatte in Aparacido Evanilson und dem eifrig-lauffreudigen Lars Ricken (hatte sich noch vor dem Spiel wegen einer Zerrung der Bauchmuskulatur spritzen lassen!) seine stärksten Akteure. Die offensiv ausgerichteten Dortmunder präsentierten in einer Partie mit „typischem Derbycharakter“ die insgesamt reifere Spielanlage und kontrollierten das Geschehen über weite Strecken. "Wir haben das Spiel klar beherrscht, mussten am Ende aber noch froh über das Remis sein", zog BVB-Trainer Matthias Sammer sein Fazit. „Ecken- und Freistoßkönig“ Miroslav Stevic meinte dagegen: "Mit dem Punkt können wir nicht zufrieden sein." Nach dem sechsten sieglosen Spiel in Folge hat sich die Krise beim VfL Bochum weiter verschärft. Trotz des verpassten Erfolgserlebnisses und der weiter angespannten Tabellensituation hält der VfL weiter an dem in der Diskussion stehenden Trainer Ralf Zumdick fest. "Er steht nicht zur Debatte", hatte Präsident Werner Altegoer bereits in der Halbzeitpause erklärt. Matthias Sammer ergriff noch in der Pressekonferenz für „Katze“ Partei und stellte sich demonstrativ hinter den umstrittenen Coach, worauf Zumdick spontan meinte: „Du wirst mir immer sympathischer!“

Siegen für Herrlich !

Heiko Herrlich
Heiko Herrlich

Matthias Sammer hatte allerdings ansonsten auch kaum Variationsmöglichkeiten. Ohne mehrere Leistungsträger und mit fünf Amateuren auf der Auswechselbank ließ der Sturm die nötige Konsequenz vor dem gegnerischen Tor vermissen. Und ganz besonders schmerzlich wurde gerade hier ein echter Centerspieler wie Heiko Herrlich vermisst (Die Fans sangen immer wieder: >Siegen für Herrlich< und skandierten minutenlang unüberhörbar seien Namen!). Überhaupt: An unseren Fans hat es sicherlich nicht gelegen. Die stimmgewaltige Unterstützung suggerierte phasenweise den Eindruck, als wäre das Westfalenstadion wieder schnuckelig klein und flach und wir wären zu Hause...

Apropos zu Hause: Einziges Manko und größtes Ärgernis zugleich, war wiedereinmal die mangelnde Chancenverwertung im Dortmunder Spiel. Nach der Pause berannte der BVB zu ungestüm das Bochumer Tor, konnte jedoch klarste Überlegenheit abermals nicht in zählbare Erfolge ummünzen. Und so kam es, wie es kommen musste. In der 75. Spielminute traf stattdessen auf der Gegenseite Ersatzmann Zdravko Drincic mit einem herrlichen Sonntagsschuss (jeder Borusse fühlte sich sogleich an Jens Nowotny beim Spiel in LEV erinnert) nach Flanke von Mario Maric (den Wörns in aller Seelenruhe flanken ließ) zum glücklichen und schmeichelhaften 1:0. Ausgerechnet hier hatte der ansonsten sehr starke Evanilson einmal nicht aufgepasst! Aber Borussia warf alles nach vorne. Und dem eifrig rackernden Jörg Heinrich gelang dann in der 87. Minute doch noch der hochverdiente und viel umjubelte Ausgleichstreffer. Nach feinem Anspiel des erst 17-jährigen „Emma“ Krontiris gelang ihm ein strammer Tunnel bei „Käsestulle“ van Duijnhoven!

Der dennoch maßlos enttäuschte und immer wieder mit der Fassung ringende Heinrich versprach unmittelbar nach Abpfiff: „Jetzt tun wir´s für Heiko eben gegen Wolfsburg“. So sei es.

Victor Ikpeba
Victor Ikpeba

Fazit: Schon wieder einmal kostet den BVB seine mangelnde Chancenverwertung drei sichere Zähler. Ein schon 75 Minuten sicher geglaubtes Spiel, wird beinahe durch ein „Tor des Monats“ gegen uns entschieden. Es fällt auf, dass der letzte, der finale Pass vor der Hütte nicht ankommt. Unterstellen wir aber mal, dass das so wär, es fehlt auch absolut an einem Vollstreckertypen! Ohne richtigen „Knipser“ (wertfrei verwendet, ohne an Harry Decheiver erinnern zu wollen) gehen uns einfach zu viele Punkte schon jetzt durch die Lappen und es darf bezweifelt werden, dass die in einer „stürmischen Rückrunde“ alle wieder rein geholt werden können!

Dennoch: Susi, mach wat! Sonst gibt et bald Mords Ärger anne schwatzgelbe Front...

Aufstellung:

Borussia Dortmund
Lehmann (3) Kohler (3) Evanilson (2) Wörns (3,5) Stevic (4,5) Heinrich (2,5) Nerlinger (4) 84. Krontiris (-) Ricken (2) Addo (5) 78. Tanko (-) Guiseppe Reina (4,5) Ikpeba (4)

Zuschauer: 33000 (Ausverkauft)

Schiedsrichter: Jürgen Aust (Köln) 3,5 zwar immer auf Ballhöhe, hätte aber insgesamt die ruppige Bochumer Gangart konsequenter ahnden und Dickhaut rot geben müssen

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