Emotionslose Borussia verliert 0 : 2 gegen „Ruuuudi“
Es bleibt dabei: Wenn „Ruuudi-Nationale“ ein Team betreut, wird gesiegt! Doch bei seinem Debüt als Bayer-Interims-Trainer gegen Borussia, war ihm sein Unbehagen merklich anzusehen. „Glauben Sie mir“ - sagt Völler - „ich habe mich in meiner Haut heute nicht wohl gefühlt. Wir waren alle geschockt und hatten eine kurze Nacht.“ Bayer hält damit Kontakt zur Bundesliga-Spitzengruppe. Für Borussia, die einfach in Leverkusen nie was holt, ist diese unnötige 0 : 2 Niederlage nach drei Siegen und einem Unentschieden die erste Auswärts-Niederlage und für „Trainernovize“ Matthias Sammer ein „leichter Dämpfer“ auf einem allerdings weiterhin guten Weg.
Die Werkself aus Leverkusen, die erst am Mittag von der Demission ihres Trainers erfahren hat, ließ dennoch am Abend im kleinen Mc Donalds-Stadion vor - wie immer - ausverkaufter Hütte alle Kritiker ihrer gegenwärtigen Verfassung verstummen. Gegen eine harmlose Dortmunder Borussen Elf zeigten die Mannen von Interims-Coach Rudi Völler, dass mit dem Vizemeister trotz der Schlappe gegen Real Madrid entgegen allen Unkenrufen weiter zu rechnen ist. Dazu reichte den Hausherren zwar eine durchwachsene Leistung, doch sie überzeugten durch eine cleveres Stellungsspiel zwischen Offensive und Defensive. Da beide Teams mit einer Viererkette angetreten waren, entwickelten sich langweilige „italienische Verhältnisse“ rund um das sich neutralisierende Mittelfeld. Die Leverkusener Spielzüge verliefen zumeist schnell und geradlinig, bei Angriffen der Borussen fanden sich blitzartig alle im und um den eigenen Strafraum ein und versperrten den mehr und mehr umständlich agierenden BVB-Stürmern alle Wege zum Tor. Die fünf „Granateinschläge“ von Madrid, sie sind für das Farbenteam offenbar nicht ohne Wirkung geblieben
Die angereisten BVB-Fans hatten zunächst ihr Kommen nicht bereut, denn es entwickelte sich ein temporeiches Spiel, voller Technik und atemberaubender Torszenen von Anfang an. Bereits in der 5. Minute zirkelte Ze Roberto eine Ecke so scharf in den Dortmunder Strafraum, dass der Ex-Leverkusener Wörns an alter Wirkungsstätte die Kugel an die eigene Latte köpft. Bereits eine Minute später haut Kirsten volley aus sechs Metern drüber. Dann Sturmspitze Brdaric allein vorm BVB-Tor – Lehmann wehrt zur Ecke ab (17.). Und der sollte noch von sich reden machen: Helle Aufregung bei den Schwatzgelben in der 23. Minute: Erneut der eifrige Brdaric, der plötzlich allein vorm Tor auftaucht und zunächst an BVB-Hüter Lehmann scheitert, der in bekannter Manier den Ball prallen läßt und Brdaric die erneute Chance zum Nachsetzen ermöglicht. Lehmann greift mit der Hand nach dem Ball und touchiert möglicherweise das Bein des Bayer-Stürmers. Der stürzt daraufhin theatralisch. Doch Dr. Fleischer weigert sich hartnäckig, dem Leverkusener die gelbe Karte wegen übler Strafstoß-Schinderei zu zeigen. Die beste Phase entwickelt sich Mitte der ersten Halbzeit, als dann Kirsten mutterseelenallein von rechts über die gesamte „indisponierte“ Dortmunder Abwehr flankt. Auf der linken Seite rauscht der überragende „80 Millionen-Mann“ Jens Nowotny heran, nimmt den Ball aus zehn Metern durch einen sehenswerten Volleyschuss mit links direkt ab und hämmert zum 1:0 für Bayer in die Maschen! Diese Führung war hochverdient, zumal der BVB die Zuordnung in der Abwehr da bereits völlig verloren hatte. Allein 3 freistehende Bayerspieler hätten den Treffer unbehelligt markieren können!
Sofort mit dem direkten Wiederanpfiff (warum eigentlich immer erst dann?) legt der BVB einen Gang zu und hat Top-Chancen. Die beste davon in der 27. Minute: Der wieder einmal im Offensivspiel auf der ganzen Linie enttäuschende Sunday Oliseh schlägt die 1. BVB-Ecke von rechts, wuchtiger Kopfball-Hammer von Wörnsi aus fünf Metern – und eine Sensations-Parade von Ersatzkeeper Adam Matysek. Sofort im Anschluß daran zieht Dedé aus der 2. Reihe ab, aber Matysek taucht rechtzeitig herab. In dieser wohl besten Phase bleibt der immer wieder von Jörg Heinrich angetriebene BVB am Drücker, spielt sich aber keine zwingenden Chancen heraus. Heinrich hat dann die 100 % ige Ausgleichschance, köpft aber einen Aufsetzer aufs Tornetz (29.). Zwei Minuten später hätte dann der überraschend aufgebotene Lars Ricken „berühmt“ werden können, aber zur Verwertung der sehenswerten Hereingabe, wiederum von Heinrich, fehlen ihm halt 10 Zentimeter Körpergröße...
Die Leverkusener Fans intonieren inzwischen „Ihre Version der Schmuddelaffaire“ und huldigen dem geflohenen Ex Trainer Daum auf außergewöhnliche Weise. Die Antwort aus dem BVB-Block ließ nich lange auf sich warten: „Wir wollen den Kokser sehen!“ Überhaupt: Es gibt zur Halbzeit duzende Gründe, warum Borussia jetzt den Spieß umdrehen wird, Hauptsache, man glaubt daran...
Denn beim Rausgehen aus dem Kabinentrakt, müssen unsere Spieler wohl ihre Fähigkeiten vergessen haben, denn es spielt nur noch die traditionslose Werkself in Richtung BVB-Zerberus Lehmann. Bereits in der 54. Minute zwingt ihn der „Vorgartenzwerg“ Oliver Neuville zu einer weiteren Glanztat! Am langen Pfosten vorbei, rauschte noch sein 2. Versuch (56.), aber in der 61. Spielminute durfte der dann schon minutenlang übende, wiederum per Kopfball zum 2:0 einnicken. Wieder begünstigte ein Missverständnis von dem lethargischen Reina und dem heute überforderten „Shootingstar“ Metzelder einen vermeidbaren Anfänger-Gegentreffer. Ausgerechnet dieser „blinde Vogel“, der nicht mal den „Frankfurter Messeturm“ treffen würde, wenn der am Boden läge...
Borussia Dortmund hat die erste Auswärtsniederlage in dieser Saison kassiert - und ein konzeptloses Spiel hingelegt. Besonders die Offensive enttäuschte bei der Elf von Matthias Sammer. Der Wille war zwar erkennbar, aber nicht zwingend. Besonders der agile Jörg Heinrich erstaunte durch sein unermüdliches Laufpensum. Sunday Oliseh und Otto Addo vermögen es nicht, dem BVB-Mittelfeldspiel einen Hauch von Kreativität zu verleihen, Lars Ricken (der stark anfing!), Nebenherläufer „Billy“ Reina und Leonardo Dede hingegen gelang vorne mehr als wenig; zumeist rotierten sie hilflos um den Mittelkreis herum. Torgefahr? Fehlanzeige! Auch in seinem 8. Jahr beim BVB fand Ibrahim Tanko einmal mehr als Stürmer de facto gar nicht statt und auch die überfällige Einwechslung von unserem Top-Torjäger Heiko „die gelbe Tonne“ Herrlich, kam viel zu spät, um noch was reißen zu können.
Fazit: In der vergangenen Woche rühmten sich wiederholt einige Spieler stets damit, dass man ja durch überragende konditionelle Fitneß in der Schlussphase noch gewaltig zulegen könne. Aber wo waren denn die Angriffsbemühungen in der 2. Halbzeit? Nie war es leichter für eine Dortmunder Mannschaft in Leverkusen zu gewinnen. Irrungen und Wirrungen des Gegners haben wohl eher unsere Profis benebelt, anders kann man die Passivität im 2. Durchgang nicht erklären. Zumal Sammer jedem der Seinigen am Dienstag ausdrücklich mit auf den Weg gegeben hatte, die UEFA-Champions-League-Übertragung aus dem Santiago de Bernabeu einzuschalten. Diese saudumme Schlappe allein mit dem „Mythos Völler“ erklären zu wollen, hieße Eulen nach Athen tragen zu wollen...
Statistik
Bor. Dortmund: Lehmann (3) - Wörns (4,5), Kohler (4), Metzelder (4,5), Heinrich (3) - Ricken (4), Oliseh (5), Reina (5), Dede (5)- Bobic ( - ) , Addo (4,5) - 16. Tanko (5,5) für Bobic, 63. Herrlich ( - ) für Ricken
Tore: 1:0 Nowotny (26.), 2:0 Neuville (62.)
Schiedsrichter: Dr. Fleischer (Ulm) Note 3, leitete unauffällig, war immer auf Ballhöhe und fiel nicht auf die Schwalbe von Brdaric rein
Zuschauer: Nur 22500 (ausverkauft)